VeraL
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Vor diesem einen Moment fürchtete Emma sich den ganzen Tag. Wenn sie nachmittags in der Sonne spielte, verschwand das Gefühl kurz, aber spätestens beim Abendessen war es wieder da. Die Angst fühlte sich an wie ein kleiner Ball, der in ihrem Bauch saß und dann größer und dunkler wurde, bis er die ganze Emma ausfüllte und sie furchtbar schwer wurde und sich kaum bewegen konnte. Am schlimmsten war es immer in dem Moment, in dem Mama zu ihre sagte: „Schlaf gut, mein Schatz. Bis morgen früh,“ und das Licht ausknipste. Dann kamen sie aus ihren Verstecken, die gruseligen Schatten.
Mama meinte: „Es sind nur Schatten. Der da vorne ist von dem Kleiderhaken, der an deinem Schrank hängt. Und dieser da ist von den Spielzeugen auf der Kommode.“ Papa zeigte Emma, wie Schatten entstehen. Er nahm ihre Schreibtischlampe und hielt seine Finger davor. An der Wand entstanden ein Hase, ein Hund und ein Krokodil. Er schaltete die Lampe wieder aus und die Schatten verschwanden. „Nur Bereiche, in die weniger Licht kommt. Kein Grund zu Sorge“, fand er und damit war das Thema für ihn erledigt. Aber Emma wusste es besser. Erwachsene kannten sich mit Schattenmonstern nicht aus. Sie war sich sicher, dass die Schatten in ihrem Zimmer lebendig waren. Sie bewegten sich. Manchmal kamen sie näher an ihr Bett. Neben ihrem Schrank wohnte ein böser Riesenvogel, der mit seinem Schnabel nach ihr piken wollte. Hinter der Kommode saß der blutrünstige Wolfshund, bereit zum Sprung. Und der schlimmste von allen war der gemeine kleine Mann mit der Hakennase, der neben ihrem Schreibtisch stand. Zitternd lag Emma jeden Abend im Bett und wartete darauf, dass einer der Schatten sie angriff, nach ihr grapschte oder sie mit einer furchterregenden Klaue packte. Und das, was ihr die größte Angst machte, war, dass die Schatten keine Geräusche machen. Sie waren ganz still und man würde sie nicht bemerken, wenn man die Augen zu machte und einschlief.
Heute war Oma zu Besuch. Sie bemerkte gleich, dass mit Emma etwas nicht stimmte. „Was ist los, meine Liebe?“, fragte sie, „du warst so still den ganzen Tag und du hast nicht einmal gelacht.“ Emma erzählte ihr von den gruseligen Schatten, die keine Geräusche machten und in ihrem Zimmer drauf warteten, sie anzugreifen.
Oma dachte kurz nach. „Sie sind völlig still? Hmm. Hast du versucht, mit ihnen zu sprechen. Vielleicht antworten sie ja, wenn du nett bist.“
Emma schüttelte nur den Kopf. Erwachsene. Die hatten einfach keine Ahnung. Wie sollte man sich denn mit dem bösen Riesenvogel oder dem blutrünstigen Wolfshund unterhalten?
Trotzdem. Als Emma abends in ihrem Bett lag und die Angst abermals so groß war, dass sie das Gefühl hatte, keine Luft zu bekommen, erinnerte sie sich an Omas Worte. Oma hatte ihr bis jetzt nur gute Ratschläge gegeben.
Sollte sie es versuchen? Emma nahm all ihren Mut zusammen: „Hallo? Was macht ihr in meinem Zimmer?“
Keine Antwort. Aber der Riesenvogel neigte sich zu ihr und wurde noch größer. Die anderen Schatten schienen sich zu ihr zu drehen und sie anzustarren. Emma wollte schreien, aber es ging nicht. Sie flüsterte: „Warum lasst ihr mich denn nicht in Ruhe?“
Der Riesenvogel beugte sich zu ihr herunter und öffnete seinen Schnabel. Emma drückte sich ganz fest in ihr Bett und wäre am liebsten darin verschwunden. Dann sprach der Schatten: „Hicks. Wieso lassen wir dich nicht in Ruhe? Hicks. Du kommst doch jede Nacht und erschreckst uns zu Tode. Hicks. Wir können schließlich nicht weg, du schon. Hicks. Kinder sind gruselig. Hicks. Guck. Ich habe schon seit Wochen Schluckauf vor Stress, der geht gar nicht mehr weg. Hicks. Hicks.“
Emma traute ihren Ohren kaum. Die Schatten hatten Angst vor ihr? Sie drehte sich zu dem blutrünstigen Wolfshund um. „Fürchtest du dich etwa vor mir?“
Der Wolfshund hatte eine hohe piepsige Stimme, die ganz und gar nicht furchterregend klang. „Ja, kleine Madam. Bitte tun sie uns nichts. Ich zittere jede Nacht, ich kann nicht mehr schlafen.“
Emma musste lachen: „Ich bin nicht gefährlich und ich tue euch auch nichts. Ich hatte doch die ganze Zeit schreckliche Angst vor euch.“
Während Emma sich mit den Schatten unterhielt, wurde es draußen immer windiger und in der Ferne war leises Donnergrollen zu hören. Plötzlich zischte ein Blitz vom Himmel und erleuchte Emmas Zimmer für einen kleinen Moment. Der Mann mit der Hakennase schrie auf: „Habt ihr das gesehen? Vor dem Fenster steht ein riesiges Monster. Es streckt seine Krallen nach uns aus.“ Der Riesenvogel und der Wolfshund zuckten erschreckt zusammen und wichen in die hinterste Ecke zurück. Emma zog sich die Decke über den Kopf und lugte vorsichtig Richtung Fenster. Alle warten auf den nächsten Blitz. Als er kam, schrieen die vier auf und der Riesenvogel bekam so heftigen Schluckauf, dass er nicht mehr sprechen konnte.
„Das könnte der Schatten von dem alten Birnbaum sein.“
„Nein, nein, ich bin sicher, dass es ein Monster ist. Hast du die Krallen gesehen? Damit schlitzt es dich in Nullkommanichts auf.“
Alle redeten durcheinander.
„Stopp“, rief Emma. „Wir sind doch jetzt mutig. Vielleicht können wir mit diesem Monster reden? Bei uns hat es ja auch geklappt.“
Der Riesenvogel klapperte mit dem Schnabel: „Hicks. Ich weiß nicht, ob ich mich das traue. Hicks. Es sieht wirklich gefährlich aus.“
Der Wolfshund nickte und piepste: „Ja, das mach ich nicht. Ich hab gehört, dass es Schattenmonster gibt, die andere Schatten fressen.“
Der Mann mit der Hakennase sagte nichts, er zitterte nur.
Doch Emma war jetzt entschlossen, mutig zu sein. Sie schlich zum Fenster und öffnete es einen winzigen Spalt. „Hallo, du! Bist du nett zu uns? Wir tun dir nichts.“ In dem Moment heulte der Wind auf und ein weiterer Blitz zuckte über den Himmel. Der Schatten bäumte sich auf und schlug mit voller Wucht gegen das Fenster, dass es nur so klirrte.
Emma schrie auf und hechtete unter ihr Bett, die Schatten drückten sich ängstlich aneinander und man hörte nur das Hicksen des Riesenvogels.
„Was sollen wir den jetzt machen?“, piepste der Wolfshund schließlich.
„Keine Ahnung, er wird uns alle verschlingen“, schluchzte der Mann mit der Hakennase bibbernd.
„Hicks“, machte der Riesenvogel.
„Quatsch mit Soße“, sagte Emma. „Wir sind zu viert und er ist alleine. Wir lassen uns doch nicht unterkriegen. Los, dem zeigen wir es.“
„Und wie stellen wir das an?“, wollten alle Schatten gleichzeitig wissen.
„Wir machen einen großen Lärm. Wir schreien und heulen unglaublich unheimlich, dann wird es denken, dass hier noch ein viel größeres Monster ist.“
Die vier schlichen zum Fenster, Emma öffnete es und alle zischten, jaulten und jammerten, dass es ganz und gar schauerlich klang. Und wirklich, der unheimliche große Schatten zog sich zurück.
Emma jubelte: „Juhu, wir haben es geschafft. Es hat Angst vor uns. Seht nur, das Monster wird immer kleiner. Wir sind die unbesiegbare Schattenbande.“
„Lasst uns zur Sicherheit noch etwas weiter machen“, schlug der Riesenvogel ganz ohne ein „Hicks“ vor. „Dann wissen alle, dass uns niemand Angst machen kann.“
„Hervorragende Idee“, fand der Mann mit der Hakennase und es ertönte ein Heulen in der Nacht.
Mama meinte: „Es sind nur Schatten. Der da vorne ist von dem Kleiderhaken, der an deinem Schrank hängt. Und dieser da ist von den Spielzeugen auf der Kommode.“ Papa zeigte Emma, wie Schatten entstehen. Er nahm ihre Schreibtischlampe und hielt seine Finger davor. An der Wand entstanden ein Hase, ein Hund und ein Krokodil. Er schaltete die Lampe wieder aus und die Schatten verschwanden. „Nur Bereiche, in die weniger Licht kommt. Kein Grund zu Sorge“, fand er und damit war das Thema für ihn erledigt. Aber Emma wusste es besser. Erwachsene kannten sich mit Schattenmonstern nicht aus. Sie war sich sicher, dass die Schatten in ihrem Zimmer lebendig waren. Sie bewegten sich. Manchmal kamen sie näher an ihr Bett. Neben ihrem Schrank wohnte ein böser Riesenvogel, der mit seinem Schnabel nach ihr piken wollte. Hinter der Kommode saß der blutrünstige Wolfshund, bereit zum Sprung. Und der schlimmste von allen war der gemeine kleine Mann mit der Hakennase, der neben ihrem Schreibtisch stand. Zitternd lag Emma jeden Abend im Bett und wartete darauf, dass einer der Schatten sie angriff, nach ihr grapschte oder sie mit einer furchterregenden Klaue packte. Und das, was ihr die größte Angst machte, war, dass die Schatten keine Geräusche machen. Sie waren ganz still und man würde sie nicht bemerken, wenn man die Augen zu machte und einschlief.
Heute war Oma zu Besuch. Sie bemerkte gleich, dass mit Emma etwas nicht stimmte. „Was ist los, meine Liebe?“, fragte sie, „du warst so still den ganzen Tag und du hast nicht einmal gelacht.“ Emma erzählte ihr von den gruseligen Schatten, die keine Geräusche machten und in ihrem Zimmer drauf warteten, sie anzugreifen.
Oma dachte kurz nach. „Sie sind völlig still? Hmm. Hast du versucht, mit ihnen zu sprechen. Vielleicht antworten sie ja, wenn du nett bist.“
Emma schüttelte nur den Kopf. Erwachsene. Die hatten einfach keine Ahnung. Wie sollte man sich denn mit dem bösen Riesenvogel oder dem blutrünstigen Wolfshund unterhalten?
Trotzdem. Als Emma abends in ihrem Bett lag und die Angst abermals so groß war, dass sie das Gefühl hatte, keine Luft zu bekommen, erinnerte sie sich an Omas Worte. Oma hatte ihr bis jetzt nur gute Ratschläge gegeben.
Sollte sie es versuchen? Emma nahm all ihren Mut zusammen: „Hallo? Was macht ihr in meinem Zimmer?“
Keine Antwort. Aber der Riesenvogel neigte sich zu ihr und wurde noch größer. Die anderen Schatten schienen sich zu ihr zu drehen und sie anzustarren. Emma wollte schreien, aber es ging nicht. Sie flüsterte: „Warum lasst ihr mich denn nicht in Ruhe?“
Der Riesenvogel beugte sich zu ihr herunter und öffnete seinen Schnabel. Emma drückte sich ganz fest in ihr Bett und wäre am liebsten darin verschwunden. Dann sprach der Schatten: „Hicks. Wieso lassen wir dich nicht in Ruhe? Hicks. Du kommst doch jede Nacht und erschreckst uns zu Tode. Hicks. Wir können schließlich nicht weg, du schon. Hicks. Kinder sind gruselig. Hicks. Guck. Ich habe schon seit Wochen Schluckauf vor Stress, der geht gar nicht mehr weg. Hicks. Hicks.“
Emma traute ihren Ohren kaum. Die Schatten hatten Angst vor ihr? Sie drehte sich zu dem blutrünstigen Wolfshund um. „Fürchtest du dich etwa vor mir?“
Der Wolfshund hatte eine hohe piepsige Stimme, die ganz und gar nicht furchterregend klang. „Ja, kleine Madam. Bitte tun sie uns nichts. Ich zittere jede Nacht, ich kann nicht mehr schlafen.“
Emma musste lachen: „Ich bin nicht gefährlich und ich tue euch auch nichts. Ich hatte doch die ganze Zeit schreckliche Angst vor euch.“
Während Emma sich mit den Schatten unterhielt, wurde es draußen immer windiger und in der Ferne war leises Donnergrollen zu hören. Plötzlich zischte ein Blitz vom Himmel und erleuchte Emmas Zimmer für einen kleinen Moment. Der Mann mit der Hakennase schrie auf: „Habt ihr das gesehen? Vor dem Fenster steht ein riesiges Monster. Es streckt seine Krallen nach uns aus.“ Der Riesenvogel und der Wolfshund zuckten erschreckt zusammen und wichen in die hinterste Ecke zurück. Emma zog sich die Decke über den Kopf und lugte vorsichtig Richtung Fenster. Alle warten auf den nächsten Blitz. Als er kam, schrieen die vier auf und der Riesenvogel bekam so heftigen Schluckauf, dass er nicht mehr sprechen konnte.
„Das könnte der Schatten von dem alten Birnbaum sein.“
„Nein, nein, ich bin sicher, dass es ein Monster ist. Hast du die Krallen gesehen? Damit schlitzt es dich in Nullkommanichts auf.“
Alle redeten durcheinander.
„Stopp“, rief Emma. „Wir sind doch jetzt mutig. Vielleicht können wir mit diesem Monster reden? Bei uns hat es ja auch geklappt.“
Der Riesenvogel klapperte mit dem Schnabel: „Hicks. Ich weiß nicht, ob ich mich das traue. Hicks. Es sieht wirklich gefährlich aus.“
Der Wolfshund nickte und piepste: „Ja, das mach ich nicht. Ich hab gehört, dass es Schattenmonster gibt, die andere Schatten fressen.“
Der Mann mit der Hakennase sagte nichts, er zitterte nur.
Doch Emma war jetzt entschlossen, mutig zu sein. Sie schlich zum Fenster und öffnete es einen winzigen Spalt. „Hallo, du! Bist du nett zu uns? Wir tun dir nichts.“ In dem Moment heulte der Wind auf und ein weiterer Blitz zuckte über den Himmel. Der Schatten bäumte sich auf und schlug mit voller Wucht gegen das Fenster, dass es nur so klirrte.
Emma schrie auf und hechtete unter ihr Bett, die Schatten drückten sich ängstlich aneinander und man hörte nur das Hicksen des Riesenvogels.
„Was sollen wir den jetzt machen?“, piepste der Wolfshund schließlich.
„Keine Ahnung, er wird uns alle verschlingen“, schluchzte der Mann mit der Hakennase bibbernd.
„Hicks“, machte der Riesenvogel.
„Quatsch mit Soße“, sagte Emma. „Wir sind zu viert und er ist alleine. Wir lassen uns doch nicht unterkriegen. Los, dem zeigen wir es.“
„Und wie stellen wir das an?“, wollten alle Schatten gleichzeitig wissen.
„Wir machen einen großen Lärm. Wir schreien und heulen unglaublich unheimlich, dann wird es denken, dass hier noch ein viel größeres Monster ist.“
Die vier schlichen zum Fenster, Emma öffnete es und alle zischten, jaulten und jammerten, dass es ganz und gar schauerlich klang. Und wirklich, der unheimliche große Schatten zog sich zurück.
Emma jubelte: „Juhu, wir haben es geschafft. Es hat Angst vor uns. Seht nur, das Monster wird immer kleiner. Wir sind die unbesiegbare Schattenbande.“
„Lasst uns zur Sicherheit noch etwas weiter machen“, schlug der Riesenvogel ganz ohne ein „Hicks“ vor. „Dann wissen alle, dass uns niemand Angst machen kann.“
„Hervorragende Idee“, fand der Mann mit der Hakennase und es ertönte ein Heulen in der Nacht.
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