die Reife

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Tula

Mitglied
Die Reife

Du hieltst den Puls im kühlen Knotenquell,
die anzestrale Formel der Magie,
dein ungefurchtes Herz in grünem Fell,
den Horizont, der allem Sinn verlieh.

Du hast dich in der Flut der Glut gesonnt.
Die sogst du gierig auf, ganz ohne Scheu
und wolltest schließlich selbst den Horizont.
Nie fingst du ihn. Und doch blieb er dir treu.

Du hältst den Puls. In seinem schweren Lauf
wird alles Weiche nun allmählich steif.
Der Horizont fällt wie ein Schatten auf
das faule Fleisch, in dir, der Kern ist reif.
 
Zuletzt bearbeitet:
G

Gelöschtes Mitglied 24409

Gast
Und doch, er blieb dir treu

Ich lese das so, dass der Tod unausweichlich ist.

das faule Fleisch - ein wenig hart, will mir nicht so recht in den Ton des Gedichts passen.

Ansonsten ein wunderbares Gedicht! Du hast dich in der Flut der Glut gesonnt. - trefflich!

Schöne Grüße
Kristian
 

Tula

Mitglied
Lieber Kristian
In der Tat sollte/wollte das 'faule Fleisch' ernüchternd wirken. Dennoch begleitet uns die Vorahnung des Todes gerade im Alter, wenn sich die ersten Zeichen des Zerfalls einstellen. Wäre zu schön, wenn man dann bei aller persönlichen Reife nochmals die Kraft und Frische der Jugend hätte.
Der Horizont wandelt sich in der Tat in seiner Bedeutung im Gedicht von Verheißung über das Ziel aller Träume bis hin zum Schatten der Erinnerung und Vorahnung des unausweichlichen Endes. So in etwa.

Dankend lieben Gruß
Tula
 

molly

Mitglied
Hallo Tula,

Ein lesenswertes Gedicht. Ich finde diese Stelle auch zu hart:
" das faule Fleisch" Wäre es nicht ernüchternd mit "das kranke Fleisch"? In Verbindung mit dem reifen Kern verstehe ich den Ernst der Lage.
Doch es ist Dein Gedicht, Du musst es nicht ändern.
Liebe Grüße
molly
 

Tula

Mitglied
Hallo molly
Danke für Sternchen und Kommentar. Zur genannten Stelle: inhaltlich läuft das Gedicht ja auf zwei Ebenen - Natur (Frucht) und Mensch (und sein Leben). Da passt 'faul' auf beides, aber nicht unbedingt 'krank'.
Aber auch 'faules Fleisch' muss nicht unbedingt bildlich-wörtlich genommen werden und könnte z.B. weitergreifend für 'das sich um uns Schließene' gelten. Das Leben verliert eben schnell die Süße und bekommt mitunter einen unangenehmen Nebengeschmack.
Natürlich will ich mich damit jetzt nur herausreden :D

Dankend lieben Gruß
Tula
 
G

Gelöschtes Mitglied 24479

Gast
lieber Tula,
ich rätsle noch mit mir. ich verstehe die sterne. mir bleibt das gedicht dennoch fremd. irgendwie zu dick. aber ich bekomme es nicht richtig zu fassen. vielleicht ist es das mehr als überreife fruchtfleisch des gedichtes. wie ein zuviel - für mich.
liebe grüße
charlotte
 

Tula

Mitglied
Hallo charlotte
Keine Sorge, du bist gewiss nicht die/der einzige. Ich verstehe auch, dass allzu 'philosophische' Ansätze in der Lyrik sich meistens als Holzweg erweisen.

Ich hoffte, dass der Titel und Strophe1 in die richtige Richtung weisen. Die Symbolik der Natur und ihrer Reifeprozesse mit Sicht auf die nicht-körperliche (!) Reife des Menschen.
In der ersten Zeile meinte ich die Frische des kühlen Quells im pflanzlichen Knoten, Knospe usw., wir "sprießen". Und natürlich unbewusst; alles läuft nach dem uralten Programm und den Formeln des Lebens. Das sollte aus Zeile2 hervorgehen. Wie mir ein Leser anderswo schrieb, ist die Stelle zu kryptisch, der Leser kommt nicht darauf, dass mit der Magie das Geheimnis des Lebens selbst gemeint und dem Puls (ebenfalls Metapher des Lebens) gleichgesetzt ist. Ich überlegte heute nachmittag, ob die folgende Variante eindeutiger und somit dienlicher wäre:

den Code des Lebens, ewige Magie

Den Rest würde ich nicht ändern wollen. Noch zu S1: den Horizont haben wir bereits (wie die Knospe) seit dem ersten Tage in Sichtweite und der erweckt alle möglichen Sehnsüchte in uns ... Das ungefurchte Herz steht für die Unerfahrenheit, bildlich die noch junge Frucht im ersten Stadium. Noch "grün sein" gilt ja für uns sogar sprichwörtlich.

Wer als Leser bis dahin mitziehen möchte, erarbeitet sich ohne Probleme die Strophen 2 und 3 und auf seine Weise (siehe zum Beispiel die Rolle des Horizonts).

Dankend lieben Gruß
Tula
 
G

Gelöschtes Mitglied 24479

Gast
lieber Tula,
vielen dank für deine erklärungen. das verstehen war gar nicht so sehr mein problem. ich meinte das sprachliche.
aber das ist halt sehr subjektiv.
liebe grüße
charlotte
 

sufnus

Mitglied
Hey Tula!
Das ist mal ein Ton, den ich bei Dir bis dato seltener gehört habe und ich finde das äußerst reizvoll. Auch das faule Fleisch stört mich hier gar nicht, ich habe aufgrund des Hinweises auf den Kern direkt an überreifes Fruchtfleisch denken müssen und finde das Bild sehr passend. Der Gestus des Gedichts ist dabei einerseits durchaus expressiv und auch nicht ganz frei von leichten Pathosschwingungen (keine Kritik daran - ich finde das hier sehr passend!) andererseits gibt es auch eine gewisse Innigkeit, eine Zugewandtheit zum lyrischen Adressaten.
Auch finde ich Zeile 2 überhaupt nicht kryptisch und in der etwas größeren Offenheit auch deutlich schöner als die Variante mit dem Code des Lebens, die durch den Nachsatz der ewigen Magie dann sogar leicht ins Kitschige kippt: Ich glaube es ist diese winzige Nuance, die zwischen der ewigen Magie als Genitiv-Erweiterung (jetzige Version) und der ewigen Magie als durch ein Komma abgetrennter Aposition (angedachte Alternative) liegt, die den entscheidenden Unterschied macht.
Ansonsten hab ich nur ganz minimale Vorschläge, die ich jetzt einfach mal unbegründet in den Raum stelle :) :

Die Reife

Du hieltst den Puls im kühlen Knotenquell,
die anzestrale Formel der Magie,
dein ungefurchtes Herz in grünem Fell,
den Horizont, der allem Sinn verlieh.

Du hast dich in der Glutenflut gesonnt.
Die sogst du gierig auf, ganz ohne Scheu,
begehrtest
schließlich selbst den Horizont.
Nie fingst du ihn. Und doch blieb er dir treu.

Du hältst den Puls. In seinem schweren Lauf
wird alles Weiche nun allmählich steif.
Der Horizont fällt wie ein Schatten auf
das faule Fleisch, in dir, der Kern ist reif.


LG!

S.
 

Tula

Mitglied
Lieber sufnus
Herzlichen Dank fürs feedback und Sternchen, hat mich natürlich sehr gefreut.
Interessant deine Sicht auf den Vorschlag zu S1Z2. Es stimmt, dass feine Nuancen oft einen nicht unwesentlichen Unterschied machen, was natürlich jeder Leser auf seine Weise verschieden empfinden mag.
Einige deiner Vorschläge habe ich angenommen, aber mit jenen für S2 hadere ich noch. Zum einen empfinde ich das 'Wollen' entschlossener als das "Begehren". An der besagten Stelle scheint es mir daher passender. Der Mensch "will" eben oft in seinem Irren gerade das Unerreichbare.
Die Stelle der Glut ... ich war drauf und dran, das ebenfalls abzuändern; es läse sich so flüssiger. Dann stutzte ich: kommt da nicht ein witziger Leser des Weges und fragt, ob das Gedicht nicht besser Gluten-frei bleiben sollte? ;)

Aber wesentlicher ist ja die Textarbeit an sich. Jeder der mitliest, mag sich seine/ihre Variante frei wählen.

Dankend lieben Gruß
Tula
 

sufnus

Mitglied
Hey Tula!
Ja... die Sache mit Glúten vs. Gluteeen.... ich habe durch mein inniges Verhältnis zu Anna Blume (mit ihrer Glutenkiste) so sehr die glühenden Gluten verinnerlicht, dass ich an das brotige Gluten gar nicht mehr so denke... aber da hast Du natürlich einen Punkt. :)
LG!
S.
 



 
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