Die Maus - Nur für starke Nerven

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Diese Geschichte hat mir Sandro erzählt. Er ist ein Kollege und lebt in Hamburg in einem alten Haus. Dort kommt so etwas manchmal vor. Ich dagegen wohne in einem neuen Haus auf dem Land. Da gibt es weder Mäuse noch Ratten, auch sonst kein Ungeziefer. Nicht dass ich wüsste.

Rita hat mich damals im Büro angerufen, erzählt Sandro. Wir hätten eine Maus in der Wohnung. Es müsse sofort etwas geschehen. Wir treffen uns also in einem Gartenfachgeschäft. Rita sagt: Irrtum ausgeschlossen. Ich hab es rascheln gehört, ich hab im Wohnzimmer eine Käserinde als Köder ausgelegt, ich hab etwas Graues, Flinkes die Fußbodenleiste entlangflitzen und hinter der Kommode verschwinden sehen.

Drinnen alles in reicher Auswahl vorhanden: Sämereien, Blumenzwiebeln, Grillgeräte. Etwas gegen Wühlmäuse: Gift. Und wo sind die Mausefallen?

Wie kann überhaupt eine Maus in unsere Wohnung kommen, frage ich Rita. - Vom Treppenhaus her, sagt sie, wenn die Wohnungstür länger offen steht. - Oder durchs Mauerwerk. Doch, Rita, das kommt bei alten Häusern vor.

Wir kaufen am Ende zwei Mausefallen, eine herkömmliche und eine aus Frankreich importierte, die laut Beschreibung verspricht, die kleinen Nager lebend zu fangen. Man könne sie dann wieder auf freien Fuß setzen, möglichst weit von der eigenen Wohnung. Ich bin gleich gegen diese Falle gewesen, aber Rita hat auf ihr bestanden. Und sie legt noch ein Buch über Hausmäuse in den Einkaufswagen. - Wozu, Rita, willst du eine Beziehung zu deiner Maus aufbauen?

Abends stellt Rita die humane Mausefalle im Wohnzimmer auf. Es ist ein länglicher Kasten aus durchsichtigem Plastik, an dessen innerer Rückwand der Köder befestigt wird. Wir sind dann beide mäuschenstill. Rita blättert geräuschlos in ihrem Buch über Mäuse.

Dann zirpt und säuselt es aus einer Ecke des Zimmers. Wir sehen uns an. Wieder Stille. Wird die Falltür vor dem Häuschen heruntergehen? Stattdessen hören wir ein trippelndes Geräusch. - Jetzt läuft sie in die Küche, sagt Rita, wie heute Morgen.

Der Speck in der Falle ist noch da. Rita wird es zu dumm. Sie stellt die zweite Falle in der Küche auf. Sie sagt: Dabei sind mir Mäuse sympathisch. Ich sollte keine Fallen stellen ... Und sie zeigt mir eine Abbildung in ihrem Buch, die eine arglos posierende Maus zeigt.

Sehr lieb, Rita, aber sie übertragen Krankheiten. Und sie vermehren sich in einem wahnwitzigen Tempo. Man muss etwas tun ... Du, ich mach mir Glühwein und leg mich zum Schwitzen ins Bett. Es kratzt schon den ganzen Tag im Hals. - So früh ins Bett?

Ich erhitze den Wein in der Küche. In der Flasche bleibt ein Rest zurück. Die Maus verhält sich still. Auch die zweite Falle ist noch unberührt. Dann liege ich im Bett und schwitze bald tüchtig. Rita legt sich mit ihrem Buch neben mich.

Da, es hat geschnappt. Kannst du nicht nachsehen? - Unmöglich jetzt, wo ich gerade so schwitze.

Rita geht in die Küche - und ist gleich wieder da: Du, sie lebt noch! Was soll ich bloß machen? - Gar nichts. Verenden lassen. – Wie roh du bist, Sandro!

Rita geht noch einmal hinüber. Sie bleibt ziemlich lange. Ich höre, wie sie die Wohnung verlässt. Einige Minuten später sitzt sie neben mir auf dem Bettrand. Sie sagt: Ich hab sie im Treppenhaus freigelassen. Sie kann sich nicht richtig bewegen. Querschnittslähmung oder so etwas. Furchtbar ... Wie soll ich jetzt einschlafen? - Trink den Rest Wein aus der Flasche. - Sie tut es und beruhigt sich allmählich.

Am anderen Morgen: Keine Spur im Treppenhaus. Zum Glück haben wir seitdem keine Mäuse mehr in der Wohnung gehabt.

Und das Buch, Sandro? - Verstaubt im untersten Regal.
 
U

USch

Gast
Hallo Arno,
nette gut nachvollziehbare Geschichte. Für starke Nerven? finde ich etwas überzogen. Da unterscheiden sich eben i.d.R. Männer und Frauen. Mir fällt da noch der Begriff mausetot ein, Ist das nun eine natürliche Angelegenheit oder doch nur etwas für starke Nerven?
LG USch
 
Ach, USch ... Du hast das mit den starken Nerven ernst genommen? Die Formulierung war nicht ernst gemeint.

Danke für deine freundliche Reaktion.

Arno Abendschön
 



 
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