Horst M. Radmacher
Mitglied
Wer in den Fünfziger- oder den frühen Sechzigerjahren das Schreiben in einer bundesdeutschen Schule lernen musste, konnte als Linkshänder Probleme bekommen. Die damaligen Lehrkräfte gingen dieses Thema nicht selten damit an, diesen bemitleidenswerten Kindern das Schreiben mit der rechten Hand aufzuzwingen, notfalls mit drastischen Maßnahmen, wie durch das Zusammenbinden von Fingern der linken Hand. Dass Linkshänder oft kreative Menschen sind, die häufig die Fähigkeit haben, um die Ecke denken zu können und dabei Gedankensprünge zulassen, das war seinerzeit offenbar nur wenigen Lehrern bekannt.
So verhielt es sich auch mit der Grundschullehrerin von Alexandra Quinn. Fräulein Trimmel hatte erfolglos versucht, das mit links schreibende Mädchen auf das Schreiben mit der rechten Hand zu trimmen. Alexa, wie ihre Schülerin im privaten Umfeld von allen genannt wurde, war ein höchst kreatives Kind, das sich außerdem nicht so leicht einschüchtern ließ. Darüber hinaus besaß sie die Gabe, beidhändig schreiben zu können, erledigte jedoch alle anfallenden Schreibaufgaben spontan mit der von ihr bevorzugten linken Hand und blieb dann auch konsequent bei links. Die dringliche Aufforderung der Lehrerin, ausschließlich mit der rechten Hand zu schreiben, umging sie einfach, indem sie beidhändig schrieb, und zwar synchron, und dies mit gleich gutem Schriftbild. Die Mitschüler lachten darüber, die Lehrkraft tobte.
Alexas Eltern wurden einbestellt. Lena und Campbell Quinn, ein irisch-deutsches Künstlerehepaar, waren erstaunt über die Klagen der Lehrerin. Für sie war es selbstverständlich, dass ihre zweisprachig aufwachsende Tochter spielerisch mit verschiedenen Ausdrucksformen umging, mündlich wie schriftlich. Beidhändig zu schreiben war eine eher leichte Übung für Alexa. So führten sie der verbissenen Lehrkraft vor, was das begabte Mädchen diesbezüglich zu bieten hatte. Sie diktierten Alexa einen Text, und baten sie, diesen in Deutsch und in Englisch zur gleichen Zeit aufzuschreiben. Das gelang Alexandra fehlerfrei: die linke Hand schrieb die Sätze in Englisch, die rechte in Deutsch. Fräulein Trimmel war verblüfft.
In den folgenden Jahren ihres schulischen Werdegangs traf Alexa dann mehr und mehr auf fortschrittliche Lehrer, die multilaterale Fähigkeiten akzeptierten, oder gar bewunderten. Die Fähigkeit, Texte synchron zu doppeln, war Anlass für manche Spielerei. So schrieb Alexandra in späteren Schuljahren einen Text im Ursprung mit ihrer linken Hand auf Deutsch, und in das Heft ihrer Freundin die englische Übersetzung gleichzeitig mit rechts. Dann kamen die Jahre, in denen Schulpsychologen an deutschen Schulen zunehmend Einfluss nahmen. Alexandras Besonderheiten blieb einem solchen, Dr. Frenzel, nicht verborgen. Mit Einverständnis der Eltern nahm er umfangreiche Tests an dem nun schon pubertären Mädchen vor. Der Befund, Neigung zu divergentem Denken, große Kreativität, die Fähigkeiten zum Multitasking, das alles hätte man auch ohne seine Expertise bei Alexa erkennen können.
Aber der Psychologe ging einen Schritt weiter. Er witterte die Extravaganz dieses Falls. Alexandra sollte nun in einer der Aufgaben mit der einen Hand in der Originalschrift, mit der anderen Hand in Spiegelschrift schreiben. Beidhändig Spiegelschrift, in einer Sprache, das hatte sie schon vorher geschafft. Das Ergebnis der verschiedenen Versionen zeigte, das mit links geschriebene Original war klar und deutlich, die Version in Spiegelschrift war es nicht. Für Dr. Frenzel der Beweis, Alexandra war ohne jeden Zweifel Linkshänderin. Welch eine Erkenntnis! Dann erweiterte er seine Experimente, Frenzel liebte Inszenierungen. Er ließ die Probandin nun links in Englisch und mit der rechten Hand in Deutsch, und zwar beides in Spiegelschrift schreiben. Dies war zu viel für Alexa. Sie fing am ganzen Körper zu zittern an, brach weinend zusammen. Der Psychologe hatte den Kern der kreativen Flexibilität des begabten jungen Mädchens beschädigt. Und das alles war nur geschehen, um einen Nachweis zu erbringen, dass er eine Linkshänderin mit einer dominanten rechten Hirnhälfte vor sich hatte. Doch Alexandra Quinn überwand diese missliche Situation, sie fand bald zu alter Lebensfreude und Kreativität zurück.
Einige Monate nach diesem Ereignis nahmen ihre Eltern ein Engagement an einem Theater der Stadt San José in Kalifornien an. Für ihre Tochter die Gelegenheit, sich von diesen psychologischen Deutungsversuchen eines deutschen Schulpsychologen an ihrer Kreativität vollends zu erholen. Alexandra erhielt nach ihrem Schulabschluss ein Begabtenstipendium an der Stanford University in Palo Alto, Kalifornien. Dort schloss sie in ihrem Studienfach Informatik als Jahrgangsbeste ab, promovierte, und verblieb zunächst an dieser Elite-Universität, wo sie in der Grundlagenforschung für Künstliche Intelligenz tätig war.
Dies geschah zu der Zeit, in der High-Tech-Unternehmen im nahen Silicon Valley immer größere Bedeutung erlangten und ständig auf der Suche nach begabten Wissenschaftlern waren. Alexandra Quinn wurde von einem der ganz Großen der Branche engagiert. Aufgrund ihrer außerordentlich großen wissenschaftlichen Befähigung gelang es ihr, das weltweit erste computergesteuerte Sprachsystems zu entwickeln. Die Forschung ging weiter. Die Technik sollte weltumspannend angewendet werden, natürlich immer mit Ausrichtung auf Profitmaximierung. Das bedeutete in der Praxis, es musste ständig technologischer Fortschritt kreiert werden. Wissenschaftliche Anerkennung war dabei ein Leitmotiv, das treibende Elemente jedoch, war eher ökonomischer Natur, es musste etwas her, das weltweit von möglichst vielen Verbrauchern leicht zu bedienen wäre, und darüber hinaus eine breite Verwendung in deren Alltag fände.
Vor diesem Hintergrund erschuf Alexa ein zurecht so genanntes technisches Wunderwerk: Befehle, die per Spracheingabe zu initiieren und digital auszuführen waren. Diese bahnbrechende Anwendungsmethode wurde zu einem gigantischen Erfolg. Alexa wusste um die Bedeutung dieser Erfindung. Es erfüllte sie mit Stolz. Die Anerkennung für diese Leistung nahm sie wohlwollend zur Kenntnis, wollte dies aber nicht öffentlich dargestellt wissen. Ihr genügte es, eine Art Spiritus Rectus im Hintergrund zu bleiben. Aufgrund dieser Bescheidenheit entstand später das Narrativ, die Namensgebung für den Aktivierungsaufruf, Alexa, wäre als Hommage an die universelle Bibliothek des antiken Alexandria zu verstehen.
So verhielt es sich auch mit der Grundschullehrerin von Alexandra Quinn. Fräulein Trimmel hatte erfolglos versucht, das mit links schreibende Mädchen auf das Schreiben mit der rechten Hand zu trimmen. Alexa, wie ihre Schülerin im privaten Umfeld von allen genannt wurde, war ein höchst kreatives Kind, das sich außerdem nicht so leicht einschüchtern ließ. Darüber hinaus besaß sie die Gabe, beidhändig schreiben zu können, erledigte jedoch alle anfallenden Schreibaufgaben spontan mit der von ihr bevorzugten linken Hand und blieb dann auch konsequent bei links. Die dringliche Aufforderung der Lehrerin, ausschließlich mit der rechten Hand zu schreiben, umging sie einfach, indem sie beidhändig schrieb, und zwar synchron, und dies mit gleich gutem Schriftbild. Die Mitschüler lachten darüber, die Lehrkraft tobte.
Alexas Eltern wurden einbestellt. Lena und Campbell Quinn, ein irisch-deutsches Künstlerehepaar, waren erstaunt über die Klagen der Lehrerin. Für sie war es selbstverständlich, dass ihre zweisprachig aufwachsende Tochter spielerisch mit verschiedenen Ausdrucksformen umging, mündlich wie schriftlich. Beidhändig zu schreiben war eine eher leichte Übung für Alexa. So führten sie der verbissenen Lehrkraft vor, was das begabte Mädchen diesbezüglich zu bieten hatte. Sie diktierten Alexa einen Text, und baten sie, diesen in Deutsch und in Englisch zur gleichen Zeit aufzuschreiben. Das gelang Alexandra fehlerfrei: die linke Hand schrieb die Sätze in Englisch, die rechte in Deutsch. Fräulein Trimmel war verblüfft.
In den folgenden Jahren ihres schulischen Werdegangs traf Alexa dann mehr und mehr auf fortschrittliche Lehrer, die multilaterale Fähigkeiten akzeptierten, oder gar bewunderten. Die Fähigkeit, Texte synchron zu doppeln, war Anlass für manche Spielerei. So schrieb Alexandra in späteren Schuljahren einen Text im Ursprung mit ihrer linken Hand auf Deutsch, und in das Heft ihrer Freundin die englische Übersetzung gleichzeitig mit rechts. Dann kamen die Jahre, in denen Schulpsychologen an deutschen Schulen zunehmend Einfluss nahmen. Alexandras Besonderheiten blieb einem solchen, Dr. Frenzel, nicht verborgen. Mit Einverständnis der Eltern nahm er umfangreiche Tests an dem nun schon pubertären Mädchen vor. Der Befund, Neigung zu divergentem Denken, große Kreativität, die Fähigkeiten zum Multitasking, das alles hätte man auch ohne seine Expertise bei Alexa erkennen können.
Aber der Psychologe ging einen Schritt weiter. Er witterte die Extravaganz dieses Falls. Alexandra sollte nun in einer der Aufgaben mit der einen Hand in der Originalschrift, mit der anderen Hand in Spiegelschrift schreiben. Beidhändig Spiegelschrift, in einer Sprache, das hatte sie schon vorher geschafft. Das Ergebnis der verschiedenen Versionen zeigte, das mit links geschriebene Original war klar und deutlich, die Version in Spiegelschrift war es nicht. Für Dr. Frenzel der Beweis, Alexandra war ohne jeden Zweifel Linkshänderin. Welch eine Erkenntnis! Dann erweiterte er seine Experimente, Frenzel liebte Inszenierungen. Er ließ die Probandin nun links in Englisch und mit der rechten Hand in Deutsch, und zwar beides in Spiegelschrift schreiben. Dies war zu viel für Alexa. Sie fing am ganzen Körper zu zittern an, brach weinend zusammen. Der Psychologe hatte den Kern der kreativen Flexibilität des begabten jungen Mädchens beschädigt. Und das alles war nur geschehen, um einen Nachweis zu erbringen, dass er eine Linkshänderin mit einer dominanten rechten Hirnhälfte vor sich hatte. Doch Alexandra Quinn überwand diese missliche Situation, sie fand bald zu alter Lebensfreude und Kreativität zurück.
Einige Monate nach diesem Ereignis nahmen ihre Eltern ein Engagement an einem Theater der Stadt San José in Kalifornien an. Für ihre Tochter die Gelegenheit, sich von diesen psychologischen Deutungsversuchen eines deutschen Schulpsychologen an ihrer Kreativität vollends zu erholen. Alexandra erhielt nach ihrem Schulabschluss ein Begabtenstipendium an der Stanford University in Palo Alto, Kalifornien. Dort schloss sie in ihrem Studienfach Informatik als Jahrgangsbeste ab, promovierte, und verblieb zunächst an dieser Elite-Universität, wo sie in der Grundlagenforschung für Künstliche Intelligenz tätig war.
Dies geschah zu der Zeit, in der High-Tech-Unternehmen im nahen Silicon Valley immer größere Bedeutung erlangten und ständig auf der Suche nach begabten Wissenschaftlern waren. Alexandra Quinn wurde von einem der ganz Großen der Branche engagiert. Aufgrund ihrer außerordentlich großen wissenschaftlichen Befähigung gelang es ihr, das weltweit erste computergesteuerte Sprachsystems zu entwickeln. Die Forschung ging weiter. Die Technik sollte weltumspannend angewendet werden, natürlich immer mit Ausrichtung auf Profitmaximierung. Das bedeutete in der Praxis, es musste ständig technologischer Fortschritt kreiert werden. Wissenschaftliche Anerkennung war dabei ein Leitmotiv, das treibende Elemente jedoch, war eher ökonomischer Natur, es musste etwas her, das weltweit von möglichst vielen Verbrauchern leicht zu bedienen wäre, und darüber hinaus eine breite Verwendung in deren Alltag fände.
Vor diesem Hintergrund erschuf Alexa ein zurecht so genanntes technisches Wunderwerk: Befehle, die per Spracheingabe zu initiieren und digital auszuführen waren. Diese bahnbrechende Anwendungsmethode wurde zu einem gigantischen Erfolg. Alexa wusste um die Bedeutung dieser Erfindung. Es erfüllte sie mit Stolz. Die Anerkennung für diese Leistung nahm sie wohlwollend zur Kenntnis, wollte dies aber nicht öffentlich dargestellt wissen. Ihr genügte es, eine Art Spiritus Rectus im Hintergrund zu bleiben. Aufgrund dieser Bescheidenheit entstand später das Narrativ, die Namensgebung für den Aktivierungsaufruf, Alexa, wäre als Hommage an die universelle Bibliothek des antiken Alexandria zu verstehen.
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