Nicole betrat den vom Tageslicht durchfluteten Saal, ließ prüfend ihren Blick über die hier ausgestellten Exponate gleiten und nickte zufrieden. So und nicht anders hatte sie sich das Ambiente für dieses Shooting vorgestellt. Sie selbst hatte das Museum für bildende Künste vorgeschlagen. Sie mied nach Möglichkeit diese Null-Acht-Fünfzehn-Studios voller hektischer Betriebsamkeit, wo man sie zwang, vor schreiend bunten Hintergründen zu posieren. Das hatte sie längst nicht mehr nötig. Stil war angesagt.
Sie warf selbstbewusst den Kopf in den Nacken und begann den Raum zu durchschreiten. Nicole lief schon lange nicht mehr – sie schritt. Während das Klacken ihrer High Heels von den Wänden widerhallte, schienen die toten Augen der hier aufgestellten Skulpturen zum Leben zu erwachen und das Super-Model mit ihren Blicken zu verfolgen. Das konnte auch gar nicht anders sein. Seit Jahren war es Nicole gewohnt, dass sich bei ihrem Erscheinen alle Augen nur auf sie richteten.
„Ach, da bist du ja, mein Pummelchen“, sagte sie plötzlich und blieb vor einem Sockel stehen, auf dem eine kleine Plastik ruhte.
Ein Künstler hatte wohl schon vor langer Zeit die Figur eines jungen Mädchens modelliert. Was die Wahl der Proportionen anging, so musste der Bildhauer vermutlich eher üppige Rundungen gemocht haben. Frech hockte das Bronze-Persönchen auf ihrem dicken Hintern und besaß auch noch den Mut, eines ihrer stämmigen Beine so weit an den Körper zu ziehen, dass sie ihr rundes Kinn darauf ablegen konnte.
Nicole streckte die Hand aus und tätschelte lächelnd das runde Pausbackengesicht.
„Hast dich überhaupt nicht verändert“, gluckste sie, während in ihr die Erinnerung an jenen Klassenausflug hoch kam.
Ziemlich lustlos waren die damals Fünfzehnjährigen durch die Ausstellungsräume geschlurft. Die Erläuterungen der Museumstante hatten lediglich zwanzig genervte Gesichter produziert.
Aber dann war einer von Nicoles Mitschülern genau auf diese kleine Plastik zugegangen und hatte lachend gebrüllt: „Schaut mal, Leute. Hier hat die dicke Nicole Modell gestanden.“
Vor allem die Mädchen hatten sich vor Lachen nicht wieder einkriegen wollen.
Nicole war heulend davon gelaufen und hatte sich erst auf einer Parkbank vor dem ehrwürdigen Gebäude wieder gefangen.
„Euch werde ich es zeigen!“, hatte sie mit verheultem, aber auch wutverzerrtem Gesicht ausgerufen und dann einen Entschluss gefasst, der ihr Leben verändern sollte.
„Brauchst mich gar nicht so ungläubig anzustarren“, sagte sie jetzt zu dem vor ihr hockenden ‚Pummelchen‘. „Schau, was aus der dicken Nicole geworden ist. Alles nur eine Frage des Willens. Ja, ich hatte Probleme mit meinem Aussehen. Später sagte mir jemand, es gäbe gar keine Probleme, sondern nur zu lösende Aufgaben. Also habe ich sie gelöst. Erst gehungert, dann ausgewogen ernährt. Erst allein und bis zum Umfallen durch den Stadtpark gejoggt, dann gezieltes körperliches und mentales Training mit diversen Personaltrainern absolviert. Erst naives Posieren vor dem Schlafzimmerspiegel, später etliche Stunden Schauspielunterricht.
Und noch Vieles mehr.
Ich habe es geschafft! Ich bin schön!“
Nicole lachte ein triumphierendes Lachen, warf die dichten langen Haare mit Schwung nach hinten und maß das kleine, dralle Bronzewesen mit einem herablassenden Blick, ehe sie nachschob: „Niemand käme mehr je auf den Gedanken, mich mit dir vergleichen zu wollen.“
„Darum würde ich auch gebeten haben!“, tönte eine unfreundliche Stimme durch den Raum.
Die Figur hatte gesprochen!
Nicole wich entgeistert zurück. Dabei setzte sie einen Fuß falsch auf, knickte um und landete unsanft mit ihrem Katalog-Hintern auf dem Parkett. Der Schmerz wurde von Entsetzen überlagert. Unter dem Make-up ganz bleich geworden, musste sie die Worte vernehmen: “Ja, du bist wunderschön. Doch komme in dreißig Jahren wieder.“ Es folgte ein leises Kichern. „Schönheit, meine liebe Nicole, die vergeht. Kunst jedoch bleibt.“
Sie warf selbstbewusst den Kopf in den Nacken und begann den Raum zu durchschreiten. Nicole lief schon lange nicht mehr – sie schritt. Während das Klacken ihrer High Heels von den Wänden widerhallte, schienen die toten Augen der hier aufgestellten Skulpturen zum Leben zu erwachen und das Super-Model mit ihren Blicken zu verfolgen. Das konnte auch gar nicht anders sein. Seit Jahren war es Nicole gewohnt, dass sich bei ihrem Erscheinen alle Augen nur auf sie richteten.
„Ach, da bist du ja, mein Pummelchen“, sagte sie plötzlich und blieb vor einem Sockel stehen, auf dem eine kleine Plastik ruhte.
Ein Künstler hatte wohl schon vor langer Zeit die Figur eines jungen Mädchens modelliert. Was die Wahl der Proportionen anging, so musste der Bildhauer vermutlich eher üppige Rundungen gemocht haben. Frech hockte das Bronze-Persönchen auf ihrem dicken Hintern und besaß auch noch den Mut, eines ihrer stämmigen Beine so weit an den Körper zu ziehen, dass sie ihr rundes Kinn darauf ablegen konnte.
Nicole streckte die Hand aus und tätschelte lächelnd das runde Pausbackengesicht.
„Hast dich überhaupt nicht verändert“, gluckste sie, während in ihr die Erinnerung an jenen Klassenausflug hoch kam.
Ziemlich lustlos waren die damals Fünfzehnjährigen durch die Ausstellungsräume geschlurft. Die Erläuterungen der Museumstante hatten lediglich zwanzig genervte Gesichter produziert.
Aber dann war einer von Nicoles Mitschülern genau auf diese kleine Plastik zugegangen und hatte lachend gebrüllt: „Schaut mal, Leute. Hier hat die dicke Nicole Modell gestanden.“
Vor allem die Mädchen hatten sich vor Lachen nicht wieder einkriegen wollen.
Nicole war heulend davon gelaufen und hatte sich erst auf einer Parkbank vor dem ehrwürdigen Gebäude wieder gefangen.
„Euch werde ich es zeigen!“, hatte sie mit verheultem, aber auch wutverzerrtem Gesicht ausgerufen und dann einen Entschluss gefasst, der ihr Leben verändern sollte.
„Brauchst mich gar nicht so ungläubig anzustarren“, sagte sie jetzt zu dem vor ihr hockenden ‚Pummelchen‘. „Schau, was aus der dicken Nicole geworden ist. Alles nur eine Frage des Willens. Ja, ich hatte Probleme mit meinem Aussehen. Später sagte mir jemand, es gäbe gar keine Probleme, sondern nur zu lösende Aufgaben. Also habe ich sie gelöst. Erst gehungert, dann ausgewogen ernährt. Erst allein und bis zum Umfallen durch den Stadtpark gejoggt, dann gezieltes körperliches und mentales Training mit diversen Personaltrainern absolviert. Erst naives Posieren vor dem Schlafzimmerspiegel, später etliche Stunden Schauspielunterricht.
Und noch Vieles mehr.
Ich habe es geschafft! Ich bin schön!“
Nicole lachte ein triumphierendes Lachen, warf die dichten langen Haare mit Schwung nach hinten und maß das kleine, dralle Bronzewesen mit einem herablassenden Blick, ehe sie nachschob: „Niemand käme mehr je auf den Gedanken, mich mit dir vergleichen zu wollen.“
„Darum würde ich auch gebeten haben!“, tönte eine unfreundliche Stimme durch den Raum.
Die Figur hatte gesprochen!
Nicole wich entgeistert zurück. Dabei setzte sie einen Fuß falsch auf, knickte um und landete unsanft mit ihrem Katalog-Hintern auf dem Parkett. Der Schmerz wurde von Entsetzen überlagert. Unter dem Make-up ganz bleich geworden, musste sie die Worte vernehmen: “Ja, du bist wunderschön. Doch komme in dreißig Jahren wieder.“ Es folgte ein leises Kichern. „Schönheit, meine liebe Nicole, die vergeht. Kunst jedoch bleibt.“