Die kleine Hexe Susi

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Claus Thor

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Die kleine Hexe Susi
„Gefangen im Dunkeln“

„Jetzt sitze ich in der Falle“, dachte die kleine Hexe und schaute die steile Holztreppe hinunter. Sie konnte kaum etwas erkennen im diffusen Licht. Sie stellte ihren Besen auf die zweite Stufe, und den Stiel lehnte sie an die rechte Wand. Die kleine Hexe versuchte die Tür, die hinter ihr zu gefallen war, aufzudrücken. Es gelang ihr nicht. Ein Geräusch ließ das Mädchen herumfahren. Das Licht erlosch. Furcht kroch ihr in die dünnen Knie und sie begann zu schlottern: „Wäre sie doch direkt nach Hause gelaufen“, dachte die kleine Hexe, aber für Reue war es jetzt zu spät.
Sie setzte sich auf die obere Stufe und die Tasche mit den Süßigkeiten raschelte. Sie fror. Susi dachte: „Wie bin ich nur in dieses Schlammassel geraten? Verdammt!“
Sie war mit Didi, dem kleinen Vampir und mit Marlis, die das Schlossgespenst war, unterwegs. Die Ausbeute war gut. Sie teilten die Süßigkeiten und wollten nach Hause.
Unterwegs begegneten der kleinen Hexe Zombies, Knochenmänner, Kürbismonster und andere Kreaturen der Nacht. Sie marschierten in Grüppchen oder, wie sie, alleine.
Es war schon dunkel und die Häuser und Gärten an denen sie vorbei kam, waren von flackernden Lichtern, die in grinsenden Totenköpfen und in ausgehöhlten Kürbisschädeln steckten, erleuchtet.
Das rothaarige Mädchen trällerte das Lied mit dem sie die Erwachsenen zur Herausgabe der süßen Sachen nötigte. Sie trug ein lila Kleid über der roten Schlaghose, aus der sie längst gewachsen war. Das Kleid hatte ihre Mutter mit gelben Flicken versehen, und den Saum zackig ausgeschnitten.
Susi hatte das alte Haus gesehen, das etwas abseits gelegen und hinter zwei mächtigen Kastanienbäumen verborgen war.
Sie wusste dort wohnte Frau Mechthild. Die Leute erzählten seltsames über ihr Haus; aber Susi, die die alte Dame oft im Garten gesehen hatte, wollte irgendwann mal vorbeischauen.
Die Dekoration des Gebäudes war eine originelle Hingucke: zwei Reisig- Besen mit Vogelscheuchen- Pärchen, hübsch detailliert; Papier und Kürbislaternen und Kerzengeister. Die Tür war nur angelehnt - sie folgte einem Geräusch - und nun saß die kleine, neugierige Hexe im Dunkeln und fummelte nervös an ihren Freundschaftsbänder aus Scoubidou Flechtschnüre.
Etwas schlich sich dort unten in der Schwärze herum. Sie hatte das Gefühl beobachtet zu werden. Eine eisige Hand, so schien es ihr, krabbelte wie eine Spinne zwischen ihren Schultern. Ihre Nackenhaare stellten sich auf. Sie versuchte die Finsternis mit ihren Augen zu durch stoßen... da, ganz nahe spürte sie eine Bewegung... oder war es nur Einbildung? Sie atmete flach, und erhob sich langsam mit schlotternden Beinen. „Das Feuerzeug!“, schoss es Susi durch den Kopf. „Ich habe es im Forstweg gefunden.“
Im flackernden Schein der Gasflamme stieg sie mutig die Stufen hinab. Der Lichtkreis riss kleine, wabernde Löcher in das Dunkel. Rechts war die Wand, links und vorn öffnete sich der niedrige Raum. Susi wandte sich nach links. Kartons, Kisten und ein alter Puppenwagen mit Krimskrams vollgestopft; eine Stehlampe, dessen Schirm mit Spinnenweben an die Decke geheftet schien. Ein alter Schrank voll Nippes, ein Regal... sie sah die Finger einer bleichen Hand und erschrak... das Feuerzeug fiel ihr im gleichen Augenblick aus der Hand, als etwas auf sie zu flog, ein krächzender Ton schwebte durch die Finsternis, die das lächerlich kleine Feuerzeuglicht verschlang.

Die kleine Hexe schrie, als wäre es das Letzte, was je aus ihr ertönen würde. Dann wurde sie von etwas schwerem, weichen an die Brust getroffen und fiel um.
Ein großer Lichtfinger zitterte durch den Raum und blieb auf das Mädchen haften. Eine alte, aber freundliche Stimme sagte: „Kind, was machst du hier im Keller? Wie bist du herein gekommen? Ach, komm erst mal mit nach oben, dort werde ich dir etwas Warmes zu trinken geben und schauen, ob dir nichts geschehen ist. Na so was, Balthasar, du musst doch kleine Hexen nicht so erschrecken.“
Susi folgte zitternd Frau Mechthild. Sie sah die Schaufensterpuppe am Schrank gelehnt, und die Katze, und dachte: “Nie wieder werde ich ungebeten ein fremdes Haus betreten.“
 

Claus Thor

Mitglied
Vielen Dank, Wolle :)
Die Geschichte ist schon etwas älter; habe sie für ein Halloween-Wettbewerb unser Lokalen Zeitschrift verfasst.
LG Claus
 



 
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