Die freie Meinung

Nach unserem Kurzurlaub an der Mosel, begann für mich wieder meine Arbeit und die Abendrealschule, in der ich mich, bis auf die Mathematik, verbessert hatte und es keine bedrohlichen Beanstandungen mehr gab. Trotzdem gab es für mich einen Aufreger, den ich bis heute nicht vergessen habe.

Im Fach Deutsch, in dem ich mich zu Hause fühlte, alleine schon wegen der vielen klassischen Stücke die wir nachspielten, weil jeder aus den Reclam Heftchen eine Rolle übernehmen musste, und ich mich mit allem Eifer in diese Rolle stürzte und Spaß daran fand sie so präsent wie möglich darzustellen.

So kam es, dass unser Lehrer ein Stück von Carl Zuckmayer vorschlug: „Des Teufels General.“ Wir nahmen den Text durch, dann übernahm jeder seine Sprechrolle und in den nächsten Tagen vertieften wir uns immer mehr in die Wirren und Abgründe des Dritten Reiches, in seine Protagonisten, den Verführern, den Intriganten, Verfemten und den Fanatikern.

Wenn ich den Text las, kam es mir vor, als tauchte ich ein in dunkle Nebel, in eine Welt fast ohne Licht, in der nur Angst herrschte. Gleichzeitig aber war diese fremde Welt faszinierend und spannend und so unwahrscheinlich, dass ich manches Mal glaubte, alles das habe es in der Realität nicht gegeben.

Aber natürlich holte mich die Erinnerung ein, aus meinen Kindertagen, als Mutter und Vater mir von dieser Zeit erzählten, alles hatte sich tatsächlich so abgespielt.

Als das Stück besprochen und durchgespielt war, verlangte der Lehrer von uns eine Stellungnahme zum Stück in schriftlicher Form, denn die entscheidende Frage, um die es ging lautete, war die Sabotage an den Flugzeugen der Deutschen Wehrmacht gerechtfertigt oder nicht?

Das Hauptmotiv des Stückes handelte genau davon, dass die neuen Flugzeuge, die an die russische Front geschickt wurden, ein Leitwerkproblem aufwiesen, von dem der leitende Ingenieur wusste, es aber niemanden berichtete, weil er die Nazis hasste.

Wir sollten unsere Meinung in schriftlicher Form verfassen und so machten wir uns an die Arbeit. Ich sprach mit meiner Frau darüber. "Monika, schaue dir doch bitte die Interpretation meines Stückes an, was sagst du dazu?"

Als sie es las, wusste ich, weil sie dabei ihren Kopf hin und her bewegte, dass es schwierig werden würde. "Weißt du, dass ist kein leichtes Thema. Zuckmayer hat es ja nicht ohne Grund so geschrieben, er wollte, dass sich die Menschen daran reiben, du wirst dich wappnen müssen, das ist Diskussionsstoff, mache dich auf einiges gefasst."

Aber für mich gab es keinen Zweifel, dass es nicht gerechtfertigt war, einem Soldaten, der an der Front Dienst tun musste, eine Waffe in die Hand zu geben, mit der er sich nicht verteidigen konnte.

"Sieh mal Monika, er hat Kinder und Familie und in diesem Wahnsinnskrieg, den er ja nicht zu verantworten hatte, musste er zumindest eine gewisse Chance haben, mit heiler Haut aus diesem Krieg zurückzukehren."

"Ja, das verstehe ich doch, aber man muss das natürlich auch im Kontext sehen, das 3. Reich war ein Verbrecherregime, Menschenleben spielten doch bei denen keine Rolle, jeden Tag starben tausende an der Front, da war es doch das reine Glück, wenn man ungeschoren davon kam."

"Aber das ist es doch gerade, was ich meine, sagte ich zu ihr. "Mit einer Waffe, mit der man nichts anfangen kann, oder wie im Falle des Flugzeuges, mit dem man in den sicheren Tod flog, kann doch von Chancengleichheit keine Rede sein, deshalb lehne ich diese Art der Sabotage ab." Sie schaute mich an und zuckte mit den Schultern.

Nach Abgabe meiner Darlegungen vergingen noch ein paar Tage bis zum nächsten Deutschunterricht. Die eingegangenen Berichte wurden von einzelnen Schülern vorgetragen und zu meiner Überraschung, hatten fast alle Mitschüler eine andere Meinung zu den Sabotageakten als ich.

Diesem Regime musste das Handwerk gelegt werden hieß es da, der Krieg musste abgekürzt werden und wenn es auch um den Preis von Menschenleben ging, die eigentlich mit den Umständen nichts zu tun hatten.

Diesen Blutzoll musste man mit einkalkulieren, denn, so die Meinung der Mitschüler, ging es um mehr als nur um ein paar Menschenleben, hier ging es darum, das verbrecherische System von innen heraus zu infiltrieren, weitere Verbündete zu finden und den Machtapparat in die Knie zu zwingen.

Ich argumentierte aus der Sichtweise des Soldaten, der sich zu Hause verabschiedete und seiner Familie versprach auf sich aufzupassen, er würde bald wieder zu Hause sein. Er wusste ja nicht, dass er keine Chance hatte, dass er eigentlich schon tot war, als er das Haus verließ.

Es mussten andere Sabotagemöglichkeiten geben, ohne Einsatz von Menschenleben unter den Soldaten, sollte sie doch die Produktionsmaschinen zerstören oder Dampfkessel, in die Luft sprengen. Die Transportmittel, wie Schiffe oder Eisenbahnen, lahmlegen.

So gingen die leidenschaftlich geführten Debatten hin und her und es passierte, dass uns die Putzfrau tief in der Nacht rausschmiss, weil wir noch immer im Klassenzimmer saßen und heiß diskutierten.

Wieder vergingen Tage und längst hatten wir uns dem Schimmelreiter zugewandt, das war ein ganz anderer Stoff und so verschwand der düstere Nebel, der die Geschichte des Teufelsgenerals umgab, meinem Gedächtnis.

Aber dann, wieder einige Tage später, bekamen wir die Benotung unserer geschriebenen Darlegungen. Meine Benotung war von einer Zwei auf eine Vier zensiert worden, was mich erstaunte. Der Lehrer hatte auch gleich eine Erklärung zur Hand. Die Nachbenotung sei vom Direx persönlich vorgenommen worden.

Auf meine Frage, was denn der Grund für diese Benotung sei, druckste der Lehrer herum, gab dann aber zu, dass der Rektor mit meiner Ansicht nicht einverstanden sei. Ich glaubte, ich träumte, was war das doch für ein Idiot, ging es mir durch den Kopf.

Die Aufgabenstellung war doch eindeutig und vom Lehrer vorgegeben worden, wie konnte er sich erdreisten meine freie Meinung so zu missachten? Er konnte doch nicht seine persönliche Einstellung als Maßstab benutzen ? Ich beriet mich mit meinem Lehrer, was konnte ich tun?

Eines war klar, ich würde die Sache auf keinen Fall auf sich beruhen lassen.

Der Lehrer riet mir, mich an den Pfarrer zu wenden, er sollte mich unterstützen und mit mir gemeinsam beim Direx vorsprechen. So richtig ging mir die Sache nicht ein, an einen Pfarrer wenden, ich hatte mit der Kirche nicht zu tun und was sollte der Pfarrer schon großartiges an Argumenten ins Feld führen können, was mir helfen sollte?

Eigentlich wollte ich die Sache selber erledigen. Doch der Klassenlehrer meinte nur: „Sie brauchen jemanden als Fürsprecher, beim Rektor der Schule kommen sie ohne einen Verteidiger nicht weiter und das Wort des Pfarrers hat bei ihm Gewicht, sie werden schon sehen.“

So kam es also, dass ich, den Pfarrer im Schlepptau, mit dem ich tags zuvor gesprochen und ihm die Situation geschildert hatte, auf dem Flur vor dem Direktorat wartete.

Zu meine Überraschung hatte sich der Pfarrer als ein verständiger Mensch offenbart, er konnte meinen Argumenten folgen und mit der Zeit schien dieser Funke übergesprungen zu sein, der beim Pfarrer ein kleines Feuer entfachte und ihn veranlasste, wie ein Hochspringer, der sich an eine neue Höhe heranwagte, nach Bestätigungen zu suchen, mit der er die Rechtfertigungen des Rektors überwinden konnte.

Ich hatte tatsächlich ein wenig das Gefühl, die richtige Wahl getroffen zu haben.

So saßen wir beide einträchtig auf der Bank, im Flur vor dem Rektorat, und warteten auf Einlass. Als wir dem Direktor dann gegenüber saßen, Endfünfziger, korrekt gekleidet, blasses Gesicht, volles dunkles Haar, markante Züge und Augen, die sich, was schulische Belange anging, sicherlich schon vieles hatten ansehen müssen, wurde die Trennlinie zwischen uns durch den breiten Schreibtisch, auf dem sich Unterlagen in unterschiedlichen Höhen stapelten, überdeutlich.

Da begrüßte er uns freundlich, reichte uns die Hand, lehnte sich dann zurück, hielt in der linken Hand sein Brille in Augenhöhe, blickte uns abwechselnd an, bereit wie ein Jäger der sich noch einmal die Lichtung anschaute, um dann sein Gewehr in Anschlag zu nehmen.

Er lächelte, und mit einer gefälligen Handbewegung überließ er uns den „Aufschlag.“

Der Pfarrer übernahm die Ansprache und verwies auf den Grund unseres Hierseins, kam dann auf das leidige Thema zu sprechen, der Darstellung über „Des Teufels General“ und ich bemerkte, je länger er sprach, in der Form wie er meine Position in diesem Szenario darbrachte, dass er sich von mir zu entfernen schien, ja, wie er sich langsam aus der Verantwortung, die er doch hatte übernehmen wollen, wegzustehlen versuchte.

Grund mochte wohl der Blick des Rektors gewesen sein der ihn unverwandt anschaute, ruhig, souverän, überlegen. Fast schien es so, als wollte sich der Pfarrer entschuldigen, dafür, dass wir ihn, den Direx, in dieser Angelegenheit überhaupt angesprochen hatten. Schließlich war der Schreibtisch voll mit unerledigter Arbeit und wir saßen hier und stahlen diesem bedauernswerten Menschen die Zeit, mit irgendwelchen Darlegungen einer unbedeutenden Klassenarbeit.

Der Direx hatte jetzt das Wort übernommen, er bedankte sich höflich für die Einleitung beim Pfarrer und begann dann mit seiner Darlegung des Sachverhaltes.

„Sehen sie meine Herren, um auf das Thema „Des Teufels General“ sprechen zu kommen, also grundsätzlich ist ja zu ihrer Darlegung erst einmal nichts einzuwenden." Er lehnte sich zurück, schlug die Beine übereinander.

"Was mich dazu bewogen hat ihre Benotung zu revidieren, gehört alleine der Gedanke, dass sie sich, was die Situation des Dritten Reiches angeht, in diese Thematik, meiner Meinung nach, nicht tief genug eingearbeitet haben." Ich sah ihn erstaunt an. "Entschuldigng, aber das war meine Klassenarbeit, mit der habe ich mich tagelang beschäftigt", erwiderte ich. Der Direx ließ sich von meinem Einwand nicht beirren und fuhr fort.

„Sehen sie sich doch die erste Szene an, als General Harras von einem jungen Fliegeroffizier gefragt wird: „Glauben Sie an Gott?“, Harras entgegnet: „Er ist mir nie begegnet, aber das lag an mir, ich wollte ihm nicht begegnen. Er hätte mich vor Entscheidungen gestellt, denen ich ausweichen wollte.“

Die Brille in seiner Hand vollführte leichte Drehbewegungen. „Herr Pfarrer, sie werden mir Recht geben, Gott kann man aber nicht außen vorlassen.“

Der Pfarrer nickte wohlwollend und in mir wuchs die Wut. „Sehen sie junger Mann“, begann er von neuem, „General Harras ist ein Besessener, er ist kein Mann der Entscheidungen, er will nur seiner Leidenschaft frönen und die heißt fliegen.“

Ich schaute ihn an und entgegnete: „Meines Erachtens nach geht es darum eigentlich nicht, es geht doch letztendlich um die Frage, ob der Zweck die Mittel heiligt, kann ich es verantworten, dass Unschuldige sterben um ein Regime zu stürzen?“

Er sah mich an und ich erkannte seine Überlegenheit, er war geschult in Dialogen wie diese, in tausenden von Gesprächen, wenn es um die Versetzung eines Pennälers ging oder bei Bestrafungen von Schülern, die sich nicht an die Hausordnung hielten. In meinen Gedanken sah ich weinende Mütter, die um den Verbleib ihres Sohnes an der Schule bettelten, Ohrfeigen verteilende Väter, die sich von ihm hatten einseifen lassen, er war starrköpfig und unbeugsam, zu keinem Kompromiss bereit.

„Sehen Sie junger Mann, Harras erkennt, dass sein bester Freund, Ingenieur Oderbruch ein Saboteur ist, um ihn zu schützen und in der Erkenntnis seiner Mitschuld und mit den Worten: “Wer auf Erden des Teufels General wurde und mit ihm die Bahn gebombt hat – der muss ihm auch Quartier in der Hölle machen, besteigt er eine der defekten Maschinen und fliegt in den Tod.“

Er saß da, noch immer die Brille an einem Henkel hin und her wedelnd, rezitierte aus dem Gedächtnis. „Meiner Meinung nach hätten sie das besser herausarbeiten müssen, dann wären sie sicherlich auch zum gleichen Ergebnis wie ihre Mitschüler gekommen, entschuldigen sie mich bitte meine Herren, aber ich habe noch zu arbeiten.“

Er stand auf, ein unweigerliches Zeichen, dass unsere Audienz beendet war, ich wusste, erreicht hatte ich gar nichts. Der Pfarrer war ein Weichei, sein bestätigendes Kopfnicken, bei jedem zweiten Satz des Direx, konnte ja nur Bekräftigung sein.

Wir verlaießen nach dem Händeschütteln den Raum, die Vier unter meiner Klassenarbeit blieb bestehen. Ich war missgestimmt, nicht wegen der Vier, die würde ich locker wegstecken, aber der Direx, als Pädagoge, der meine freie Meinung missachtete, hatte mich sehr enttäuscht.
 

Klaus K.

Mitglied
Hallo Et contra nubes,

soll dieser Text jetzt eine Diskussion über Zuckmayer's "Des Teufels General" entfachen, deine Meinung dazu thematisieren? Oder soll die Geschichte die Haltung der beteiligten Personen - Lehrer, Direktor, Pfarrer, Ehefrau - bewerten? Ich lese einen Erfahrungsbericht eines Schülers über schulische Erlebnisse, die man selber wohl in allen möglichen und ähnlichen Facetten erlebt hat. Der Spannungsbogen ist sehr - extrem - flach, eine klassische "short-story" ist es nicht, es ist eher eine Erzählung. Am Ende bleibt für mich ein großes Fragezeichen. Wenn dies die Intention gewesen sein sollte, nun denn.

Die Anleihe bei einem Klassiker ist natürlich legitim. Vielleicht sogar spannend, aber nur für Zeitgenossen, die das Stück nicht kennen. Gibt es die hier wirklich?
Denn die Diskussion ("freie Meinung") darüber ist so alt wie das Stück selbst.-
Ich ertappe mich jetzt gerade dabei, wie ich Dürrenmatt's "Physiker" oben aus der zweiten Reihe hervorhole - immerhin, das hätte ich vorher sicher nicht gemacht. In diesem Sinne mit bestem Gruß, klaus k.
 
Lieber Klaus K.,
der Spannungsbogen dieser Erzählung ist nicht flach, es gibt gar keinen. Die Idee, die dahintersteht, ist doch eine ganz andere.
Es sind mittlerweile 50 Jahre vergangen, heute redet keiner mehr über dieses Stück Deutscher Geschichte. Aber damals, als ich jung war, kam es zu heftigen Kontroversen. Es ging um Klärungsbedarf, es gab heftige Kritik an Zuckmayer und seinen Inszenierungen. Das Stück wurde häufig aufgeführt und heftig diskutiert. Es ging auch um die Frage der Kollektivschuld.

Der Direx hatte den Krieg miterlebt, er hatte eine ganz andere Einstellung zu den Vorkommnissen als viele der neuen Generation. Seine Einstellung zwang ihn förmlich dazu, meine Meinung zu durchkreuzen. Ich wollte das damals nicht verstehen.

Mehr als diese Gegenüberstellung sollte es nicht sein.

Sorry, wenn es Dir nichts gesagt hat.

Gruß

Et contra Nubes
 

Haselblatt

Mitglied
Hallo Et contra nubes,

zugegeben - das Thema ist schwierig. Ich kenne das Drama, weil ich zu der Generation gehöre, die diesen Stoff ebenso wie du im Gymnasium zu verdauen hatte. Ich habe das Stück auch live auf der Bühne des Grazer Schauspielhauses erlebt, damals mit Hans-Joachim Kuhlenkampff als Gast in der Hauptrolle. Deshalb verstehe ich, wovon hier die Rede ist.
Aber jetzt zu deinem Text:

Was die rein literarische Ausformung betrifft, stimme ich mit unserem Kollegen Klaus K. überein. Auch für mich fehlt die "Pointe", die am Schluss einer Kurzgeschichte den Leser entweder mit einem zufriedenen, oder mit einem frustrierten Gefühl entlässt. Zudem halte ich die Textur in der Ich-Form für nicht optimal geeignet, um jene Botschaft zu übermitteln, von der ich glaube, dass sie dein Anliegen ist, nämlich:
Da hat jemand den Mut, eine Meinung gegen den Strom des Zeitgeistes zu äußern und wird dafür gemaßregelt und benachteiligt.
Es geht thematisch also um "Zivilcourage".

Würdest du deine Gedanken in eine Erzählung verpacken, die dieses Thema aus der Sicht des allwissenden Beobachters abhandelt, dann hättest du wesentlich mehr Möglichkeiten, deinen Standpunkt zu manifestieren. Du könntest in der Geschichte z.B. phantasievolle Nebenschauplätze ins Spiel bringen, weit außerhalb des Schulbetriebs deines Ich-Erzählers. Du könntest dem Text eine melodramatische Stilform verpassen, die im Einklang steht
a) mit dem hilflosen Zorn und Widerwillen eines jungen Mannes, der sich ungerecht behandelt fühlt, und
b) mit dem Dunkelgrau der Zeit, in der Zuckmayers Stück handelt.

Die hier vorliegende Fassung ist vordergründig eine Schilderung eines linearen Ablaufs im Schulalltag, die für den Leser keine emotionale Begeisterung erzeugen kann. Der eigentliche Kernpunkt kommt dabei viel zu kurz.
Wie gesagt: das Thema ist schwierig, hat aber das Potential zu erregen oder zumindest nachdenklich zu machen. Und das ist es ja, was du erreichen willst, oder?
 

Hera Klit

Mitglied
Lieber Et contra nubes


du betitelst deinen Text mit „Die freie Meinung“ und willst womöglich damit darauf hinweisen, dass dir von deinem damaligen Direktor Unrecht widerfuhr. Ich kann das leider nicht so sehen, denn ich bin geneigt, diesem Pädagogen recht zu geben. Eine Meinung ändert man oft, wenn man einen Sachverhalt tiefer betrachtet und es war ja die Kritik des Schulleiters an dir, nicht tief genug gedacht zu haben.

Ich selbst habe einen Großvater im Krieg verloren und deswegen habe ich die Sache, um die es hier geht, oft im Leben durchdacht. Ein Soldat ist nicht immer gleich einem Soldaten, jedenfalls in moralischer Hinsicht.

Damals war auf der einen Seite mein Großvater, geschickt von einem größenwahnsinnigen Unmenschen genannt Hitler, um andere Länder zu überfallen, die Bewohner zu töten und deren Besitz und Güter zu rauben, für ein deutsches verbrecherisches Unrechtsregime.
Ich stelle dabei durchaus in Rechnung, dass mein Großvater nicht aus freiem Willen handelte, aber nichtsdestotrotz, war sein Handeln Unrecht. Ich maße mir auch nicht an, selbst die Kraft gehabt zu haben, in dieser extremen Situation den Dienst verweigert zu haben.

Auf der anderen Seite stand ein russischer Soldat, der einen martialischen Aggressor abzuwehren hatte, der ihn und seine Angehörigen zu ermorden aufgebrochen war. Der Russe handelte in Notwehr und tat in völliger moralisch korrekter Weise seine Pflicht.

Ich muss also zugeben, es wäre gerechter gewesen, wenn das Gewehr meines Großvaters sabotiert worden wäre, als das des russischen Soldaten.

Hätten wir viele solcher Saboteure im Volk gehabt wie diesen Oderbruch, dann wäre der Angriffskrieg dieses wahnsinnigen kranken Hitler und seiner Verbrechergenossen womöglich im Keim erstickt. Deutschland hätte niemals diesen Krieg gewinnen dürfen.

Für mich ist Oderbruch der wahre Held dieses Stückes, ihn hätte Zuckmayer in den Mittelpunkt rücken müssen, nicht diesen naiven Trottel von General.
Natürlich wäre das Stück damals verrissen worden, denn kurz nach 45 hatten die Deutschen sicher nicht das Niveau erreicht, so etwas zu akzeptieren

Wenn ich mich heute im Land umschaue, frage ich mich allerdings, ob heute bei der Mehrheit die Reife vorhanden wäre Oderbruch als Held zu sehen.

Liebe Grüße
Hera
 

Haselblatt

Mitglied
@Heraklit

Einspruch, euer Ehren - denn du hast den Hintergrund des Textes offensichtlich nicht verstanden.
Der Autor beabsichtigt ja in keiner Weise, die Verbrechen der Nazis schön zu reden. Vielmehr beschreibt er die Situation eines jungen Menschen, eines Schülers, der es gewagt hat, Gedanken und Worte gegen den Strom des Zeitgeists zu erheben, und der dafür "bestraft" wird. Ich wiederhole mich ungern, aber: das Thema ist "Zivilcourage".
Es dreht sich in dieser Geschichte um die Gedanken einer Person, die offen der Nomenklatur des Meinungsmonopols entgegentritt. Das könnte auch überall sonst in der Welt gewesen sein, nicht nur im Deutschland des Dritten Reichs: In Francos Spanien, in Stalins Sowjetstaat, oder auch heute in Xi Jinpings VR China. In der NS-Zeit gab es zum Glück viele, die das genauso taten, man denke etwa an die Geschwister Hans und Sophie Scholl, die dafür mit dem Tod bestraft wurden - zu Unrecht - und heute als Helden gefeiert werden - zu Recht!
Nenne mir jetzt einen Grund, weshalb der Ich-Protagonist dieser Geschichte (der höchst wahscheinlich mit dem Autor identisch ist) für sein Verhalten gemaßregelt wird, für das andere als Helden gefeiert werden?

Über die literarische Formgebung der Geschichte habe ich mich im Beitrag weiter oben bereits ausfühlich geäußert und habe dem nichts hinzu zu fügen.
 

Hera Klit

Mitglied
@Heraklit

Einspruch, euer Ehren - denn du hast den Hintergrund des Textes offensichtlich nicht verstanden.
Der Autor beabsichtigt ja in keiner Weise, die Verbrechen der Nazis schön zu reden. Vielmehr beschreibt er die Situation eines jungen Menschen, eines Schülers, der es gewagt hat, Gedanken und Worte gegen den Strom des Zeitgeists zu erheben, und der dafür "bestraft" wird. Ich wiederhole mich ungern, aber: das Thema ist "Zivilcourage".
Es dreht sich in dieser Geschichte um die Gedanken einer Person, die offen der Nomenklatur des Meinungsmonopols entgegentritt. Das könnte auch überall sonst in der Welt gewesen sein, nicht nur im Deutschland des Dritten Reichs: In Francos Spanien, in Stalins Sowjetstaat, oder auch heute in Xi Jinpings VR China. In der NS-Zeit gab es zum Glück viele, die das genauso taten, man denke etwa an die Geschwister Hans und Sophie Scholl, die dafür mit dem Tod bestraft wurden - zu Unrecht - und heute als Helden gefeiert werden - zu Recht!
Nenne mir jetzt einen Grund, weshalb der Ich-Protagonist dieser Geschichte (der höchst wahscheinlich mit dem Autor identisch ist) für sein Verhalten gemaßregelt wird, für das andere als Helden gefeiert werden?

Über die literarische Formgebung der Geschichte habe ich mich im Beitrag weiter oben bereits ausfühlich geäußert und habe dem nichts hinzu zu fügen.

Also, bei aller Liebe, lieber Haselblatt,

den Protagonisten des Textes zum Helden zu stilisieren, nur weil er der inzwischen als richtig erkannten allgemeinen Meinung nicht zustimmen will,
halte ich für eine arg überstrapazierte Konstruktion. Man wird nicht automatisch zum Helden, nur weil man naiv ist, so einfach gestaltet es sich nun nicht, man muss schon dann noch für eine gerechte Sache eintreten.

Liebe Grüße
Hera
 
Erst einmal Danke an euch, dass ihr die Erzählung, die ich, da gebe ich Haselblatt recht, anders hätte "verpacken" müssen, unter verschiedenen Gesichtspunkten untersucht.
Ob der Direx recht hatte oder der junge Mann, steht nicht im Vordergrund. Fakt ist doch, es geht einzig und alleine um die freie Meinung. Für sich in Anspruch zu nehmen, die Meinung eines anderen zu beurteilen, nach den Maßstäben meiner eigenen Auffassung, ist das eine, sie dann aber zu benoten, weil ich dazu die Macht habe, halte ich für gefährlich. Zumal die Vorgabe des Lehrers eindeutig war. Heute werfe ich meinem Lehrer vor, dass er keine Zivilcourage besaß, er hätte sich mit dem Direx auseinandersetzen müssen. Vergessen wir bitte nicht, in der Naziepoche gab es keine freie Meinung, aus dieser Zeit stammte aber der Direx. Könnte man sich nicht fragen, ob sein Verhalten durch dieser Zeit beeinflusst wurde? Ich weiß, ist vielleicht weit hergeholt, aber der Gedanke kam mir damals.
Liebe Grüße
Et contra Nubes
 

Hera Klit

Mitglied
Erst einmal Danke an euch, dass ihr die Erzählung, die ich, da gebe ich Haselblatt recht, anders hätte "verpacken" müssen, unter verschiedenen Gesichtspunkten untersucht.
Ob der Direx recht hatte oder der junge Mann, steht nicht im Vordergrund. Fakt ist doch, es geht einzig und alleine um die freie Meinung. Für sich in Anspruch zu nehmen, die Meinung eines anderen zu beurteilen, nach den Maßstäben meiner eigenen Auffassung, ist das eine, sie dann aber zu benoten, weil ich dazu die Macht habe, halte ich für gefährlich. Zumal die Vorgabe des Lehrers eindeutig war. Heute werfe ich meinem Lehrer vor, dass er keine Zivilcourage besaß, er hätte sich mit dem Direx auseinandersetzen müssen. Vergessen wir bitte nicht, in der Naziepoche gab es keine freie Meinung, aus dieser Zeit stammte aber der Direx. Könnte man sich nicht fragen, ob sein Verhalten durch dieser Zeit beeinflusst wurde? Ich weiß, ist vielleicht weit hergeholt, aber der Gedanke kam mir damals.
Liebe Grüße
Et contra Nubes
Lieber Et contra Nubes,

ich könnte gerade noch mal mein oben Geschriebenes wiederholen. Es hat hier keine freie Meinung zu geben. Dem Protagonisten fehlte offensichtlich die nötige Bildung, um den Einwand des Direktors überhaupt zu begreifen. Der Direktor sprach ein Urteil im Dienste der Menschlichkeit und das kann nicht falsch sein. Hätte der Lehrer im widersprochen, dann hätte er sich lächerlich gemacht. Der Direktor bemängelte doch den Umstand, dass der Schüler sich nicht ausreichend in das Thema eingearbeitet hat und das ist ganz sicher richtig und offensichtlich.

Liebe Grüße
Hera
 

Haselblatt

Mitglied
@Heraklit

Sag mal, gehts noch? Bist du in der DDR aufgewachsen?
Deine Ansage schlägt ja dem Fass den Boden aus: Es hat hier keine freie Meinung zu geben... (Erich Mielke lässt grüßen).
Ich zitiere lieber den Herrn Eric Blair, den du (wahrscheinlich nicht) unter seinem Pseudonym George Orwell kennst:

Wenn Freiheit überhaupt etwas zu bedeuten hat, dann ist es das Recht, den Leuten das zu sagen, was sie nicht hören wollen!
 
Sorry Heraklit,
aber deine Meinung kann ich in keinster Weise teilen. "Es hat hier keine freie Meinung zu geben." Das halte ich für absolut absurd.
Der nächste Satz: "Dem Protagonisten fehlte offensichtlich die nötige Bildung, um den Einwand des Direktors überhaupt zu begreifen."

Liebe Heraklit, Bildung kann man nicht verordnen, sie ist vorhanden oder nicht. Die freie Meinung steht jedem zu, ob er gebildet ist oder nicht.

"Der Direktor sprach ein Urteil im Dienste der Menschlichkeit..."
Er spricht ein Urteil und macht sich zum Richter, darf er das, weil er gebildet ist? Darf jeder Gebildete für sich in Anspruch nehmen im Namen der Menschlichkeit, die er natürlich kennt, Recht zu sprechen? Du, als gebildete Person wirst seinem Richterspruch immer zustimmen? Uns anderen bleibt ja dann wohl nicht mehr, als nur noch mit dem Kopf zu nicken.

Ich denke, im Dienste der Menschlichkeit ist viel Unrecht geschehen. Hochgebildete Leute haben, in einem gut funktionierenden Machtapparat, Recht im Dienste der Menschlichkeit gesprochen, einer Menschlichkeit, die sie selbst formuliert haben, wehe, da hätte jemand seine freie Meinung geäußert.
Gruß
Et contra Nubes
 

Hera Klit

Mitglied
@Heraklit

Sag mal, gehts noch? Bist du in der DDR aufgewachsen?
Deine Ansage schlägt ja dem Fass den Boden aus: Es hat hier keine freie Meinung zu geben... (Erich Mielke lässt grüßen).
Ich zitiere lieber den Herrn Eric Blair, den du (wahrscheinlich nicht) unter seinem Pseudonym George Orwell kennst:

Wenn Freiheit überhaupt etwas zu bedeuten hat, dann ist es das Recht, den Leuten das zu sagen, was sie nicht hören wollen!
Vorsicht lieber Haselblatt, nicht vorschnell urteilen, gemach, gemach.

In diesem Fall, ist hier natürlich gemeint. Mit der freien Meinung ist das aber natürlich generell so eine Sache.
Ich behaupte mal, dass es sehr viele heilige Kühe gibt, die man heutzutage nicht angreifen darf, ohne
von der Gesellschaft vernichtet zu werden.

Aber hier geht es darum, dass wir angesichts der Nazigräuel und des Holocausts mit locker unreflektierten
"Meinungen" äußerst vorsichtig umgehen sollten.

Liebe Grüße
Hera
 

Haselblatt

Mitglied
Oh ja, jetzt versteh' ich: die Äußerung der Meinung ist nur frei, solange sie nicht im Widerspruch zu jener des Zentralkommitees steht.
Damit sind wir wieder zurück in der DDR und bei Erich Mielke. Der wird sich aber freuen...
 

Hera Klit

Mitglied
Oh ja, jetzt versteh' ich: die Äußerung der Meinung ist nur frei, solange sie nicht im Widerspruch zu jener des Zentralkommitees steht.
Damit sind wir wieder zurück in der DDR und bei Erich Mielke. Der wird sich aber freuen...
Ich kann mich echt nur wundern, welche Meinungen hier vertreten werden.
In meinem ersten Beitrag habe ich ja genau herausgearbeitet, wie ich das sehe, da solltet ihr
noch mal nachlesen und versuchen zu verstehen.

Ich stamme übrigens aus Darmstadt, es ist sinnlos, wenn du mich als DDR-Bürger versuchst zu diffamieren, obwohl das natürlich an sich keine Schande ist.
Auch die haben heute, genauso wie wir Westler in der Mehrheit erkannt, was richtig und falsch ist in Bezug auf Nazideutschland.

Das war ein unmoralischer Krieg und die, die sabotiert haben, waren in meinen Augen Helden
und alle diejenigen die das heute noch nicht begreifen wollen, sind für mich ewig Gestrige.

Heute feiern wir Stauffenberg und Elser, das hat auch eine Weile gedauert, bis die Deutschen bereit dazu waren.
Die Meinung der versammelten geistigen Elite sämtlicher freier westlicher Nationen, über die deutsche Geschichte, sollte man nicht mit der Meinung eines lächerlichen Zentralkomitees eines sogenannten sozialistischen Staats gleichsetzen.
Also soweit sollten wir uns nicht herablassen. Wie lächerlich erscheint es da, wenn ein Schüler glaubt er wisse es besser.

Es geht hier, um den allgemeinen Konsens über die Menschenrechte in freien Nationen und der ist unstrittig.

Dieser Text ist für mich ein Loblied, auf die deutschen Pädagogen, die ihre Lektion nun wirklich gelernt haben. Bravo!


Liebe Grüße
Hera
 
Ich möchte wissen, was heute ein Whistleblower darüber denkt, wenn er das liest, der in einer der sogenannten freien Nationen lebt, der sich verstecken muss, obwohl er sich für die Menschenrechte einsetzt.
Wer die Wahrheit sagt, braucht ein schnelles Pferd.
ecn
 

Hera Klit

Mitglied
Ich möchte wissen, was heute ein Whistleblower darüber denkt, wenn er das liest, der in einer der sogenannten freien Nationen lebt, der sich verstecken muss, obwohl er sich für die Menschenrechte einsetzt.
Wer die Wahrheit sagt, braucht ein schnelles Pferd.
ecn
Der Protagonist sagt aber nicht die Wahrheit, das ist das Problem,
deswegen genügt ihm ein Ackergaul.
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Et contra nubes,

die äußere Form des Textes könntest du verbessern, indem du die vielen einzelnen Absätze sinngebend zusammenfügst. Aktuell ist der Lesefluss doch sehr unterbrochen.
Ein paar kleinere Fehler haben sich noch eingeschlichen, etwa das Sie in der direkten Rede groß schreiben.

Inhaltlich überzeugt mich der Text nicht so richtig, weil ich mich bis zum Schluss fragte: Was will der Autor uns nun sagen? Das wurde ja schon bemängelt.

Die engagierten Kommentare zeigen: Hier darf jeder seine freie Meinung sagen.

Ich bitte nur darum, sich nicht zu weit vom Text zu entfernen. Wenn es ausschließlich um Meinungsäußerung geht, wäre der Text im Forum Lupanum besser aufgehoben.

Mit Gruß

DS
 



 
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