die Peitsche zum Paradies

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Patrick Schuler

Foren-Redakteur
Teammitglied
… aber jene doch recht absonderliche Gestalt des Richters, in der die Angst und der Schmerz vor der Strafe in eins laufen mit der Möglichkeit durch Sühneleistung seine verlorene Würde wiederzuerlangen, also recht gesehen; das schmerzliche Abarbeiten der Schuld, der Weg, auf dem der Schuldige sein schweres Gepäck ablegen kann … oder, sagen wir es besser; der Richtspruch, der ihn in einen Kokon spinnt, daraus er, nach allen großen und kleinen Metamorphosen der Sühne, wiederzukehren weiß, als eines der flügelleichten Wind und Wettergeschöpfe, aus dessen Kreis er verstoßen wurde, ist die große und wirklich humane Aufgabe des Richters. Es ist ja meine Tat, die da bewertet wird und als meine Tat liebe ich sie, denn mir ist alles lieb, das von mir kommt, als unweigerlich vorwärts tickende Mechanik, als eine stets notwendige Verwandlung, die von mir aus zu einer anderen, unabänderlichen und darum unverweigerten Form meiner Selbst führt. Dennoch muss ich über die Tat hinweg. Wenn ich also ein Paradies kenne, dann eben nur eines, in das ich mit Peitschen hineingeprügelt werde, wo mir dann Löwen und Lämmer die Wunden lecken ...
 
Zuletzt bearbeitet:

Scal

Mitglied
Hi Patrick,

ist ein starkes Stück, auf das ich gerne noch einmal zurückkommen möchte. Muss meine Überlegungen erst noch genauer sortieren.
Die "jene-Wiederholung" ist mir beim erstmaligen Lesen auch aufgefallen (inzwischen ist die zweite Fassung wieder weg).

LG
Scal
 

Patrick Schuler

Foren-Redakteur
Teammitglied
hi scal :)

da bin ich gespannt ;)

die textbearbeitung spinnt gerade irgendwie völlig, erst werden die bearbeiteten versionen als eigenständige kommentare gepostet und dann verschwindet die bearbeitung einfach wieder. ich bin nochmal drübergegangen und hoffe, dass es jetzt so bleibt :D

lg
patrick
 

Franke

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Patrick,

das ist ein sehr starker Schluss:

Wenn ich ein Paradies kenne, dann eben nur eines, in das ich mit Peitschen hineingeprügelt werde, wo mir dann Löwen und Lämmer die Wunden lecken ...
Vielleicht hättest du vorher den Text nicht so sehr in Schachtelsätzen aufbauen sollen?

Liebe Grüße
Manfred
 

Patrick Schuler

Foren-Redakteur
Teammitglied
hi manfred :)

nun ja, die schachtelsätze sind ja bewusst der stil, für den ich mich entschieden habe. ich weiß, dass das viele nicht mögen, ich aber schon. dieser hang zu kurzen sätzen, ist mir im endprodukt oft zu blass, langweilig und ohne eigenen, nennenswerten stil ... wobei das nicht allgemein gültig, aber häufig so ist.

lg
patrick
 

Scal

Mitglied
Also, ist schon recht interessant und überraschend, was du bei deinen "Besichtigungen" sprachlich so zutage schürfst.

Schlüsselsätze für mein Empfinden:

... als meine Tat liebe ich sie .... als eine stets notwendige Verwandlung, die von mir aus zu einer anderen, unabänderlichen und darum unverweigerten Form meiner selbst führt.
Dennoch muss ich über die Tat hinweg.


Auf welche innere oder äußere Lebensbereiche der Text bezogen werden könnte, entscheidet der einzelne Leser.

Ich vermute, dass du auf Absätze verzichtest, weil dies deinem persönlichen Stil mehr entspricht. Einem Leser wie mir würde ein Absatz nach besser: (Doppelpunkt besser?)
nach humane Aufgabe des Richters
und nach meiner selbst
mehr behagen.

LG
Scal
 

Ulritze

Mitglied
Diese "Schachtelsätze", sie müssen m.E. hier so sein! Stichworte "Kokon", "Metamorphosen der Sühne" u.a.m.
Alles ist verwickelt, "die Angst und der Schmerz vor der Strafe" laufen "in eins"...
Bloß keine Absätze!

(Evtl. umstellen: ... in der der Schmerz und die Angst vor der Strafe... )

Gruß von Ulritze
 

Ixolotl

Mitglied
Ach ja - Schuld und Sühne! Gewurstel in winterdämmrigen, gymnasialen Schulsälen, Aufsätze zu Raskolnikow, zu "Der Zweck heiligt die Mittel"-Phrasen und zum Symbol des im Roman zu Tode geprügelten Pferdchens.

Ich kann mich noch gut erinnern, dass mich Dostojewskis Pflichtlektüre damals schon aufgeregt hat, weil unser Deutschlehrer es nicht fertigbrachte, dem Schinken die Ungeheuerlichkeiten des Dritten Reichs entgegenzuhalten und klar und deutlich zu sagen, dass wir uns nie von der Schuld freisprechen würden können, die uns unsere Väter (und Mütter) damals aufgeladen hatten.

Mag schon sein, dass ein Täter sich einbilden kann, nach "verbüßter Strafe" rehabilitiert zu sein. Aber das ist ein Irrtum. Das Opfer wird es anders sehen - wenn es denn noch sehen kann. Die beiden Schwestern, denen Raskolnikow den Schädel spaltete, konnten es jedenfalls nicht mehr.

Die Persilscheine und das Fegefeuer gab's und gibt's nur bei den Katholiken. Komisch - dabei werden sie doch mit einer "Erbsünde" geboren. Die Protestanten müssen ihre Schuld stets mit ins Grab nehmen. Hm. Welcher Religion mein letzter Deutschlehrer anhing, weiß ich nicht mehr. Aber ein offener Nazi wie der damalige Erdkunde- und der Lateinlehrer war er nicht.

lg

Ixo
 
" ... als eines der flügelleichten Wind und Wettergeschöpfe, aus dessen Kreis er verstoßen wurde, ..." -- Muss es da nicht "deren Kreis" heißen? So kommt zu aller metaphysisch-metaphorischen noch die schwere Schuld eines Vergehens gegen die Grammatik. Der fehlende Auslassungsstrich nach dem Wind bei den "Wind und Wettergeschöpfe" fehlt mir auch sehr.
 



 
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