Die intime Beichte: Mein Freund ist ein Monster

4,40 Stern(e) 5 Bewertungen

Q. A. Juyub

Mitglied
Es ist mir so peinlich, aber ich muss beichten, dass mein Freund Jim ein politisch unkorrekter Gedankenterrorist ist. Als ich ihn vor 9 Monaten bei einer Reportage über die Tafeln kennen lernte, habe ich mich prompt in ihn verliebt. Ein sozial engagierter Besserverdiener mit ökologisch wertvollem Lebensstil, das ist schon eine passende Partie für eine grüne Weltenbummlerin und Journalistendarstellerin mit Vielfliegerbonus. Insgeheim hoffte ich natürlich auch, mein neuer Lebensabschnittsgefährte würde mich auch in dem ewigen Ringen gegen das Böse, CO2 in der Atmosphäre und allgemein der Weltrettung klimaneutral unterstützen. Aber all meine ökologisch bourgeoisen Hoffnungen sind durch sein rassistisches Vernunftgehabe zu Staub zerfallen.

Schier sprachlos machte mich, als er während eines von mir aufgenötigten Fernsehabends die Nachrichten im Staatsfunk als Propaganda bezeichnete – als wenn die qualitativ regierungstreuen Medien lügen würden! Nein, sie berichten immer die offizielle Wahrheit, die eben viele gewinnorientierte Gesichter hat. Außerdem ist es nicht gut für den braven Bürger, wenn er mit politisch unkorrekten Realitäten konfrontiert wird - denn nicht sein kann, was nicht sein darf!

Der nächste Schock ließ nicht lange auf sich warten. Jim bezweifelte die Erbschuld des weißen Mannes! Dabei ist sein Vater doch Afroamerikaner und er gehört damit doch selbst zur modischen Opfergruppe. Dann erwähnte dieser Wolf im Schafspelz noch, dass man nur vom einzelnen Individuum und dessen Taten ausgehen kann und er jede Person, die Menschen nach ihrer Hauptpigmentierung oder Herkunft beurteilt für einen faschistoiden Idioten hält. Außerdem werde der wahre Antirassismus damit von einigen nicht allzu cleveren Opportunisten missbraucht, die mit ihren stupiden Ansichten richtig Kasse machen würden. Das sei ungefähr so, als wenn man die Sklaverei dadurch bekämpfen wollte, dass man die Abkömmlinge ehemaliger Sklavenhalter versklavte.

Oh Gott, dachte ich, ein Verschwörungsmystiker oder gar ein Agent der zionistisch-basisdemokratischen Weltverschwörung. Also sah ich ihn ernst an, so wie ich es im Kurs ‚Wie bekämpfe ich falsche Meinungen‘ für Arme gelernt habe und fragte ihn, ob er ein Nazi sei. Frei von jeglichem Schuldbewusstsein sah er mich verwundert an und lachte dann laut. Das brachte mich richtig zum Ausrasten und ich redete drei Tage nichts mit ihm.

Vor einem Monat hatte ich dann die Schnauze voll! Ich habe den glatzköpfigen Jungs, die ständig abends vor dem Kiosk abhängen, dreißig Euro pro Kopf gezahlt, damit sie ihm abends auflauern und so richtig zusammenschlagen. Die wollten das dann aber unentgeltlich machen, als die erfuhren, dass mein Freund ein Farbiger war. Ich dachte mir zwar, dass die vielleicht irgendwie rechts sein könnten, aber der Zweck heiligt ja Mittel. Leider diente Jim früher bei den Rangers in der US-Armee und schlug die armen Jungs in die Flucht! So ein Pech! Natürlich änderte er seine Ansichten in keiner Weise.

Da denkt man natürlich, schlimmer kann es nicht mehr kommen, aber weit gefehlt! Ich briet gerade mein fettes 100-Euro Steak vom Edel-Öko-Metzger, als die Sprache auf den Fluch unserer Zeit kam, das böse Kohlendioxid. Fassungslos musste ich mir anhören, dass mein sogenannter Freund ernsthaft die Meinung vertrat, dass CO2-Emissionen beim Klimawandel eine untergeordnete Rolle spielen würden und eher Sonnenminima und -maxima da eher von Bedeutung wären, schließlich seien ja auch nur 5% des 4% Anteils an Kohlendioxid in der Atmosphäre menschengemacht; einige Vulkanausbrüche und man könne CO2-Obergrenzen vergessen. Oh Gott, dachte ich, auch noch ein Klimaleugner! Als er mir dann noch irgendetwas von Photosynthese -bin ich etwa eine Physikerin?- und Grundstoff des Lebens erzählte und abschließend meinte, das ganze Chose diene sowieso nur dazu den Leuten so richtig abzuzocken und ihnen Freiheitsrechte zu rauben, lief ich weinend hinaus.

Warum kann er denn nur kein normaler Mann sein, der mit der Herde blökt? Womit hat eine solch stromlinienförmige 08-15 Frau wie ich nur ein solches Martyrium verdient. Wie gerne würde ich mich mit einem farbigen Anhängsel schmücken, aber so kann ich diese Beziehung nicht fortsetzen.

© 2021 JU/H.K.H Jeub
 

Hagen

Mitglied
Hallo Q. A. Juyub,
hättest Du dieses Ding nicht unter 'Humor & Satire' eingestellt, man könnte es glatt für bare Münze halten. Bedenke bitte, dass uns ständig Leute umschwirren, die absolut humorlos sind und selbst abstuses Zeug (fakenews) ernst nehmen!
Nun denn, in diesem Sinne, wir sehen uns in der ScheinBAR!
Zudem lesen wir uns weiterhin!
... und bleib' schön fröhlich, gesund und munter, weiterhin negativ getestet und positiv motiviert sowie stets heiteren Gemütes, moralisch einwandfrei und guten Willens!
Herzlichst
Yours Hagen
__________________________________
Wenn du das Licht am Ende des Tunnels erkennst und diesem zustrebst,
wirst du, nachdem eine Rückkehr unmöglich ist, erkennen,
dass es sich um das Licht eines sich schnell nährenden D-Zugs handelt!

Merke: In Eisenbahntunnels sind keine Notfallbuchten vorgesehen!
 

Klaus K.

Mitglied
Hallo Q.A. ("Qualitäts-Anarchist"?),

genau mein ... ja, ja, ich weiß schon, dieser elende Spruch! Dein Text ging runter wie handgepresstes warmes Olivenöl ! So, und jetzt muss ich auf mein 5000.- Euro Lastenfahrrad, man erwartet mich im Öko-Laden. Bei der Fahrt vermeide ich selbstverständlich das Ausatmen. Wurde im Fernsehen so empfohlen. Gruß, klaus k.
 
Jaaaaa…
SO muss Literatur gegen den Strich bürsten!
Super erzählt!
Ganz mein Humor!


Minimale Verbesserungsvorschläge meinerseits:


„Als ich ihn vor 9 Monaten bei einer Reportage über die Tafeln kennengelernt hatte…“
(Plusquamperfekt)


„Insgeheim hoffte ich natürlich auch, mein neuer Lebensabschnittsgefährte würde mich auch
in dem ewigen Ringen gegen das Böse, CO2 in der Atmosphäre und allgemein der Weltrettung klimaneutral unterstützen…“ (Doppelung „auch“)


Statt:
„...er gehört damit doch selbst zur modischen Opfergruppe…“
vielleicht ein bisschen mehr Slang:
„…er gehört damit doch selbst zur hippsten/geilsten/hottesten Opfergruppe, die es derzeit gibt…“



„Also sah ich ihn ernst an, so wie ich es im Kurs ‚Wie bekämpfe ich falsche Meinungen‘ für Arme gelernt habe…“
(der Zusatz „für Arme“ irritiert ein bisschen)


„Ich habe den glatzköpfigen Jungs, die ständig abends vor dem Kiosk abhängen, dreißig Euro pro Kopf gezahlt, damit sie ihm meinem Freund abends auflauern…“
(ansonsten unklar, wer gemeint ist)


Womit hat eine solch stromlinienförmige 08-15-Frau wie ich nur ein solches Martyrium verdient? (Fragezeichen)


Wie gerne würde ich mich mit einem farbigen Anhängsel schmücken, aber so kann ich diese Beziehung einfach nicht fortsetzen.
 
Amüsiert habe ich mich auch und vielleicht sympathisiere ich ja auch mit der Tendenz des Textes. Dennoch finde ich ihn nicht vollkommen geglückt. Er lässt eine Ich-Erzählerin reden und sich dabei fortlaufend selbst demaskieren, aber sie schildert sich und die Abläufe so, wie ein boshafter Beobachter von außen über sie sprechen würde, nicht sie selbst. Beispiel: "Journalistendarstellerin". Ja, solche Figuren gibt es und sie ärgern mich auch fast täglich. Die schwierige Aufgabe eines satirischen Textes über den Typ würde sein, diesen Sachverhalt durch eine authentisch wirkende Äußerung der Figur herauszustellen. Solche Leute sehen sich gewiss nicht als "Darsteller" und bezeichnen sich auch nicht so. Sondern? Tja, ich muss zugeben, dass ich zu wenig vertraut mit den Attributen bin, die sie sich öffentlich beilegen. Vielleicht "hochengagierte Journalistin"? Es kommen danach im Text noch viele ähnliche Stellen. Hätte ich ihn zu schreiben, würde ich vielleicht zunächst Quellen studieren, in denen sich typische Vertreter dieser Richtung über sich selbst äußern, und mir charakteristische Ausdrücke heraussuchen.

Freundliche Grüße
Arno Abendschön
 



 
Oben Unten