Die große Stadt (Expressionistisches Sonett)

Finn McChoppy

Mitglied
Die große Stadt

Mensch um Mensch stapeln sich hier
im Makrelenschwarm namens Berlin.
Mit gähnend, grauer Tapete bei Schien'
beladen mit Dampfwerk, Reise, Gier.

Plätze tummeln sich, wo Straßen sich mit Ankern haken
und da und da wird mit Prunk und Fässern reklamiert,
Baum und Biene von kreischendem Automobil verschmiert.
Nach kurz Weil' der Lust, tut Ödnis werfen bald ihr Laken.

Draußen schwimmst du im Weltmeer umher-
drinnen ruhst du nicht - Nein! Du bist Gefangen!
Im Willen wird der Mensch zu leer.

Myriaden Tonnen tanzen auf des Proleten Herzens, Geists gilt Bangen,
wo hier in Berlin am Kurfürstendamm das Gold gepreist,
nebenan in Hellersdorf des Goldes Schlamm der Lust den Himmel eist.

Finn McChoppy
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo, Finn McChoppy , herzlich willkommen im Forum.
Die Leselupe ist ein Diskussionsforum, und Du wirst sicher eine Reihe von Diskussionen erhalten und an Diskussionen teilnehmen.
Hierzu wünsche ich Dir auch viel Erfolg.

Zu Deinem Sonett: Es ist etwas ungewöhnlich, insbesondere durch die verwendete relativ freie Versform.
Zusätzlich verwendest Du Wörter in ungewöhnlicher Weise, in übersteigernder Form, wie es im Expressionismus üblich ist.
Metaphernreich, teilweise Regeln der Rechtschreibung missachtend, um hervorzuheben: Du bist Gefangen!
 
Für ein neoexpressionistisches Gedicht ist der Schluss-Antagonismus Kurfürstendamm vs. Hellersdorf erstaunlich (?) konventionell. Dennoch das Ganze ein interessantes Experiment: was vor hundert Jahren das Aktuellste, kommt jetzt archaisierend daher.

Schönen Morgengruß
Arno Abendschön
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
You are right, Walter. This is if you want to get it straight.

Du hast recht, Walther, aber nur für den Fall, dass eine Absicht besteht, es zu glätten und zu normalisieren.

Unabhängig davon erscheint einiges aber eher als Typo denn als Absicht.


Ein paar Hinweise:

Finn McChoppy:
Die große Stadt Unterstreichung nur, wenn Schreibmaschinentypografie gewünscht wird, sonst besser Fett oder Fett-Kursiv

Mensch um Mensch stapeln sich hier
im Makrelenschwarm namens Berlin. ok
Mit gähnend, grauer Tapete bei Schien' "Schien" wirkt eventuell unabsichtlich komisch. Sollte es Absicht sein, ist es ok. Siehe weiter unten. Ein Komma zu viel, stattdessen Bindestrich: gähnend-grauer
beladen mit Dampfwerk, Reise, Gier.

Plätze tummeln sich, wo Straßen sich mit Ankern haken
und da und da wird mit Prunk und Fässern reklamiert,
Baum und Biene von kreischendem Automobil verschmiert. Hier passt "wird" nicht gut, wegen Plural. werden Baum und Biene von kreischendem Automobil verschmiert.
Nach kurz Weil' der Lust, tut Ödnis werfen bald ihr Laken. Es soll offensichtlich komisch wirken.

Draußen schwimmst du im Weltmeer umher- Bindestrich sollte durch Gedankenstrich ersetzt werden, zumindest ein Leerzeichen ist erforderlich: umher -
drinnen ruhst du nicht - Nein! Du bist Gefangen! "gefangen" vielleicht doch besser klein schreiben.
Im Willen wird der Mensch zu leer.

Myriaden Tonnen tanzen auf des Proleten Herzens, Geists gilt Bangen,
wo hier in Berlin am Kurfürstendamm das Gold gepreist, gepreist=Gold erhält Preis, nicht Gold wird gepriesen
nebenan in Hellersdorf des Goldes Schlamm der Lust den Himmel eist. Ebenfalls komische Wirkung.


Zur komischen Wirkung als Stilmittel vergleiche die "schlesische Nachtigall". https://de.wikipedia.org/wiki/Friederike_Kempner - Großmeisterin der unfreiwilligen Komik.
 

Walther

Mitglied
You are right, Walter. This is if you want to get it straight.

Du hast recht, Walther, aber nur für den Fall, dass eine Absicht besteht, es zu glätten und zu normalisieren.

Unabhängig davon erscheint einiges aber eher als Typo denn als Absicht.


Ein paar Hinweise:

Finn McChoppy:
Die große Stadt Unterstreichung nur, wenn Schreibmaschinentypografie gewünscht wird, sonst besser Fett oder Fett-Kursiv

Mensch um Mensch stapeln sich hier
im Makrelenschwarm namens Berlin. ok
Mit gähnend, grauer Tapete bei Schien' "Schien" wirkt eventuell unabsichtlich komisch. Sollte es Absicht sein, ist es ok. Siehe weiter unten. Ein Komma zu viel, stattdessen Bindestrich: gähnend-grauer
beladen mit Dampfwerk, Reise, Gier.

Plätze tummeln sich, wo Straßen sich mit Ankern haken
und da und da wird mit Prunk und Fässern reklamiert,
Baum und Biene von kreischendem Automobil verschmiert. Hier passt "wird" nicht gut, wegen Plural. werden Baum und Biene von kreischendem Automobil verschmiert.
Nach kurz Weil' der Lust, tut Ödnis werfen bald ihr Laken. Es soll offensichtlich komisch wirken.

Draußen schwimmst du im Weltmeer umher- Bindestrich sollte durch Gedankenstrich ersetzt werden, zumindest ein Leerzeichen ist erforderlich: umher -
drinnen ruhst du nicht - Nein! Du bist Gefangen! "gefangen" vielleicht doch besser klein schreiben.
Im Willen wird der Mensch zu leer.

Myriaden Tonnen tanzen auf des Proleten Herzens, Geists gilt Bangen,
wo hier in Berlin am Kurfürstendamm das Gold gepreist, gepreist=Gold erhält Preis, nicht Gold wird gepriesen
nebenan in Hellersdorf des Goldes Schlamm der Lust den Himmel eist. Ebenfalls komische Wirkung.


Zur komischen Wirkung als Stilmittel vergleiche die "schlesische Nachtigall". https://de.wikipedia.org/wiki/Friederike_Kempner - Großmeisterin der unfreiwilligen Komik.
Hi Bernd,
textarbeit hat da sinn, wo es ansätze zu einer verbesserung gibt. hier ist das leider kaum möglich - wobei ich starke zweifel hege, ob der kollege weiß, was ein sonett ist. wer die form nicht beherrscht, kann sie nicht überwinden, er kann und wird scheitern. das kann man m.e. exakt so oben erkennen.
meiner erfahrung nach dient es nicht einmal dem autor, ihm diese erkenntnis nicht zu vermitteln. ich habe das in der höflichsten möglichen art getan. du weißt, daß ich dein engagement bewundere, mich aber gelegentlich frage, was es denn bewirkt.
lg W.
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Wir werden sehen, Walther. Bisher hat es schon oft etwas bewirkt, man braucht aber viel Geduld.
Ich habe deshalb Deine Anregung aufgegriffen und ein paar elementare Anmerkungen gemacht.
Viele Grüße von Bernd
 

Finn McChoppy

Mitglied
Vielen Dank für euer Feedback. Ich werde versuchen es in weiteren Gedichten umzusetzen.
Ich muss auch dazu sagen, dass dies mein erstes Sonett war.

Viele Grüße
Finn
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Myriaden Tonnen tanzen auf des Proleten Herzens, Geists gilt Bangen,
Der Dank ist ein bißchen billig.
Die hier zitierte Verszeile zum Beispiel leidet an der Verschiebung der Genetivendung von "des Proleten" zum Substantiv, von dem der Genetiv abhängt "Herzens, Geists", und dann folgt diese Zerstörung der Syntax in der Klausel "gilt Bangen". Das sind keine Anfängerfehler, sondern Merkürdigkeiten, die nur auf eine Art und Weise zu retten sind: Durch Verweis auf die "Schlesische Nachtigall".

Und das ist das Großartige an diesem Thread, dieser Kommentarfolge: Ich habe ein faszinierendes Stück Lyrik entdeckt:
Zur komischen Wirkung als Stilmittel vergleiche die "schlesische Nachtigall". https://de.wikipedia.org/wiki/Friederike_Kempner - Großmeisterin der unfreiwilligen Komik.
Davon, von dem naiven Surrealismus, der unmittebaren Skurrilität ohne artistische Absicht, bin ich hellauf begeistert. Und das heißt: von einer Interpretationsperspektive, die das "Richtig" und "Falsch" beiseite setzt und das Gold wäscht. Oder das taube Gestein petrographisch würdigt. Kiesel sind interessant.
 



 
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