Die Liebe der Katzen

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Axen

Mitglied
Meine fünf Katzen sind immer noch meine Freundinnen. Trotz allem was ich über sie weiß, liebe ich sie mehr als jeden anderen Menschen. Und sie lieben mich, denn ich gebe ihnen gutes Futter. Ich weiß nicht ob die Liebe, die sie mir gegenüber empfinden, eine zärtliche Liebe ist oder ob sie eine abhängige Liebe ist. Vielleicht lieben Sie mich auch, wie ein schwuler Graf seinen Kammerdiener. Vielleicht schätzen sie mich, weil sie mich manipulieren können, ausnutzen, aus mir einen Handlanger ihrer animalischen Triebe gemacht haben.


Ich weiß es nicht, doch wir lieben uns.


Ich war verheiratet. Meine Frau schleppte in der vierten Woche unserer kurzen Ehe ein Katzenpaar an. Sofort machten sie Kinder. Vier Weibchen. Ich ließ dem Kater die Eier abschneiden und ab da stank die Wohnung weniger und es kamen keine Katzenjunge mehr zur Welt.


Das Dreckstück hat mich verlassen. Sie hatte angefangen, den tätowierten Kioskbesitzer, bei dem sie mir jeden Morgen die Bildzeitung holte, zu vögeln.
"Schatz ich liebe dich.", hatte sie immer gesagt, wenn sie mir die Zeitung vorlegte. An dem Tag als sie mich verließ, sagte sie "Schatz ich liebe dich nicht mehr und ihn auch nicht aber wenigstens keult er mich ordentlich.", dann ging sie und nahm den Kater mit.


Ich gehe fast nie aus. Meine Katzen brauchen mich. Ab und an vögle ich eine Hure, die in ihrer Einraumplatte abends zahlende Gäste empfängt. Das ist alles. Wir leben in Trennung. Die Scheidung läuft.


Das Katzenfutter aus dem Supermarkt ist grauenvoll. Ich bin mir sicher, sie mischen da nur Abfälle hinein. Wie kann ich meinen Katzen, die mir treu bleiben, mir ihre kleine Liebe geben, halbverfaulte Kadaverscheiße in Aspik geben? Hackepeter kann ich nicht bezahlen. Zu teuer, die Alte und ihr Anwalt haben mich abgezogen wie nichts Gutes. Ich dachte "was bist du doch für ein Versager. Du kannst deine Frau nicht richtig durchziehen und deine Katzen müssen Scheiße fressen." Das musste anders werden. Ich liebe meine Katzen, die meine Frauen wurden, die mich nicht verlassen. Für drei vier Wochen ist ihr frisches Abendbrot noch sicher, dann gibt es wieder Tixx aus der Dose.


Minka war die erste, die zu mir kam. Sie fickt keinen anderen Kerl mehr, denn sie liebt mich auf ewig. Ein schönes bleiches Weib mit roten Haare. Dann kam Mausi, dunkelblond, lange Haare, etwas moppelig. Es folgten Murrli, Witwe mittleren Alters aber noch sexy, Schnuffi, die Junkiebraut mit dem mageren Blick und Lulli, eine insolvente Boutiquenbesitzerin, mein Liebling.


Mögen Sie Pilze? Ich liebe Pilze und meine Frauen lieben sie auch. Sie dürfen sie jetzt nicht mehr essen, natürlich nicht, aber eine gute Pilzmahlzeit im Leben ist ok. Sie hatten alle eine besonders gute Pilzmalzeit, obwohl wir mitten im Winter sind. Gelber Faltenschirmling, Leucoprinus Birnbaumii für mich, Lepiota Citrophylla für die Damen. Es war nicht leicht, diese Delikatessen zu beschaffen. Man braucht schlechte Blumenerde, eine überheizte Wohnung und viel Geduld. Irgendwann steigt er aus den Blumentöpfen auf, diese aromatische Pilzgeruch, den man aus der Kindheit kennt, als man mit Onkel Paul in die Pilze ging. Schwefelgelbe Köpfe recken sich aus dem fauligen Boden unter der Zimmerlinde und schon bald kann man ernten, wenn man Glück hat, das ganze Jahr. Man muss nur aufpassen, dass man die sehr ähnlichen Arten nicht verwechselt.


Minka war begeistert von dem Abendessen.
"Vertrau mir, ich bin mit ´dem Pilz´ aufgewachsen!" dieser Satz zog bei ihr und er zog nacheinander bei den anderen. Sie vertrauten mir und meinem "Rührei mit Speck und Pfifferlingen". Ihr Vertrauen hält bis heute an, wenn auch in anderer Form. Die Krämpfe, die Atemnot und schließlich der Kreislaufstillstand, all das war ein kleiner Preis dafür, dass sie nun für immer von mir versorgt werden und ihre seidigen Pelzchen gekrault bekommen.


Glauben Sie an Wiedergeburt? Ein tröstlicher Gedanke, nicht wahr? Ich bin davon überzeugt, dass es Wiedergeburt und Seelenwanderung gibt. Sicher, als aufgeklärter Mensch ist man allzu leicht versucht, die Praxis einiger Völker, die Hirne erlegter Feinde zu essen, um dessen Stärke und Potenz zu erlangen, als Aberglauben abzutun. Vielleicht ist es das auch. Aber ich habe den Beweis, dass zumindest Seelenwanderung Realität ist. Nicht wahr meine Lieben? Esst, die Tiefkühltruhe ist noch voll!


(c) H.E.Axen
 
D

Donna_mobile

Gast
Gefällt mir!

Aggressiver Einfallsreichtum gepaart mit fehlender Diszipliniertheit, ungehobelt, frech und direkt.
Sarkastisch und grausam, zynisch und brutal!

Mit verzweifeltem Humor hast Du ein sehr boshaftes Zerrbild gezeichnet. Jedem Satz ist viel Frust anzuspüren. Die Sprache ist hart und direkt, ohne Verschönerungen aber auch nicht anklagend.
Das pervers-schwüle und Milieu, in dem sich der Protagonist suhlt, ist gelungen und gewollt ekelerregend
dargestellt. Doch zwischen dem „ganzen Dreck“ steckt auch sehr viel Gefühl – man muss es nur lesen können.

DM
 
Hallo Axen,

der vorletzte Absatz verwirrt. Es sind doch die Damen die abnippeln, nicht die Katzen. Das könntest du klarer rausstellen.
Ansonsten schließe ich mich dem Lob an.

Bis bald,
Michael
 

Axen

Mitglied
hallo michael,

ja es sind die frauen aber so genau wollte ich das gar nicht sagen, denn es ging nicht so sehr um den mord als um die austauschbarkeit der fleischlichen hüllen, in die der protagonist seine geliebten hineinblendet.

vielleicht mache ich aus dem letzten "esst" ein "fresst" dann müsste es deutlicher werden aber dann könnte auch die aussage gestört werden, dass er die katzen ja nicht als gewöhnliche tiere sieht sondern als seine frauen (siehe erster absatz: seine katzen sind ihm lieber als "andere menschen")

könnte die verwirrung am ende nicht gerade ein ausdrucksmittel des textes sein? ich bin mir nicht sicher, was sie beim leser erzeugt. eine gewisse ratlosigkeit finde ich persönlich recht interessant

bis bald

Hermann
 
Sie vertrauten mir und meinem "Rührei mit Speck und Pfifferlingen". Ihr Vertrauen hält bis heute an, wenn auch in anderer Form.
Die Krämpfe, die Atemnot und schließlich der Kreislaufstillstand, all das war ein kleiner Preis dafür, dass sie nun für immer von mir versorgt werden und ihre seidigen Pelzchen gekrault bekommen.

Statt sie (2.letzte Zeile ) vielleicht meine Liebsten, das wäre eindeutiger.
 
D

Donna_mobile

Gast
Hermann,

wenn Dein Pro(le)tagonist seine Frau als „Dreckstück“ bezeichnet, von „Kadaverscheisse“ erzählt,
vom „vögeln“, „keulen“, „ficken“, „durchziehen“ und „Eier abschneiden spricht,
brauchst Du Dir m.E. keine Gedanken darüber machen, ob durch den Austausch
des Wortes „essen“ durch „fressen“ die Aussage des Textes gestört wird.

Was meinst Du, Michael?

Gruss
DM
 
Hm, der Text wechselt in der Mitte, anfangs wird die Verachtung über die Frauen recht "bildlich" dargestellt, als er die Pilzzucht startete, fand er Ruhe in sich und äußert sich gemäßigter.
Daher würde ich im letzten Absatz das Essen lassen.
 
Hi "Hermann Axen - Karl-Marx-Stadt",
also ich kann nur sagen, die Geschichte ist völlig in Ordnung. Scheint mir wohl eher eine Art zügellose, sarkastische Altagsbetrachtung zu sein, aber es soll Menschen geben, die glauben, daß das der wahre Horror ist.

Da das ganze auch als Alltagsbetrachtung rüberkommt, fällt es mir schwer, irgendwas über den Inhalt zu sagen. Der Stil ist grade, scheint überzeugend und überzeugt. Wenn ich hier anfangen würde zu fragen, was, wie, wenn, käme wahrscheinlich nicht viel raus.

Tja, dann sollte ich wohl eher im Stil bleiben. Ich habe zu Hause meine eigene Frauenfussballmanschaft. Ich persönlich halte ja nicht viel vom Frauenfussball, hab mir aber sagen lassen, daß es extrem unterhaltsam sein soll.
Schade nur, daß die Mädchen sich so wenig bewegen.
Ich muss ihnen dann immer den Ball zu schießen, sie stöhnen dann auch immer vor Freude auf, wenn ich sie treffe.

Naja, wie gesagt, vom Frauenfussball halte ich eben nicht so viel.

Auch wenn ich den Text amüsant finde( bloss keine falschen Schlussfolgerungen), geht mir ein wenig die Handlung ab.
Das mag daran liegen, daß es wie eine Alltagssatire konzipiert ist. Auf der einen Seite fehlt mir die Aktion, auf der anderen Seite ist die Geschichte zwar gut erzählt, bietet meiner Meinung nach aber noch zu wenig zur Person des Mörders. Wer ist er eigentlich? Schön, daß er die Frauen umbringt, um mit ihnen seine Katzen zu füttern, aber warum liegt seine Frau nicht ganz oben in der Kühltruhe und warum hat der Mörder nicht aus dem Schwanz ihres Liebhabers einen Knabberring für seine Liebsten gemacht? Am Geruch kanns nicht liegen, der Junge züchtet Pilze in seiner Wohnung, mal abgesehen vom Katzengeruch.

Also, wie schon angedeutet, als Satire und Frauenverachtende Schrift( auch eine Form moderner Meinungsäußerung und Gesellschaftskritik) ganz gut, aber als Grusel meiner Meinung nach zu schlank.

Nicht mager, aber schlank.

Gruss, Marcus
 

Axen

Mitglied
hallo marcus,

die eigene alte umbringen? warum? er will sich ja nicht rächen, er will nur die einsamkeit überwinden und die frauengesellschaft gleichsam verfünffachen. es geht nicht um hass oder verachtung (die hat er schnell verdrängt, wie michael schon festgestellt hat) sondern um anhänglichkeit, den willen des protagonisten, einen ersatz für seine frau als empfänger seiner liebe zu finden, es geht um die ewige liebe und eine berechenbare abhängigkeit der geliebten von ihm aber auch um die abhängigkeit, die ihre liebe in ihm erzeugt. Hundeweibchen hätten sich deshalb nicht angeboten.

allerdings gebe ich dir recht, dass für horror vielleicht zu wenig deutliche ekel- und gruseleffekte vorhanden sind. man kann den protagonisten sicher auch noch ausführen; ich wollte diese fassung aber knapp schreiben; in einer weiteren fassung werden ich überlegen, was man abweichendes daraus machen kann.
 



 
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