Die Qual der Wahl - Kap.2

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visco

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Die Qual der Wahl, Kap.1-2

Die Qual der Wahl (Arbeitstitel)


Kapitel 1​

[ 6]Dreißig Jahre sind eine lange Zeit. Relativ betrachtet natürlich. Bei der Entstehungsgeschichte des Universums beispielsweise, das in einem Seitenarm einer unbedeutenden Galaxie ein noch unbedeutenderes Sonnensystem hervorbrachte, in welchem ein vorübergehend von der Menschheit in Beschlag genommener Planet auf seiner Umlaufbahn um einen unauffälligen Stern kreist, fällt ein entsprechender Zeitabschnitt sicher nicht ins Gewicht. Während aber das Universum auf eine Vergangenheit von mehreren Milliarden Jahren zurückblicken kann, sind es bei mir nicht einmal fünfzig. Vergingen für mich dreißig Jahre, so waren es im gleichen Verhältnis für das Universum immer noch mehrere Milliarden Jahre, und genauso lange kommt es mir vor, als ich durch die Hälfte einer durchgerissenen Banknote daran erinnert werde, wie sich zwei beste Freunde einst schworen, in der Not für den anderen da zu sein.
[ 6]Axel und ich gingen in die gleiche Klasse. Wir hätten unterschiedlicher kaum sein können, aber die restliche Schulzeit über bis zum Abitur und noch einige Zeit darüber hinaus waren wir die dicksten Freunde. Unseren Militärdienst verbrachten wir unserer jeweiligen Qualifikation zufolge in verschiedenen Einheiten, und während Axel im Anschluß daran eine Lehre absolvierte und nahtlos den Weg ins Berufsleben fand, verschlug es mich zwecks Studium in eine andere Stadt. Zwar bin ich mehrmals umgezogen aber nie in unseren Heimatort zurückgekehrt, und mit den Jahren sahen wir uns immer seltener. Unser letztes Treffen liegt jetzt gut und gerne fünfzehn Jahre zurück.
[ 6]»Achtzehn«, werde ich von der jungen Dame korrigiert, deren Alter etwa diesem Wert entsprechen dürfte. Hochgewachsen wie ihr Vater und ebenso schlank scheint sie äußerlich ansonsten eher nach der Mutter zu schlagen, die Haare undefinierbar rötlich-braun getönt und in der Wahl ihrer Garderobe irgendwo zwischen trendy und eigenwillig, die auffallend grünen Augen inmitten eines von Sommersprossen überzogenen Gesichts ließen sich gegebenenfalls durch die Verwendung von Motiv-Kontaktlinsen erklären. Daniela Wiesmann sei ihr Name, und mit neugierig kritischem Blick mustert sie mich von Kopf bis Fuß, bevor sie in dem angebotenen Stuhl Platz nimmt. »Ich habe Sie mir ganz anders vorgestellt. Eleganter irgendwie. Laufen alle Galeristen so ´rum wie Sie?«
[ 6]»Kunsthändler, nicht Galerist. Ich handele mit Kunstwerken und Antiquitäten.«
[ 6]»Und die Ausstellung unten?«
[ 6]»Ist ein Verkaufsraum, keine Galerie, selbst wenn es ´dransteht, wie ich allerdings zugeben muß.«
[ 6]»Damit ist wohl eine Menge Kohle zu machen, hm? Ich meine, geht Ihnen doch nicht schlecht, oder?«
[ 6]In diesem Augenblick kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, daß die Abgesandte meines alten Freundes gleich zum Punkt zu kommen gedenkt, was mich ebenso wenig überrascht wie die Art der Notlage, in der sich Axel meiner unwillkürlichen Vermutung nach befindet.
[ 6]»Reich bin ich nicht, falls Sie das annehmen sollten, aber ich will mich nicht beklagen, dafür liebe ich meinen Beruf viel zu sehr.«
[ 6]»Ich wollte von dem alten Zeugs nichts geschenkt, stehe ich echt nicht ´drauf, aber deswegen bin ich ja auch nicht hier.«
[ 6]»Das überrascht mich offen gesagt auch nicht. Und welchem unterstellt unglücklichen Umstand verdanke ich denn nun Ihr Erscheinen?«
[ 6]»Was? Ach so, Sie meinen, wieso ich hier bin. Mein Dad sagte, das wüßten Sie schon, wenn ich Ihnen das Ding unter die Nase halte.«
[ 6]»Hhm, das hat er gesagt, ja? Konkreteres ist ihm dazu nicht eingefallen?«
[ 6]»Ich sag´ besser nicht, was er genau gesagt hat, will Sie ja nicht beleidigen oder so, aber er meinte, Sie würden schon verstehen. Wo liegt das Problem?«
[ 6]Manche Dinge geraten in Vergessenheit, und bei bestimmten Angelegenheiten ist das sicher ein Segen. Es macht ohnehin nicht viel Sinn, sein Gewissen ständig mit etwas zu belasten, das man nicht ungeschehen oder von anderer Warte aus nie wieder gut machen kann. Lenas Tod ist eine dieser Angelegenheiten.
[ 6]Natürlich habe ich es nicht wirklich vergessen, das wäre auch völlig undenkbar, nicht nur, weil ich selber in jenen Vorfall involviert war, weshalb Axel mir vermutlich immer noch die Schuld an allem gibt, sondern weil Lena mir damals, und das ist jetzt auch schon wieder fünfzundzwanzig Jahre her, sehr viel bedeutet hat. Kein Wunder also, wenn Axel nicht gerade in den höchsten Tönen von mir spricht. Immerhin war es seine kleine Schwester, die ihren schweren Verletzungen noch am Unfallort erlag, während ich mit einem Schock und ein paar Prellungen davonkam.
[ 6]»Ich weiß nicht, was Axel, ich meine, Ihr Dad Ihnen über mich erzählt hat, sicher war auch eine Menge Zutreffendes dabei, aber der halbe Schein als solcher sagt mir lediglich, daß er in Schwierigkeiten steckt und sich urplötzlich und aus mir noch unbekannten Gründen auf unsere frühere Freundschaft besinnt, nicht aber, um welche Art Schwierigkeiten es sich handelt, geschweige denn, wie ausgerechnet ich ihm da wieder ´raushelfen können sollte. Und dann kommt er auch nicht selbst sondern schickt seine Tochter, die offenbar nicht mehr darüber weiß als ich. Bitte nehmen Sie es nicht persönlich, aber offen gestanden kommt mir das alles etwas spanisch vor.«
[ 6]»Sie hör´n sich selber gern reden, wie? Hab´ ich vielleicht gesagt, daß ich nicht weiß, was Sache ist? Es muß wohl erst um Leben und Tod gehen, damit Sie Ihren Spießerarsch in Bewegung setzen!«
[ 6]»Barsche Töne, junge Dame! In Ihren Augen bin ich also ein Spießer, hm? Was erwarten Sie denn eigentlich von mir?«
[ 6]»Na vielleicht, daß Sie aus einer Ihrer vielen Mottenkisten die andere Hälfte hervorzaubern, so zum Anfang.«
[ 6]Spätestens im Umgang mit dem Jungvolk von heute merkt auch ein Junggebliebener, oder wer sich dafür hält, daß dreißig Jahre Altersunterschied nicht zu retuschieren sind. Schlimmer noch hält man den Mangel an Spontaneität für ein überlegenes Vorgehen aus Reife und Erfahrung. Ich zumindest ertappe mich dabei, wie ich nach plausiblen Erklärungen, im Grunde aber doch nach Ausflüchten suche, die ein verzögertes Handeln rechtfertigen könnten.
[ 6]»Warum beginnen wir nicht damit, daß Sie mir erzählen, was Sache ist? Geben Sie einem alten Mann eine Chance, okay?«
[ 6]»Meine letzten Kröten sind für´s Taxi ´draufgegangen. Zurück werde ich wohl laufen, aber dann muß ich langsam los. Mein Zug geht in ´ner knappen Stunde. Wenn Sie wollen, können Sie mich hinbringen. Sorry, aber für Märchenstunden hab´ ich echt nicht die Zeit. Hab´ sowieso nie geglaubt, daß das mit Ihnen ´was wird. Aber damit Sie´s wissen, wenn ich jemand mein Wort gebe, und egal wie lange das her ist, dann bin ich zur Stelle, da frag´ ich nicht erst groß nach.«
[ 6]»Sekunde ´mal! Es ist doch nicht zuviel verlangt, ... ich weiß ja nicht einmal, ... so warten Sie doch! ... Daniela!«
[ 6]»Hey, muß jetzt wirklich los.« Und weg ist sie. Natürlich eile ich ihr hinterher, aber sie ist schneller und reagiert auf keinen meiner Zurufe, auch nicht, sie selbstverständlich gerne zum Bahnhof zu fahren.
[ 6]Zurück bleiben ein Dutzend unbeantworteter Fragen und die Hälfte eines Geldscheins als einstiges Symbol immerwährender Freundschaft mit Notruffunktion. Bei den vielfältigen medialen Möglichkeiten heutzutage scheint es fast, als sei Axel auf seine alten Tage sentimental geworden, dabei wüßte ich für meinen Teil auf Anhieb nicht einmal zu sagen, ob ich das Gegenstück überhaupt aufbewahrt habe.
[ 6]Ich drehe und wende das auf höchst altmodischem Wege durch einen Boten überbrachte Stück abgerissenen Papiers in meiner Hand, betrachte es genau, als berge es ein Geheimnis, das nur auf seine Entschlüsselung warte, und mir wird klar, daß eine per SMS, E-Mail oder sonst wie übermittelte Nachricht nicht annähernd den gleichen Effekt erzielt hätte. Gleiches gilt insbesondere für ein persönliches Gespräch. Dieses Relikt aus vergangenen Tagen hingegen vermag wie nichts anderes die Erinnerung an jene Zeit wieder wachzurufen. Was Daniela mir auch immer verschwiegen hat oder auch nicht zu sagen wußte, so ist mir plötzlich, als ob hinter diesem und für sich alleine unbrauchbaren Teil eines Zahlungsmittels mehr steckt als nur ein Aufruf, und bei allem, was mir heilig ist, hoffe ich, daß ich mich irre.



Kapitel 2​

[ 6]Bernd ist ein Draufgänger. Ob er das heute noch ist, weiß ich zwar nicht, aber damals war er einer. Wir haben uns auf einer Klassenfahrt angefreundet, und es gab niemanden, der mehr Unfug im Kopf hatte als Bernd. Die Mädchen schienen darauf zu fliegen. Eine Freundin hatte er eigentlich immer, manchmal auch mehrere gleichzeitig, und wenn mit der einen Schluß war, gab es auch schon eine Neue. Wen sollte es da wundern, wenn ich nicht gerade begeistert war, als er mit meiner Schwester anbändelte? Lena war außerdem viel zu jung für ihn.
[ 6]Verhindern konnte ich es natürlich nicht, und trotzdem mache ich mir heute Vorwürfe deswegen. Das Leben kann so verdammt ungerecht sein! Wäre ich damals mit ihm im Wagen gesessen, dann hätte es vermutlich mich erwischt. Laut dem Hergangsbericht der Polizei hat er den Unfall zwar nicht verursacht, aber ich bin sicher, daß er wie immer viel zu schnell gefahren ist, deshalb nur noch ausweichen konnte, von der Bahn abkam und so im mehrere Meter tiefer gelegenen Feld landete. Den Wagen hat es regelrecht zerlegt.
[ 6]Lena hat noch gelebt, als der Notarzt eintraf, aber sie war eingeklemmt. Sie starb noch bevor man sie endlich aus dem Wrack befreite.
[ 6]Bei den Sicherheitsstandards der heutigen Fahrzeuge wäre das wahrscheinlich nicht passiert. Auch wurde die Gefahrenstelle, wie es so schön heißt, schon vor Jahren entschärft. Natürlich ist es müßig, sich darüber heute noch den Kopf zu zerbrechen, denn nichts davon bringt Lena zurück, aber verzeihen kann ich ihm das nie! Niemals!
[ 6]Gesehen haben wir uns das letzte Mal vor achtzehn Jahren. Zu dem Zeitpunkt hatte er noch einen Buchladen, der aber nicht besonders gut lief. Wie ich hörte, macht er inzwischen auf Galerist.
[ 6]»Kunsthändler, nicht Galerist. Er sammelt altes Zeugs und vertickt es an Leute, die bereit sind, für etwas Geld zu blechen, was andere wegwerfen.«
[ 6]»Was du beschreibst, nennt man einen Trödler, jemand, der mit Trödel handelt. Das kann ich mir bei ihm allerdings nicht vorstellen.«
[ 6]»Ja, von mir aus. Ist mir doch egal. Er sollte sich lieber langsam mal melden!«
[ 6]»Das wird er. Er meldet sich. Oder kommt vorbei. Ganz sicher.«
[ 6]»Wie kannst du da so sicher sein? Das mit eurer Freundschaft kannste ja wohl knicken. Habt doch seit Ewigkeiten keinen Kontakt mehr. Warum eigentlich nicht? Ich denke, ihr wart mal echt dicke.«
[ 6]Das habe ich auch gedacht, aber wie heißt es doch so schön? Erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt. Oder so ähnlich. Und natürlich hat sie Recht. Es ist ganz und gar nicht sicher, daß Bernd sich blicken läßt. Er mag unbeständig sein, was seinen Lebenswandel anbelangt, leichtsinnig, vielleicht ab und zu sogar Risiken eingehen, wo jeder andere nur den Kopf schütteln würde, aber leider Gottes war auf ihn noch immer Verlaß, und er hat stets Wort gehalten. Tut er das auch jetzt, dann rührt er garantiert keinen Finger.
[ 6]»Wir haben Streit bekommen.«
[ 6]»Ach nee, und worum ging´s?«
[ 6]»Das geht nur ihn und mich etwas an.«
[ 6]»Klingt interessant. Erzähl´ doch mal. Ich sag´s auch nicht weiter.«
[ 6]Neugierige Göre! Sie glaubt wohl, nur weil sie mich in der Hand hat, würde ich ihr gleich alles auf die Nase binden. Und wenn ich es mir recht überlege, dann bin ich mir nicht einmal sicher, ob ich selber den wahren Grund kenne. Es ist wirklich erstaunlich, wie schnell ein Wort das andere geben kann, und ehe man sich versieht, sagt man etwas, das man später bereut. Nur ist es dann natürlich zu spät.
[ 6]Bei Geld hört jede Freundschaft auf, heißt es, und vielleicht ist dem auch so. Ich weiß es nicht, aber so ganz von der Hand zu weisen ist es bestimmt nicht. Streng genommen ging es aber eigentlich nicht um Geld, jedenfalls nicht direkt. Angefangen hat alles mit einem Tausch, seine Photoausrüstung gegen den alten Schreibtisch, den mir mein Opa vermacht hatte.
[ 6]Ursprünglich wollte ich mir Kamera und Zubehör bloß für die Hochzeit von Heikes Schwester borgen, aber es hat mir soviel Spaß gemacht, und dann sind die Bilder auch noch richtig gut geworden. Ab da an habe ich geknipst wie ein Weltmeister, natürlich Heike und unseren Sohnemann – Kevin war damals noch nicht auf der Welt – bei Spaziergängen im Park, die Tiere im Freiwildgehege, die nähere Umgebung, einfach alles, was mir vor die Linse kam. Die Tasche, vollgestopft mit verschiedenen Objektiven, Aufsätzen, Blitzlicht und anderen Utensilien, hatte ich von nun an ständig dabei.
[ 6]Eines Tages wollte Bernd natürlich seine Sachen zurück. Ich glaube nicht, daß er sie wirklich vermißt hat, aber es war eben nur geliehen und nicht geschenkt. Ich fragte ihn, was er dafür haben wolle, aber er meinte, unter Freunden spreche man nicht über Geld. Statt dessen bekundete er sein Interesse an dem alten Schreibtisch, den ich eigentlich noch nie richtig leiden mochte, weil er zu niedrig war und kaum genügend Platz für meine mittlerweile angewachsene Computerausstattung bot. Für mich klang dieser Handel mehr als fair.
[ 6]»Nun sag´ schon. Um was ging es bei dem Streit?«
[ 6]»Um Geld. Was denn sonst? Es geht doch immer nur um´s Geld.«
[ 6]»Wieviel denn? Oder was genau? Mensch, nun laß dir doch nicht jedes Wort aus der Nase ziehen!«
[ 6]»Ich habe mir etwas von ihm ausgeborgt, und als ich es ihm zurückgeben wollte, da behauptete er, es wäre beschädigt und verlangte, daß ich es auf meine Kosten reparieren lasse oder ersetze, was ich aber nicht einsah.«
[ 6]»Hast du es denn kaputt gemacht oder nicht?«
[ 6]»Nein. Deswegen ja der Streit.«
[ 6]Ich wünschte, es wäre so einfach gewesen. Als Heike von dem Tauschgeschäft erfuhr, bekam ich vielleicht ein Donnerwetter zu hören! Was mir einfiele, ein Erbstück mit hohem ideellen Wert, das bestimmt auch noch antik wäre und dadurch auf jedem Trödelmarkt eine Menge Geld brächte, für eine popelige Kamera wegzugeben, die man doch in jedem Supermarkt nachgeschmissen bekäme! Ganz sicher hätte Bernd das auch erkannt, der ja sowieso immer nur auf seinen Vorteil bedacht sei, sonst hätte er den Handel doch nie vorgeschlagen. Es war völlig aussichtslos, ihr das auszureden, und am Ende glaubte ich es sogar selbst.
[ 6]Als er den Schreibtisch abholen kommen wollte, erklärten wir ihm also, daß er schon noch etwas ´drauflegen müsse, oder er könne seine Kamera zurückhaben, und der Deal wäre geplatzt. Er hatte extra einen Lieferwagen gemietet, weil der Schreibtisch nicht zu zerlegen war und natürlich nicht in seinen Wagen paßte. Nicht ganz zu Unrecht war er nun ziemlich sauer, da wir ihm vorher nichts gesagt hatten und mit einem Leihwagen nun mal Kosten verbunden sind.
[ 6]Er war nicht bereit, den Gegenwert durch irgendeine Geldsumme aufzustocken, stellte sich sogar richtig pikiert an und pochte auf die getroffene Vereinbarung. Alternativ dazu wollte er seine Photoausrüstung zurücknehmen – in dem Zustand wie übergeben, oder wie er sich ausdrückte – und die ganze Sache vergessen. In dem Falle sollten wir allerdings für den Leihwagen aufkommen.
[ 6]Ich weiß nicht mehr, wer dann was genau zu wem gesagt hat. Laut geworden ist eigentlich nur Heike, und irgendwann meinte ich nur, es wäre vielleicht besser, wenn er jetzt ginge. Es war kein Rausschmiss, aber er faßte es so auf und warf mir vor, ich würde unsere langjährige Freundschaft auf´s Spiel setzen. Seine Drohung, wenn er jetzt durch diese Tür ginge, dann für immer, habe ich damals nicht so ernst genommen. Ich sah aber auch keine andere Möglichkeit, um Schlimmeres zu verhindern.
[ 6]»Muß ja voll heiß her gegangen sein, wenn ihr das bis heute nicht wieder auf die Reihe gekriegt habt! Schade. Hätte ich echt gerne gesehen, wie zwei Spießer aufeinander los gehen!«
[ 6]Ihr blödes Gekichere geht mir langsam auf den Geist! Wenn ich sie doch nur zu fassen bekäme, dann würde ihr das Lachen schon vergehen! Aber dann gibt´s immer noch diesen Chester, ihren Freund, dieser obercoole Möchtegern-Abzocker ohne jeden Funken Grips im Kopf. Wenn ich könnte, wie ich wollte, müßte der in Zukunft seine Brötchen lutschen! Aber ich muß an meine Familie denken! Ich sollte besser nichts riskieren! Noch nicht.
[ 6]Bernd braucht wirklich lange! Dieser alte Sturkopf! Wenigstens melden könnte er sich, aber dann bricht ihm wohl ein Zacken aus der Krone.
[ 6]Ich hätt´s wissen müssen! Am Ende erinnert er sich nicht einmal. Liegt ja auch schon eine ganze Weile zurück, bestimmt dreißig Jahre oder so.
[ 6]Verdammt, Bernd! Jetzt laß mich nicht hängen!


Zeige Kapitel 3+4
 
R

Rote Socke

Gast
Liebe Viktoria,

eine interessante Geschichte ist Dir da gelungen. Ein starker Einstieg und insgesamt eine starke Sprache. Die Figuren tauchen vor meinem Auge auf und die Szenerie lässt sich prima verfolgen.

Nir ein Satz klingt etwas unwirklich, ein klein wenig umständlich, irgendwie sprachlich zu abgehoben, einfach zu lang:

"Zurück bleiben ein Dutzend unbeantworteter Fragen und die Hälfte eines Geldscheins als einstiges Symbol immerwährender Freundschaft, ein trotz der vielfältigen Möglichkeiten des medialen Zeitalters auf höchst altmodischem Wege durch einen Boten überbrachter Hilferuf."

Aber sonst sehr sehr ordentlich und genug Spannung da, um die Fortsetzung lesen zu wollen.

LG
Volkmar
 

visco

Mitglied
Lieber Volkmar,

lieben herzlichen Dank für dein tolles Lob.
Mit deinem Hinweis hast du gleichzeitig zielsicher den Satz herausgepickt, mit dem ich selber nicht besonders glücklich bin. Die nötige Überarbeitung des Textes ist mit Sicherheit noch nicht abgeschlossen - aber genau aus diesem Grund steht der Text ja auch hier in der LL. Für Kritik und/oder Anregungen bin ich immer dankbar, und das gilt insbesondere für die nachfolgenden Kapitel, die ich wohl in den nächsten Tagen einstellen werde (da muß ich vorher einfach noch mal drüberschauen).

Liebe Grüße,
[ 6]Viktoria
 

visco

Mitglied
Änderungsmitteilung

Lieber Volkmar,

die von dir angesprochene Textpassage...:

[ 6]Zurück bleiben ein Dutzend unbeantworteter Fragen und die Hälfte eines Geldscheins als einstiges Symbol immerwährender Freundschaft, ein trotz der vielfältigen Möglichkeiten des medialen Zeitalters auf höchst altmodischem Wege durch einen Boten überbrachter Hilferuf. Man könnte beinahe annehmen, Axel sei auf seine alten Tage sentimental geworden, dabei wüßte ich für meinen Teil auf Anhieb nicht einmal zu sagen, ob ich das Gegenstück überhaupt aufbewahrt habe.
[ 6]Ich drehe und wende das Stück abgerissenen Papiers in meiner Hand, [..]

habe ich wie folgt abgeändert...:

[ 6]Zurück bleiben ein Dutzend unbeantworteter Fragen und die Hälfte eines Geldscheins als einstiges Symbol immerwährender Freundschaft mit Notruffunktion. Bei den vielfältigen medialen Möglichkeiten heutzutage scheint es fast, als sei Axel auf seine alten Tage sentimental geworden, dabei wüßte ich für meinen Teil auf Anhieb nicht einmal zu sagen, ob ich das Gegenstück überhaupt aufbewahrt habe.
[ 6]Ich drehe und wende das auf höchst altmodischem Wege durch einen Boten überbrachte Stück abgerissenen Papiers in meiner Hand, [..]


Was meinst du? Besser so? (Natürlich darf sich auch jeder andere Leser angesprochen fühlen.)


Liebe Grüße,
[ 6]Viktoria

P.S.: ich habe mir erlaubt, am Ende des Textes einen Link zu dem Beitrag einzufügen, der die nachfolgenden Kapitel 3 und 4 enthält.
 
R

Rote Socke

Gast
Perfekt! Perfekt!

Hi Viktoria,
haste prima gemacht. Jetzt liest sich diese Passage in einem Rutsch und passt gut in den übrigen Erzählfluss hinein. Mich persönlich stört noch etwas das Wort "medialen", aber das ist Ansichts- und Geschmackssache.

Kam gerade vor einer Reise zurück und werde mich sobald wie möglich zu Kap. 3+4 begeben.

LG
Volkmar
 

visco

Mitglied
Alternative zu 'medialen'

Hallo Volkmar!

Tja, ich habe ein bißchen über Alternativen zu dem tatsächlich etwas gewöhnungsbedürftigen 'medialen' nachgedacht (das mich persönlich irgendwie immer an 'medieval' [engl.: mittelalterlich] erinnert). Leider ist mir außer dem Wortmonster 'Kommunikationsmöglichkeiten' anstelle von 'medialen Möglichkeiten' nichts wirklich Brauchbares eingefallen. Du hast nicht zufällig eine Idee, oder?

Liebe Grüße,
[ 6]Viktoria
 
R

Rote Socke

Gast
Liebe Viktoria...

...wenn ich es mir recht überlege, ist dieses mediale Wort gar nicht so verkehrt. Es käme wohl etwas anders/besser zur Geltung, wenn Du die Passage einfach etwas umstellen würdest. Dies ist nur ein Vorschlag:

Mir scheint fast, als sei Axel auf seine alten Tage sentimental geworden, dabei wüsste ich für meinen Teil auf Anhieb nicht einmal zu sagen, ob ich das Gegenstück überhaupt aufbewahrt habe.
Ich drehe und wende das auf höchst altmodischem Wege durch einen Boten überbrachte Stück abgerissenen Papiers in meiner Hand, betrachte es genau, als berge es ein Geheimnis, das nur auf seine Entschlüsselung warte. Mir wird klar, dass bei den vielfältigen medialen Möglichkeiten heutzutage, eine per SMS, E-Mail oder sonst wie übermittelte Nachricht nicht annähernd den gleichen Effekt erzielt hätte.

LG
Volkmar
 



 
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