Die Sintflut

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Walther

Mitglied
Die Sintflut
- Amphibrachische Philippika -

Es kübelt in Strömen, und was alles fällt!
Die Himmel sind offen; es schießen die Regen
Als Flüsse von unten, als Hagel von oben;
Man sieht, wie die Blitze mit Donnern rumtoben!
Da hilft kein Gebet und kein göttlicher Segen:
Wir sind aus der Fassung, die gar nichts mehr hält!

Man will nicht mehr glauben und auch nicht mehr hoffen:
St. Petrus dreht durch. Sieh, er schüttelt die Fäuste!
Ein Hurrikan wirbelt um einen Zyklon.
Der Mond hat landunter. Wen kümmert das schon!
War’s Herkules, der uns ans Ufer rasch schleuste?
War’s Erzengel Gabriel, den wir getroffen?

Auf einmal ist Ruhe, die Angst ist gewichen.
Wir sehen das fußoben Chaos kopfunter,
Und fassens nicht, denn da gibts gar nichts zu fassen:
War glänzende Arbeit, das muss man uns lassen!
Die Ordnung war grau, jetzt ist alles viel bunter,
Und wer überlebte, der ist nicht verblichen!

Jetzt könnten wir jubeln und lachen und tanzen.
Die Welt ist am Arsch, auch weil wir sie zerstörten.
Wir haben den Zeichen nur erst nicht geglaubt.
Doch nach diesem Krach sind die Träume geraubt,
Es wären die dumm, die sich früher empörten.
Denn sie lagen richtig, im Großen und Ganzen.
 
O

orlando

Gast
Hallo Walther,
ich habe mich mit Amphibrachys kaum beschäftigt und glaubte bisher, dass sich nach der Zäsur eine Folge von Senkung, Hebung, Senkung ergeben müsse.
Vielleicht befand ich mich da in einem Irrtum.
Philippika sind mir gänzlich unbekannt - eine Erläuterung fände ich ebenfalls spannend. Sind das nicht eigentlich "Fingerübungen?"
Nun zum Rhythmus, wie immer der formal begründet sein mag: In der letzten Strophe fehlt mir eine Silbe
Die Welt ist am Arsch,auch weil wir sie zerstörten.
Ebenso erklärt sich mir der Gebrauch des Konjunktivs im Folgenden nicht:
Doch nach diesem Krach sind die Träume geraubt,
Es wären die dumm, die sich früher empörten.
Ansonsten ist LyrIs Haltung ansprechend umgesetzt. - Nun harre ich weiterer Erklärungen zur Form. ;)
LG, orlando
 
Halo Walther,
wenn ich auch nicht viel Ahnung von dieser Art Dichtung habe, melde ich mich mal zu Wort.

Es wären die dumm, die sich früher empörten.
Wäre da nicht besser [blue]als[/blue] wären die dumm?

Warum eigentlich Herkules? Wäre Poseidon nicht besser?

Viele Grüße,
Marie-Luise
 

Walther

Mitglied
Die Sintflut
- Amphibrachische Philippika -

Es kübelt in Strömen, und was alles fällt!
Die Himmel sind offen; es schießen die Regen
Als Flüsse von unten, als Hagel von oben;
Man sieht, wie die Blitze mit Donnern rumtoben!
Da hilft kein Gebet und kein göttlicher Segen:
Wir sind aus der Fassung, die gar nichts mehr hält!

Man will nicht mehr glauben und auch nicht mehr hoffen:
St. Petrus dreht durch. Sieh, er schüttelt die Fäuste!
Ein Hurrikan wirbelt um einen Zyklon.
Der Mond hat landunter. Wen kümmert das schon!
War’s Herkules, der uns ans Ufer rasch schleuste?
War’s Erzengel Gabriel, den wir getroffen?

Auf einmal ist Ruhe, die Angst ist gewichen.
Wir sehen das fußoben Chaos kopfunter,
Und fassens nicht, denn da gibts gar nichts zu fassen:
War glänzende Arbeit, das muss man uns lassen!
Die Ordnung war grau, jetzt ist alles viel bunter,
Und wer überlebte, der ist nicht verblichen!

Jetzt könnten wir jubeln und lachen und tanzen.
Die Welt ist am Arsch, auch weil wir sie zerstörten.
Wir haben den Zeichen nur erst nicht geglaubt.
Doch nach diesem Krach sind die Träume geraubt,
Es wären die dumm, die sich früher empörten:
Denn sie lagen richtig, im Großen und Ganzen.
 

Walther

Mitglied
hi Orlandinjo,

in der zeit der WM müssen die künstlernamen brasilianisch klingen. und als klare 10 in der sprachetechnik (blick für den weiten raum, geniale pässe, freistöße und, last but not least, experte im metrums-tickitacka) ist das unabdingbar.

ad (1)
Die Welt ist am Arsch, auch weil wir sie zerstörten.
alles paßt. naja, Spanien ist ja ausgeschieden. :D

ad (2) einfach den punkt in einen doppelpunkt verwandeln. sorry, mein fehler. ich sollte am besten durch Kramer ersetzt werden. :)

ad (3) warum das ganze als Amphibrachus? auch das hat mit der WM zu tun. ist irgendwie südamerikanisch, metrisch-rhythmisch. tadaaada (xXx). außerdem kriegst du beim vortragen richtig dampf dahinter. ;)

lg w.


lb. Marie-Luise,

deinen hinweis, den ich dankend gelesen habe, habe ich so gleich mit verarbeitet.

der herkules paßt schon. der hat so viel ähnlichkeit mit dem modernen menschen, der sich auch wie ein (halb)gott aufführt.

lg w.
 
Lieber Walther,
mir gefällt dein Gedicht sehr.
Zuerst konnte ich mich ja nicht mit dem Herkules anfreunden. Ich brachte ihn nicht mit dem Wasser zusammen. Dann fiel mir ein, dass er in Kassel die Wasserfälle bewacht.
Deine Erklärung vom Halbgott gefällt mir auch.
Alles in allem ist die Sintflut m. E. gut beschrieben.

Viele Grüße,
Marie-Luise
 

helmut ganze

Mitglied
s.o.

Ja, die Sintflut ist in der Bibel Gottes Strafe, jetzt bestraft sich die Menschheit selbst. Soweit mein Fazit aus der Geschichte. Wir haben es weit gebracht.

Liebe Grüße

Helmut
 

anbas

Mitglied
Hallo Walther,

seitdem Du dieses Gedicht gepostet hast, umkreise ich es immer wieder mal.

Der Klang dieser Zeilen gefällt mir gut. Die Form insgesamt hat was, sie zieht mich an. Allerdings empfinde ich sie als sehr gewaltig, kraftvoll - und zwar so kraftvoll, dass sie den Inhalt fast erschlägt. Zu der Aussage dieses Gedichtes passt eine starke Form, aber sie ist fast schon zu stark ... Doch das ist - aus meiner Sicht - ein Problem, das viele Gedichte mit einer festen oder besonderen Form haben. Hier geht es aber aus meiner Sicht gerade noch so.

An dieser Stelle:
Die Ordnung war grau, jetzt ist alles viel bunter,
Und wer überlebte, der ist nicht verblichen!

Jetzt könnten wir jubeln und lachen und tanzen.
Würde ich überlegen, ob das eine "Jetzt" durch ein "Nun" oder etwas Ähnlichem ausgetauscht werden könnte.

Liebe Grüße

Andreas
 

Walther

Mitglied
Die Sintflut
- Amphibrachische Philippika -

Es kübelt in Strömen, und was alles fällt!
Die Himmel sind offen; es schießen die Regen
Als Flüsse von unten, als Hagel von oben;
Man sieht, wie die Blitze mit Donnern rumtoben!
Da hilft kein Gebet und kein göttlicher Segen:
Wir sind aus der Fassung, die gar nichts mehr hält!

Man will nicht mehr glauben und auch nicht mehr hoffen:
St. Petrus dreht durch. Sieh, er schüttelt die Fäuste!
Ein Hurrikan wirbelt um einen Zyklon.
Der Mond hat landunter. Wen kümmert das schon!
War’s Herkules, der uns ans Ufer rasch schleuste?
War’s Erzengel Gabriel, den wir getroffen?

Auf einmal ist Ruhe, die Angst ist gewichen.
Wir sehen das fußoben Chaos kopfunter,
Und fassens nicht, denn da gibts gar nichts zu fassen:
War glänzende Arbeit, das muss man uns lassen!
Die Ordnung war grau, nun ist alles viel bunter,
Und wer überlebte, der ist nicht verblichen!

Jetzt könnten wir jubeln und lachen und tanzen.
Die Welt ist am Arsch, auch weil wir sie zerstörten.
Wir haben den Zeichen nur erst nicht geglaubt.
Doch nach diesem Krach sind die Träume geraubt,
Es wären die dumm, die sich früher empörten:
Denn sie lagen richtig, im Großen und Ganzen.
 

Walther

Mitglied
hi anbas,

danke für deinen hinweis, den ich oben umgesetzt habe. das paßt schon etwas besser ins metrum.

man kann sich über solche qualifizierten fingerübungen den kopf heißreden. die frage, ob das schon gut genug ist, den text zur diskussion zu stellen, habe ich mir mit ja beantwortet. inwzischen bin ich mir nicht mehr so sicher, wie ich es war, als ich ihn einstellte.

der Amphibrachus ist ein sehr starker takt, der, wenn man ihn einsetzt, sehr viel drive entwickeln kann. letztlich ist das eine art rap geworden, der allerdings eben ein altes versmaß als beattakt verwendet. das ergebnis hat mich selbst überrascht. ich werde den text auf lesungen in berlin, die ich am 24. und 25.07. habe, vortragen. mal sehen, was dazu als feedback kommt. zu den lesungsterminen bald in diesem forum mehr.

wie gesagt, man kann bezweifeln, daß der text eine veröffentlichung verträgt. vorgetragen wird er die zuhörer mit seinem wumms aber plätten, da bin ich mir jetzt schon sicher!

lg w.
 



 
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