Die Party

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Laute Musik dröhnte vom Nachbargrundstück herüber. Vereinzelt mischte sie sich mit Stimmengewirr und Lachen. Kunert wälzte sich im Bett herum und hielt sich die Ohren zu. Es ging auf halb zwei zu; nichts deutete darauf hin, dass diese Party bald ein Ende nehmen würde, die Musik wurde nicht leiser und vergeblich wartete er auf die Geräusche abfahrender Autos. Keine Zeichen eines wie auch immer gearteten Abschiedes mischten sich in die grellen Klänge. Um zwei Uhr hielt er es nicht mehr aus. Er sprang aus dem Bett, zog sich in fliegender Eile an und ging festen Schrittes hinüber. Zwar schickte es sich nicht, um diese Uhrzeit zu klingeln; solcherart Rücksicht konnten seine Nachbarn aber nicht erwarten; nicht, wenn sie sich ihrerseits nicht an Gepflogenheiten halten wollten.
Ein wenig zauderte er noch vor der Tür: Sollte er es wirklich wagen? Entschlossen hob er seine Hand und drückte auf den Klingelknopf. Etwas Merkwürdiges passierte: Im selben Moment, als das laute Ding-Dong erklang, verstummte die Musik.
Verdutzt stand er auf der Schwelle, zögerlich, ob er sich einfach entfernen sollte. Das Ziel, mit welchem er sich aufgemacht hatte, war erreicht, als er handelte, aber sich nun einfach davon zu stehlen wie einer, der nicht bereit war, die Konsequenzen seines Handelns zu tragen, das entsprach nicht seinem Wesen. Wenn er diesem ersten Impuls nachgab, würde er auch für den Rest der Nacht keinen Schlaf mehr finden können.
Nun fiel ihm auf, dass auch gar keine Autos vor dem Nachbarhaus parkten; waren alle Gäste zu Fuß gekommen? Noch seltsamer war, dass mit der Musik auch sämtliches Stimmengewirr und Lachen verstummt war. Die Stille, die herrschte, wirkte geradezu gespenstisch und ein leichtes Frösteln überkam ihn. Sofort rief er sich zur Ordnung: Selbstverständlich ging hier alles mit rechten Dingen zu.
Er rang mit sich, ob er einfach gehen sollte wie einer, der nicht die Konsequenzen seines Handelns tragen wollte und zudem Angst hatte. Das gab den Ausschlag: Er beschloss, solange zu warten, bis er eine Erklärung für die Vorgänge hatte oder bis ihm die Tür geöffnet wurde.

Diese Angelegenheit ist einige Jahre her. Heute steht auf dem Nachbargrundstück von Kunert seit einigen Jahren eine Statue. Niemand weiß, seit wie lange und wer sie dort aufgestellt hat. Kunert selbst lebt schon lange nicht mehr dort, er soll auf dem Friedhof bestattet worden sein, aber niemand weiß, wo sein Grab ist. Manche behaupten, die Statue würde ihm gleichen.

Aber das ist natürlich kompletter Blödsinn.
 
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Ji Rina

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Hallo SilberneDelfine,

Die Idee finde ich klasse! Du hast die Geschichte auf den Punkt gebracht. Damals, als ich sie das erstemal las, konnte ich mich nur mit einem Detail nicht abfinden: Der Grund, warum Kunert dort bei der Tür bleibt, obwohl keine Musik und nichts mehr zu hören ist. Ich habe dann lange darüber nachgedacht, warum er dort warten könnte, wo ja spáter seine Statue stehen wird, bin aber auf keinen grünen Zweig gekommen. Mich würde es interessieren, ob dich diese Frage auch beschäftigt hat, als du die Geschichte schriebst. Bin gespannt, ob du mehr davon hast. Ich liebe solche Geschichten!

Mit Gruss, Ji
 
Hallo Ji Rina,

danke für deinen Kommentar und die Bewertung! Schön, dass dir die Geschichte gefällt.

Allerdings verstehe ich hier etwas nicht:

Damals, als ich sie das erstemal las,
Ich habe eine solche Geschichte vorher noch nie geschrieben/gepostet, auch nicht geschrieben und gelöscht. Sie ist taufrisch :) ich habe sie aus einer prompten Anwandlung oder Eingebung heraus geschrieben, eigentlich, weil ich in "altmodischer" Sprache schreiben wollte. Das war die Grundidee, ich hatte einfach Spaß daran, in dieser Sprache zu schwelgen. Der Schluss fiel mir erst beim Schreiben ein. (Wobei er vermutlich auch nicht besonders originell ist, die Geschichte, dass sich jemand in eine Salzsäule verwandelt, wird ja schon in der Bibel beschrieben.)

. Der Grund, warum Kunert dort bei der Tür bleibt, obwohl keine Musik und nichts mehr zu hören ist. Ich habe dann lange darüber nachgedacht, warum er dort warten könnte
Weil er halt nicht einfach gehen wollte „wie einer, der nicht bereit war, die Konsequenzen seines Handelns zu tragen". ;) Zugeben, wenn auch nur vor sich selbst, dass ihm die plötzliche Stille Angst machte, wollte er auch nicht.
Und das hatte er dann davon.

LG SilberneDelfine
 
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Ji Rina

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Hallo SilberneDelfine,
Danke für die Erklärung.
"""Damals, als ich sie das erstemal las, """
Stimmt... damals war letzter Sonntag…Oder Samstag…:rolleyes:
Aber das liegt für mich schon wieder so weit weg…
LG
Ji
 



 
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