Arno Abendschön
Mitglied
Tucholskys Bilanz sah später kurz gefasst so aus: Das Gymnasium besucht, nichts gelernt. Ich kann es aus eigenem Erleben nachvollziehen.
Dreizehn Schuljahre, dreizehn lange, öde Jahre. Wo Begabungsschwerpunkte waren, wurden sie nicht vertieft, sondern verflacht, mit Schutt verfüllt. Das Interesse für Sprache, Geschichte, Geographie habe ich mir trotz dieses Lehrstoffs bewahrt, der nur Leer-Stoff war, tote Füllmasse für tote Stunden. Vorhandene Neugierde wurde nie befriedigt. Lustlos brachte ich läppische Hausaufgaben schnell hinter mich. Dann begann ich für mich zu lesen. Über meine Lieblingsgegenstände hätte ich vielleicht den einen oder anderen Lehrer bald belehren können. Doch von ihnen war keiner neugierig. Mit diesen beamteten Wissensvermittlern kam nie ein Gespräch in Gang. So verschieden sie in ihrem persönlichen Geschmack und auch in ihren Launen waren – fachlich und pädagogisch herrschte damals das Untermittelmaß vor. Nicht für die Schule, fürs Leben lernen wir? Wie wahr: Das Abitur in der Tasche – und jeder Aufblick zu Autoritäten von nun an unmöglich.
Zwei Beispiele für das geistige Niveau des Lehrkörpers:
In der Mittelstufe des Gymnasiums war einmal in Erdkunde Belgien dran. Es erhob sich die Frage nach dessen Bevölkerungsdichte. Nun beschränkte sich der Unterricht auf das bloße Vorlesen eines ebenso dünnen wie betulichen Lehrbuches. Das Buch machte nur Angaben zur Einwohnerzahl und Flächengröße. Ich schlug vor, diese Zahlen ins Verhältnis zu setzen – eine einfache Divisionsaufgabe. Wogegen sich der Lehrer mit allen Anzeichen von Panik verwahrte: Nein, nein, er werde zu Hause nachschlagen und uns das Ergebnis mitteilen. Er verweigerte hartnäckig die Rechenoperation. Keine Experimente, dafür Buchstabengläubigkeit. Noch rieche ich den starken Mentholgeruch aus seinem Mund, er liebte Pfefferminzbonbons sehr. Sein Gang war halb Schlurfen, halb Schleichen. Später wurde seine übergroße Vorsicht in allem belohnt: Er brachte es bis zum Schuldirektor.
Das andere Prachtexemplar war Deutschlehrer in der Oberstufe, ein strenger Katholik und Bewunderer Francos. Er überzog jede Stunde. Wir beide stießen uns bald gegenseitig ab. Damals war im Fernsehen einmal eine Inszenierung von „Wallenstein“ zu sehen. Er verpflichtete uns, die Sendung anzuschauen. Der Gedanke, es könnte Haushalte ohne Fernsehen geben, kam ihm nicht. Ich lebte in einem davon und wollte es vor der Klasse nicht zugeben.
Am Tag nach der Sendung fragte er Einzelne nach ihren Eindrücken. Und er hatte eine Witterung für meinen Widerstand, instinktlos war er nicht. Also redeten wir einige Minuten über das, was ich gar nicht gesehen hatte. Wir besprachen die Leistungen der Schauspieler, die Höhepunkte der Inszenierung, ihre Atmosphäre usw. Er gab Stichworte und ich ging auf alles ein. Am Ende war er zufriedengestellt. Ich lachte nachher mit meinen Freunden über ihn. Wieder eine Autorität, die sich selbst atomisiert hatte.
Lehrer: So verschieden sie als Menschen waren, als Pädagoge war fast jeder von ihnen ein Desaster mit Pensionsanspruch. (Heute ist das natürlich ganz anders.)
Dreizehn Schuljahre, dreizehn lange, öde Jahre. Wo Begabungsschwerpunkte waren, wurden sie nicht vertieft, sondern verflacht, mit Schutt verfüllt. Das Interesse für Sprache, Geschichte, Geographie habe ich mir trotz dieses Lehrstoffs bewahrt, der nur Leer-Stoff war, tote Füllmasse für tote Stunden. Vorhandene Neugierde wurde nie befriedigt. Lustlos brachte ich läppische Hausaufgaben schnell hinter mich. Dann begann ich für mich zu lesen. Über meine Lieblingsgegenstände hätte ich vielleicht den einen oder anderen Lehrer bald belehren können. Doch von ihnen war keiner neugierig. Mit diesen beamteten Wissensvermittlern kam nie ein Gespräch in Gang. So verschieden sie in ihrem persönlichen Geschmack und auch in ihren Launen waren – fachlich und pädagogisch herrschte damals das Untermittelmaß vor. Nicht für die Schule, fürs Leben lernen wir? Wie wahr: Das Abitur in der Tasche – und jeder Aufblick zu Autoritäten von nun an unmöglich.
Zwei Beispiele für das geistige Niveau des Lehrkörpers:
In der Mittelstufe des Gymnasiums war einmal in Erdkunde Belgien dran. Es erhob sich die Frage nach dessen Bevölkerungsdichte. Nun beschränkte sich der Unterricht auf das bloße Vorlesen eines ebenso dünnen wie betulichen Lehrbuches. Das Buch machte nur Angaben zur Einwohnerzahl und Flächengröße. Ich schlug vor, diese Zahlen ins Verhältnis zu setzen – eine einfache Divisionsaufgabe. Wogegen sich der Lehrer mit allen Anzeichen von Panik verwahrte: Nein, nein, er werde zu Hause nachschlagen und uns das Ergebnis mitteilen. Er verweigerte hartnäckig die Rechenoperation. Keine Experimente, dafür Buchstabengläubigkeit. Noch rieche ich den starken Mentholgeruch aus seinem Mund, er liebte Pfefferminzbonbons sehr. Sein Gang war halb Schlurfen, halb Schleichen. Später wurde seine übergroße Vorsicht in allem belohnt: Er brachte es bis zum Schuldirektor.
Das andere Prachtexemplar war Deutschlehrer in der Oberstufe, ein strenger Katholik und Bewunderer Francos. Er überzog jede Stunde. Wir beide stießen uns bald gegenseitig ab. Damals war im Fernsehen einmal eine Inszenierung von „Wallenstein“ zu sehen. Er verpflichtete uns, die Sendung anzuschauen. Der Gedanke, es könnte Haushalte ohne Fernsehen geben, kam ihm nicht. Ich lebte in einem davon und wollte es vor der Klasse nicht zugeben.
Am Tag nach der Sendung fragte er Einzelne nach ihren Eindrücken. Und er hatte eine Witterung für meinen Widerstand, instinktlos war er nicht. Also redeten wir einige Minuten über das, was ich gar nicht gesehen hatte. Wir besprachen die Leistungen der Schauspieler, die Höhepunkte der Inszenierung, ihre Atmosphäre usw. Er gab Stichworte und ich ging auf alles ein. Am Ende war er zufriedengestellt. Ich lachte nachher mit meinen Freunden über ihn. Wieder eine Autorität, die sich selbst atomisiert hatte.
Lehrer: So verschieden sie als Menschen waren, als Pädagoge war fast jeder von ihnen ein Desaster mit Pensionsanspruch. (Heute ist das natürlich ganz anders.)
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