Die schwarze Erde des Jabari

Thariot

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Die schwarze Erde des Jabari
„Ich bin wie ein Baum in der Nacht. Dunkel und stark wache ich über die Erde ... wie ein Baum in der Nacht ...”, flüsterte Penthe nahezu unhörbar zu sich selbst. Verlierer werden gefressen, ein unbedachtes Geräusch und es wäre vorbei. Ihr Blick haftete auf einem fixen Punkt in der Dunkelheit, während sie sprungbereit in der Hocke verharrte. Die lockere schwarze Erde unter ihr roch warm und lebendig, die Sonne steckte noch in jeder Erdkrume. Dichtes Blattwerk verdeckte ihre Falle. Sie war wie ein Baum in der Nacht.
Die Zeit verging. Festumschlossen hielt sie den Kampfstab in den Händen. Es könnte jeden Moment passieren. Ein Knacken, ein Luftzug, ein kleiner Baumbewohner huschte an ihr vorbei. Das Tier hatte sie nicht bemerkt, aber ihre Beute war weitaus tückischer. Sie durfte sich keinen Fehler erlauben. Mit etwas Erde rieb sie sich den Schweiß von den Beinen, ihre Witterung sollte sie nicht verraten. Ein gelber Punkt bewegte sich vor ihr. Vermutlich kaum zwei Stocklängen entfernt, aber es war nur ein Insekt, das einen Lidschlag später von der langen Zunge eines anderen kleinen Jägers umschlungen wurde. Dieses Tier hatte sie nicht gesehen. Verdammt, sie musste aufmerksam bleiben. Das war kein Spiel. Diese Nacht würde alles entscheiden.
Ein schlanker Schatten zeichnete sich über ihr ab. An dem dicken Baumstumpf glitt eine augenlose Schlange auf sie herab. Mit den Sinnen der Zunge hatte sie zu ihr gefunden. Lautlos und langsam bewegte sich das Reptil auf sie zu. Penthe war wie ein Baum in der Nacht, mit der Hand berührte sie den Kopf der Schlange und führte sie behutsam an sich vorbei. Die warme und weiche Schlangenhaut berührte ihre nackte Brust und zog voller Demut weiter. Die Schlange hätte sie auch problemlos verschlingen können, nur, das Tier würde es niemals wagen eine Wächterin anzugreifen. Im Wald des Jabaris war man niemals alleine. Der alte Vulkan war ein Hort des Lebens. Für vielerlei Leben, für Jäger und Gejagte, aber sie würde die Hatz überstehen. Im Gegensatz zu der Schlange würde ihre Beute keine Rücksicht auf sie nehmen. Die Blessuren der letzten Begegung hatte sie nicht vergessen, die Narbe am Oberschenkel spürte sie seitdem jede Nacht. Nur der Sprung ins Wasser hatte sie damals gerettet.
Penthe sollte nicht träumen. Die Jagd dauerte bereits zu lange. Man durfte nie zu lange am selben Ort verbringen. Levinie hatte ihr immer wieder eingebleut, schneller als andere zu sein. Und unberechenbar. Immer wieder hatte sie Penthe angetrieben. Niemand musste so hart trainieren wie sie. Niemand. Es gab Tage, an denen sie ihre Mutter dafür anschreien wollte, nur dann hätte Levinie sie noch schneller rennen lassen. Die Wächterinnen, die Phalanx der Lamenis. Penthe war eine Lamenis, sie war stolz auf ihr Volk und sie wollte am nächsten Morgen siegreich vor ihrer Mutter stehen. Dann wenn alle anderen zusahen. Levinie würde ihr den Respekt zollen, den sie sich verdient hatte. Und jeder würde es sehen. Morgen.
Jetzt war sie im Wald. Ihren langen dunklen Zopf hatte sie um den Hals geschlungen. Mit Haut und Haaren voller feuchter Erde glitt sie der Schlange hinterher. Wie ein Luftzug tauchte sie durch das dichte Buschwerk. Sie musste zum Baum auf der anderen Seite. Dort würde sie Schutz finden und das Umfeld gut einsehen können. Wenn sie dort angekommen wäre.
Gelb und bedrohlich funkelten die Augen der Raubkatze, kaum eine Stocklänge vor ihr. Das war zu nah. Das dunkle Fell schimmerte matt und war kaum vom Boden zu unterscheiden. Die Krallen in der Erde vergraben, die Muskeln gespannt, lauerte ihr Gegner ihr auf. Das Versteckspiel war vorbei. Im nächsten Augenblick schnitten die Krallen bereits eine Handbreit vor ihrem Gesicht vorbei.
Genau das wollte Penthe verhindern. Blitzschnell rollte sie zur Seite und wich auch dem zweiten Hieb aus. Die Krallen zerrissen mühelos einen armdicken Ast, dessen Splitter ihr am Kopf vorbeiflogen. Sie sprang aus der Rückenlange in den Stand, drehte sich und ließ die schwarze Raubkatze abermals ins Leere springen. Die Ruhe war vorbei. Der Wald schrie. Unzählige kleinere Waldbewohner, die einen Augenblick vorher noch unsichtbar in der Nähe geschlafen hatten, suchten nun lautstark das Weite.
Die Katze fing sich, drehte sich und setzte schneller zum nächsten Sprung an als Penthe ihre Drehung beenden konnte. Es ging immer nur um Geschwindigkeit. Die Langsamen wurden gefressen. Fauchen. Gefletschte Zähne. Noch in der Bewegung schlug Penthe mit dem Kampfstab einen gespannten Ast los, der der Katze entgegen schlug. Mit einem Jaulen musste die Raubkatze den Hieb einstecken, der sie im Sprung erwischte und zu Boden warf. Ein Moment später war die Katze wieder auf den Beinen, aber Penthe nutzte den Moment, um den nächsten Ast loszuschlagen. Und noch einen. Sie schlug eine ganze Reihe von gespannten Ästen los. Es ging immer um Geschwindigkeit, nur wenn der Gegner zu schnell war, musste man vorsorgen. Kein Krallenhieb war schärfer als der Verstand. Nicht jeder Ast traf die Raubkatze, aber genug, damit Penthe Zeit hatte, gezielt nach ihrem Gegner zu schlagen. Im Stakkato der Äste konnte die Raubkatze den Hieb nicht parrieren. Mit voller Wucht erwischte sie der schwere Kampfstab und schleuderte sie kraftvoll gegen einen Baumstamm.
„Ha! Ich hab dich erwischt!” Penthe ließ entspannt die Waffe zu Boden sinken. Gelächter, die Bäume amüsierten sich prächtig und bewegten wogend ihre Kronen. Das Geschöpf am Boden fluchte und hielt sich den Rücken.
Penthe reichte ihr die Hand. "Du wirst alt", sagte sie mit einem Schmunzeln. Das Fell verschwand und Levinie nahm wieder die Züge einer Lamenis an.
„Ja. Und meine Kleine wird erwachsen. Im bin stolz auf dich! Du hast deine Prüfung bestanden!”

***

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