Die Gesichtlosen (Neue Fassung)

4,00 Stern(e) 1 Stimme
Wo einst Gespräche laut erklangen,
nehmen heute bunte Scheiben
den Blick Gesichtloser gefangen,
die scheinbar stumm und starr verbleiben.

Das Sehen haben sie verloren
an ein Gerät in ihrer Hand
Und welches Wunder auch beschworen,
ihr Blick bleibt weiter abgewandt.

Sie tauchen in die Scheibenwelt
und bilden dort ganz neue Netze.
Mit ihrem kleinen Tastenfeld
überwinden sie Gesetze.

Es zählt nicht, wo sie sich befinden
einzig zählt der Datenfluss,
mit dem sie Grenzen überwinden,
neu entsteht Zusammenschluss.

Gesichtlos bleiben die Gestalten
Sie sehen, hören, sprechen nicht.
Wo einst laut die Gespräche hallten,
ersetzt das Netz das Angesicht.
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Wo hast Du den Pokémon versteckt?

Inhaltlich:
Gut gezielt, treffende Beobachtung.
Ich selbst werde wohl bald der letzte Mensch sein, der weder Smartphone noch Facebook-Akkount, weder Laptop noch Handy hat, trotz meiner 2000 "klassischen" htm-Seiten im Netz (12koerbe.de), ich sehe die Menschen, die nicht mehr die Außenwelt wahrzunehmen scheinen, weil ihr Blick auf irgendein Display gerichtet ist, oder die eine innerstädtische Straße als wahre Tele-Phon-Zelle nutzen, nicht als blinde Scheibenweltler an. Vielmehr eröffnet sich ihnen der immense Kommunikationsraum, der so viele Dimensionen hat, wie es Persönlichkeiten gibt, die ihn durch-schreiben, -lesen, -fragen, -antworten, -sprechen. Das ist ein phantastisches Universum. Es ist keine Gegenwelt, sondern eine Dimensionenvervielfachung der sinnlichen. Sie ist auch nicht unsinnlich, sondern ein Kanäle-System, das noch jedes Ubahn-Netz an Komplexität übertrifft, und sogar die UKW-Räume der Sender und Empfänger, die Phantasieräume der Kinos, die Musiklandschaften der Sinfonien und Jam-Sessions usw. usw. - und dies vor allem deshalb, weil es Kommunikation ist.

Die Leselupe hat daran Anteil: Du schreibst ein Gedicht, ich lese es und antworte darauf. Ein wahrnehmungs- und erkenntnislichtes Hin und Her, ein Gespräch, und darin enthalten ein von Dir schön ausgeformter sinnvoller Beobachtungs- und Deutungs-Gedanke.
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
konsequent iambisch

und zur Metrik:
Es zählt nicht, wo sie sich befinden
[strike]einzig zählt[/strike][blue]es zählt allein[/blue] der Datenfluss,
mit dem sie Grenzen überwinden,
[blue]wo[/blue] neu entsteht Zusammenschluss.
 
Wo einst Gespräche laut erklangen,
nehmen heute bunte Scheiben
den Blick Gesichtloser gefangen,
die scheinbar stumm und starr verbleiben.

Das Sehen haben sie verloren
an ein Gerät in ihrer Hand
Und welches Wunder auch beschworen,
ihr Blick bleibt weiter abgewandt.

Sie tauchen in die Scheibenwelt
und bilden dort ganz neue Netze.
Mit ihrem kleinen Tastenfeld
überwinden sie Gesetze.

Es zählt nicht, wo sie sich befinden,
es zählt allein der Datenfluss,
mit dem sie Grenzen überwinden,
wo neu entsteht Zusammenschluss.

Gesichtlos bleiben die Gestalten
Sie sehen, hören, sprechen nicht.
Wo einst laut die Gespräche hallten,
ersetzt das Netz das Angesicht.
 

Tula

Mitglied
Hallo nebenrechnung

es ist auf jeden Fall besser als die erste Fassung. Ganz ehrlich aber, ich finde den Text jetzt etwas "belehrend", zu wenig lyrische oder auch satirische Umschreibung.
Insofern denke ich schon, dass da noch mehr drin ist.

LG
Tula
 
Hallo Tula, ich danke dir, dass du auch hierauf noch einmal Bezug genommen hast und es freut mich, dass es dir schon etwas besser gefällt. Ich hatte dir auf die Kritik zur ersten Fassung gar nicht geantwortet. Manchmal weiß ich nicht, was ich dazu sagen kann. Ich nehme es mir trotzdem zu Herzen. Ohne deine erste Kritik wäre diese Version hier nicht entstanden. Insofern doppelt "Danke" :)
 



 
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