Die Stadt (Miniatur)

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Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Die Stadt

Die Stadt war da, so lang ich denken mochte. Es war eine kleine Stadt, bestehend aus drei Häusern: dem Rathause, dem Spritzenhause und dem Gartenhause.
Im Rathause wohnte der Rat und im Gartenhause die Gärtnerin. Das Spritzenhaus war das Quartier der Feuerwehr, und der Feuerwagen kam regelmäßig heraus und spritzte den Garten, in dem Gemüse wuchs. Der Rat und die Gärtnerin wohnten in ihren Häusern, so lang sie ihrerseits denken mochten. Des Morgens frühstückten sie, indem sie ihre Füße in den Ofen legten und heizten. Sie tranken Öl und Wasser.
Wäre man ganz leise gewesen, hätte man ihre Herzen ticken hören.
„Heute schmeckt das Öl bitter,“ seufzte der Rat. „Ja,“ antwortete die Gärtnerin, dann schwiegen sie lange. Am Himmel war ein Drache zu sehen. Das Herz der Gärtnerin tickte lauter und aus ihrem Rücken fauchte Dampf.
Der Rat hörte das Ticken und fragte: „Ist dir nicht wohl?“ „Doch, ganz wohl …“ antwortete mechanisch die Gärtnerin. Der Drache kam näher, verschlang sie beide und flog fort.
Die Stadt stand noch lange einsam und ohne Besuch, bis sie ganz zerfallen war.
 

Matula

Mitglied
Großartig! Erinnert mich an das Sterben der Dörfer, aber auch an ein mechanisches Puppenspiel, dessen Idylle zerstört wird.

Schöne Grüße,
Matula
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo. Matula!
Freut mich, dass es Dir gefällt. Es ist eine Geschichte, die die Gegenwart in einer Steampunk-Idylle darstellt, vor dem Weltende.
Viele Grüße vom Bernd
 



 
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