Die kleine Inspektion

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Prust

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Ich weiß nicht wie es Ihnen geht, wenn Sie Ihr Auto in die Werkstatt bringen. Mich beschleicht jedes Mal ein Gefühl der Leere und zwar der zu erwartenden Leere auf meinem Bankkonto. Vor meinem letzten Besuch zum Beispiel habe ich schon mal vorsorglich mein Kreditlimit erhöhen lassen.

Normal läuft es wie folgt ab: Man meldet sein erst 1 1/2 Jahre altes Auto, sagen wir mal, zur kleinen Inspektion an.
Nicht, dass einem irgend etwas aufgefallen wäre, im Gegenteil: der Motor schnurrt wie ein Angorakätzchen, das Getriebe lässt sich butterweich schalten, aber es steht halt im Scheckheft, dass der Wagen gerade jetzt in die Werkstatt muss. Reine Routine natürlich. Obwohl wirklich alles in bester Ordnung ist, habe ich diese komische Ahnung, als ich am Morgen den Autoschlüssel der verkaufsgeschulten Dame vom Empfang aushändige.

Sie lächelt mich eine Spur zu freundlich an. Ist es die Erwartung einer fetten Auftragsprovision, der ihr gute Laune bereitet? Oder ist es mein Hinweis, es sei nichts Besonderes, den sie als Blankoscheck interpretiert?
„Wenn doch was sein sollte, wo können wir sie erreichen?“ Mir schwant Böses. Dieser Anruf kommt so sicher wie das Amen in der Kirche!

Kaum im Büro angekommen, zischelt meine Sekretärin mit der Hand auf der Muschel „Die Werkstatt“ und: „Soll ich?“. Wortlos nickend lasse ich mich verbinden und nehme tapfer den Hörer ab. So ähnlich müssen sich Delinquenten in Texas fühlen, wenn der Gouverneur das Gnadengesuch abgelehnt hat! Die Farbe weicht mir aus dem Gesicht, meine Stimme klingt brüchig: Aha, die Bremsbeläge. Soso, total runter nach 48 Tausend Kilometern. Läge wohl an meinem sportlichen Fahrstil. Auch noch Rumschleimen – jedes Mittel ist diesen Halsabschneidern recht!
„Wenn Sie meinen“, höre ich mich wie durch einen Schleier sagen, „ich werde mich dem Unvermeidlichen wohl beugen müssen“.

Meine sehr blonde Sekretärin, die den unheilvollen Dialog mitgehört hat, erkennt die Situation und spendet Trost. „Stellen Sie sich vor, bei mir haben die beim letzten Mal die Lichtmaschine gewechselt, obwohl ich so gut wie nie bei Dunkelheit fahre.“
Auf einmal fühle ich mich so unsagbar müde und wo kommen plötzlich diese schrecklichen Kopfschmerzen her??

Am Abend lasse ich mich apathisch von Blondie zur Werkstatt fahren. Sicherheitshalber gebe ich ihr meinen Stadtplan und ein Snickers für den Rückweg mit, schließlich dämmert es schon.

Ab jetzt bin ich ganz allein. Todesmutig wie Robert de Niro beim Russisch Roulette in "Die durch die Hölle gehen" stapfe ich auf das Hauptquartier der Bande zu. Finster entschlossen, von meinem Feind mein Allerliebstes zurück zu holen.

Die schmucke Eingangshalle erinnert mehr an eine Bank als an eine Werkstatt, aber genau genommen ist es ja auch das gleiche Geschäftsprinzip. Nur, dass bei Bankern die Finger sauber bleiben, wenn sie sich die Hände schmutzig machen.

Die freundliche Dame vom Morgen nestelt auffällig umständlich die Rechnung aus einem Stapel hervor, als hätte sie nach langen Jahren der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung nun endlich doch den Anflug eines schlechten Gewissens.
„Oh, hier steht, der Meister müsste Ihnen noch `was dazu sagen.“ Bingo, der Meister persönlich. Ab einem gewissen Umsatz bekommt man wohl Chefbehandlung!
„Ho-ho-ho,“ höre ich diesen schon von weitem, „wo ist denn unser Möchtegern-Schumi?“ Was meint dieser blau bemäntelte Knilch damit? Ich fahr´ schließlich ein 200 PS Auto und keinen Elektro-Rollstuhl!

„Also, nachdem wir die Bremsbeläge abmontiert hatten, haben wir die Scheiben auch gleich ausgewechselt, die hatten nur noch sooo wenig drauf“, dabei presst er Daumen und Zeigefinger gegeneinander, bis die Fingerkuppen weiss werden. Und - als würde ihm das Quälen Freude machen - „Die Reifen wären eigentlich auch fällig.“
Mir fällt der Sketch von Didi Hallervorden ein: „Pech für die Kuh Elsa!“ - wahrscheinlich muss ich jetzt noch froh sein, dass sie den Wagen nicht gleich still gelegt haben.

Seine Rechnung geht auf. „Und was kostet der Spaß jetzt?“ frage ich resignierend. Eilig tritt der Meister, Ungemach spürend, nach links von der Bühne ab.
Wirklich perfekt inszeniert: Die gute Seele des Syndikats präsentiert auf Stichwort die Rechnung und augenblicklich weiß ich, warum sie hinter einem einsfünzig tiefen Tresen steht. So kann ich meinem spontanen Impuls, ihr an die Gurgel zu gehen, leider nicht folgen. Aber, ich bin auch gar nicht mehr fähig dazu, weil mir in einem akuten Schwächeanfall die Beine wegknicken und ich wie vom Schraubenschlüssel getroffen zu Boden fahre.

Als ich wieder zu mir komme, fächelt mir jemand mit meiner Rechnung frische Luft ins Gesicht. Mühsam folge ich den tanzenden Ziffern, kann aber schließlich erkennen, dass ich die Summe vorher richtig gelesen habe: 1.346 Euro und 82 Cent!!!

„Wie wollen Sie bezahlen“ höre ich die Fächelnde säuseln. „Bar?“

Was denkt diese rechte Hand des Raubritters eigentlich? Dass ich gerade noch schnell einen Supermarkt überfallen habe?

Erst will ich antworten: `Nehmen Sie Wandelschuldverschreibungen, oder akzeptieren Sie auch Hypotheken?´, röchle aber dann doch: „Mit Karte“ und denke, dass ich am nächsten Morgen gleich meiner Bank erklären muss, dass ich kein neues Auto gekauft habe, sondern mal wieder nur bei der kleinen Inspektion war.
 

xrotbartx

Mitglied
Naja, lustig war die Geschichte nicht. Ich selber hätte sie wahrscheinlich eher bei "Kurzgeschichten" gepostet. In meinen Augen ist es eine Alltagsgeschichte. Für eine Satire hast du viel zu wenig übertrieben.

Aber ich würde mir sowieso nie wieder ein neues Auto kaufen. :)
 

Prust

Mitglied
Ursprünglich veröffentlicht von xrotbartx
Naja, lustig war die Geschichte nicht. Ich selber hätte sie wahrscheinlich eher bei "Kurzgeschichten" gepostet. In meinen Augen ist es eine Alltagsgeschichte. Für eine Satire hast du viel zu wenig übertrieben.

Aber ich würde mir sowieso nie wieder ein neues Auto kaufen. :)
Nun gut, dass ich Deine Meinung nicht teile, verwundert Dich sicher nicht. Humor ist natürlich wie Geschmack ein eine individuelle Geschichte und entzieht sich somit einer Diskussion. Aber trotzdem vielen Dank für das statement.

Grüße

Prust
 

Piratenbraut

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Hallo Prust,

schön zu lesen.
Stellenweise war's für meinen Geschmack schon fast zu überspitzt dargestellt. Ich finde, du hättest nicht gleich umfallen müssen, um der Dramatik die Würze zu geben ;-))

Aber Spaß hat's gemacht.
 



 
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