Die Hexe und der Schuster, zweites Kapitel

Hagen

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Martha die Hexe ging in den Wald, entsann sich der Rezepte ihrer Großmutter und kehrte mit Fasaneneiern zurück, die sie zusammen mit wilden Erdäpfeln zu einem wohlschmeckenden Frühstück auf den Tisch brachte. Saubrot hatte sie gemörsert, sieben Mal mit dem vierten Finger ihrer linken Hand umgerührt und hinzugefügt, ebenso Hauslauch, der auf ihren Dachziegeln gewachsen war, und Immergrün von der Schattenseite ihres Häuschens.

‚Es stärkt die Kraft des Mannes, der dir zu Füßen lag‘, hatte ihre Großmutter ihr dereinst verraten, ‚gib es ihm in die Speise des Morgens und ihr werdet in ewiger Liebe verbrennen wenn sich der Mond drei Mal gerundet hat!‘

Der ‘Schwarze Herman‘ war es gewohnt, beim ersten Licht des Tages mit der Arbeit zu beginnen, und so verfuhr er auch an diesem Tage. Bei gutem Licht flog der Zwirn nur so, die Durchnähahle fand wie von selber ihren Weg, und alsbald standen die Schuhe, die ihm zur Reparatur gebracht worden waren, fertig und von frischem Rindertalg glänzend da.

Als einer der Bauern seine Schuhe selbst abholen kam, und sogleich über die Füße zog, rügte er den starken Druck des Schuhwerks auf Zehen und Ferse.

„Da weiß ich Abhilfe“, sprach ‘Martha die Hexe‘, flocht behende zwei kleine Matten aus Salbei, Fenchel und noch einigem Beiwerk, legte dieses in die Schuhe und verschwand mit diesen hinter dem Hause.

Alsbald kehrte sie zurück, hieß den Bauern das Schuhwerk anzulegen, ein Ave Maria, drei Vaterunser zu beten und ihren Brunnen hernach sieben Mal zu umschreiten.

Der Bauer tat wie geheißen und entfernte sich sodann federnden Schrittes; - nicht ohne ‘Martha der Hexe‘ zuvor zwei Groschen zugesteckt zu haben.

Dem ‘Schwarze Herman‘ fiel vor Verdutzen der Kiefer herunter. Derartiges hatte er noch nie gesehen, er konnte sich nicht vorstellen, dass es Solches gibt. Schuhe drückten stets, und Blasen, nun ja, sie vergingen wieder wenn man sie aufstach. Es war halt so.

Es mußte nicht so sein, denn als der nächste Kunde – ein Knecht diesmal - seine Schuhe abholen kam, verfuhr ‘Martha die Hexe‘ auf die gleiche Weise.

Ein beglücktes Lächeln schmückte des Knechtes Lippen als er den Brunnen sieben Mal umschritten hatte. Doch als der Knecht der Hexe einen Groschen zwischen ihre Brüste im Mieder steckte, regte sich bei dem ‘Schwarzen Herman‘ ein bisher unbekanntes Empfinden. Es verdroß den Schuster sehr, dass ein anderer Mann die Martha berührt hatte, und er drohte dem Knecht schwere Prügel an, sollte er eine derartige Handlung jemals wiederholen, ja sich seiner Martha auch nur um weniger als einen Schritt nähern.

Der Knecht jedoch fühlte sich in dem ungewohnt geschmeidigen Schuhwerk viel zu behaglich um dem Schuster eine Maulschelle zu verabreichen und entfernte sich ebenfalls federnden Schrittes.

Nun war es an der Hexe für Frieden zu sorgen. Sie drückte dem ‘Schwarzen Herman‘ drei klingende Münzen in die Hand und wies ihn an, ins Dorf zu gehen um Fleisch zu kaufen, und Zwiebeln, und Kohl, und sollte es noch reichen, einen Krug Bier.

Der ‘Schwarze Herman‘ tat wie geheißen; - doch kehrte er erst des Nachts zurück. Schweinernes hatte er mit, Kohl, Zwiebeln und einen Krug. Der hatte Bier enthalten, doch als sich der Schuster zu der Hexe in die Bettstatt legte, war dieser leer.

„Männer“, seufzte die Hexe als sie den Schuster auf sich spürte, „so sind sie halt ...“, und sie öffnete ihre Schenkel...

Als sich der ‘Schwarze Herman‘ des nächsten Morgens auf seinem Dreifuß an die Arbeit setzen wollte, zerrte ihn die Martha zum Brunnen und tauchte seinen Kopf in kaltes, klares Wasser. Der ‘Schwarze Herman‘ wollte es zunächst nicht leiden, doch ‘Martha die Hexe‘ drohte ihm an, zu schelten und zu keifen, dass ihm die Ohren klingen. Da ließ er’s geschehen. Er ließ geschehen, dass sie ihm die Haare schnitt und den Bart stutzte, harten Schusterleim von den Händen riss und an der Stelle, an der der Schöpfer den Menschen gespalten hatte, ein Konglomerat aus Blütenköpfchen von Chrysanthemen und Ingwer in Fliedersalbe auftrug, welche jegliche Sudelei fortbringen sollte. Das etwas von dieser Mengung wie von Ungefähr an Hermans Männlichkeit geriet, geschah wie zufällig.

Alsbald stand er vor ihr wie der Schöpfer ihn geschaffen hatte, von weißer Hautfarbe, weiß wie die Unterseiten von Marthas Brüsten, die die Sonne nie gesehen hatten.

„Gut siehst du aus“, sprach ‘Martha die Hexe‘, „von Haarschmuck, Spitzbart und Gestalt bist du nicht vom Prinzregenten zu unterscheiden. Doch nun eile ins Haus. Ein Brinksitzer nahet um sein Schuhwerk.“

Herman eilte flugs ins Haus. Der Brinksitzer hieß ‘Martha der Hexe‘ seine reparierten Schuhe derart schmiegsam zu machen, dass er sowohl auf dem Tanzboden als auch auf dem Acker ‘leichten Fußes sein werde‘. Als die Hexe mit dem Schuhwerk hinter das Haus geeilt war, wurde sie nicht gewahr, dass der Schuster sie beobachtete.

Als dieser nunmehr sah, dass sie ihre kleine Notdurft in die Schuhe verrichtete, konnte er sich eines breiten Grinsens nicht erwehren.

Das geschah den Menschen recht, in der Seiche einer Hexe einherzuschreiten!

Hatten Bewohner Darenwedes ihn doch bislang schändlich behandelt, ihm den Lohn für seine Arbeit hingeworfen und ihm nicht gestattet, beim Kegelschieben im >Gasthaus zum grünen Jäger< dabei zu sein.

Als auch der Brinksitzer federnden Schrittes gen Darenwede eilte, schickte ihm der ‘Schwarze Herman‘ ein Lachen hinterher, das von ‘Martha der Hexe‘ dahin gedeutet wurde, dass er voll der Freude über seine nunmehr verlockende Erscheinung war.

Diese bestätigte er des Nachts; - in Unwissenheit dessen, dass eine Tinktur aus Blütenköpfchen von Chrysanthemen und Ingwer in Fliedersalbe an rechter Stelle aufgetragen, die Manneskraft ungemein fördert. So sprach dereinst die Großmutter von ‘Martha der Hexe‘, doch diese hatte bislang noch keine Gelegenheit gehabt, die Wirksamkeit dieser Rezeptur am eigenen Leibe zu erfahren.

Sie fand es bestätigt, als der kleine Tod sie küsste ...
 



 
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