D.TEECH
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Das Getöse im Dorf war groß als man erfuhr dass der Autor, der jedermann mit seinen kurzen und fantasievollen Geschichten verzaubern konnte, nun tot sei. Wie, wollte jedermann wissen. Der Autor war alles andere als alt, noch nicht mal die 40 hatte er erreicht, und sehr beliebt bei jedermann. Nicht nur wegen der Tatsache, dass er tolle Geschichten schrieb, er war zudem auch schlichtweg sympathisch.
Diese besondere Art Freundlichkeit, die manche Menschen besitzen, der man sich nicht entziehen konnte, die besaß er. Allerdings nicht diese plumpe Art, bei der man einfach nur alles höflich nickend weglächelt, sondern eine feinfühlige Art der Freundlichkeit. Ob man nun schlecht oder gut gelaunt war, wenn man ihn traf, ging es einem danach besser. Er konnte zuhören - wirklich zuhören, nicht nur hinhören, er beschäftigte sich mit dem, was seinen gegenüber beschäftigte und hatte, zu guter Letzt, immer einen hilfreichen Ratschlag, eine lehrreiche Anekdote oder etwas in der Art parat, serviert mit dem ansteckendsten Lächeln, dem die Welt jemals nicht widerstehen konnte. Erst wenn er denjenigen aufgemuntert hatte, der ihm seine Probleme anvertraute, ging er unbekümmert weiter seines Weges.
Brachte man ihn mal dazu von sich zu reden, was nur selten gelang – er sprach einfach nicht sehr gerne über sich, dann redete er immer von „der perfekten Geschichte“. Sein Traum war es, eine eben solche perfekte Geschichte zu schreiben. Das Funkeln seiner Augen, wenn er darüber euphorisch philosophierte, war für alle Zuhörer elektrisierend. Er wusste natürlich auch, dass das Wort „perfekt“ subjektiv sei, betonte er immer dabei, aber er habe eben seine eigenen Maßstäbe und wisse diese subjektiven Maßstäbe objektiv anzuwenden und so würde er schon merken, wann er „die perfekte Geschichte“ zu Papier gebracht hätte. Und dann wäre sein Name weit über das Dorf hinaus bekannt. Leute aus aller Welt würden kommen um sich ihre Bücher, die er geschrieben hatte, von ihm signieren zu lassen. Er fand, mindestens diesen Ruhm habe er sich verdient. Keiner widersprach ihm. Jedermann klopfte ihm zustimmend auf die Schulter und brachte zum Ausdruck, wie sehr man sich darauf freue diese perfekte Geschichte irgendwann lesen zu dürfen.
Nun war er tot. Und wie dass nunmal so ist, in einem Dorf, jedermann redet darüber, gerade wenn es die Dorfprominenz betrifft. Böse Zungen behaupteten leise und hinter jedermanns Rücken, die Suche nach der perfekten Geschichte soll ihn verrückt gemacht haben, die letzten Wochen wirkte er bereits abwesend und antriebslos. Er redete kaum noch mit den Dorfbewohnern, mied sie beinahe. Viele von ihn hatten allerdings Redebedarf und andere wiederum waren gelangweilt, weil bereits seit Wochen keine neuen Geschichten mehr erschienen sind. Ein gewisser Unmut machte sich im Dorf breit.
Als die Gerüchteküche dann Mord als mögliche Todesursache des Autors servierte, kochte die Stimmung im Dorf über. Es kristallisierten sich innerhalb kürzester Zeit zwei Fronten heraus. Diejenigen, die wegen ihres Unmuts den Tod des Autors achselzuckend hinnahmen und diejenigen, die nach wie vor starke Sympathien für den Autor hegten und den Kopf desjenigen wollten, der dieses Übel über sie gebracht hatte. Es brach das blanke Chaos aus. Einige verschlagene Alleingänger versuchten sich als Detektive auf eigene Faust, huschten durch das Dorf und führten Befragungen durch, manche von ihnen übertrieben guantanamo-mäßig. Anderen Gruppierungen verübten Anschläge, begründet auf dem Niveau verschwörungstheortischer Annahmen. Es hätte bestimmt nicht mehr lange gedauert, bis das ganze Dorf gebrannt hatte, wäre nicht die tatsächliche Todesursache des Autors zu Tage getreten.
Er hatte Selbstmord begangen. Diejenigen, die ihn als verrückt abgestempelt hatten, sahen sich natürlich sofort bestätigt und sie sollten recht behalten, teilweise zumindest. Denn anders als sie erwartet hatten, zerbrach der Autor nicht daran die Geschichte nicht schreiben zu können – im Gegenteil, er zerbrach daran, dass er sie vollenden konnte. „Und jetzt?“ sind die ersten Worte seines langen Abschiedsbriefes, den man aus unerklärlichen Gründen sehr spät fand. Darin schreibt er weiter, dass er zuerst über alle Maßen glücklich war, als er erkannte, dass er „die perfekte Geschichte“ geschrieben hatte aber dieses Gefühl hielt nicht lange an. An dieser Stelle beginnt er mit der Zitation Paul Watzlawicks und wie dieser die Suche nach der blauen Blume beschreibt und beendet mit seinen eigenen Worten: „Jetzt halte ich die blaue Blume in der Hand, betrachte sie haargenau und sehe ihr letztlich einfach beim Welken, beim Sterben zu und ich kann nichts dagegen tun.“. Er klagt weiter davon, dass fast jeder Versuch des Schreibens nach den ersten Sätzen ein ungewolltes Ende fand und selbst wenn er sich zwang, eine Geschichte komplett zu schreiben, so machte ihn das Ergebnis nur traurig, weil es in nur darin bestätige, dass ihm von nun an jede seiner Geschichten fad und langweilig erscheinen werde. Die Polizei berichtete, im Schreibzimmer des Autors knöcheltief in Papierfetzen von angefangen und beendeten Geschichte gestanden zu haben. Er hatte in dieser kurzen Zeit tausende von Geschichte angefangen und alle zerrissen. Selbst Geschichten, die er vor „der perfekten Geschichte“ geschrieben hatte, kamen ihm jetzt unglaublich einfach gestrickt und viel zu vorhersehbar vor und so zerriss er nach und nach alles was er je geschrieben hatte. Beinahe zwei Monate hielt diese Sinnkrise an, bis er sie schließlich selbst beendete. Alles was er hinterließ waren der Abschiedsbrief, der seinen kometenhaften Fall festhielt, und „die perfekte Geschichte“.
Jedermann im Dorf war zum Einen, zutiefst betrübt über den überraschenden Selbstmord des Autors und zum Anderen, bis zum Zerreißen gespannt auf „die perfekt Geschichte“. Die letzte und einzig übrige Geschichte, von der er Zeit seines Lebens immer wieder geschwärmt hatte, die ihn zu großen Leistungen antrieb und die ihn letztlich unerbittlich zu Fall brachte. Die Geschichte die seines Erachtens niemals von einer anderen Geschichte in den Schatten gestellt werden könnte, gefiel niemandem. Jedermann fand sie wirr und gekünstelt, das machte jedermann traurig und wütend, weil es sonst keine Geschichten des Autors mehr gab. Und so vergaß jedermann ihn. Aus der Inschrift seines Grabsteins „Das Leben schreibt keine perfekten Geschichten“ kann sich jedermann, Jahrzehnte später, keinen Reim mehr darauf machen.
Diese besondere Art Freundlichkeit, die manche Menschen besitzen, der man sich nicht entziehen konnte, die besaß er. Allerdings nicht diese plumpe Art, bei der man einfach nur alles höflich nickend weglächelt, sondern eine feinfühlige Art der Freundlichkeit. Ob man nun schlecht oder gut gelaunt war, wenn man ihn traf, ging es einem danach besser. Er konnte zuhören - wirklich zuhören, nicht nur hinhören, er beschäftigte sich mit dem, was seinen gegenüber beschäftigte und hatte, zu guter Letzt, immer einen hilfreichen Ratschlag, eine lehrreiche Anekdote oder etwas in der Art parat, serviert mit dem ansteckendsten Lächeln, dem die Welt jemals nicht widerstehen konnte. Erst wenn er denjenigen aufgemuntert hatte, der ihm seine Probleme anvertraute, ging er unbekümmert weiter seines Weges.
Brachte man ihn mal dazu von sich zu reden, was nur selten gelang – er sprach einfach nicht sehr gerne über sich, dann redete er immer von „der perfekten Geschichte“. Sein Traum war es, eine eben solche perfekte Geschichte zu schreiben. Das Funkeln seiner Augen, wenn er darüber euphorisch philosophierte, war für alle Zuhörer elektrisierend. Er wusste natürlich auch, dass das Wort „perfekt“ subjektiv sei, betonte er immer dabei, aber er habe eben seine eigenen Maßstäbe und wisse diese subjektiven Maßstäbe objektiv anzuwenden und so würde er schon merken, wann er „die perfekte Geschichte“ zu Papier gebracht hätte. Und dann wäre sein Name weit über das Dorf hinaus bekannt. Leute aus aller Welt würden kommen um sich ihre Bücher, die er geschrieben hatte, von ihm signieren zu lassen. Er fand, mindestens diesen Ruhm habe er sich verdient. Keiner widersprach ihm. Jedermann klopfte ihm zustimmend auf die Schulter und brachte zum Ausdruck, wie sehr man sich darauf freue diese perfekte Geschichte irgendwann lesen zu dürfen.
Nun war er tot. Und wie dass nunmal so ist, in einem Dorf, jedermann redet darüber, gerade wenn es die Dorfprominenz betrifft. Böse Zungen behaupteten leise und hinter jedermanns Rücken, die Suche nach der perfekten Geschichte soll ihn verrückt gemacht haben, die letzten Wochen wirkte er bereits abwesend und antriebslos. Er redete kaum noch mit den Dorfbewohnern, mied sie beinahe. Viele von ihn hatten allerdings Redebedarf und andere wiederum waren gelangweilt, weil bereits seit Wochen keine neuen Geschichten mehr erschienen sind. Ein gewisser Unmut machte sich im Dorf breit.
Als die Gerüchteküche dann Mord als mögliche Todesursache des Autors servierte, kochte die Stimmung im Dorf über. Es kristallisierten sich innerhalb kürzester Zeit zwei Fronten heraus. Diejenigen, die wegen ihres Unmuts den Tod des Autors achselzuckend hinnahmen und diejenigen, die nach wie vor starke Sympathien für den Autor hegten und den Kopf desjenigen wollten, der dieses Übel über sie gebracht hatte. Es brach das blanke Chaos aus. Einige verschlagene Alleingänger versuchten sich als Detektive auf eigene Faust, huschten durch das Dorf und führten Befragungen durch, manche von ihnen übertrieben guantanamo-mäßig. Anderen Gruppierungen verübten Anschläge, begründet auf dem Niveau verschwörungstheortischer Annahmen. Es hätte bestimmt nicht mehr lange gedauert, bis das ganze Dorf gebrannt hatte, wäre nicht die tatsächliche Todesursache des Autors zu Tage getreten.
Er hatte Selbstmord begangen. Diejenigen, die ihn als verrückt abgestempelt hatten, sahen sich natürlich sofort bestätigt und sie sollten recht behalten, teilweise zumindest. Denn anders als sie erwartet hatten, zerbrach der Autor nicht daran die Geschichte nicht schreiben zu können – im Gegenteil, er zerbrach daran, dass er sie vollenden konnte. „Und jetzt?“ sind die ersten Worte seines langen Abschiedsbriefes, den man aus unerklärlichen Gründen sehr spät fand. Darin schreibt er weiter, dass er zuerst über alle Maßen glücklich war, als er erkannte, dass er „die perfekte Geschichte“ geschrieben hatte aber dieses Gefühl hielt nicht lange an. An dieser Stelle beginnt er mit der Zitation Paul Watzlawicks und wie dieser die Suche nach der blauen Blume beschreibt und beendet mit seinen eigenen Worten: „Jetzt halte ich die blaue Blume in der Hand, betrachte sie haargenau und sehe ihr letztlich einfach beim Welken, beim Sterben zu und ich kann nichts dagegen tun.“. Er klagt weiter davon, dass fast jeder Versuch des Schreibens nach den ersten Sätzen ein ungewolltes Ende fand und selbst wenn er sich zwang, eine Geschichte komplett zu schreiben, so machte ihn das Ergebnis nur traurig, weil es in nur darin bestätige, dass ihm von nun an jede seiner Geschichten fad und langweilig erscheinen werde. Die Polizei berichtete, im Schreibzimmer des Autors knöcheltief in Papierfetzen von angefangen und beendeten Geschichte gestanden zu haben. Er hatte in dieser kurzen Zeit tausende von Geschichte angefangen und alle zerrissen. Selbst Geschichten, die er vor „der perfekten Geschichte“ geschrieben hatte, kamen ihm jetzt unglaublich einfach gestrickt und viel zu vorhersehbar vor und so zerriss er nach und nach alles was er je geschrieben hatte. Beinahe zwei Monate hielt diese Sinnkrise an, bis er sie schließlich selbst beendete. Alles was er hinterließ waren der Abschiedsbrief, der seinen kometenhaften Fall festhielt, und „die perfekte Geschichte“.
Jedermann im Dorf war zum Einen, zutiefst betrübt über den überraschenden Selbstmord des Autors und zum Anderen, bis zum Zerreißen gespannt auf „die perfekt Geschichte“. Die letzte und einzig übrige Geschichte, von der er Zeit seines Lebens immer wieder geschwärmt hatte, die ihn zu großen Leistungen antrieb und die ihn letztlich unerbittlich zu Fall brachte. Die Geschichte die seines Erachtens niemals von einer anderen Geschichte in den Schatten gestellt werden könnte, gefiel niemandem. Jedermann fand sie wirr und gekünstelt, das machte jedermann traurig und wütend, weil es sonst keine Geschichten des Autors mehr gab. Und so vergaß jedermann ihn. Aus der Inschrift seines Grabsteins „Das Leben schreibt keine perfekten Geschichten“ kann sich jedermann, Jahrzehnte später, keinen Reim mehr darauf machen.