Die Privilegierten

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Klaus K.

Mitglied
Die Privilegierten

Sag' mir wo die Lehrer sind, wo sind sie geblieben?
Über den Schulhof weht nur der Wind, was ist geschehen?
In den Klassen sitzt kein Kind, das kann man sehen
denn es ist schon wieder Ferienzeit, ach wie ist das schön.

Eine lausige Adaption, man spare sich die Kritik. Der Kern der Sache ist das, worum es hier geht. Denn die Sommerferien sind doch gerade erst wieder vorbei, fürchterlich, wie schnell sechs Wochen bezahlter Urlaub beendet sein können. Zum Glück nur ein paar Wochen Unterricht, und dann erneut durchatmen.
Wieder vierzehn Tage Sonderurlaub, per Gesetz. Ja, nicht in allen Bundesländern, das wissen wir doch auch. Also ruhig bleiben, bitte. Aber in der Summe bleibt die horrende Freizeit doch überall gleich, auch wenn sie mal anders verteilt ist.

Genauso ist es absoluter Schwachsinn, wie bei den Abgeordneten der exorbitante Pensionsbezug bereits nach einer einzigen Legislaturperiode garantiert ist. Vier Jahre im Bundestag herumsitzen, dann gibt es dafür hinterher bereits mehr "Rente" als für die stramme über jahrzehntelange Jahre abgeknechtete Beitragszahlung von vielen Bürgern. Für die normalen Arbeitnehmer lautet das Zauberwort nämlich "Einzahlung".
Ein böses Wort, ein ekliges Wort. Auch schwierig zu buchstabieren, und es taucht deshalb bei allen Privilegierten fast nie auf, "Beiträge für die Allgemeinheit", was ist das eigentlich?

Nein, der Bundestag, das hat mit selbstverordneter Bereicherung nichts zu tun. Überhaupt nicht, denn das ist ja so beschlossen worden. Vorher mal, irgendwann. Von wem? "Diätenerhöhung", von wem? Mit Diäten nimmt man ab, nicht zu. Warum wollen so viele Youngster jetzt in den Bundestag? Ach so, aus politischer Überzeugung, das darf man nicht vergessen. Wer's glaubt.

Und Lehrer, womit wir wieder beim Thema wären? Warum wird man Lehrer? Auch aus Überzeugung? Der ist gut, bei diesem Satz sind schon ganze Stammtische vor lauter Lachen zusammengebrochen. Fragen wir doch mal die Helden der Wissensvermittlung, warum sie lieber nach Brandenburg gehen wollen, als in Berlin zu bleiben? Das Zauberwort dafür lautet "Verbeamtung", dafür fährt man gerne ein paar Minuten mit der Bahn, es geht ja mittags bereits wieder zurück. Für eine Ganztagsbetreuung braucht man ja dann auch zusätzliche Hilfskräfte nachmittags, aber bitte doch dafür keine völlig überqualifizierten Lehrer. Die müssen doch zuhause Hefte korrigieren und den Unterricht für den nächsten Halbtag vorbereiten. Täglich. Immer. Stundenlang. Ach so.

Diese Beamten wollte man in der Hauptstadt nicht mehr so gerne, man hat daher mit Angestelltenverträgen für Lehrer gewunken, daraufhin sind aber die Aspiranten flugs über die Landesgrenze, besser Stadtgrenze, gehüpft. Denn nebenan wurde mit der sofortigen Verbeamtung gelockt. "Lehramt", heißt es ja auch. Abgreifen, wo es nur geht. Mehrere hundert Euro "cash" in der Tasche pro Monat mehr, bei identischen Bedingungen. Und der irgendwann zu erwartende burnout auf dem platten Land, der ist dort eben leichter zu ertragen. Und auch das hat sich hinläglich bei den Kandidaten bereits herumgesprochen.
Junglehrer wissen heute mehr über die Möglichkeiten vorzeitiger "Dienstunfähigkeit" bei voller finanzieller Absicherung, als über ihren zu vermittelnden Lehrstoff. Ja, das sind Erkenntnisse aus undercover-Umfragen. Schnell weg damit! Das könnte ja die Bürger verschrecken.

Wer von uns kann sich eigentlich vorstellen, ein paar Jahrzehnte bis zur meistens Frühpensionierung immer das "ABC" und das "Einmaleins" vermitteln zu wollen? Die intellektuell erforderliche Vorbereitungszeit dafür ist sicher immens, dafür braucht es eben unter anderem die laufenden Unterbrechungen, genannt Ferien. Zur geistigen Erholung. Das ist beim "Satz des Pythagoras" auch nicht anders. Und man frage lieber keinen Abiturienten heutzutage nach "Faust", der schaut nur zurück und fragt dann seinerseits "Welche? Die rechte oder die linke?". Und über die "Sportlehrer" breiten wir jetzt aber ganz schnell den Schleier der Barmherzigkeit, oder?
Und die Bezahlung? Deutsche verbeamtete Lehrer? Man sehe einfach mal nach, da liegen wir in Deutschland ganz weit vorne. Weltweit übrigens. Spitzenbezüge, und dafür braucht es dann auch noch eine eigene Spezial-Gewerkschaft. Und das Wort "Sozialabgaben" ist bei Beamten ja sowieso ein Fremdwort aus einem anderen Kulturkreis. Rentenversicherung? Was ist das? Beiträge dafür? Arbeitslosenversicherung? Wie bitte? Das ist doch alles mit dem angeblich viel zu niedrigen Gehalt abgegolten, das ist doch dann integriert, oder? Das geht doch mal gar nicht! Diese Argumentation der Privilegien-Künstler ist einfach für jeden mit einem IQ über achtzig mehr als dreist. Und was ist mit der Krankenversicherung? Viel Schmerz, oder?

Aber klar, letzeres privat, was sonst, aber bitte mit dem sowieso günstigeren Beamtentarif und obendrauf mit bis zu siebzig Prozent "Beihilfe". Dreißig Prozent sind als Eigenanteil des Beitrags doch wohl dicke genug? Wer die fehlenden siebzig Prozent letztendlich bezahlt? Na, die Allgemeinheit, vulgo die plebs, wer sonst? Also im Prinzip die anderen. So funktioniert das System, so wurde es laufend für diese Kaste optimiert, seit Kaiser's Zeiten. Es gibt da seit Jahrzehnten eine Statistik von einem Institut aus Nürnberg, die vergleicht Haushalts-Nettoeinkommen. Da lagen die Beamten schon immer vor allen anderen, direkt nach den "Selbständigen". Fragen sollte man die Selbständigen aber mal, ob sie dazu auch drei Monate pro Jahr Urlaub machen können. Eine Anzeige wegen Beleidigung ist dann garantiert, daneben gibt es ein Hausverbot obendrauf. Ein "blaues Auge" ist da noch das geringste Übel.
Und unsere verbeamteten Ehemaligen, die Pensionäre? Das muß man nicht weiter ausführen, denn das hat sich mittlerweile zum Glück bis in den letzten Winkel der Republik herumgesprochen. Man nennt es inzwischen auch Skandal.

All diese Bonbons einschließlich der völlig aus der Zeit gefallenen Pensionen gelten natürlich für unsere Lehrer auch. Nur haben die halt obendrein noch heftigst mehr Freizeit. Aber, aber ... nur kein Neid!
Also, Lehrer ist ein absoluter Stress-Job. Es ist die Hölle, sich mit der Brut von anderen Leuten herumschlagen zu müssen. Ein Nachwuchs, der nur dann halbwegs zur Vernunft kommt, wenn es dem Ende der schulischen Laufbahn zugeht. Wegen der Noten! Was heutzutage rumläuft und behauptet, ein "Reifezeugnis" zu besitzen, das ist schon beachtlich. Die armen Lehrer sind heilfroh, wieder einen Jahrgang von diesen zukünftigen Spitzenkräften losgeworden zu sein.
Da sind nämlich wahnsinnig viele "influencer" jeder Couleur dabei. Die kommenden Privilegierten unserer Zukunft. Die beeinflussen zwischenzeitlich ja bereits das ganze Land, landauf, landab, in jede Richtung. Die Blechdose mit dem Aufkleber "Vernunft" oben auf ihrem Speicher, hinten im alten Schrank, aus Oma's Zeiten, die haben einige bislang nicht gefunden. Denn sie haben zwar noch nichts richtig begriffen, die bauen auch ein Land nicht weiter auf, die sind bereits völlig verpolt. Nicht unbedingt nur durch die Lehrer. Denen sei ihr Job, ihr Status, ihr Gehalt gegönnt. Den Job möchte nämlich nicht jeder machen. Sonst wären wir doch alle Lehrer, oder? Und wer macht dann die Mülltonnen leer? Na also, mit einer derartigen Überlegung sind doch die leeren Klassenräume und Schulhöfe jetzt während der Ferien viel leichter zu ertragen. Auch wenn alles andere der Wahrheit und den Tatsachen entspricht.
Und, letzte Sätze: Dies ist alles andere als ein Pamphlet gegen Klimabewegungen und notwendige Veränderungen. Zum Glück gibt es ja auch viel intelligenten aktiven Nachwuchs. Dank an deren Engagement, denn es gibt soviel grundsätzlich endlich neu zu gestalten. Aber eben auch und vor allem bei den Privilegierten.
 
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Haselblatt

Mitglied
Es wundert mich sehr, dass - obwohl der Artikel im Oktober des Vorjahrs datiert - sich hier noch keine Stimme zu Wort gemeldet hat. Anscheinend hat der Text den hieramts gern ansässigen Großinquisitoren die Rede verschlagen.
Ich persönlich schätze Beiträge, die gesellschaftliche und politische Missstände zum Thema haben, äußerst hoch ein, auch wenn die literarische Komponente dabei in den Hintergrund rückt. Dein sprachlicher Ausdruck ist dennoch großartig. Die numerischen Parameter kann ich nicht auf ihren Wahrheitsgehalt prüfen, aber ich gehe davon aus, dass du die Fakten korrekt recherchiert hast.
Alles in allem: brilliant !
 

Klaus K.

Mitglied
Wir haben insgesamt fünf (!) Lehrerinnen/Lehrer (3w/2m) in der erweiterten Verwandtschaft. Meine herzerfrischenden aber immer bohrenden Interviews mit diesen Protagonisten der Bildungsfront bei irgendwelchen familiären Zusammenkünften ergaben für mich bereits ein eindeutiges Bild, exakt wie oben beschrieben.
Mit bestem Gruß, klaus k.

P.S.: Vielen Dank! Und dein Zitat von A. Lincoln gestattet mir vielleicht eine "Empfehlung", da ich ihn auch bemüht habe. Siehe Kurzgeschichten, "Nihilitis Acuta".
 



 
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