Die Humoraltherapie

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James Blond

Mitglied
Menschen, die nichts mehr bewegen,
möchten sich noch gern erregen,
denn des Lebens sexter Sinn
steuert auf Erregung hin.

Will's dem Eros nicht gelingen,
nähert man sich argen Dingen
und gelbgrüner Gallensaft
bringt dem Menschen frische Kraft.

Bitter-braun bis ätzend-trüb
hat uns dann Empörung lieb,
mordet Hirn und fördert Harn,
sichert den Verfolgungswahn,

stützt den Mann beim Größerwerden,
mindert Unterleibsbeschwerden,
bessert das Moralempfinden,
lässt auch Zweifel rasch verschwinden,

kurz und gut: Ist die Empörung
reinste Wohltat bei Verstörung.
Dies erklärt, dass wir uns winden,
bis wir einen Anlass finden.
 

James Blond

Mitglied
Den Wiener Grantscherben gilt meine ganze Bewunderung. Sie haben das Granteln zur Kunstform erhoben.

Liebe Grüße
JB
 

Tula

Mitglied
Hallo James
Witzig und inhaltlich schwer zu bezweifeln. Der sexte Sinn in S1 fein verarbeitet, sicher nicht nur eine Frage mangelnden Interesses als vielmehr Geltungsdrang. Für den hat so manche(r) in früheren Jahren die körperliche Ausstrahlung als Waffe eingesetzt.

Aber doch ein Hinweis für den Perfektionisten. Gelbgrün würde ich auf der ersten Silbe betonen, wie bei Farben-Kombinationen üblich, vielleicht mit Ausnahme beim schwarz-weiß (Denken usw.).

LG
Tula
 

James Blond

Mitglied
Nun ja, Tula, was das Imponiergehabe anbelangt, stimme ich dir zu. Aber den Grantlern geht es - ausnahmsweise einmal nicht - um den Waffengebrauch, sondern um die Bekanntmachung der eigenen Unzufriedenheit. Man findet ja auch hier genügend Beispiele.
Hm, ich habe noch aus der Wahlberichterstattung diverse Farbkoalitionen im Ohr, dort hieß es meist 'gelbgrün'. Ich denke, man kann hier, wie man mag.

Grüße
JB
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Ich kenne keine Farbpaarungen, die anfangsbetont sind. Die ich kenne, klingen mir alle endbetont im Ohr. Ich finde auch keine anfangsbetonte Ausnahme.
Im Duden rumzusuchen, bin ich allerdings zu faul.
 

Tula

Mitglied
Hallo
Rotbraun ist die Haselnuss?
Normalerweise definiert das erste Wort das zweite - Haustür, Fischbüchse, ..., ok Substantive. Gelbgrün wäre bei mir ein gelbes Grün ... hmm, ok, ist sicher wurscht

LG Tula
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Stimmt, Tula, und jetzt fallen mir die ganzen "x-braun"-Komposita als anfangsbetont auf.
 

Tula

Mitglied
Vielleicht so:
gelbgrün - ein gelbes Grün (grün bestimmend)
gelb-grün - eine 'gleichberechtigte' Kombination zweier Farben, beide Silben betont

Nur mal als Vorschlag
Tula
 

James Blond

Mitglied
Auch mal als Vorschlag: Sofern man sich hier der Detailfrage eines Farbkompositas so ausgiebig zu widmen gedenkt, empfehle ich zunächst sorgfältiges Lesen. Dort steht nicht 'gelbgrün', sondern 'gelbgrüner Gallensaft', also ein dreisilbiges Adjektiv.

Da gilt nun folgende Regel: (Zitat)
Klare Verhältnisse liegen vor bei Farbkombinationen: De-Initialisierung bei gleichzeitiger Präsenz verschiedener gleichwertiger Entitäten (Schwarzweißfilm, schwarz-rot-gold), Anfangsbetonung bei Verfremdung (also Spezifizierung) einer Farbe durch eine zweite (blaugrünes Meer, grauweißer Schnee).

Demnach sollte wohl hier 'gelbgrüner Gallensaft' die korrekte Betonung beschreiben. Ich könnte das Problem durch den austausch von 'gelb' leicht lösen, z. B. ' und der grüne Gallensaft ' . Allerdings könnte das meine Gallensäfte unnötig stimulieren und so bleibe ich - trotz aller geäußerten Vorbehalte - bei der bisherigen Darstellung, weil sie hier so wunderschön dokumentiert, worum es im Gedicht eigentlich geht:

kurz und gut: Ist die Empörung
reinste Wohltat bei Verstörung.
Dies erklärt, dass wir uns winden,
bis wir einen Anlass finden.


;)
Grüße
JB
 
Zuletzt bearbeitet:

Tula

Mitglied
Hallo James
Keine Empörung, sondern ein Aspekt, den du selbst, und völlig zurecht(!), schon mehrere Male eingebracht hast. D.h. die sprachlich korrekte Betonung beizubehalten. Wörtchen wie dafür, davon usw. werden in dieser Hinsicht gern 'missbraucht'.

Natürlich ist das für das Gedicht im Ganzen völlig unerheblich. Um dennoch einen weiteren Krümel zu kacken ... gelblich-grün ist der Gallensaft ohnehin. Vielleicht passte hier noch ein anderes Adjektiv, das bildlich erweiternd (z.B. besonders ekelerregend) und witziger wirkt. Das sollte dir nicht schwerfallen.

LG
Tula
 

James Blond

Mitglied
Lieber Tula,

bei aller soliden Begutachtung sollte man hier nicht übersehen, dass es sich hier um ein humoriges Gedichtlein handelt. 'Die Humoraltherapie' zielt ja auf das Gleichgewicht der Körpersäfte, von dem gemäß dieser Lehre eben auch der Humor abhängt. Bei solchen Gedichten sind Beugungen der Betonung ein bewährtes Kunstmittel. Durch das gelbgrüne erfährt hier der Gallensaft eine besondere Betonung, die seiner Rolle in diesem Gedicht gerecht wird. ;)

Grüße
JB
 



 
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