die Moritat vom grausamen Kuno

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Tula

Mitglied
die Moritat vom grausamen Kuno


Kuno, einst der wildeste der Hengste,
packten Mitte fünfzig plötzlich Ängste;
jene, die den Stolz des Mannes dämpfen.

„Midlife-Krise?“ – rief er – „Pah! Gelaber!“
und entschloss sich, ohne wenn und aber,
fortan um den Dichterruhm zu kämpfen.

In der Frühe schrieb er, noch im Bette,
übers Frühstück kühne Klangsonette.

Bis zum Mittag dichtete er weiter,
Elegien und Haikus, meistens heiter.

Abends folgten dann in aller Gänze
eine Hymne und fünf Elfchen-Kränze.

Eines Nachts, bei einem Lied zur Lage
der Nation vernahm er eine Klage:
„Halte ein, du Unhold tust mir weh!“

„WER zwingt mich“ – rief Kuno – „hier zur Pause?“
„Ich bin‘s, deine Sprache, du Banause!
Und dein Schund schmerzt mehr als blauer Zeh.“

„Wie? Du bist bloß Werkzeug!“ schrie der Dichter.
„Freie Kunst benötigt keinen Richter;
„und was gut ist, kann ich selbst entscheiden!“

Sprache wand sich, doch es half kein Stechen.
Kuno war besessen, sie zu brechen –
Kraft der Worte – musst es eben leiden!

Morgens, mit den Zangen einer Ode,
quälte er sie mehrfach bis zum Tode.

Worauf er sie fachgerecht sezierte,
weil ihn Dada heftig inspirierte.

Bis zum Kaffee brachte sie der Recke
mit dem Blumen-Schwert erneut zur Strecke.

Um sein Werk der Menschheit zu erhalten,
half ihm ein Verleger beim Gestalten
seiner Bände, dreißig oder mehr.

Die Moral, das sollte man betonen,
zeigt, dass Mord und Totschlag immer lohnen:
Neunzig Euro pro Gedicht sind fair.
 
G

Gelöschtes Mitglied 21114

Gast
Höllenschwarz und entlarvend, was für eine großartige Moritat! Die hätte ganz wunderbar in den Wettbewerb gepasst.
Joe
 

Tula

Mitglied
Ja, Joe, der Mord an der Sprache hätte da die Reihe der Themen sinnvoll ergänzt. Dafür läuft es jetzt als erstes durch die Foren :)

LG
Tula
 
Hallo Tula,

super Gedicht. Ich weiß zwar nicht, um welchen Wettbewerb es geht, aber gut, dass du es in den Foren eingestellt hast, sonst hätte ich es sicher übersehen und das wäre schade gewesen.

Schöne Grüße
SilberneDelfine
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo Tula,
einfach toll, dieses Gedicht.
Die Sprache selbst kann sich ja leider nicht wehren, sonst hätte sie das in den letzten Jahrzehnten sicher schon getan, was das gesprochene Wort betrifft. Ich habe manchmal echt Probleme zu verstehen, was die jüngeren Leute uns mit ihren sprachlichen Ergüssen sagen wollen. Ich weiß aber auch nicht, wozu manch eine Wortkreation überhaupt nütze ist, weil sich die Sinnhaftigkeit mir nicht erschließt. Solche Auswüchse gab es in meiner Jugend nicht so sehr - glaube ich ...
Schöne Grüße,
Rainer Zufall
 

Tula

Mitglied
Hallo in die Runde
Vielen Dank für den Sternen-Applaus; da freut sich der Kuno in mir, wenn er andere unterhalten konnte.

Liebe Silberne Delfine, der Wettbewerb befindet sich momentan in der Bewertungsphase. Du findest ihn - Balladen und Moritate - in der Sparte der Fingerübungen. Die dort eingestellten Gedichte sind natürlich weitaus mehr als nur das, d.h. einige sogar ausgesprochen virtuos.

Lieber Rainer, ja die Jugend hat ja meistens noch frische Ideen und möbelt den Sprachschatz auch kreativ auf, d.h. nicht allein mit Fäkalien, sondern durchaus mit Sinn für Humor. Was mit fortschreitendem Haarausfall dann nicht unbedingt der Fall ist. Kuno kann ein volles Liederbuch davon singen :)

Liebe Ciconia, sicherlich schreibt Tula-Kuno spät in der Nacht, denn wenn andere Poeten gemütlich beim Nachmittagstee einen Limerick schreiben :), reicht es für ihn gerade mal für einen kurzen Kommentar in der Kantine (bei einem Espresso im Pappbecher).
Zur genannten Stelle, ein Tipp: die drei Verse beziehen sich auf ein weit bekanntes Volkslied, wobei dieses eigentlich gar nicht aus dem Volk kommt, sondern von einer bedeutenden Amtsperson seiner Zeit, da hilft auch kein Weh und Ach :)

Also nochmals mein Dank an alle

LG
Tula
 



 
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