Die listigen Geißlein

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juliawa

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Es waren einmal sieben kleine Geißlein, die friedlich mit ihren Eltern in einem Haus im Wald lebten. Eines Tages mussten die Eltern auf eine Konferenz und ließen die Kinder allein zu Hause. Die Mutter warnte noch: "Macht niemandem die Tür auf, es läuft ein böser Wolf frei im Wald herum!"
Als die Eltern die Tür geschlossen hatten, fingen die Geißlein an zu jubeln, denn sie hatten noch nie sturmfreie Bude gehabt. Das älteste der Kinder, Jonas, übte mit einem seiner Geschwister Judo-Griffe, denn er ging seit ein paar Wochen zum Training. Die anderen schauten sich eine Krimiserie im Fernsehen an. Das jüngste der Geißlein, Phillip, genannt "Fifi" übte Seilspringen. Dafür musste es immer viel Spott von seinen Geschwistern erdulden.
"Du bist so ein Mädchen!", rief Jonas mit hämischem Grinsen über die Schulter. Fifi ließ die Ohren hängen und schmiss das Seil in die Ecke. Fifi war ein zurückhaltendes Geißlein mit langen, blonden Haaren. Er war nicht so selbstbewusst und sportlich wie die meisten seiner Brüder.
Später am Tag, die Kinder hatten sich gerade einen Fertig-Heuauflauf gegönnt und saßen satt und zufrieden auf dem Sofa, klopfte es auf einmal an der Tür.
"Jonas, wer kann das sein?", fragte Finn, das zweitjüngste der Kinder, mit leichter Nervosität.
"Ich hab genau so viel Information wie du", erwiderte dieser genervt. Er stand auf und schaute zum Seitenfenster hinaus. "Oh Gott, das ist der große, böse Wolf!", sagte er erschrocken.
"Mama hat gesagt, du sollst und keine Angst machen !", erwiderte Niclas mit ängstlicher Stimme.
"Dann schau halt selbst, du Nervensäge !", gab Jonas wütend zurück.
Die Kinder scharten sich ängstlich ums Fenster. Jonas hatte ihnen die Wahrheit gesagt. Draußen stand kein anderer als der große, böse Wolf.
"Was machen wir jetzt ?", fragte Niclas panisch.
"Wir verstecken uns", flüsterte Finn.
"Wir tun so, als wären wir nicht da", schlug Fifi vor.
Auf einmal huschte ein Lächeln über Jonas Gesicht. "Oder", sagte er, "und sagt jetzt nicht gleich 'nein', oder aber wir fangen den Wolf".
"Bist du verrückt geworden?", fragte Fifi entrüstet."Wir sind doch nur Kinder und der Wolf ist viel stärker als wir."
"Aber wir sind zu siebt, und außerdem kann ich Judo, und Tim kann es ja jetzt auch ein bisschen, wir haben doch heute geübt", erwiderte Jonas mit einem aufgeregten Lächeln.
"Naja", wandte Tim verlegen ein, "ich halte das trotzdem für keine gute Idee".
"Stellt euch doch mal vor, wir würden den Wolf einfangen", sagte Jonas aufgeregt. "Wir wären Helden ; wir würden in die Zeitung kommen !"
"Das ist der Wahnsinn, das ist eine Schnapsidee", sagte Fifi wütend.
"Wir wissen ja, dass du ein Feigling bist", gab Jonas abfällig zurück.
Fifi ließ den Kopf hängen. Er wusste, dass seine Brüder ihn für feige und weibisch hielten.
"Also gut", sagte er schließlich, "ich bin dabei". "Aber wir brauchen auf jeden Fall einen Plan", fügte er hinzu.
"Ganz einfach", sagte Jonas, "wir spannen dein Sprungseil über die Türschwelle, der Wolf stolpert darüber, wir stürzen uns auf ihn und fesseln ihn."
Die Geißlein spannten das Seil fest über die Türschwelle. Dann kauerten sich die jüngeren der sechs Geschwister links und rechts der Türschwelle, so dass der Wolf sie beim Eintreten nicht sehen würde. Jonas hatte heldenhaft beschlossen, den Köder zu spielen. Er öffnete mit zittrigen Händen die Tür.
Als er das gierige und bösartig aussehende Gesicht des Wolfes sah, das gefühlte drei Meter über dem Boden erschien, zog sich ihm der Magen zusammen, doch er nahm all seinen Mut zusammen, streckte dem Raubtier seine Zunge entgegen und sang: "Fress mich doch, du Eierkopf !" Etwas besseres war ihm in der Aufregung einfach nicht eingefallen.
Der Wolf, wütend über so eine Respektlosigkeit, stürzte sich auf das freche Gör und übersah dabei das Seil. Er fiel fluchend zu Boden.
Mit Gebrüll stürzten sich die anderen sechs Kinder auf ihn, wild entschlossen, ihrem Bruder zu helfen. Doch der Wolf, der für seine sieben Jahre, was etwa 44 Menschenjahren entspricht, sehr sportlich war, reagierte blitzschnell und stand beinahe sofort wieder auf den Beinen.
Ein süffisantes Grinsen spielte um seine Lippen. "Was war das denn für eine Aktion ?", fragte er.
Die Kinder starrten angsterfüllt zu ihm auf. Keiner wagte, einen Mucks von sich zu geben.
"Antwortet, oder ich fresse euch gleich hier und jetzt", knurrte der Wolf.
"W... Wir wwollten dich fangen", stotterte Jonas schließlich.
Der Wolf warf seinen Kopf zurück und gab ein wieherndes Lachen von sich.
"Euch ist bekannt, wer ich ich bin, oder ?", fragte er grölend. "Ich bin der Schrecken des Waldes, eine wandelnde Kampfmaschine und nebenbei war ich drei mal auf dem Cover des 'Modern Wolfman'. Die besten Jäger des Landes sind seit geraumer Zeit hinter mir her und da glaubt ihr, ich lasse mich von einer Horde Kinder einfangen ?"
Die Geißlein blickten betreten zu Boden.
"Na schön", fuhr er fort, "ihr werdet jetzt den Preis dafür zahlen, dass ihr unbedingt Superhelden spielen wolltet. Ich habe seit gestern Abend nichts gegessen, ich mache nämlich gerade Intervallfasten, was übrigens sehr zu empfehlen ist, aber was rede ich da. Kurz gesagt, ich hab Platz in meinem Magen für euch alle. Wer will denn zuerst drankommen, nur nicht schüchtern sein."
Niclas ließ ein leisen Schluchzen ertönen.
Da flüsterte Fifi auf einmal schüchtern: "Sehr verehrter Herr Wolf, darf ich Sie vielleicht noch etwas fragen, bevor Sie uns fressen ?"
"Schieß los, Kurzer, ich bin gespannt", erwiderte der Wolf mit einem selbstzufriedenen Zwinkern.
"Ist es wahr, dass Sie der stärkste Mann Mitteleuropas sind? Das erzählt man sich bei uns in der Schule", fuhr das Geißlein mit Ehrerbietung in der Stimme fort.
"Oh, Mitteleuropa ist groß und ich kenne ja nicht alle seine charmanten Bewohner, aber ich halte das auf jeden Fall für möglich, ja sogar für wahrscheinlich", gab der Wolf, offensichtlich geschmeichelt, zurück.
"Darf ich dann fragen, wie viele Liegestützen Sie schaffen?", fragte Fifi mit hoher und aufgeregter Stimme.
"Das, mein Kleiner, kann wirklich nur ein Nichtsportler fragen", antwortete der Wolf mit gutmütigem Spott. "Ich würde natürlich so viele Liegestütze schaffen, wie ich will, nur würde mir dabei schnell langweilig werden."
"Mhm, achso, verstehe, blöde Frage", antwortete Fifi nachdenklich. "Aber... wie viele Liegestütze würden Sie schaffen, wenn ich dabei auf Ihrem Rücken sitzen würde ?"
Der Wolf lachte kurz auf. "Naja, also besonders schwer siehst du ja nicht aus, ich schätze, ich würde immer noch so viele machen können wie ich will."
"Wow!", gab Fifi beeindruckt zurück, "und wie wäre es, wenn Jonas sich auch noch auf Ihren Rücken setzt?"
"Probieren wir es doch einfach aus!", rief der Wolf.
In ihm war der Ehrgeiz erwacht. Er ging hinunter auf alle Viere, und ließ Fifi und Jonas auf seinem Rücken Platz nehmen.
Dann fing er an, Liegestütze zu machen. Nachdem er ohne größere Schwierigkeiten fünfzig Wiederholungen absolviert hatte, sagte er triumphierend: "Seht ihr, ich habe es euch doch gleich gesagt, dass das keine große Herausforderung für mich ist", prahlte er.
"Unglaublich", sagte Fifi eifrig, "Sie sind noch viel stärker, als ich es mir je vorgestellt hätte und wir wollen Sie ja nicht langweilen, also hätten Sie was dagegen, wenn Niclas sich auch noch auf Ihren Rücken setzt ?"
"Also gut, wenn ihr immer noch nicht genug gesehen habt", erwiderte der Wolf, und schaffte es gleichzeitig genervt und geschmeichelt auszusehen, "dann hab ich mir das Festmahl nachher wenigsten verdient."
Niclas sprang auf den Rücken des Wolfes und dieser begann erneut, Liegestützen zu machen.
Diesmal fiel es ihm aber nicht ganz so leicht. Nach dreißig Wiederholungen kam er sichtbar ins Schwitzen. Nach fünfzig Wiederholungen war er am Ende seiner Kräfte.
"... zweiundfünfzig, dreiundfünfzig, und viiierundfünzig", schnaubte er und sank dann völlig erschöpft zu Boden.
"Schnell, setzt euch auf ihn!!", rief Fifi aufgeregt seinen Geschwistern zu.
Die hatten nun Fifis raffinierten Plan verstanden und setzten sich blitzschnell auf den Rücken und die Beine des Wolfes.
"Verdammt nochmal, habt ihr den Verstand verloren?", schrie der Wolf wütend "geht sofort runter von mir!"
"Vergiss es!", antwortete Fifi mit triumphierender Stimme. "Deine Eitelkeit hat dich im wahrsten Sinne des Wortes zu Fall gebracht", fügte er altklug hinzu. "Schnell Niclas, du bist der Leichteste, hol uns mein Springseil!"
Niclas erhob sich vom Rücken des Wolfes und holte das lange, gelbe Seil. Mit vereinten Kräften banden die Kinder die großen Pranken des Wolfes hinter seinem Rücken zusammen. Danach fesselten sie zur Sicherheit auch noch die Beine des Raubtiers.
"Ok Niclas, geh schnell los und hole den Jäger, aber beeil dich!", rief Fifi aufgeregt, "du kannst ihm ausrichten, dass wir eine Überraschung für ihn haben."
"Das ist meine letzte Warnung, ihr Bälger!", knurrte der Wolf in blinder Wut,"lasst mich sofort aufstehen!"
Er fluchte und wand sich, doch mit dem Gewicht aller sieben Kinder auf ihm hatte er nicht die geringste Chance sich zu befreien.
"Jetzt werden wir doch noch Helden!", jubelte Jonas.
"Davon sollten wir eigentlich ein Foto machen, sonst glaubt uns kein Mensch, dass wir den großen Wolf eigenhändig überwältigt haben", lachte Finn.
Als eine gute Stunde später endlich Niclas mit dem Jäger zurückkehrte, traute dieser seinen Augen kaum.
Der seit Jahren gesuchte und gefürchtete große, böse Wolf lag flach und besiegt auf seinem Bauch. Rittlings auf ihm saßen sieben kleine Geißlein.
Das gefesselte Ungetüm hatte sich inzwischen in sein Schicksal gefügt und aufgehört, sich zu wehren.
"Donnerwetter, da kann man nur sagen, guter Fang, Kinder!", rief der Jäger beeindruckt.
Die Kinder sahen mit stolzen Gesichtern zu ihm auf.
"Na dann wollen wir doch mal sehen, ob im Zoo noch ein Käfig frei ist", fuhr der Jäger fort.
Der gefangene Wolf ließ ein wütendes Knurren von sich.
Eine weitere Stunde später wurde der gefesselte Wolf auf einem mit bunten Luftballons geschmückten Holzkarren durch die Stadt Richtung Zoo transportiert.
Auf seinem Rücken saßen mit stolzgeschwellter Brust Jonas und Fifi. Die restlichen Geißlein zogen den Karren.
Der Jäger hielt sich im Hintergrund. Er wollte den Kindern ihren wohlverdienten Triumph ganz allein überlassen.
Alle Kinder des Orten waren gekommen, um den kleinen Geißlein zuzujubeln und dem ehemals so gefürchteten und nun unschädlich gemachten Wolf die Zunge rauszustrecken.
"Hoch lebe Fifi, hoch lebe Fifi !! , riefen sie ihnen zu, denn die Nachricht von Fifis raffiniertem Plan hatte blitzschnell die Runde gemacht.
Fifi war in Jonas' Ansehen stark gestiegen, denn er begriff, dass sie den Wolf nicht durch Stärke, sondern durch Klugheit gefangen hatten.

Ende
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:

Else Marie

Mitglied
Hallo juliawa,

ich hab deine Geschichte sehr gern gelesen. Erinnert natürlich erstmal ein ein altbekanntes Märchen.
Du setzt moderne Sprache ein, die Kindergeißlein reden, wie Kinder eben reden. Da können sich die kleinen Zuhörer gut reindenken und identifizieren, natürlich vor allem mit dem scheinbar Schwächsten. Ich fand es sehr amüsant, wie du den Wolf beschreibst und wie du ihn sprechen lässt. Für Kinder durchaus bedrohlich, aber auch faszinierend. Sogar Jonas kommt ins Stottern. Lustig ist die Idee mit dem Modern Wolfman. Und dann kommt Fifis tolle Idee.
Vielleicht könnten seine Geschwister ihm erst erstaunte und dann bewundernde Blicke zuwerfen. Es wäre eine Möglichkeit zu beschreiben, wie sie es langsam kapieren, nur der Wolf rafft es in seiner Eitelkeit nicht.
Das mit dem Zoo find ich auch genial. Die perfekte Strafe. Mir gefällt, wie die Geißlein sich freuen und dass sie auch etwas schadenfroh und stolz sein dürfen! Den letzten Satz würde ich weglassen oder anders formulieren. So wäre es mir zu platt. Vielleicht könnte Jonas seinen Arm um Fifi legen und etwas über seine Klugheit sagen oder ihm einfach nur zuzwinkern. Oder du greifst das von oben auf, dass er Fifi jetzt nicht mehr für ein Mädchen hält.
Ich mag deinen lockeren Schreistil und deinen Einfallsreichtum. Freue mich darauf, mehr von dir zu lesen.

Grüße, Else Marie
 

molly

Mitglied
Hallo juliawa,

die listigen Geißlein zeigen uns: Wenn viele Schwache zusammenhalten, kann ein Starker überlistet werden.
Der Wolf darf im Zoo weiterleben, das ist "Strafe" genug, mir gefällt der Käfig nicht so., "...ein Platz im Zoo" reicht. Den letzten Satz würde auch ich weglassen, sie könnten doch den ganzen Tag noch feiern.

Bevor mir die Geschichte gefällt, wünsche ich mir, dass du alle negativen Bemerkungen über Mädchen weglässt.

Das ist mir noch aufgefallen:



"Du bist so ein Mädchen!", Mädchen können manchmal besser Seilspringen als Jungs. Besser, wenn schon Spott: „Wie stellst du dich nur an!“



"Jonas, wer kann das sein?", fragte Finn, das zweitjüngste der Kinder, (mit leichter Nervosität.) ängstlich,

"Ich hab genau so viel Information wie du", erwiderte dieser (genervt).



"Mama hat gesagt, du sollst und uns keine Angst machen!“

erwiderte Niclas zitternd (mit ängstlicher Stimme.)



du Nervensäge . erklären!


Er wusste, dass seine Brüder ihn für feige und weibisch hielten.


Fress mich doch, du Eierkopf !" Etwas Besseres war ihm in der Aufregung einfach nicht eingefallen

Niclas ließ ein leisen Schluchzen ertönen. Besser: Niclas schluchzte leise


Etliche Satzzeichenfehler



Viele Grüße


molly
 

juliawa

Mitglied
Liebe molly, liebe Else Marie,

erst einmal Vielen Dank für euer freundliches Feedback !
Liebe Else Marie: danke für deine Rückmeldung, was dir an der Geschichte gefallen hat ! Das ist auch immer eine wichtige Information, weil ich mir sonst unsicher bin, ob ich nicht doch noch mehr ändern sollte. :)
Mit dem letzten Satz habt ihr beiden absolut recht, der kommt platt, das muss ich noch irgendwie subtiler rüberbringen.
Liebe Molly: die negativen Bemerkungen über Mädchen spiegeln natürlich nicht meine Meinung wieder, sondern die von 'Jonas'. Es ist eben leider so, dass viele Jungs in einem bestimmten Alter ziemliche 'Machos' sind. In dieser Phase gilt dann nichts als peinlicher als sich 'wie ein Mädchen' zu verhalten. 'Jonas' nennt 'Fifi' auch nicht ein Mädchen weil er schlecht Seil springt, sondern weil er es überhaupt macht, ein Hobby, dass nun mal eher mit Mädchen assoziiert wird. Ich wollte diese Geschlechterklischees in der Geschichte kritisieren. Der Wolf wird dann am Ende ja auch nicht mit typisch "männlichen" Werten besiegt, wie Muskelkraft oder Mut (obwohl Mut natürlich auch eine wichtige Tugend ist), sondern indem Fifi die Eitelkeit des Wolfes gegen ihn selbst einsetzt, also kurz gesagt durch eher "weibliche" Softskills wie Menschenkenntnis und Einfühlungsvermögen. (Männlich und weiblich in Anführungszeichen, da es meiner Meinung nach größtenteils gesellschaftlich konstruiert ist, was als typisch männlich und typisch weiblich gilt)
Mit deinen Tipps zur Verbesserung des Stils hast du absolut recht. Und ja, die Zeichenfehler, hab die Geschichte doppelt und dreifach darauf durchsucht, aber ein paar haben sich wohl noch eingeschlichen.

Liebe Grüße,
juliawa
 

molly

Mitglied
Liebe juliawa,

ändere noch nicht, vielleicht schreibt Dir ja noch jemand etwas zu der Geschichte. Die Idee finde ich wirklich gut. Für welches Alter hast Du die Geschichte gedacht?

Viele Grüße
molly
 

hera

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo juliawa,

ich denke, du kannst dieses provokanten Bemerkungen ruhig so stehen lassen. Geschichten regen ja auch immer zu Diskussionen und Einsichten unter den jungen Lesern an.

Viele Grüße
hera
 

molly

Mitglied
Hallo juliawa,

ich akzeptiere Heras Entscheidung voll. Dennoch sträuben sich bei mir alle Nackenhaare, wenn ich das Wort "weibisch" lese.

Liebe Grüße

molly
 

juliawa

Mitglied
Hallo hera, hallo molly,

Danke für deine Rückmeldung hera !
Molly, du hast recht, das Wort "weibisch" war in diesem Zusammenhang ungünstig gewählt, fällt mir jetzt beim Drüberlesen auch auf.
Ich wollte hier das Vokabular benutzen, dass manche dieser "Macho-Jungs" eben gebrauchen. Aber ich hätte es vielleicht anders formulieren sollen.
Für welches Alter hast Du die Geschichte gedacht?
Hab ich mir noch gar keine Gedanken drüber gemacht. Bin hier für Empfehlungen offen.

Liebe Grüße,
juliawa
 

juliawa

Mitglied
Danke für eure Vorschläge und Korrekturen ! Hier ist die aktuelle Version der Geschichte :)



Es waren einmal sieben kleine Geißlein, die mit ihren Eltern in einem kleinen Haus am Rande des Waldes lebten. Eines Tages mussten die Eltern auf einen Kongress über Ziegenkäse und ließen die Kinder allein zu Haus. Die Mutter warnte noch: "Macht niemandem die Tür auf, es läuft ein böser Wolf im Wald herum!"
Als die Eltern die Tür geschlossen hatten, fingen die Geißlein an zu jubeln, denn sie hatten noch nie sturmfreie Bude gehabt. Das älteste der Kinder, Jonas, übte mit seinem Bruder Tim Judo-Griffe, denn er ging seit ein paar Wochen zum Training. Die anderen schauten sich eine Krimiserie im Fernsehen an. Das jüngste der Geißlein, Phillip, genannt "Fifi" übte Seilspringen. Dafür musste es immer viel Spott von seinen Geschwistern erdulden.
"Du bist so ein Mädchen!", rief Jonas mit hämischem Grinsen über die Schulter. Fifi ließ die Ohren hängen und schmiss das Seil in die Ecke. Fifi war ein zurückhaltendes Geißlein mit langen, blonden Haaren. Er war nicht so selbstbewusst und sportlich wie seine Geschwister.
Später am Tag, die Kinder hatten sich gerade einen Fertig-Heuauflauf gegönnt und saßen satt und zufrieden auf dem Sofa, klopfte es auf einmal an der Tür.
"Jonas, wer kann das sein?", fragte Finn, das zweitjüngste der Kinder ängstlich.
"Ich hab genau so viel Information wie du", erwiderte dieser leicht genervt. Er stand auf und schaute zum Seitenfenster hinaus. "Oh Gott, das ist der große, böse Wolf!", sagte er erschrocken.
"Mama hat gesagt, du sollst uns keine Angst machen!", erwiderte Petra zitternd.
"Dann schau eben selbst,wenn du mir nicht glaubst!", antwortete Jonas.
Die Kinder scharten sich ängstlich ums Fenster. Jonas hatte ihnen die Wahrheit gesagt. Draußen stand kein anderer als der große, böse Wolf.
"Was machen wir jetzt?", fragte Finn panisch.
"Wir verstecken uns", flüsterte Petra.
"Wir tun so, als wären wir nicht da", schlug Fifi vor.
Auf einmal huschte ein Lächeln über Jonas Gesicht. "Oder", sagte er, "und sagt jetzt nicht gleich 'nein', oder aber wir fangen den Wolf".
"Bist du verrückt geworden?", fragte Fifi entrüstet."Wir sind doch nur Kinder und der Wolf ist viel stärker als wir."
"Aber wir sind zu siebt, und außerdem kann ich Judo, und Tim kann es ja jetzt auch ein bisschen, wir haben doch heute geübt", erwiderte Jonas mit einem aufgeregten Lächeln.
"Naja", wandte Tim verlegen ein, "ich halte das trotzdem für keine gute Idee".
"Stellt euch doch mal vor, wir würden den Wolf einfangen", sagte Jonas aufgeregt. "Wir wären Helden ; wir würden in die Zeitung kommen!"
"Das ist der Wahnsinn, das ist eine Schnapsidee", sagte Fifi wütend.
"Wir wissen ja, dass du ein Feigling bist", gab Jonas abfällig zurück.
Fifi ließ den Kopf hängen. Er wusste, dass seine Brüder ihn für zu feige und vorsichtig hielten.
"Also gut", sagte er schließlich, "ich bin dabei". "Aber wir brauchen auf jeden Fall einen Plan", fügte er hinzu.
"Ganz einfach", sagte Jonas, "wir spannen dein Sprungseil über die Türschwelle, der Wolf stolpert darüber, wir stürzen uns auf ihn und fesseln ihn."
"Das könnte funktionieren", antwortete Fifi zweifelnd.
Die Geißlein spannten das Seil fest über die Türschwelle. Dann kauerten sich die jüngeren der sechs Geschwister links und rechts der Türschwelle, so dass der Wolf sie beim Eintreten nicht sehen würde. Jonas hatte heldenhaft beschlossen, den Köder zu spielen. Er öffnete mit zittrigen Händen die Tür.
Als er das gierige Gesicht des Wolfes sah, das gefühlte drei Meter über dem Boden erschien, zog sich ihm der Magen zusammen, doch er nahm all seinen Mut zusammen, streckte dem Raubtier seine Zunge entgegen und sang: "Fress mich doch, du Eierkopf !" Etwas Besseres war ihm in der Aufregung einfach nicht eingefallen.
Der Wolf, wütend über so eine Respektlosigkeit, stürzte sich auf das freche Gör und übersah dabei das Seil. Er fiel fluchend zu Boden.
Mit Gebrüll stürzten sich die anderen sechs Kinder auf ihn, wild entschlossen, ihrem Bruder zu helfen. Doch der Wolf, der für seine sieben Jahre, was etwa 44 Menschenjahren entspricht, sehr sportlich war, reagierte blitzschnell und stand beinahe sofort wieder auf den Beinen.
Ein gehässiges Grinsen spielte um seine Lippen. "Was war das denn für eine Aktion ?", fragte er mit tiefer Stimme.
Die Kinder starrten angsterfüllt zu ihm auf. Keiner wagte, einen Mucks von sich zu geben.
"Antwortet, oder ich fresse euch gleich hier und jetzt", knurrte der Wolf.
"W... Wir wwollten dich fangen", stotterte Jonas schließlich.
Der Wolf warf seinen Kopf zurück und gab ein wieherndes Lachen von sich.
"Euch ist bekannt, wer ich ich bin, oder ?", fragte er grölend. "Ich bin der Schrecken des Waldes, eine wandelnde Kampfmaschine und nebenbei war ich drei mal auf dem Cover des 'Modern Wolfman'. Die besten Jäger des Landes sind seit geraumer Zeit hinter mir her und da glaubt ihr, ich lasse mich von einer Horde Kinder einfangen ?"
Die Geißlein blickten betreten zu Boden.
"Na schön", fuhr er fort, "ihr werdet jetzt den Preis dafür zahlen, dass ihr unbedingt Superhelden spielen wolltet. Ich habe seit gestern Abend nichts gegessen, ich mache nämlich gerade Intervallfasten, was übrigens sehr zu empfehlen ist, aber was rede ich da. Kurz gesagt, ich hab Platz in meinem Magen für euch alle. Wer will denn zuerst drankommen, nur nicht schüchtern sein."
Niclas schluchzte leise.
Da flüsterte Fifi auf einmal schüchtern: "Sehr verehrter Herr Wolf, darf ich Sie vielleicht noch etwas fragen, bevor Sie uns fressen ?"
"Schieß los, Kurzer, ich bin gespannt", erwiderte der Wolf mit einem selbstzufriedenen Zwinkern.
"Ist es wahr, dass Sie der stärkste Mann Mitteleuropas sind? Das erzählt man sich bei uns in der Schule", fuhr das Geißlein mit Ehrerbietung in der Stimme fort.
"Oh, Mitteleuropa ist groß und ich kenne ja nicht alle seine charmanten Bewohner, aber ich halte das auf jeden Fall für möglich, ja sogar für wahrscheinlich", gab der Wolf, offensichtlich geschmeichelt, zurück.
"Darf ich dann fragen, wie viele Liegestützen Sie schaffen?", fragte Fifi mit hoher und aufgeregter Stimme.
"Das, mein Kleiner, kann wirklich nur ein Nichtsportler fragen", antwortete der Wolf mit gutmütigem Spott. "Ich würde natürlich so viele Liegestütze schaffen, wie ich will, nur würde mir dabei schnell langweilig werden."
"Mhm, achso, verstehe, blöde Frage", antwortete Fifi nachdenklich. "Aber... wie viele Liegestütze würden Sie schaffen, wenn ich dabei auf Ihrem Rücken sitzen würde ?"
Der Wolf lachte kurz auf. "Naja, also besonders schwer siehst du ja nicht aus, ich schätze, ich würde immer noch so viele machen können wie ich will."
"Wow!", gab Fifi beeindruckt zurück, "und wie wäre es, wenn Jonas sich auch noch auf Ihren Rücken setzt?"
"Probieren wir es doch einfach aus!", rief der Wolf.
In ihm war der Ehrgeiz erwacht. Er ging hinunter auf alle Viere, und ließ Fifi und Jonas auf seinem Rücken Platz nehmen.
Dann fing er an, Liegestütze zu machen. Nachdem er ohne größere Schwierigkeiten fünfzig Wiederholungen absolviert hatte, sagte er triumphierend: "Seht ihr, ich habe es euch doch gleich gesagt, dass das keine große Herausforderung für mich ist", prahlte er.
"Unglaublich", sagte Fifi eifrig, "Sie sind noch viel stärker, als ich es mir je vorgestellt hätte und wir wollen Sie ja nicht langweilen, also hätten Sie was dagegen, wenn Niclas sich auch noch auf Ihren Rücken setzt ?"
"Also gut, wenn ihr immer noch nicht genug gesehen habt", erwiderte der Wolf, und schaffte es gleichzeitig genervt und geschmeichelt auszusehen, "dann hab ich mir das Festmahl nachher wenigsten verdient."
Niclas sprang auf den Rücken des Wolfes und dieser begann erneut, Liegestützen zu machen.
Diesmal fiel es ihm aber nicht ganz so leicht. Nach dreißig Wiederholungen kam er sichtbar ins Schwitzen. Nach fünfzig Wiederholungen war er am Ende seiner Kräfte.
"... zweiundfünfzig, dreiundfünfzig, und viiierundfünzig", schnaubte er und sank dann völlig erschöpft zu Boden.
"Schnell, setzt euch auf ihn!!", rief Fifi aufgeregt seinen Geschwistern zu.
Die hatten nun Fifis raffinierten Plan verstanden und setzten sich blitzschnell auf den Rücken und die Beine des Wolfes.
"Verdammt nochmal, habt ihr den Verstand verloren?", schrie der Wolf wütend "geht sofort runter von mir!"
"Vergiss es!", antwortete Fifi mit triumphierender Stimme. "Deine Eitelkeit hat dich im wahrsten Sinne des Wortes zu Fall gebracht", fügte er altklug hinzu."Petra, schnell, hol den Jäger, aber beeil dich, ich weiß nicht wie lange wir den Wolf noch festhalten können". So schnell sie nur konnte, stürmte Petra los, um den Jäger zu suchen. Doch sie fand ihn nirgendwo. Sie war am Verzweifeln und fürchtete, dass der Wolf ihre Geschwister schon gefressen haben könnte, bevor sie zurückkam. Schließlich, nach über einer Stunde, fand sie den Jäger, der unter einem Baum döste. In seiner Hand hielt er eine leere Weinflasche.
"Schnell, Herr Jäger, wir brauchen Ihre Hilfe, wir haben den großen, bösen Wolf gefangen!", rief sie hektisch. Der Jäger glaubte zuerst an einen Kinderstreich, aber nur zur Sicherheit folgte er Petra. Er hatte zwar fürchterliche Kopfschmerzen, doch er fürchtete, hinterher verklagt zu werden, falls an der Sache doch was dran war. Als der Jäger die Tür zum Haus öffnete, traute er seinen Augen kaum; Der große, böse Wolf, den er seit Jahren vergeblich zu fangen versucht hatte, lag besiegt auf seinem Bauch. Seine Hände waren mit Fifis Springseil hinter seinem Rücken zusammengebunden. Und rittlings auf ihm saßen sechs kleine Geißlein und schauten mit stolzen Gesichtern zu ihm auf.
"Da kann ich nur sagen, guter Fang, Kinder!" sagte der Jäger beeindruckt.
"Was machen wir denn jetzt mit dem Wolf ?", fragte Niclas in die Runde.
"Ihr habt ihn gefangen, also lasse ich das euch entscheiden", antwortete der Jäger.
"Ich würde sagen, wir bringen den Wolf in den Zoo", schlug Fifi vor. Das hielten alle für eine gute Idee. Nur der Wolf knurrte wütend.
Am nächsten Tag fand ein großes Fest statt. Der gefesselte Wolf wurde auf einem mit bunten Luftballons geschmückten Holzkarren durch die Stadt Richtung Zoo transportiert.
Jonas und Fifi saßen mit stolzgeschwellter Brust auf seinem Rücken und grüßten in die Menge. Die restlichen Geißlein zogen den Karren. Der Jäger hielt sich im Hintergrund. Er wollte den Geißlein ihren wohlverdienten Triumph ganz allein überlassen. Alle Kinder des Orten waren gekommen, um den kleinen Geißlein zuzujubeln und dem ehemals so gefürchteten und nun unschädlich gemachten Wolf die Zunge rauszustrecken.
"Hoch lebe Fifi, hoch lebe Fifi!, riefen sie ihnen zu, denn die Nachricht von Fifis raffiniertem Plan hatte blitzschnell die Runde gemacht.
Jonas legte stolz den Arm um seinen kleinen Bruder und flüsterte ihm zu: "Du bist genial, Kurzer. Auf so einen Plan wäre ich nie gekommen"
 

VeraL

Mitglied
Hallo juliawa,
deine Geschichte ist wirklich gut. Toll, wie du das alte Märchen modernisiert hast. Mir gefällt besonders gut, wie du die einzlenen Persönlichkeiten rausarbeitest. Herrlich.
Viele Grüße
Vera
 

Aledi

Mitglied
Hallo juliawa,

ich habe deine Geschichte gern gelesen. Du schreibst flüssig und man kann sich die Figuren sehr gut vorstellen. Auch gefällt mir die moderne Art. Einige Satzzeichenfehler sind mir aufgefallen. Der letzte Satz: " Jonas legte stolz den Arm um seinen kleinen Bruder und flüsterte ihm zu: "Du bist genial, Kurzer. Auf so einen Plan wäre ich nie gekommen." gefällt mir auch besser.
Eine tolle Idee, eine alte Geschichte in die heutige Zeit umzusetzten. Die alten Märchen sind mir zu brutal. Du hast es geschafft, den Leser von der ersten Zeile bis zur Lezten mitzunehmen. Genial!

Liebe Grüße von Aledi
 
G

Gelöschtes Mitglied 23708

Gast
Eine wunderbare Geschichte! Muss sie meinen Kindern zur Zeit jeden Abend zum Schlafen vorlesen. Besonders die Gefangennahme des bösen Wolfes und der Transport des Wolfs in den Zoo finden sie einfach super! Sie würden den Wolf am liebsten mal selber gerne an seinem Käfig besuchen um ihn ein bisschen zu ärgern, da muss ich Ihnen dann erklären dass das alles nur eine Geschichte ist. Vielen Dank dafür!
 



 
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