Die Geschichte vom Anfang - Elysion

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Morrigan

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Die Geschichte vom Anfang

Langsam und majestätisch schob sich das erste Sonnenlicht von Norden her über die riesigen Felsmassive der Burcha berge und erwärmte binnen weniger Minuten die schneidend kalte Luft, die in den engen Straßen von Kanarkad waberte. Die ersten goldhellen Blitze spielten auf den Zinnen des Schlosses, in dessen Schatten sich das erste Leben das Tages regte. Aus der Richtung des Handwerkerviertels drangen die ersten Laute, das Schlagen der Hämmer in den Schmieden, das Rumoren der Händler, die mit ihren schweren Karren den Weg zum großen Marktplatz bewältigten, das Blöken von Vieh . . .
Kanarkad die glorreiche und mächtige Hauptstadt des Drachenreiches erwachte. Eingebettet in spitze Felszacken, umspült von dem großen Quellfluß erhob sie sich gebieterisch über einem Gebiet riesiger Wasserfälle und undurchdringlicher Wälder und sonnte sich genüßlich im Wissen ihrer Herrlichkeit. Keine andere Stadt, so wußte sich, war so prächtig, so riesig und so angefüllt mit allen Herrlichkeiten, die Elysion hervorgebracht hatte. Aus allen teilen des Reiches kamen Händler und Käufer, überwanden reißende Stromschnellen und eisige Bergpässe, um hierher zu gelangen, zu der uneinnehmbaren Krone der Berge. Kaum war die Sonne über den Berggipfeln erschienen wimmelten es in den Gassen von den verschiedensten Gestalten und Sprachen, so daß die ganze Stadt einem brummenden Bienenkorb gleich vibrierte. Viele Schicksale verbanden sich an diesem Ort, zu viele, als das irgendjemand sie alle wiedergeben könnte. . .
„Kaika kommst du jetzt, oder soll ich hier ewig auf dich warten? Wenn wir uns nicht beeilen, dann kommen wir schon wieder zu spät!"
Durch eine besonders dunkle Gasse huschte eine kleine Gestalt und bemühte sich mit ihren kurzen Flügeln einen aufwärtstreibenden Luftstrom zu ergreifen. Schließlich gab sie es auf und kam keuchend vor dem kleinen Elfenjungen zum stehen.
„Heute hätte ich es beinahe geschafft!" keuchte die Gestalt, trat hinaus in die Morgensonne und ließ sich am Ufer des kleinen Flusses nieder, der sich wie viele andere mitten durch die Stadt schlängelte, um sich weiter westlich mit dem großen Quellstrom zu verbinden.
„Kaika wie oft soll ich es dir noch erklären? Du kannst noch nicht fliegen! Nicht heute und bestimmt morgen auch nicht! Du hast doch gehört, was Norak gesagt hat. Deine Flügel sind noch viel zu klein, um mit ihnen zu fliegen."
Kaika klopfte sich ein wenig Staub von ihren dunkelgrauen Schuppen und sah ihren Freund dann hochmütig an.
„Vielleicht konnte Norak es nicht und sicherlich kannst du es nicht, aber ich werde fliegen! Ich will endlich wissen, ob ich den Mond erreichen kann und du wirst mich davon auch nicht abhalten!"
„Aber wenn wir heute schon wieder zu spät zum Unterricht kommen, dann wird dich Norak sicherlich davon abhalten können! Dann wirst du nämlich den Brunnen schrubben, bis du grün wirst!" ereiferte sich Illias, doch Kaika lachte nur verächtlich.
„Daran sieht man einmal wieder, daß ihr Elfen einfach keine Krieger seid. Ich werde mit Norak schon fertig. Und wenn ich erst einmal bis zum Mond geflogen bin, dann brauche ich sowieso nicht mehr zu diesem blöden Unterricht, denn dann werde ich in den Palast eingeladen und die Königin wird mich zur Prinzessin machen!"
„Oho Prinzessin! Hört hört das kleine Drachenküken hat aber große Pläne!" erklang plötzlich eine keuchende Stimme aus dem Fluß. Kaika und Illias fuhren erschreckt herum und blickten verwirrt auf zwei schwarze Knopfaugen, die auf der Wasseroberfläche schwammen.
„Wer bist du? Zeig dich du Feigling!" fragte Kaika das Wesen herausfordernd und stellte sich schützend vor ihren Freund.
„Ah ich sehe schon, aus dir wird sicherlich einmal eine große Kriegerin werden! Sag bist du nicht die Tochter von Solika, der hohen Weisen?"
Kaika streckte sich noch ein wenig mehr und sah verächtlich auf das blubbernde Vieh herab.
„Warum sollte ich dir das sagen? Du bist ein Feigling, sonst würdest du dich nicht im Wasser verstecken!"
Das Wesen gab ein kicherndes Blubbern von sich.
„Wahrlich mutig meine Kleine! Wohlan ich komme heraus! Und dann werde ich dir sagen, warum du mir besser anworten solltest."
Sprachs und tauchte auf. Kaika staune nicht schlecht, als sich ihr Gegner als ein riesiger, blaurot schillernder Fisch erwies, dessen kurze Flossen gerade kräftig genug waren, ihn ein Stück weit auf das Ufer zu ziehen.
„Eine Neriade!" hauchte Illias hinter ihr beeindruckt.
Kaika wandte sich verwirrt nach ihm um.
„Eine Neriade? Was ist das? Kann man sie essen?"
Das Wesen blubberte amüsiert.
„Du hast wirklich noch viel zu lernen kleines Küken! Aber es wundert mich, daß deine Mutter dir nie von mir erzählt hat, denn ich kannte sich schon, als sie noch Kriegerin war. Man nennt mich Zuliana."
Kaikas Gesicht glühte mit einem Mal.
„Du bist Zuliana? Du hast meiner Mutter das Leben gerettet! Aber . . . sie hat nie gesagt, das du ein Fisch bist!"
„Sie ist kein Fisch, sie ist eine Neriade, also sei nicht so respektlos!" fuhr Illias sie ärgerlich an.
„Ach und was ist eine Neriade, möchtest du mir das nicht erklären?" fauchte Kaika zurück.
„Würdest du Norak ab und zu einmal zuhören, dann wüßtest du es vielleicht!"
„Ach du . . . du flügelloses Ding!"
Ärgerlich wandte sich Kaika ab. Zuliana kicherte wieder in sich hinein.
„Also was bist du nun?" fragte Kaika trotzig.
Zuliana wand sich ein wenig im weichen Uferschlamm hin und her, bis sie eine bequeme Kuhle gegraben hatte.
„Wie dein kleiner Freund schon richtig erkannt hat, bin ich eine Neriade. Mein Volk wohnt weit im Südwesten auf einer Landzunge, die von hohen Bergen abgeschirmt wird, aber eigentlich wandern wir die ganze Zeit umher und sammeln Geschichten."
Kaikas Bernsteinaugen wurden kugelrund.
„Ihr sammelt Geschichten? So wie Märchen?"
„Nun ja nicht nur Märchen. Auch Legenden, Sagen, oder wahre Geschichten, zum Beispiel über große Kriege oder Helden. Oder über die kleine Tochter der berühmten Solika, die sich in den Kopf gesetzt hat den Mond zu erreichen, noch bevor ihre Flügel ausgewachsen sind."
„Ach ihr seid doch alle gemein!"
Kaika stampfte mit dem Fuß auf und blies Rauh aus den Nüstern, doch Zuliana schüttelte nur leicht den schuppigen Kopf.
„Das sollte keine Kritik sein, es war nur ein Beispiel. Siehst du indem wir solchen Geschichten sammeln und weitererzählen, leben sie weiter. Einige Völker bezeichnen uns als das lebendige Gedächtnis Elysions."
Sofort war Kaika wieder interessiert.
„Würdest du uns eine Geschichte erzählen?"
Zuliana lächelte.
„Was möchtet ihr denn hören?"
„Die Geschichte vom Anfang!" platze Illias plötzlich heraus und errötete bis in die Spitzen seiner Ohren, ob seiner Dreistigkeit.
Zuliana schien beeindruckt.
„Das ist eine wirklich wichtige Geschichte, du bist ein kluger kleiner Elf! Also gut, ich will versuchen euch die Geschichte vom Anfang zu erzählen. Setzt euch hierher."
Kaika und Illias ließen sich auf dem schmalen Grasstreifen nieder und legten erwartungsvoll die Köpfe auf ihre Knie. Zuliana schloß für einen Moment die Augen und holte tief Luft.
„Am Anfang war der Himmel und die Sterne und sie waren unendlich und uralt. Niemand erinnert sich mehr daran, wie der Himmel geschaffen wurde, er wachte über das Sein, seit unendlicher Zeit. Doch eines Tages wurde Gaya geboren, Tochter des Himmels und der Sterne und sie beschloß, das es ein Reich geben müsse, in dem Feuer und Wasser, Wind und Erde existieren müßten, denn alles was ihr der Himmel und die Sterne geben konnten, waren Dunkelheit und Licht. So bat sie diese um ihre Hilfe und gemeinsam schufen sie unseren Planeten nach dem Vorbild des Firmaments, als eine Kugel von unglaublicher Größe. Die Sterne formten eine Sonne und gaben ihr die Aufgabe die eine Seite des neuen Planeten zu erleuchten und zu erwärmen. Der Himmel dagegen formte den Mond und bestimmte, das er den anderen Teil erleuchten sollte. Nun war aber das Element des Himmels die Dunkelheit und so war der Mond zu schwach, um Licht zu spenden. So entstand das Schattenreich, ein Land der ewigen Dunkelheit. Nachdem sie die Form des Planeten aus festem Gestein modelliert hatte, begann die Göttin Gaya damit ihren Traum zu verwirklichen. Den Großteil der Oberfläche bedeckte sie mit klarem Wasser, dann schuf sie zwei Landmassen, eine große und eine kleine und verband sie mit einer Brücke aus Tausenden von kleinen Inseln. Schließlich streute sie den Wind über Ebenen und Berge und legte das Wesen des Feuers in den Kern der Felsen. Eingehüllt von ihrer Liebe begann Elysion zu leben und zu atmen und die große Göttin war so ergriffen von der Schönheit ihrer Welt, daß sie sich wünschte sich in ihr zu verlieren. Sie entschied sich selbst in das aufzulösen, was sie geschaffen hatte und wurde zu dem Geist der Erde, des Wassers, des Feuers, des Windes und des ewigen Daseins. Diese Geister schufen alles Leben und immer wenn ein Leben erlischt, dann kehrt es zu diesen Geistern zurück."
Zuliana schwieg einen Moment und sah nachdenklich zu Boden.
„Ist das der Grund, warum die Priester die Geister der Elemente verehren? Weil sie ein Teil von Gaya sind?" wagte Illias zu fragen, auch wen seine Stimme vor Aufregung kiekste.
Zuliana nickte.
„Ja das ist der Grund. Und auch die Steinweisen haben dort ihren Ursprung. Sie sind das Medium, daß den Geist des ewigen Daseins aufnahm, denn sehen nicht nur alles, was in Elysion geschieht, sie sind auch unsterblich. Nichts könnte sie vernichten."
„Und Mama sagt, das ist auch gut so", warf Kaika nachdenklich ein, „So können sie ewig über den Frieden herrschen, sagt sie."
Zuliana seufzte schwer.
„Ja Frieden. Frieden ist ein kostbares Gut. Das werdet ihr erkennen, wenn ihr weiter zuhört."
„Ist denn die Geschichte noch nicht zuende?" fragte Kaika erstaunt und Zuliana schüttelte nur den Kopf, bevor sie fortfuhr.
„Die ersten Lebewesen im Lichtreich waren meine Vorfahren, dumme Wasser atmende Fische, riesige Drachen, die noch auf vier Beinen liefen, menschenähnliche, behaarte Wesen, laufende Pflanzen und winzige libellenartige Feen, alle noch kaum mehr, als wilde Tiere, die kaum an etwas anderes denken konnte, als zu fressen und sich zu paaren. Mit der Zeit entwickelten sie sich jedoch weiter, lernten sprechen, schreiben und gründeten Städte und Zivilisationen. Doch es entstanden auch Mischvölker, die das Leben auf Elysion bereicherten. Aus Menschen und Drachen wurden die Gargoyles, aus Menschen und Feen entwickelte sich das Volk der Elfen, aus den Vorfahren der Floh’oras und den Trollen die Gnome. Dabei bilden die Gnome allerdings eine Besonderheit, denn zu ihren Vorfahren gehören sowohl Licht, als auch Schattenvolk, weshalb sie auch auf der dunklen Seite überleben können, anders als wir. Doch während auf dem Elysion das wir heute kennen, die Steinweisen die drei großen Ströme kontrollierten und so für jedes Volk einen geeigneten Lebensraum schufen und klare Grenzen festlegten, reichte ihr Einfluß leider nicht, um die große Insel zu erreichen, die jenseits des Meeres lag. Dort nahm die Entwicklung des Lebens eine völlig andere Richtung und brachte furchtbare Kreaturen hervor, die nur darauf aus waren sich gegenseitig zu vernichten. Die Völker dieses Eilands erinnerten sich kaum noch an die Verehrung für die Geister, oder an ihre gemeinsamen Wurzel, sie führten nur Krieg um Krieg gegeneinander, waren blutrünstig, grausam und machtgierig. So machtgierig, daß sie den Krieg auch über den Inselgürtel zu uns trugen. Plötzlich mußte jedes Volk mehr besitzen als das Andere, jeder König rüstete zum Kampf und sogar die Priester mußten lernen zu kämpfen und ihre psychischen Kräfte zum töten mißbrauchen, denn überall im Land gingen Tempel in Flammen auf und die Geister waren erzürnt. Diese Zeit nennen wir heute nur noch den großen Krieg, denn die Flüsse waren über Jahrzehnte hinweg rot vom Blut der Gefallenen, überall loderten die Scheiterhaufen und die Erde quoll über von Leichen. Damals stand unsere Welt vor der Vernichtung, hätten die Steinweisen nicht nach unzähligen Jahren endlich einen Weg gefunden den Inselgürtel zu zerstören. Nachdem der Einfluß der Insel verschwunden war, besannen sich die Wesen von Elysion wieder auf den Frieden. Doch ein Baum braucht hunderte von Jahren um zu wachsen, auch wenn man ihn in ein paar Stunden fällen kann und so ist es auch mit dem Frieden. Für die Torheit des großen Krieges büßten noch Generationen, bis die Welt wieder so aussah, wie wir sie heute kennen."
Zuliana schwieg bedrückt und auch Kaika wußte einmal nichts zu sagen. Doch zu ihrer Überraschung ergriff Illias das Wort.
„Ich hoffe diese Inselbewohner sind fürchterlich gestraft worden!" flüsterte er und Kaika sah zu ihrer Überraschung, daß er die Fäuste ballte und am ganzen Körper zitterte.
Zuliana lächelte plötzlich verschwörerisch.
„Oh ja das hätte ich beinahe vergessen! Das der Inselgürtel zerstört wurde, reichte den Steinweisen nicht, um den Frieden für Elysion zu sichern, also riefen sie die mächtigsten Priester aus den Tempeln zusammen um diese Gefahr für immer zu bannen. Dies dauerte beinahe drei Jahre, denn wie ihr wißt, sind die vier großen Tempel der Elemente über das ganze Lichtreich verstreut. Doch am Ende dieser drei Jahre hatten die Steinweisen beinahe 500 der mächtigsten Priester versammelt. Gemeinsam wollten sie Gaya selbst beschwören, etwas das noch niemandem gelungen war und sie um ihren Schutz bitten. Und ihnen gelang das unmögliche, denn die große Göttin erhörte sie und erschien in ihrer Mitte. Im nachhinein konnten sich die 500 Weisen nicht mehr einigen, wie die Göttin aussah, jedem erschien sie als Angehörigen seines Volkes, hatte mal ein Schwert, mal einen Pilgerstab, mal einen Kelch, oder auch eine Schale in Händen, aus der die Lebensquelle sprudelte, doch alle waren sich einig, daß sie wunderschön war. Sie hörte sich die Klagen ihrer Schöpfung an und entschied, was zu tun sei. Sie verurteilte das kriegerische Treiben der Inselbewohner und verfügte, daß nie mehr einer von ihnen diesen friedvollen Kontinent betreten sollte. Zu diesem Zweck schuf sie Aric, den unsterblichen Greif, der immer noch in den Bergen lebt, in denen die Sternweisen ihre Stimmen erklingen lassen, und Urgart, die scheußliche Seeschlange, die für alle Zeiten den Ozean durchstreift. Diese beiden sollten für den Schutz des Kontinents Sorge tragen. Doch auch eine Strafe legte sie der Insel auf, denn sie verfügte, daß die Zeit dort stehenbleiben sollte, so daß die Bewohner auf ewig in den primitiven Kämpfen gefangen sein sollte, die sie sich selbst auferlegt hatten. Und das ist endgültig das Ende der Geschichte."
Kaika und Illias klatschten begeistert in die Hände und Zuliana deutete eine Verbeugung an. Doch dann besah sie sich den Stand der Sonne und erschrak.
„Ach du meine Güte, ich müßte schon lange im Schloß sein, die Königin und deine Mutter erwarten mich! Vielleicht komme ich euch heute Abend einmal besuchen. Bis dann kleines Küken und bleibe weithin so klug, kleiner Elf!"
Damit ließ sie sich ins Wasser gleiten und war verschwunden. Illias starrte ihr entgeistert nach.
„Aber wie will sie denn ins Schloß kommen? Dort fließt doch gar kein Fluß!"
Kaika zuckte nur die Schultern.
„Sie wird schon wissen, wie sie hinkommt."
Dann verzog sie plötzlich das Gesicht und stöhnte. Illias drehte sich besorgt nach ihr um.
„He ist was? Hast du Schmerzen?"
„Nein, aber meinst du der Brunnen wird heute sehr schmutzig sein?"
Mit einem hektischen Blick stürmten sie los und waren im nu im Gewirr der Gäßchen verschwunden.
 

Conny

Mitglied
weiter so!

Ich bin erstaunt, wie gut du mit der Sprache umgehst. Toll! Kommasetzung solltest du noch lernen, da haperts ein bißchen. Sicherlich könnte man hier und da noch etwas an der Geschichte verbessern, aber dass du Talent zum Schreiben hast, ist eindeutig! Versuche ein bißchen mehr Tempo in die Geschichte zu bekommen. Straffe sie und zücke den Rotstift. Einiges ist überflüssig und kann getrost raus. Erfahrene Autoren haben keine Angst, ihre Texte zu kürzen und an ihnen zu feilen. Mach nur weiter so! :)


Liebe Grüße

Conny
 



 
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