Die Mannequin

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pseudodelic

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Die Mannequin



Dichter Nebel hing zwischen den Hochhäusern. Eine Metropole in der mehr Armut als Ratten zu finden war. An jedem der unzähligen Hochhäuser befanden sich mindestens zehn Klingelschilder, die einem die Nacht deines Lebens versprachen. Für eine Handvoll großer Scheine – aber die hatte fast keiner. Manche versprachen nur eine nette Nacht und dort reichte deutlich weniger aus. Das konnten sich manche wenigstens am Anfang des Monats mal leisten. Die meisten Tavernen stanken wie die Hölle und an den Leuchtreklamen waren bereits lange die Leuchtbuchstaben erloschen. Wer hier nicht vom Staat unterstützt wurde, musste einen dieser niederen Jobs annehmen, die im Zeitalter der Überinformationen und Hochentwicklung übriggeblieben waren. Die Menschen kehrten Straßen, putzten stinkende Toiletten, fickten mit Freiern, bedienten andere Versager am Bartresen, kontrollierten Produktionsanlagen.
Mitten in diesem Wahnsinn ging Rick die Bürgersteige entlang und hatte die Hände tief in den Taschen vergraben. Er wandte nicht mal mehr seinen Kopf, wenn eine junge Frau nackt über die Straße rannte und mit dem Blut aus ihren aufgeschlitzten Pulsadern den Asphalt sprenkelte. Es war zu alltäglich.
Rick wurde sechsunddreißig Jahre vorher hier geboren und kam niemals weg. Er hatte den unmenschlichsten Job aufgegriffen, der noch übrig war: Dichter. Vor vielen Jahrzehnten konnte man als Dichter eine geschätzte Person sein – aber diese Zeiten wurden schon längst vom Regen in die Kanalisation gespült. Geld bekam er vom Staat. Aber das Schreiben von Gedichten konnte ihn vor dem Wahnsinn retten, wenn er sich nur täglich an die antike Schreibmaschine setzte und den Sound einer längst vergangenen Zeit tippte. Das Trinken war ebenfalls hilfreich, um nicht durchzudrehen. Jedenfalls für Rick. Viele seiner Bekannten und Unbekannten sind an der Flasche zugrunde gegangen, aber er hielt sich.
Rick erreichte die Bar kurz vor Mitternacht. Eine heruntergekommene Bar, die vor vielen Jahrzehnten auf dem Strom der Zeit Anker gelegt hatte. Die Wände waren holzvertäfelt, Jazz kratzte von Platten und es roch nach altem Bier und Urin. Das einzige Moderne waren die Gäste und deren endlose Verzweiflung. Wie konnte man sich auch über Jahrzehnte stetig mit falschen Vorbildern im Internet vergleichen, ohne völlig hinüber zu sein? Rick verstand die Verzweiflung. Keinem mehr war zu helfen. Er dachte oft an Nietzsche. Wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein. Und bald blickt der Abgrund aus dir heraus.
Rick setzte sich an den Tresen und bestellte eine Flasche Bier beim Bartender. Seine traurigen Mäuseaugen ekelten Rick an. Er nahm sich vor, nicht mehr in seine Augen zu sehen. Er bekam sein Bier und trank die halbe Flasche in einem Zug. Rick schaute sich um, angetrieben von der steten Hoffnung, eine positive Veränderung in den Gästen zu sehen. Aber die Menschen waren ruhig, beinahe leblos und betranken sich nur noch, um sich zu betäuben. Er war zu masochistisch, um auf die Bars zu verzichten. Er musste die Verzweiflung, die Leere und den inneren Tod atmen, um selbst nicht zu ertrinken.
Eine Stunde später stieg er auf Whisky Sour um. Als er an seinem Glas nippte, stieg ihm ein Geruch in die Nase, welcher ihn an gelbe Blumenfelder und Insektenschwärme erinnern ließ. Rick schaute zur Tür und musste sich die Augen reiben. Er glaubte, dass der Wahnsinn ihn jetzt ebenfalls erwischt hatte. Er musste verrückt geworden sein. Eine Frau, die eine Mannequin hätte sein können, kam herein. Ihre schwarzen Haare hingen ihr bis zur Brust. Dunkelroten Lippenstift lag auf ihren Lippen. Ihre Augenlider verdeckten die Hälfte ihrer lebendigen Augen.
Sie trug ein enges schwarzes Shirt, eine schwarze Lederhose und darunter Stiefel mit Schnallen. Sie wirkte gefährlicher und lebendiger als alle Frauen die Rick jemals gesehen hatte. Sie muss eine Edelprostituierte sein, dachte Rick. Die Frau kam auf den Bartresen zu und ließ nur einen Hocker zwischen sich und Rick frei. Sie bestellte einen Gin Tonic mit Eiswürfeln. Der Bartender bemerkte wahrscheinlich ihre Schönheit nicht, er war bereits zu hinüber. Sie bekam ihr Getränk, nahm einen kleinen Schluck und stellte das Glas behutsam ab. Sie drehte sich eine zierliche Zigarette und steckte sie an. Rick zündete sich ebenfalls eine Zigarette an. Die Frau nahm einen tiefen Zug und exhalierte langsam, während sie ihren Kopf zu Rick wandte. Ihre Blicke trafen sich. Einige Augenblicke vergingen und Rick merkte, wie seine Körpertemperatur anstieg. Die Frau lächelte, nahm ihr Glas und rutschte auf den Hocker neben Rick.
»Wie geht‘s?«, fragte sie mit einer leicht verrauchten Stimme. Rick nahm einen Schluck von seinem Whisky Sour.
»Ich versuche mich nicht unterkriegen zu lassen. Und selbst?«
Sie lächelte.
»Wie geht es schon einer Wölfin in der Eiswüste?«
Sie zwinkerte Rick zu und nahm einen Schluck. Die Eiswürfel klirrten.
»Ich bin Rick.«
Er streckte ihr die Hand hin.
»Ich heiße Mary.«
Sie nahm seine Hand und streichelte sie. Rick wurde noch wärmer.
»Du scheinst kein Arbeiter zu sein.«, sagte Mary.
»Nicht mit den Händen.«
»Und was machst du?«
»Ich versuche jeden Tag das Gedicht zu schreiben, welches alles verändert.«
Mary lächelte Rick an.
»Bis jetzt hats noch nicht. Cheers.«, sagte Rick.
Sie ließ Ricks Hand los, nahm ihr Glas und sie stießen an.
Einige Minuten saßen sie schweigend nebeneinander. Sie drückte ihr Bein leicht an das von Rick.
»Zeigst du mir ein paar deiner Gedichte?«
Rick betrachtete ihr Gesicht. Sie schien es wirklich ernst zu meinen.
»Gerne, aber ich habe keine dabei.«
Mary nahm einen tiefen Zug von ihrer Zigarette und drückte den Rest in den Aschenbecher. Sie stand auf und beglich ihre und Ricks Rechung. Rick protestierte nicht dagegen.
»Dann komm ich mit zu dir.«
»Warte, ich glaube, das kann ich mir nicht leisten.«
Sie wandte sich ihm zu und lachte.
»Ich bin nicht auf Geld aus.«
»Ich habe auch kein Geld. Ich könnte dich nicht bezahlen.«
Sie lief langsam zum Ausgang. Kurz vor der Tür drehte sie sich um und bedeutete Rick mit einer Kopfbewegung, mitzukommen. Rick hielt sich noch immer für verrückt geworden, aber das tat für ihn auch nichts mehr zur Sache.
Zwanzig Minuten später erreichten sie das Hochhaus, in dem Rick lebte. Sie fuhren im Fahrstuhl in den einundzwanzigsten Stock, ohne ein Wort zu wechseln. Rick inhalierte ihren Geruch und konnte kaum mehr einen klaren Gedanken fassen. Er hatte sich Wahnsinn immer anders vorgestellt. Unangenehmer. Aber das hier war alles andere.
Mary stand mit einem Glas Rotwein an einem der bodentiefen Fenster in Ricks Wohnung und starrte auf die Lichter der Stadt. Rick stellte sich neben sie und hielt ihr einige beschriebene Blätter hin. Sie nahm ihm die Blätter aus der Hand und setzte sich auf die abgessesene Ledercouch.
Sie las still die Gedichte, zog an ihrer Zigarette und hielt ihr Weinglas. Als sie endete, schaute sie Rick an.
»Hast du noch mehr davon?«
Ihre Stimme zitterte.
Rick kramte einige weitere Gedichte aus einer Schublade und gab sie ihr. Mary las und nippte an ihrem Wein.
Mary legte das letzte Gedicht auf den Couchtisch, trank ihr Weinglas leer und starrte schweigend auf den Papierstapel.
Nach einigen Minuten konnte Rick die Stille nicht mehr aushalten.
»Wie findest du sie?«
Sie schaute zu ihm, rückte nah an ihn heran und nahm seinen Kopf in ihre Hand. Mary starrte ihn an. Ihre Augen funkelten. Sie bewegte ihr Gesicht auf seines zu und sie küssten sich. Mary zog mit geschlossenen Augen ihren Kopf einige Zentimeter zurück.
»Du hast mit deinen Gedichten bereits die Welt verändert.«
Sie küssten sich wieder. Rick zog ihr das Shirt aus, nahm ihren Kopf in die eine und ihre Hüfte in die andere Hand und zog Mary an sich heran. Er biss ihr beim Küssen leicht auf die Unterlippe und sie zitterte leicht. Sie zog Stiefel und ihre Hose und Rick zog seine Hose aus. Mary setzte sich auf ihn. Rick spürte durch die Unterwäsche die feuchte Wärme ihrer Vagina. Sie zog sein Shirt aus und schmiss es weg. Rick und Mary küssten sich immer intensiver und sein Penis wurde steinhart. Sie spürte es und stöhnte leise auf, was Rick ebenfalls aufstöhnen ließ.
Er öffnete ihren BH und warf ihn beiseite. Er nahm einen ihrer Nippel in den Mund, leckte erst vorsichtig daran und biss dann leicht zu. Mary stöhnte wieder auf und ließ ihren Kopf in den Nacken fallen. Rick küsste über ihren Hals zu ihrem Ohrläppchen, saugte es kurz ein und küsste wieder zu ihrem Nippel. Er hievte sie behutsam auf den Rücken und leckte bis zu ihrem Bauchnabel und weiter nach unten. Sie lag mit geschlossen Augen da, zuckte und stöhnte immer wieder leise auf. Rick zog ihren Slip mit seinen Zähnen herunter, knabberte und leckte ihren Schenkel hoch bis zu ihrer Vagina. Er küsste ihre Schamlippen, öffnete sie mit seiner Zunge von unten nach oben und spielte mit ihrer Klitoris. Ihr Zucken und ihr Stöhnen wurde heftiger und Rick hielt es nicht mehr aus. Er streifte seine Unterhose herunter und drang langsam ihn sie ein. Mary krallte sich in seinen Rücken. Er stieß einige Male nur langsam in ihre Vagina. Jedes Mal ein kleines Stück weiter, bis sein Penis vollständig in ihr verschwand. Rick machte abwechselnd harte und sanfte Stöße. Sie fingen an zu schwitzen und wurden ekstatischer. Die Luft brannte und roch stark nach Sex.
Rick hievte Mary herum, bis sie auf ihm saß.
Mary griff Ricks Schulter. Rick packte sie an der Hüfte und an ihrem linken Bein. Sie zogen sich gegenseitig an ihre verschwitzen Körper.
Der Raum, die Welt und das Universum vibrierten. Die Zeit wurde bedeutungslos. Alles wurde unwichtig. Für Rick existierte nur noch Marys Stöhnen, ihre Bewegungen, ihre Berührungen, ihr Schweiß, ihr Geruch und das Gefühl, ihr näher zu sein als er jemals einem anderen Menschen war.
Rick wachte vormittags auf. Die andere Seite des Bettes war leer, bis auf einen Zettel.
Musste los. Ruf mich an. In Liebe, M.
Unter dem schwungvollen M stand Marys Telefonnummer. Rick betrachtete den Zettel, die feinen Schnörkel ihrer Schrift und schaute zu der Seite des Bettes, auf welcher Mary geschlafen hatte. Ihr Geruch hing noch in der Luft und in der Bettwäsche. Rick schloss die Augen, atmete tief ein, streckte sich und schwang seine Beine aus dem Bett. Die Uhr auf dem Nachttisch zeigte kurz nach elf an.
Rick ging in die Küche, setzte Kaffee auf und schaute aus dem Fenster. Große Regentropfen peitschte gegen die Scheiben. Der Nebel hing noch immer in den Straßen.
Am frühen Nachmittag setzte er sich an die Schreibmaschine und tippte einige Gedichte.
Am frühen Abend rief er Mary an. Es klingelte, aber niemand meldete sich.
Rick machte sich einen Whisky mit Soda, setzte sich auf die Couch, schaute aus dem Fenster und rauchte eine Zigarette. Der Regen hatte keinen Deut nachgelassen. Der Himmel wurde bereits dunkler und die Straßenbeleuchtung eingeschaltet. Durch den Regen schlierte das Licht der Straßenlaternen und Reklametafeln.
Er wählte die Nummer von Mary erneut. Wieder ging sie nicht ran.
Rick machte sich seinen dritten Whisky mit Soda und las seine Gedichte, die er am Nachmittag geschrieben hatte. Er hatte bereits viele Jahre keine Liebesgedichte mehr geschrieben. Die Liebe war aus den Köpfen der Menschen getilgt, weil man für Liebe Hoffnung und Zuversicht brauchte. Ohne Mary hätte er nie eins schreiben können.
 



 
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