Die Sage von der Entstehung der schwäbischen Brezel

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Ruriro

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Die Sage von der Entstehung der schwäbischen Brezel
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Es war einmal, vor langer Zeit, im tiefsten Mittelalter, ein Dorf im Süden, im Schwabenland. Dort lebte Frieder, ein hervorragender Bäcker, der weit über alle Grenzen hinaus für seine Fertigkeiten bekannt war. Da nimmt es nicht Wunder, dass er der bevorzugte Bäcker des Grafen Eberhard geworden war, den man auch Eberhard im Barte nannte. Leider waren die Zutaten für das Lieblingsgebäck des Grafen aber so teuer, dass der Bäcker sich diese kaum leisten konnte – und er getraute sich nicht, den Grafen um Hilfe oder mehr Lohn zu bitten. So kam es, dass er eines Tages dabei erwischt wurde, wie er Safran und Salz zu stehlen versuchte.

In der Zeit, von der wir sprechen, war dieser Diebstahl ein schweres Vergehen, und darauf stand die Todesstrafe. Als die gräflichen Wachen ihn festnahmen, dachte der Bäcker also zu Recht, sein letztes Stündlein habe geschlagen.

Als seine Frau, die schöne Rosa, von der Festnahme ihres Mannes erfuhr, nahm sie all ihren Mut zusammen und bat um eine Audienz beim Grafen.
„Gnädiger Herr, habt Erbarmen!“, stammelte sie. „Der Frieder wollte doch nur dafür sorgen, dass Ihr immer Euer liebstes Gebäck speisen könnt. Doch die Zutaten sind so teuer, dass ihm keine Wahl blieb, da er sich nicht getraute, Euch um Hilfe zu ersuchen. Habt Erbarmen und tötet meinen Gatten nicht!“
Eberhard im Barte war gerührt von den Worten der Frau und zudem gütig und weise. Er wusste, was er an seinem Bäcker hatte, und war nicht geneigt, ihn hinzurichten. Also dachte er nach. Er ließ sich dabei so viel Zeit, dass der armen Rosa schon Angst und bange wurde.

„Sie weiß, dass ihr Mann ein Verbrechen begangen hat“, begann der Graf schließlich langsam und bedächtig.
„Ja, Herr, das weiß ich!“, rief Rosa.
„Ein solches Vergehen können Wir nicht ungesühnt lassen“, sagte der Graf streng. „Strafe muss sein!“
„Ja, Herr, natürlich!“
„Hmm…“, machte der Graf nachdenklich und fuhr sich durch den prächtigen Bart. Die Sonne schien durch eines der bunten Fenster im Thronsaal und malte viele farbige Flecken und Kreuze auf den Boden. Da kam ihm eine Idee.
„Man bringe den Gefangenen!“


So schnell wie möglich holten die Wachen Frieder in den Saal und stießen ihn vor dem Grafen zu Boden.

„Höre Er!“, rief der Graf. „Wir gedenken Ihm die Strafe zu erlassen, wenn es Ihm gelingt, binnen drei Tagen ein neues, schmackhaftes Gebäck zu erfinden, durch das drei Mal die Sonne scheinen kann! Sollte Sein Gebäck Uns nicht munden, werden Wir die Strafe vollstrecken!“

Rosa und Frieder bedankten sich vielmals für die Gnade des Grafen und liefen so schnell nach Hause wie sie konnten.


Zwei Tage vergingen und Frieder hatte keine Idee gehabt. Wie sollte durch ein Gebäckstück überhaupt die Sonne scheinen? Rosa und Frieder fragten alle anderen Dorfbewohner, doch niemand wusste Rat.
Als die Sonne die Mittagsstunde des dritten Tages überschritten hatte, wurden Frieder und Rosa immer verzweifelter.
„Süßes mag der Graf nicht“, sagte Rosa und schritt in der Backstube auf und ab.
„Aber durch ein Brot kann doch die Sonne nicht scheinen!“, rief Frieder verzweifelt.
„Dann rühr doch schon mal einen Hefeteig, vielleicht fällt dir dabei ja was ein“, schlug Rosa vor.
Sie verschränkte ihre Arme und wartete an der Tür, während Frieder fleißig knetete und rührte. Auf der Suche nach Inspiration ließ er den Blick durch seine Stube schweifen und blieb immer wieder bei seiner schönen Frau hängen.

„Jetzt weiß ich es, jetzt weiß ich es!“, rief er plötzlich begeistert.
„Was denn?“, fragte Rosa matt, die sich vor Schreck ans Herz gefasst hatte und nun neugierig näher kam, um ihrem Mann über die Schulter zu sehen.
Frieder nahm ein Stück des Hefeteigs und rollte ihn zu einer langen Wurst, die in der Mitte dick und an den Enden dünn war. Die Enden nahm er, legte sie über Kreuz zu einer Schlaufe und drückte sie an den entgegengesetzten Seiten fest.

Rosa staunte. „Eins, zwei…“, zählte sie, um dann vor Freude aufzuschreien: „DREI! ES SIND DREI LÖCHER!“

Rosa und Frieder tanzten erleichtert durch die Backstube. Als sie aus dem Fenster sahen, stellten sie erschrocken fest, dass die Sonne schon rot war und sank. Beide langten sie nun zu und formten aus dem restlichen Teig weitere dieser eigenartigen Gebäckstücke.
„Schnell! In den Ofen damit!“, rief Frieder und öffnete schon einmal die Klappe.
Doch damit verschreckte er die Katze, die bis dahin friedlich schlummernd auf einem Regal gelegen hatte und die die plötzliche Hitze gar nicht mochte. Fauchend stob sie davon und stieß gegen den großen Eimer Salzlauge, der ursprünglich für Anderes gedacht gewesen war.
„Das Gebäck!“, schrie Frieder, doch es war zu spät. Ein großer Schwall der Lauge ergoss sich über das Backblech und tränkte die Hälfte des Gebäcks.
„Es ist zu spät, um noch einmal anzufangen!“, rief Rosa und schnappte sich das Blech. „Es muss jetzt alles gebacken werden!“
Bange saßen die Eheleute vor dem Ofen und fürchteten sich davor, was nach der Backzeit aus der eigentlich guten Idee geworden war.


„Es ist so weit“, sagte Frieder schließlich leise, atmete noch einmal tief durch und öffnete die Klappe. Rosa schloss die Augen, sie wollte die sicherlich misslungenen Stücke gar nicht sehen.
Doch Frieder sah zu seinem Erstaunen, dass nichts misslungen war, im Gegenteil: Gerade die laugengetränkten Stücke waren appetitlich dunkel und knusprig, während die anderen dagegen langweilig und matschig wirkten.
„Rosa, sieh her!“
Rosa lugte vorsichtig durch ihre Fingerspitzen. „Aber schmecken sie denn auch? Der Graf hat gesagt, dass sie munden müssen!“
Frieder nahm eines in die Hand und brach es entzwei. Im Inneren war es fluffig und dampfte noch. Beide bissen vorsichtig hinein und Rosa brach vor Erleichterung in Tränen aus, als sie feststellten, dass es köstlich schmeckte.
In diesem Moment klopfte die gräfliche Wache an die Tür der Backstube, um Frieder erneut zu Graf Eberhard im Barte zu bringen.


Eberhard im Barte wartete schon gespannt in seinem Thronsaal. Er war sich sicher, dass seinem Meisterbäcker eine Lösung für das Problem eingefallen war. Auch seine Gattin, die italienische Prinzessin Barbara, war ob der kuriosen Aufgabe ihres Mannes neugierig geworden und kam dazu.

Endlich trafen der Bäcker und seine Frau ein, die auf die Knie sanken und dem Grafen einen Korb anboten, der mit einem sauberen Tuch abgedeckt war.

„Hat Er seine Aufgabe gelöst?“, fragte der Graf streng.
„Ja, Herr“, antwortete Frieder mit zittriger Stimme. „Ich habe mein Bestes gegeben.“
Ein gräflicher Diener hob den Korb auf, schlug das Tuch zurück und hielt ihn seinem Herrn demütig entgegen.

Eberhard im Barte nahm eines der eigenartigen Gebäckstücke auf und betrachtete es ausgiebig von allen Seiten.
„Nun denn“, sagte er schließlich. „Dreimal scheint die Sonne hindurch. Diesen Teil der Aufgabe hat Er gelöst. Doch wie mundet sein Machwerk? Mundschenk!“
Der Angesprochene kam herbei, biss gehorsam ab, kaute und schluckte. Seine Augen wurden groß, doch da er nicht tot umfiel, konnte das Gebäck nicht vergiftet sein und so biss Eberhard im Barte selbst hinein.

Rosa und Frieder klammerten sich furchtsam aneinander. Alles hing davon ab, ob dem Grafen ihr Machwerk schmeckte.
Nach einer langen Pause und herzhaftem Schmatzen sah der Graf auf.

„Wir sind der Meinung, dass sein Machwerk Unserem Geschmack genügt“, sagte der Graf huldvoll. „Wie hat Er sein Gebäck benannt?“
Vor Erleichterung benötigte Frieder einige Zeit, bis er seine Stimme wiederfand. „Ich habe noch keinen Namen, weiser Graf“, sagte er schließlich, „ich möchte Euch um die Gunst bitten, einen Namen auszusuchen.“

Der Graf war Vieles, aber kein kreativer Mann. Daher wandte er sich an seine Frau. „Was meint Ihr, o teure Gemahlin?“
Gräfin Barbara trat vor und lächelte freundlich auf den Bäcker und seine Frau herab. „Sag Er, lieber Bäcker, was ihn zu dieser Form inspirierte?“
Frieder sah auf, ermutigt durch die freundliche Anrede. „Ich habe an meine arme Frau gedacht, ehrenwerte Gräfin, die ganz allein zurückbleiben würde, wenn ich für meine Missetat büßen muss. Ich sah ihre verschränkten Arme, weil sie solchen Kummer hatte, und bemühte mich, dem Teig eine angemessene Form zu geben.“

Gräfin Barbara nahm eines der Stücke und betrachtete es. „Nun sehen Wir die Form. Arme und Körper können Wir klar erkennen.“ Sie überlegte eine Weile. „Das lateinische Wort für Arm ist bracchium. Und zu verschränkten Händen sagt man in dieser Sprache bracula.“
„Eine gute Idee, meine Teure“, sagte der Graf.
„Verzeiht, gnädiger Herr und edle Dame“, wagte es Frieder einzuwerfen und blickte sogleich demütig zu Boden. „Aber diese komplizierten Worte kann ich als einfacher Mann gar nicht aussprechen.“

Der Graf antwortete: „Da hat Er Recht. Dann sagen wir doch einfach ‚Brazel‘!“
Frieder und Rosa lachten erleichtert und auch die holde Gräfin lächelte.
„Wir erwarten zum Frühstück einen ganzen Korb voll Brazeln!“, sagte Graf Eberhard.

„Gerne, Herr! Danke, edler Graf!“, rief Frieder sogleich.

Doch die kluge Rosa, die als tüchtige Hausfrau die Tragweite der Angelegenheit besser durchschaute, wagte einen letzten Einwand. „Edler Graf, wir erfüllen Euch gern Euren Wunsch. Doch für die Herstellung der Brazeln haben wir Salzlauge gebraucht und Salz ist, wie Euer Durchlaucht sicher wissen, sehr teuer. Wenn wir Euren Wunsch jeden Tag erfüllen, wird mein Gemahl wieder zum Diebstahl greifen müssen, um die Zutaten zu beschaffen. Wir haben für so viele Brazeln nicht genügend Taler!“
„Sei Sie unbesorgt, liebe Bäckersfrau“, sagte der Graf mit einem gütigen Lächeln. „Das Salz wird der Bäcker auf Lebenszeit von Uns erhalten. Das reicht dann auch, dass die Brazeln noch Salz zur Zierde erhalten!“

Fortan war Frieder ein braver Bürger und kam nie wieder in Versuchung, einen Diebstahl zu begehen. Die Brazeln wurden durch Graf Eberhard im Barte zum schwäbischen Nationalgebäck – und dank seiner Großzügigkeit und der seiner Nachkommen sind sie bis heute mit Salz dekoriert.
 

Inge. B

Mitglied
Guten Morgen Ruriro,
die Geschichte ist nicht schlecht. Ich würde sie aber noch mal überarbeiten und kürzen.
Gruß
Inge
 

Ruriro

Mitglied
Hallo Inge,

Danke für die Rückmeldung! Könntest Du mir konkrete Hinweise geben, wo ich ansetzen kann? Dann überarbeite ich die Geschichte gern :)
 



 
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