die mitte

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G

Gelöschtes Mitglied 24428

Gast
Nicht schlecht, doch letztendlich im Wortsinn zu abgedroschen.

Eine edle Wehmut ohne Trost klingt arg narzisstisch, ein Suhlen im Selbstmitleid.

Dann am Ende noch selbst den Chef in der obersten Etage zu Wort kommen zu lassen, erscheint gewagt und überheblich.

Leider erneut ein durchschnittlicher Versuch, sich dem Unsagbaren anzunähern, mondnein.
 

mondnein

Mitglied
abgedroschen klingt gut, als wärs ein Schrammelgitarrenstück. Da atme ich auf, denn ich hielt es für zu abgehoben.

Andrerseits bedeutet "abgedroschen" so etwas wie "zu oft genutzt", es müßte also zitierbar ähnliche Verse geben. Die würde ich gerne kennenlernen. Welche sind Dir, liebe Daisy, da im Ohr?

Das mit dem Selbstmitleid hast Du richtig getroffen. Narkissos pur. Aber er suhlt sich nicht im See, sondern schaut dort in sein Spiegelbild und muß die Berührung mit der Wasseroberfläche vermeiden, weil es sonst die transparente Metrik stört.

Aber beim Chef in der obersten Etage hast Du voll daneben gegriffen, denn das Wesen, das hier als Gott verehrt wird, ist weder Chef noch irgendwo oben. Es ist die Mitte, die reine Symmetrieachse, oder der innerste Planetenmittelpunkt, auf den die Gravitationskräfte zustreben, oder an dem die Hyperbeln vorbeikurven.

Unsagbares? kenne ich nicht. Die Sprache greift in jedem Satzprädikat weiter als alle Satzsubjekte. Wenn sie keine Antworten hat, dann hat sie doch immer noch ihre Fragen.

grusz, hansz
 
G

Gelöschtes Mitglied 24428

Gast
Es ist abgehoben und abgedroschen, doch durchaus lesenswert.

Gott als Symmetrieachse? Da wäre ich in Anbetracht der Historie des Homo Sapiens zurückhaltender ...
 
G

Gelöschtes Mitglied 24428

Gast
Die letzten zweitausend Jahre, in denen der einzige Gott im Marktbereich Eurasien den Krieg und Handel untermauern sollte.

Schwere Kost, ich weiss. Heute sind wir am Ausgang des Mittelalters, wo wir uns ohne Gott organisieren müssen. Siehe Zusammenbruch des Islam etc.

Thema für das Forum der Leselupe.
 

mondnein

Mitglied
Das mit dem Markt sind eher die letzten vierhundert Jahre, Und in der Tat haben sich die meisten Christen, in der Konkurrenz der Konfessionen, einen Gott der Vorherbestimmung und Willkur vorgemalt, besonders im Dreißigjährigen Krieg, später kommen die Religionen der Sowjetdiktatur und der faschistischen Militärmaschinerien. Die haben menschliche Parteisekretäre und Führer. Vergöttlicht in Nordkorea und in der Volksrepublik Schi Jing Ping.

Ich habe eher an den Zen-Moment in Meister Eckeharts Mystik gedacht, und an Rumis berühmtes Gedicht von dem Sehnsüchtigen, der gerade in der Unerfüllbarkeit seiner Sehnsucht Erfüllung findet. Aber dieser alte Gedanke ist nicht abgedroschen, dafür ist er zu spannend. Coincidentia oppositorum, wie in Hegels Wissenschaft der Logik, die mit der Identität von Sein und Nichts im Werden beginnt.

grusz, hansz
 
G

Gelöschtes Mitglied 24194

Gast
die mitte


dass eine stille sonne alles wirkt
um die die welt sich dreht - ich bin dafür
der lebende beweis: ich kann das schöne
das ich so heftig liebe und ersehne
– das ziel all meiner wünsche das vor mir
erblüht und öffnend sich vor mir verbirgt –

nur in den schmerzen finden in dem frost
der meine glut durchfeuert. alles wird
zu gott der sich entzieht und alles füllt
mit einer edlen wehmut ohne trost
der nicht mehr spürt wie er die seele rührt
und dessen stille mich lässt ungestillt
die mitte - dein herz
 
G

Gelöschtes Mitglied 24428

Gast
Du willst zuviel, mondnein. In deinem Gebet nun Meister Ekkhart, Tagespolitik und Hegel zu verbraten, schafft kein schmackhaftes Menü.

Durch das Nichterwähnen ideologischer Größen hast du doch schon im Gebet Gefühl erzeugt.
 

mondnein

Mitglied
Ich weiß nicht, wie man durch Nichterwähnen Gefühle erzeugt. Und was sind "ideologische Größen"? Götter?

Nein, ich verbrate nichts. Aber auf meinen 1600 htm-Seiten findet sich Einiges, vor allem Übersetzungen.
Und natürlich Gedichte. Eine Packung von vier Hundertliederbüchern für jeden, der sie lesen will, gratis. Siehe: https://www.leselupe.de/beitrag/zu-verschenken-gratis-gedichte-zu-heften-gebunden-154036/

Nein, Daisy, Du bist mir noch einen Beleg für die "Abgedroschenheit" meiner Verse schuldig; so etwas meint in der Regel Phrasendrusch, unoriginelle Übernahme geläufiger Belanglosigkeiten. Das ist ein schwerer Vorwurf, also mußt Du ihn belegen.

Ich belege den Grundgdanken dieses Gedichts mit dem Rumi-Lied, das ich erwähnt habe:
Das dritte Rumi-Gedicht: "Oh Gott rief einer viele Nächte lang"

grusz, hansz

P.S.:
Frank Zappa: "She was a debutant daisy with a color note organ"
 
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G

Gelöschtes Mitglied 24428

Gast
Du wolltest ein gefühlvolles Gebet schaffen, was dir gelungen ist. Lass Zappa und deine Gedichtsammlungen aussen vor, auch Mozart hat abgedroschen komponiert, da er die Musik nicht neu erfinden konnte.

Alles gut.
 
G

Gelöschtes Mitglied 24428

Gast
Er hat genau so wie die Beatles genial geklaut - alles gut.
 

mondnein

Mitglied
Die bildenden Künstler klauen sich die Farben des Regenbogens, die Komponisten klauen sich die 13 Intervalle zwischen Prim und Oktave, die Schreiber klauen sich die 99 Zeichen der Qwertz-Tastatur.

Nur den ästhetischen Reiz solcher Verse wie

"the wind is low​
the birds will sing​
that you are part​
of everything"​

oder

"sitting in an English garden​
waiting for the sun​
if the sun don't come you get a tan​
from standing in the English rain"​
kannst Du nicht aus dem Diebstahl der durch zweieinhalb Jahrtausende myriadenfach genutzten Buchstaben ableiten.

grusz, hansz
 
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