Die Quintessenz des Kaffees

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Pating

Mitglied
Sie muss lachen, wenn sie sich im Spiegel anschaut. Ihre kurzen Haare sind sehr verwuschelt nach dem Aufstehen auf eine Art, wie es jeder mögen sollte. Das ist einer dieser Momente, die ganz unbeabsichtigt, sehr gelungen erscheinen. Sie ist noch sehr jung, aber darum geht es nicht. Ihre Haare sind kürzer als die ihres besten Freundes, den sie fast einmal vorhersehbar nach ein paar Bier geküsst hätte, aber darum geht es nicht.

Gestern war sie einen Kaffee trinken. Als sie gefragt wurde was sie möchte, antwortete sie schnell aber zögerlich. Obwohl sie sicher war, dass dieser Cappuccino genau das war, was sie bestellen wollte. Obwohl sie schon zu oft in diesem Café gesessen hat und zu oft immer auf die gleiche Weise das Getränk bestellte. Sie sagt soweit es das eine oder andere Gespräch ergibt, dass sie es liebt in Cafés zu gehen, Menschen zu beobachten und in Ruhe den Cappuccino zu trinken. Aber was sie liebt ist diese Vorstellung allein. Wenn sie im Café sitzt, rührt sie in ihrem Cappuccino, ist in Gedanken abwesend und wird zeitweise dabei beobachtet wie sie durch ihre stoppelkurzen Haare fährt, als hätte sie ein banal stressiges Leben.

Sie ist eine Frau, die in nicht unüblicher, aber trotzdem unbegründeter Weise gerne als junges Mädchen bezeichnet wird. Sie ist eine Frau, die mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit weiß, was sie möchte. Ihre kurzen Haare kein bewusster Akt des Unkonventionellen, es ist vor allem pragmatisch.

Während diese Kurzgeschichte sich auf sympathische, aber auch konzeptionslose Art und Weise dem Cappuccinokonsum der Protagonistin gewidmet hat, möchten wir zu dem Augenblick zurückkehren, wie sie mit ihrer verwuschelten Frisur am morgen in den Spiegel schaut und anfängt zu lachen. Ihre Emotionen sind deutlich erkennbar, die Kurzhaarfrisur konzentriert alle Aufmerksamkeit auf ihre Mimik. Ihr Handy klingelt. Ihr bester Freund. Er möchte einen Kaffee mit ihr trinken. Sowie man den anderen halt fragt, ob er/sie mal Lust hat einen Kaffee zu trinken. Aber darum geht es nicht. Er kennt ein kleines Café am Rande der Stadt, in dem sie noch nie gewesen ist. Sie antwortet. Diesmal mit Pause, aber bestimmt. In 14,5 min sei sie da. Was sie noch nicht weiß, sie wird heute mit großer Entschlossenheit einen Mocca bestellen, nicht in der Tasse herumrühren und nicht durch ihre Haare fahren. Ihre Wahl wird somit auf ein neues koffeinhaltiges Heißgetränk fallen. Dies ist keineswegs vernachlässigbar.
 
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G

Gelöschtes Mitglied 21405

Gast
Hallo Pating,
der Text erscheint mir wie ein Plot. Aber ein gelungener Plot. Kurze Sätze. Ein Text, der vieles im Aufbau läßt. So, als sei er nicht fertig aber der trotzdem ein Ende hat. 14,5 Minuten ist ein Schlüssel. Die wesentliche Beachtung des Unwesentlichen. Die Aussage ist nur der Hauch einer Beobachtung. Eine keineswegs vernachlässigbare Erfahrung des alltäglichen!
Danke für den Text.
LG Hans
 

Franke

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Pating,

das ist ein sehr gutes Beispiel dafür, dass eine Kurzprosa nicht unbedingt eine Handlung haben muss, sondern auch skizzenhaft sein darf.

Aber darum geht es nicht.
Diese Sequenz lenkt den Leser immer wieder auf eine andere Spur und macht deinen Text spannend.

Leider hast du gleich am Anfang einen Fehler:

Ihre kurzen Haare sind sehr verwuschelt nach dem Aufstehen auf eine Art, die es jeder mögen sollte.
Sehr gerne gelesen!

Liebe Grüße
Manfred
 

Patrick Schuler

Foren-Redakteur
Teammitglied
Es wird ja im Grunde schon eine Geschichte erzählt, die Lebensgeschichte dieser Frau. Es geht um mehr als da steht, das versichert der Autor ja auch ständig, indem er es abstreitet. Es geht wohl anscheinend um den lange ersehnten Moment, in dem ein Mensch lernt, auszubrechen. Ein eigenes Leben zu beginnen, das selbstbestimmt ist. Die Dartsellung durch das triviale Kaffeetrinken gibt dem Text eine Tiefe, die er wahrscheinlich nicht hätte, wenn die Geschichte einfach aussprechen würde was geschieht. Gefällt mir, sehr gut sogar. :)
 
G

Gelöschtes Mitglied 14616

Gast
Gefällt mit sehr gut. Beim Lesen habe ich den Eindruck, dass zunächst die Kamera sehr dicht an die Protagonistin, so dass man sich mit ihr identifizieren kann, Dann, im letzten Teil, fährt die Kamera zurück, und ein Erzähler ergreift sie Initiative.
Eine solche Technik in guter Kurzprosa umgesetzt: Das gefällt mir!
 

Ink.It.All

Mitglied
Hallo Pating,
ich finde dieses (ich nenne es einfach mal so) Fragment wirklich sehr gelungen. Mit dem Schlüssel:
Aber darum geht es nicht.
So kannst du einzelne Aspekte gut von einander abgrenzen. Im allgemeinen gefällt mir gut, dass du mit der Hervorhebung einzelner Aspekte, die im allgemeinen eher als unwesentlich bezeichnet werden, zeigen kannst dem eben nicht so ist und sie um einiges relevanter sein können. Denn sind es nicht die kleinen Dinge die, zum Einen das Leben lebenswert machen und zum Anderen oft viel mehr über uns Aussagen als die Großen von denen meißt jeder weiß?
Mein ganz persönliches Hochlob an dieses Fragment.
Liebe Grüße
 
Hallo Pating,

sorry, mein Fall ist diese Geschichte nicht.

Wenn es um alles das nicht geht, warum soll der Leser sich dann damit beschäftigen? Finde ich im Gegensatz zu den Vorkommentatoren nicht gelungen.

Ein paar Anmerkungen:

Als sie gefragt wurde was sie möchte, antwortete sie schnell aber zögerlich.
Geht nicht. Entweder schnell oder zögerlich.


Ihre kurzen Haare sind sehr verwuschelt nach dem Aufstehen auf eine Art, wie es jeder mögen sollte
Wieso sollte das jeder mögen? Merkwürdige Voraussetzung. Und wie sollen stoppelkurze Haare verwuschelt sein?

Wenn sie im Café sitzt, rührt sie in ihrem Cappuccino, ist in Gedanken abwesend und wird zeitweise dabei beobachtet wie sie durch ihre stoppelkurzen Haare fährt, als hätte sie ein banal stressiges Leben.

Ihre Haare sind kürzer als die ihres besten Freundes, den sie fast einmal vorhersehbar nach ein paar Bier geküsst hätte, aber darum geht es nicht.
Um Ihre kurzen Haare geht es die ganze Zeit, sie werden ständig erwähnt.
Ihre kurzen Haare kein bewusster Akt des Unkonventionellen, es ist vor allem pragmatisch.
Aber vielleicht fällt mir das auch nur so auf, weil ich eine Frau bin. Alle Vorkommentatoren sind Männer (soviel ich weiß).

Und um was geht es denn eigentlich, wenn es um alles, was im Text erwähnt wird, nicht geht, wie ständig im Text erwähnt wird?

Interessant aber, was da hinein interpretiert wird:

Zitat von Patrick Schuler:
Es geht wohl anscheinend um den lange ersehnten Moment, in dem ein Mensch lernt, auszubrechen. Ein eigenes Leben zu beginnen, das selbstbestimmt ist. Die Dartsellung durch das triviale Kaffeetrinken gibt dem Text eine Tiefe, die er wahrscheinlich nicht hätte, wenn die Geschichte einfach aussprechen würde was geschieht
?????
Kaffee trinken und kurze Haare geben dem Text eine Tiefe? Und die Protagonistin bricht aus, indem sie sich einen Mocca statt eines Kaffees bestellt? Muss Ausbrechen aus dem bisherigen Leben einfach sein...

Mir sagt der Text leider überhaupt nicht zu.

LG SilberneDelfine
 
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