Die Schneemannswitwe (Sonett)

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Mistralgitter

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Die Schneemannswitwe

Er floss dahin in diesen warmen Tagen
ganz ohne Ton und ohne einfühlsames Wort.
Am Abend hörte man sein Weib laut klagen:

„Warum ist mir solch Weh gescheh‘n an diesem Ort?
Wen soll ich jetzt nach Mond und Sternen fragen,
wem Eistee reichen, Ohren streicheln? Er ist fort.

Ich liebte seine fahlen Schmelzschneehände,
die meinen kühlen, weißen Leib umfassten.
Aus seinen Kohlenaugen las ich Bände,
entdeckte dunkle Sehnsucht, raue Liebesmacht.

An seiner kalten Schulter fand ein Ende
die Furcht vorm Hitzeschwall, den wir so hassten!
Mir fehlt sein Frostgesicht, sein Hut! Er ist Legende.“
Am Morgen ist als zarter Nebel sie erwacht.
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Selten, aber altehrwürdig, das "umgekehrte Sonett".
Insgesamt empfinde ich es als gelungen.
Trauerndem eine Beziehung und eine verstörend traurige Sprache.
Tod und was bleibt: Erinnerung.
 



 
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