Die Happy-Fabrik

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In der Happy-Fashion und Marketing Fabrik hatte vor kurzem ein neuer Service-Mitarbeiter angefangen. Seine einzige Aufgabe war es die Konferenzräume für die Meetings vorzubereiten. Damit sich die Designer über besten Kaffee und deliziöse Snackangebote freuen konnten während sie sich über die neuesten Trends in der Modebranche unterhielten, brühte Rudolf Kürzinger also fleißig Kaffee, bestellte Kuchen vom besten Bäcker der Stadt und richtete alles liebevoll an bevor die wichtigen Männer und Frauen ihre Meetings abhielten.
Die Herrschaften waren begeistert und wunschlos beglückt über den neuen Mitarbeiter wären da nicht ein paar Kleinigkeiten, die sie da störte. Dieser Herr Kürzinger hatte die Angewohnheit bei der Arbeit fröhlich vor sich hinzupfeifen. Mit schwungvollem Schritte sah man ihn schon fast umhertanzen in den Gängen, beim Tragen der Kanne und Balancieren des Tabletts. Ganz zu schweigen von den alten überhaupt nicht angemessenen Klamotten die ihm am Leibe hingen.
Dem Leiter Herrmann Wundt der Sommerkleider-Abteilung trieb es die Abneigung ins Gesicht und er beobachtete das Herumgehüpfe mit großer Missgunst. Schnell tat er sich mit der damals, mit dem Personalleiter selbst ausgesuchten hübschen Laura Lämmerer zusammen der das unmelodische Gepfeife auch schon zuwider war. “Der läuft als hätten sie ihm ins Bein geschossen!”, meinte der Wundt und Frau Lämmerer lachte. “Und schau dir sein abgetragenes Gewand an, was für eine Peinlichkeit!”, redete er weiter. Schnell waren sie sich einig, der Neue ist ein komischer Typ und zufrieden wendeten sie sich wieder ihrer Arbeit zu.
Sigrid Hiesel die Chefdesignerin der Glücklichmacher-Rosen-Strümpfe rümpfte die Nase beim Getänzel des Kürzingers, als würde dieser schlecht riechen, und suchte schnell die Rosa Burgunda auf um sich zu unterhalten über das unerwünschte Verhalten. “Der soll aufpassen, dass ihm unser guter Kaffee nicht über die Hose läuft!”, rief die Rosa und beide lachten. Nachdem sie übereinstimmten, dass der Neue ein ganz schlechter Umgang zu sein schien setzten sie sich glücklich wieder an ihre Bildschirme.
Im Büro des Gerhard Flaumenbind wurden farbig-fröhliche Herbsthüte entworfen und jedes war ein Meisterstück. Auch wenn sie mit dem ein oder anderen Hut der kleinen freischaffenden Künstler eine gewisse Ähnlichkeit aufwiesen, so waren sie doch allein aus seinem Kopfe entstanden, pflegte Herr Flaumenbind zu betonen. Seine selbst als “schlau” bezeichnete Denkermiene, die von dem ein oder anderen auch als missmutig deklariert würde, wurde durch einen abschätzenden Gesichtsausdruck abgelöst als er schon wieder das fröhliche Gemüt Rudolph Kürzingers durch die Gänge rumpeln sah. “Wurde dieser Herr zum erschüttern des Gebäudes angestellt!”, donnerte er und sein dicker Bauch bebte vor Wut dabei. “Kaum auszuhalten!”, stimmte seine Mitarbeiterin Sandra Wollinger schnellstens bei und lächelte ihn ganz verliebt an. Sie genoss die kurze Aufmerksamkeit des großen Hutmachers und als sie sich beide verständlich machten was für ein unangemessenes Verhalten dieser neue Service Mitarbeiter an den Tag legte ließen sie sich wieder etwas erleichtert auf ihre Arbeit ein.
Der Herr Kürzinger verließ an diesem Tage überglücklich die Fabrik. Nach den schweren Jahren, die er hinter sich hatte und einige Monate in der Reha-Klinik fand er endlich eine Arbeit, die er machen konnte und er freute sich darauf seiner lieben Frau Maria davon zu erzählen. War es doch immer schlimm die Tage als krankheitsbedingter Arbeitsloser zuhause zu verbringen und seine Frau jeden Morgen in die Arbeit gehen zu sehen. Aber das war vorbei, jetzt konnte er wieder etwas zum Familieneinkommen beitragen, wenn es auch nur wenig war. Vor allem über die netten Arbeitskollegen freute er sich, jeder schien sehr zufrieden mit ihm zu sein.
Am nächsten Tage saßen die Chefdesigner, Abteilungsleiter und Verwaltungskräfte am großen Konferenztisch zusammen. Rudolph Kürzinger stellte noch die Frage wie man es ihm beigebracht hatte, wenn die obersten Angestellten der Happy-Fashion und Marketing Fabrik mit anwesend waren: “Wünschen die Damen und Herren noch ein besonderes Getränk?”. Auf das verneinende Gemurmel der Menge antwortete er: “Dann wünsche ich ein angenehmes Tagen meine Damen und Herren.” Dann verließ er mit einem echten Lächeln den Raum und ließ die Herrschaften ihre Beredungen machen. In welch nette Gesichter er da geschaut hatte, freute er sich darauf die neuen Kollegen kennenzulernen.
Einen kurzen Moment herrschte Stille als der Service-Mitarbeiter den Raum verließ ehe die schöne Sandra Wollinger losprustete. “Der tut als wäre er ein Oberkellner!”, rief sie und die Menge begann erst zaghaft zu lachen. Niemand war sich sicher, ob sie sich auf diesen Witz einlassen durften doch dann erspürten sie die gute Möglichkeit den Neuen ein für alle Mal gemeinsam als Clown abzustempeln. Jeder im Raum gab sich der Chance hin und lachte herzhaft über diesen tänzelnden Mitarbeiter. Alle waren sich also einig, der Neue gehörte nicht dazu. Nun konnten sie sich zufrieden ihren Tages-Themen zuwenden. Erst im nächsten Schritt mussten sie es ihm selbst auch noch verständlich machen was er für sie war. Denn Überlegenheit kann nur funktionieren, wenn sich der Unterlegene auch seiner Unterlegenheit bewusst ist.
Am Ende der Sitzung stand Rudolph Kürzinger erwartungsvoll bereit an der Tür um die leeren Kaffeetassen und Anrichteteller wieder aufzuräumen und blickte mit kindisch naiver Miene in die Gesichter der herausströmenden Meeting-Teilnehmer und erhoffte sich ein kleines Zeichen der Anerkennung und Wertschätzung seiner Arbeit. Vielleicht ein Lächeln oder ein paar nette Worte.
Und tatsächlich das ein oder andere Gesicht grinste als es ihn erblickte. Er freute sich wahnsinnig darüber und konnte sich ein stolzes Lächeln nicht verkneifen. Einige kicherten etwas komisch, die Sitzung musste wohl ziemlich lustig gewesen sein. Nachdem die Leute draußen waren erledigte er schleunigst seine Arbeit und pfiff dabei fröhlich vor sich hin.
“Was pfeifen Sie denn da immer für eine Melodie die klingt ja schrecklich!”, rief es ihm plötzlich jemand nach. Rudolph drehte sich um und sah den voluminösen Herrn Flaumenbind mit bösem Blick am Ende des Ganges stehen. “Frei aus dem Kopf!”, antwortete Rudolph. “Unterlassen Sie das gefälligst man hält es ja nicht aus!”, schnauzte ihn der Hutmacher an, drehte sich um und ging in sein Büro. Kürzinger stand still mit seinem Tablett und starrte in die Richtung in die Flaumenbind verschwand. Dann ging er ohne ein weiteres Pfeifen den Gang entlang und verrichtete seine Arbeit. “Der Herr Flaumenbind hat wohl einen schlechten Tag.”, dachte er sich dabei und gestand sich selbst nicht ein, dass ihn der Spruch Flaumenbinds verletzt hat.
“Wieso stolpern Sie denn so umher, hat man ihnen etwas in die Hose gekippt!”, rief die Frau Sigrid Hiesel aus ihrer Tür heraus. Rudolph brauchte erst ein paar Sekunden bis er erkannte, dass er gemeint war. “Nein Frau Hiesel ich mag es einfach zügig zu gehen!”, antwortete er. “Na dann machen Sie das doch ohne dieses Rumgetrampel!”, forderte sie ihn auf und schlug die Tür vor seiner Nase zu. Sprachlos schaute er verwirrt für einen Moment auf die Stelle an der sie gerade noch stand bevor er mit seiner Kanne in der Hand weiterging um seine Arbeit zu tun. Beim Abwasch des Geschirrs machte er ein trauriges Gesicht.
“Kürzinger!”, schallte es da plötzlich und Rudolph schaute auf. “Wie schlampig sehen Sie denn eigentlich aus! Achten Sie gefälligst auf angemessene Kleidung auf der Arbeit!”, bellte ihm Herrmann Wundt ins Gesicht. Er war gerade am Vorbeigehen an der Küche. “Werde ich machen, natürlich.”, antwortete Rudolph mit brüchiger Stimme und beinahe hätte er geweint. “Und kämmen Sie sich die Haare!”, mit diesen Worten machte sich Herr Wundt auch schon auf in sein Büro. Gerade früh genug, dass er die Träne, die Kürzinger übers Gesicht lief nicht mehr sah. Er machte seine Arbeit ordentlich fertig und verließ an diesem Tage mit leichenblassem Gesicht die Happy-Fashion und Marketing Fabrik.

Am dritten März 2021 starben auf kuriose Weise 24 Personen. Es handelte sich bei diesen Menschen um die komplette Führungsetage und die Verwaltungsabteilung der Happy-Fashion und Marketing Fabrik. Ursache für die Katastrophe waren vergiftete Lebensmittel. Ein Verdächtiger R. Kürzinger wurde festgenommen.
 

Matula

Mitglied
Hallo Johann A Baumer !

Die Geschichte vom vergnügt-motivierten Neueinsteiger, der auf eine Gruppe verbiesterter Möchtegern-Künstler trifft, gefällt mir sehr gut. Man spürt auch, dass Bewegung die Laune hebt und Herumsitzen zänkisch macht. Das Ende ist mir allerdings, mit Verlaub, ein wenig zu krass. Es würde schon reichen, wenn alle Modekünstler Durchfall kriegten und nun ähnlich schnell wie Kürzinger durch die Gänge rennen müssten.

Schöne Grüße aus Wien,
Matula
 



 
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