Die Reiherenten und der Schwan

sabine simon

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Die niedliche schwarz-weiße Reiherente Ado war sehr lange geflogen, um in eine warme und wasserreiche Gegend zu kommen. Als es ihr endlich an dem grünen Fluss gut gefiel, landete sie an seiner sanften Biegung. Das Wasser war angenehm frisch, und sofort tauchte sie ein paar Mal runter bis auf den Grund. Zwei leckere Wasserpflanzen verputzte sie mit einem Happs, und da ging es ihr nach dem anstrengenden Flug sofort besser. Ein wenig spiegelte sie sich im Wasser, als sie plötzlich von der Seite angeredet wurde. Ein stolzer Schwan begutachtete sie von Kopf bis Fuß: “Wer bist denn du, was willst du hier?”


Die Reiherente schüttelte das Wasser aus ihrem Gefieder und ließ die letzten Wassertropfen von ihren lustigen, am Kopf abstehenden Federn abperlen. “Ich bin Ado und ich komme von weit her.”


Sofort beäugte der Schwan sie kritisch und legte schon wieder los: “Deine Federn am Kopf sind ja schön unordentlich, die musst du mal anlegen und dein Gefieder glätten. Wir sind hier ganz schön eigen mit unserem Gefieder und achten darauf, dass wir auch gut aussehen, und nicht so struppig wie du.”


Ado schaute sein Spiegelbild im Wasser an: Das Weiß an der Seite glänzte schön, sein schwarzes Gefieder glitzerte in der Sonne, und seine Kopffederchen standen wunderbar ab.


Da wunderte Ado sich schon über den miesepetrigen Schwan. Und eigentlich war die Reiherente recht geduldig, aber der Schwan ging ihr auf den Wecker mit seinem Gemeckere. Und wie immer, wenn ihr was quer kam, machte sie das Gleiche: Sie tauchte weg, und zwar so, wie es sich für eine ordentliche Reiherente gehörte, mit einem gehörigen Schwups, also ganz einfach schwupsig, wie auch sonst.


Und deshalb: Der nötige Schwups begann wie ein kleiner Hopser, und schon war sie nicht mehr zu sehen. Nur ein paar Wasserkringel blieben übrig. Der Schwan kuckte ganz schön dumm, aber als die Reiherente nicht mehr da war, gefiel ihm das ganz gut. Er wollte sie hier einfach nicht haben, sie störte seine gepflegte Ruhe. Und da die Reiherenten ganz schön lange tauchen können, dachte er, er wäre sie los, weil er sie nicht sofort wieder auftauchen sah.


Das hob seine Laune gewaltig.


Die Reiherente aber wollte sich einfach nicht ärgern, dazu war sie viel zu sehr erfreut über diese heimelige Flussbiegung. Sie futterte ihren Frust mit sechs besonders leckeren Pflänzchen weg, und als sie damit fertig war, tauchte sie hinter dem Schwan wieder auf. “Wie heißt du eigentlich?” schnatterte sie laut los.


Der Schwan, der etwas eingedöst war, schreckte zusammen, weil er die Reiherente nicht erwartet hatte und auch nicht sehen konnte, und er war es gewohnt, immer mit besonderer Achtung behandelt zu werden, schließlich fühlte er sich als Herrscher der Flussbiegung. Und dieses freche Dings da schnatterte ihn auch noch von hinten an, also, so was!


Um sie zu ärgern, schwamm er einfach weg und drehte ihr den Rücken zu. Denn er glaubte, die Ente müsste jetzt schwer beleidigt sein, schließlich mochte seine Frau es auch nicht, wenn sie ihn von hinten sehen musste und dann war sie immer ganz knatschig.


Der Reiherente war es aber sehr recht, und so tauchte sie fröhlich weiter nach leckeren Krebschen. Und schwups...


Am nächsten Tag kam ihr bester Freund Odo an. Natürlich freute er sich über den Fluss und das leckere Futter, und Ado erzählte ihm sein Erlebnis mit dem unfreundlichen Schwan.


“Pass gut auf, der kommt bestimmt wieder, denn die meisten Schwäne sind ziemlich eingebildet und rechthaberisch,” meinte Odo. Und dann wackelte er mit seinen lustigen Federn am Kopf: “Du musst schon aufpassen, wenn so ein Schwan eklig wird, kann der ganz fies zubeißen.”


Ado überlegte. “Dann müssen wir vorsichtig sein, lieber raffiniert vorgehen und ihn verulken, einfach ihn ein bisschen wegnerven...”


Odo dachte jetzt auch nach. “Am besten machen wir es so: “ Und er schnatterte ganz leise und dicht bei Ado, der dann ein wenig kicherte und zu ihm meinte: “Dann paddel aber schnell ins Gebüsch.”


Ado platschte jetzt besonders laut im Wasser herum und machte so viel Getöse wie möglich. Sofort kam der Schwan angerauscht. “Wir mögen hier keinen Krach, denn wir sind vornehm. Hör sofort auf damit, das ist unfein.”


Ado tauchte kommentarlos und flott mit einem Hupfer weg. Schwups.


“Mit meinem eleganten schwarz-weißen Gefieder kann ich gar nicht unfein sein,” schnatterte es sofort in voller Lautstärke hinter dem Schwan los. Aber als der sich umdrehte, und ein großer Schwan braucht schon sein Momentchen dazu, da sah er nur noch, wie die Reiherente wegtauchte. Und das wieder mit einem schnellen Schwups. Ratlos schaute er die Wasserkringel an, und dann steckte er den Kopf mit seinem langen Hals mitten hinein, um die vorwitzige Reiherente unter Wasser zu erwischen. Doch da war sie nicht.


Kaum hatte er den Kopf oben, da schnatterte es wieder hinter ihm los.


“Suchst du mich, ich bin hier, wo bleibst du denn...” Wieder drehte er sich, so schnell er eben konnte, aber wieder sah er nur die leeren Wasserkringel vom Schwupsen und nicht die freche Reiherente.


Aber dumm war der Schwan auch nicht. Nachdem er sich noch einmal umsonst nach der frechen Ente gedreht hatte, wurde es ihm zu bunt, denn diese freche Rumschwupserei ging ihm auf den Wecker. Eine Ente und noch dazu eine so kleine, die ihn foppte, war ja wohl das letzte. Er überlegte, was er tun könnte: Seine Frau zu Hilfe holen, das wollte er nicht. Denn wie hätte das ausgesehen, wenn sie hätte mit ansehen müssen, dass ihn eine dumme Ente zum Narren machte.


Er suchte wütend Rückendeckung im Gebüsch. Ado und Odo versuchten ihren Trick weiterzuführen, indem sie den Schwan immer abwechselnd jetzt von der Seite mal links, mal rechts anquatschten, denn hinter ihm ging es so nicht mehr. Aber merkwürdigerweise reagierte der Schwan nach kurzer Zeit nicht mehr darauf, sondern paddelte nur mit ganz viel hektischer Energie.


Ado schwamm jetzt direkt vor den Schwan, passte aber auf, dass er weit genug weg vom Schnabel war. Aber der Schwan fauchte nur: “Lass mich in Ruhe, du Störenfried, du gehörst nicht hierher.”


Aber Ado blieb ruhig, Odo versteckte sich schräg hinter dem Schwan. Ado wartete eine kleine Weile und überlegte, was das sollte, während der Schwan weiter wie wild paddelte.


Auf einmal begriff er. “Du hängst fest,” schnatterte Ado leise. Der Schwan kümmerte sich nicht um hin und zappelte verzweifelt.


“Bleib ruhig,” Ado ließ nicht locker. “Je mehr du paddelst, um so fester verkeilst du dich in den Ästen.” Der Schwan hörte tatsächlich kurz auf, wohl auch, weil es langsam weh tat.


Aber Ado wusste jetzt, was er tun wollte. Er gab mit dem Flügel Odo ein Zeichen, der auch sofort abtauchte.


“Jetzt beweg dich bitte nicht,” redete Ado weiter auf den Schwan ein. “Du wirst jetzt gleich am Fuß was spüren, ich hab Hilfe geholt. Halt still!” Denn Ado hatte gesehen, das der Schwan zuckte, also musste Odo am Fuß arbeiten. “Was hast du für Hilfe organisiert? Das kitzelt so….. Und wer hilft, ich will nicht, dass der ganze Fluss weiß, dass ich so blöd bin, mich im Gestrüpp zu verfangen...”


Und auf einmal strahlte er: ”Mein Fuß ist wieder frei, er tut zwar weh, aber Hauptsache, er ist frei.” Hinter ihm war Odo leise wieder aufgetaucht. Fröhlich wackelte der Befreite mit den Flügeln. Dann wandte sich der Schwan Ado zu: “Wie hast du das nur gemacht? Du warst doch gar nicht unter Wasser!”


Da schwamm Odo nach vorne und zeigte sich: “Wir waren ja auch zu zweit….. Entschuldige, dass wir dich ein wenig ärgern wollten. Es ist hier so schön an diesem grünen Flüsschen, wir wollten nicht, dass du uns verscheuchst…. ”


“Naja,” meinte der Schwan nach einer kleinen Weile, “ich war ja auch nicht so ganz besonders nett. Und da du ihr so lieb geholfen habt, verrate ich dir auch ein Geheimnis: Ich war ein kleines bisschen eifersüchtig auf dich, weil ihr so lustige Federchen am Kopf habt, weil ihr so flupsig schwupsig tauchen könnt und so….”


Da mussten alle drei ganz laut vor Freude und Gekicher schnattern, und es war so laut, dass Frau Schwan blitzschnell angeschwommen kam: “Was ist hier passiert?” Sie stutze und wunderte sich: “Seit wann kennst du stolzer Schwan Enten und hast sie auch noch als Freunde, und schnatterst mit ihnen, das finde ich ja ganz toll….” Schließlich hatte sie sich schon oft genug über ihren unbelehrbar hochnäsigen Mann geärgert.


“Seit heute sind schwarz-weiße Reiherenten meine besten Freunde...” sagte dieser und streckte dann seinen langen Hals ins Wasser und unten traf er Ado und Odo und seine Frau und sie suchten zusammen hübsche und leckere Wasserpflanzen aus.


Als alle vier den Kopf wieder über Wasser hatten, landeten gleich noch ein paar Reiherenten. Frau Schwan schaute ihren Mann besorgt an, weil sie fürchtete, dass er wieder sauer werden würde. Aber nichts passierte und sie freute sich darüber. Aber sie hörte nicht auf, sich zu wundern. Was mochte da wohl passiert sein? Aber bevor sie zu viel nachdenken konnte, freute sie sich lieber über ihren heute so freundlichen Mann und die vielen lustigen Reiherenten.
 



 
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