Die Stadtparkgnome

2,00 Stern(e) 1 Stimme

Goldbeker

Mitglied
Winter

Es wurde nicht richtig hell an diesem Dezembertag. Selbst um die Mittagsstunde herum lag ein milchigtrübes Licht über der Stadt. Der Himmel sah aus wie eine Decke aus Watte.
Nur wenig Schnee bedeckte die gefrorene Erde im Hamburger Stadtpark, kitzelte die kahlen Buchen und bestäubten Tannen.
Kai schlenderte mit seiner Schwester Maike über die große Wiese in Richtung Planschbecken beim Kinderspielplatz. Sie hatten ihre Schlittschuhe an bunten Schnürsenkeln über die Schultern hängen, freuten sich auf das Gleiten über das zugefrorene Wasser. Als sie die Wiese überquert hatten und den kleinen Hügel bestiegen, der mit seinen Sträuchern und Bäumen den Blick auf den großen Spielplatz im Stadtpark mit seinem großflächigen Planschbecken verbarg, beschleunigten sie ihre Schritte.
Einige Kinder versuchten vom Hügel herab mit ihren Schlitten auf dem dünnen Schnee herabzusausen. Kai und Maike wurden richtig beflügelt und rannten den Hügel herunter zu dem Becken auf dem nicht nur Kinder mit Schlittschuhen ihre Kreise fuhren. Sie waren kaum unten angekommen, da sah Kai etwas unter den Büschen hinweghuschen. Nur für einen kurzen Augenblick blitzte eine kurze, schnelle grünlich schimmernde Bewegung hervor. Nur einen kurzen Augenblick hielt Kai inne. Erst dachte er an eine Amsel, die häufig hier im Laub nach Nahrung suchten. Aber dieses Licht verwirrte ihn. Kai schubste Maike an, deutet auf die Ecke in dem er diese Bewegung wahrnahm, aber sie hatte nichts bemerkt und schnell hatten sie ihr eigentliches Ziel wieder vor Augen und saßen bald auf einer der Bänke die um das Becken herumstanden, zogen sich ihre Schlittschuh an, um bald selig ihre Runden über das Eis zu ziehen.
Die Zeit verging so schnell wie hitzig gedrehten Runden auf dem Eis. Schnell änderte sich das Licht und neigte zur Dämmerung. Kai und Maike rafften sich und ihre Schlittschuhe auf und steuerten den Heimweg an. Sie wollten wieder über die große Wiese gehen um am Borgweg die U-Bahn zu nehmen.
Am Hügel erinnerte sich Kai wieder der kurzen Erscheinung. Seine Augen suchten angestrengt den Boden am Fuße des Hügels ab, aber es war nichts Besonderes zu entdecken nur ein Kaninchen hoppelte zwischen den Büschen vorbei.
Gundil war erschrocken als sie bemerkte, dass sie sich eine grüne Lichtgestalt gegeben hatte. Sie war so in ihrem Spiel vertieft gewesen, das sie gar nicht bemerkte wie ihre Energie anschwoll und sie für einen kurzen Moment für die Menschlinge sichtbar wurde. Sie hatte ein Blitzen in den Augen des Jungen gesehen, der aber keine weitere Notiz von ihr nahm. Sie hatte sofort die Lichtenergie in sich gesammelt um nicht mehr von den Menschlingen gesehen werden zu können.
Sie trollte sich schnell den Hang entlang, glitt zwischen den Wurzeln in eine schmale Spalte und verschwand in dem gefrorenen Boden. Es gab keine richtigen Gänge wie in einem Bergwerk, eher Linien die sich unter der Erde in alle Möglichen Richtungen wanden. Gnome waren nicht Menschen in Miniaturformat, wenn gleich sie so erscheinen konnten, sie bestanden vielmehr aus wandelbarer Energie, die ganz und gar abhängig war von Erde, Luft und Wasser. In einem Parkhaus aus Beton könnten sie kaum überleben.
Gundil bewegte sich geschickt durch die Erdspalten, wand sich den Krümmungen nach, rutschte, glitt, huschte, ja flog förmlich die unterirdischen Wege bis zu ihrem zu Hause, der kleinen Gnomesiedlung die tief im Wurzelwerk der mächtigen Buche, nahe dem Planetarium wuchs.
Dort erwartete sie schon Elma, ihre Mutter.
"Wo hast du dich denn schon wieder Rumgetrieben? Du solltest doch schon zur Mittagsstunde wieder hier sein.“
"Ich war ein bisschen die Gegend jenseits der großen Wiese erkunden. Tut mir leid, dass ich die Zeitschleife nicht beachtet habe,“ sagte Gundil kleinlaut.
Sie beeilte sich in ihre Kammer zu kommen um nicht im Blick ihrer Mutter weitere Fragen beantworten zu müssen. Sie würde sicher böse sein, wenn sie ihr erzählte, dass sie möglicherweise von Menschlingen gesehen worden war. Sie rollte sich in eine Ecke und da sie ziemlich erschöpft von ihrem Ausflug war, fiel sie gleich in einen tiefen Schlaf.
Sie träumte sie würde als helle, grüne Lichtkugel hoch über dem Stadtpark fliegen, die Wolken berühren, weit über die Stadt gleiten, die Elbe entlang bis zum großen Meer, weiter die Küste entlang bis hoch in den Norden zu ihren Verwandten den Trollen im fernen Nordland. Das Alles träumte sie, obwohl sie selbst im Traum wusste das sie als Gnomin erdgebunden war und niemals würde fliegen können. Sie war nun mal keine Elfe.
Kai träumte an diesem Abend auch. Er konnte sich am nächsten Tag zwar nicht mehr an alles erinnern, aber er wusste noch, dass er von einem Mädchen geträumt hatte, das ganz anders war als die Mädchen die er kannte. Es hatte seltsame Kleidung an, war von brauner Hautfarbe und hatte verfilztes Haar. Er erinnerte sich an Kleidung die wie Lumpen aussah, aber die nicht kaputt oder schmutzig war. Er erinnerte sich an grüne Augen, die ihn ansahen und zu strahlen schienen. Es schien ihm als tauchte er in dieses Grün hinein und verschwand in einer völlig fremden Welt. Aber von dieser Welt war nichts in seinem Gedächtnis hängen geblieben. Bald hatte ihn die Alltagsroutine von seinen Überlegungen abgebracht und er sah sich schon auf dem Weg zur Schule. Dabei überlegte er ob er nach der Schule nicht noch kurz im Stadtpark vorbeischauen wollte.
Gundil war mit ihrer Familie dabei die täglichen Arbeiten zu erfüllen, musste aber immer wieder ermahnt werden sich zu konzentrieren. Sie musste an den Jungen denken, der sie im Stadtpark gesehen hatte. Dazu ihr Traum. Sie fand es merkwürdig, dass sie die Angelegenheit so beschäftigte. Schließlich war ja nichts weiter passiert. Aber sie fühlte sich auf geheimnisvolle Weise zu diesem Menschling hingezogen.
Gundil huschte durch das Gewirr der Wurzeln von Bäumen und Sträuchern, unterstützte sie die Pflanzensäfte steigen zu lasen. Weit hinein bis in die schon prallen Knospen, in denen sich schon die neuen Blätter entwickelten. Es gehörte zu den Hauptaufgaben der Gnome die Pflanzen in ihrem Wachstum zu unterstützen. Selbst im Winter gab es genug zu tun, gerade weil die Kraft der Sonne schwach war und auch die Erde wenig Energie hergab.
Aber sie war nicht richtig bei der Sache, genau so wenig wie Kai, der unruhig auf dem Stuhl in der Schule hin und her rutschte.
Nach der Schule ging Kai dann doch durch den Stadtpark, obwohl er eigentlich nicht wusste was er genau zu finden hoffte.
Gundil hatte ihre Aufgaben rasend schnell erledigt und fand sich im Gebüsch der Rodelecke wieder. Natürlich war sie jetzt nicht für Menschen sichtbar. Dutzende Krähen die sich auf der Wiese versammelt hatten, nahmen sie aber schon wahr.
Aber ihr Instinkt sagte ihnen, dass sie nichts zu befürchten hatten, sondern, dass sie es mit jemanden zu tun hatten, der auch ihnen nützlich war. Und so suchten sie mit ihren Schnäbeln durch die dünne Schneedecke nach Gräsern und Samen.
Kai schlenderte Gedankenversunken von der großen Wiese herüber ging zur oberen Kante der Rodelbahn und stocherte mit seinen Füßen im Schnee herum.
Gundil hatte ihn schon längst wahrgenommen und war ganz aufgeregt. Sie befand sich genau an der Stelle, wo sie am Vortag für Kai kurz sichtbar war. Kai starrte angestrengt in die Richtung wo er das grünliche Licht gesehen hatte.
Es war ziemlich still um ihn herum. Keine Kinder trollten sich auf der Rodelbahn und nur wenige Spaziergänger schlenderten in der Ferne vorbei. Etwas ihn ihm war ganz unruhig und hörte sich murmeln: “Zeig dich.“ Gleichzeitig war er erschrocken weil er gar nicht wusste wer oder was sich zeigen sollte. Kai dachte, dass er wohl schon zu viel Startreck gesehen hatte.
Aber auch Gundil war unruhig, sie konnte die leise Stimme des Menschenkindes sogar hören und, was sie noch mehr erstaunte, auch verstehen. Sie hatte nicht gewusst, dass sie in der Lage war menschliche Sprache zu verstehen. Aber sie erinnerte sich das ihre Tante Bridit mal davon sprach, das sich einige Naturwesen auf die menschliche Stimme einstimmen könnten, egal in welcher Sprache diese zu hören war.
Nun wurde sie noch unruhiger, sollte sie dazu in der Lage sein und sollte sie dies nicht für irgendetwas bestimmtes Nutzen? Sie schob alle Bedenken, Verbote und Ängste bei Seite, versammelte ihre Energie in ihrem Mittelpunkt, atmete Lichtenergie ein und leitete sie umformend als eine Hülle von grünlichem Licht um sich herum.
Kai scharrte verloren im Schnee und schaute über den aufgekratzten Boden. Das Kreischen von einem halben Dutzend Krähen, die sich schwerfällig flatternd in die Luft erhoben, ließen ihn aus seinen Gedanken aufschrecken.
Er schaute auf und sah im gleichen Moment die grünlich schimmernde Lichtkugel, dicht über dem Boden schwebend.
"Das ist verrückt,“ dachte er und sah angestrengter in die Richtung. Es waren nur wenige Meter die er von Gundil entfernt war. Kai hielt den Atem an und erstarrte zu einer Säule.
Gundil aber, hüpfte unruhig hin und her. Ihr Licht veränderte sich hin zu ocker, gelb und schließlich zu Lila.
Dann nahm sie sich wieder zusammen und schwebte wieder etwas ruhiger in sanftem Grün über dem Boden. Kai kriegte sich wieder ein. Wenn das Ding rot wäre, würde er meinen, es sei ein pulsierendes Herz. Und tatsächlich erschien ihm das Gebilde äußerst lebendig. Er tastete sich ein paar Zentimeter in Gundils Richtung vor.
Gundil selbst war selbst ziemlich überrascht das sie so gar keine richtige Angst hatte. Sie bemerkte nur, dass sie sich etwas in die Länge zog und dichter an die Wurzelspalten heranhuschte, als sie bemerkte, dass Kai sich langsam auf sie zu bewegte.
"Vielleicht ist es besser wenn ich jetzt wieder verschwinde,“ dachte sie kurz und verwarf den Gedanken gleich wieder. Sie hatte sich schon zu weit vorgewagt und ihre Neugier war übermächtig geworden. Sie hatte noch nie etwas Aufregenderes erlebt. Selbst als die Gartenarbeiter ihre Lieblingshecken erbarmungslos kürzten, in denen sie gerade dabei war die schwächeren Triebe mit etwas mehr Energie zu versorgen und sie sich bemüht hatte die Pflanzensäfte in sie hinein zu kanalisieren.
Nun hatte sie sich schon zu weit vorgewagt und wartete gespannt auf das was da passieren würde. Und sie konnte sicher sein das sie das Interesse von Kai längst geweckt hatte.
Kai tastete sich immer weiter in Gundils Richtung vor und versuchte mit seinen Augen dieses zarte Etwas genauer zu erkennen. Er hielt den Atem an als er bis auf wenige Schritte an Gundil herangekommen war. Noch wusste er nicht was, oder wen er vor sich hatte. Er ging ganz vorsichtig in die Hocke und wiegte den Kopf hin und her um sich ein möglichst umfangreiches Bild von diesem Lichtgebilde zu machen. Gundil hatte sich eine etwas dichtere, runde Form gegeben. Sie leuchtete etwas intensiver, hatte in etwa die Größe eines kleinen Spielballes und verharrte wenige Zentimeter auf dem Boden. Kai kniete sich in den Schnee und sprach leise in Richtung des Lichtes:
"Was bist du denn für ein Ding? So etwas habe ich ja noch nie gesehen.“
Gundil verstand die Worte und sie hatte den Wunsch zu antworten, Verbindung zu diesem Menschling aufzubauen.
Aber sie wusste noch nicht wie sie das Anstellen sollte. Also tat sie das was ihr am wenigsten schwer viel, sie formte aus ihrer Lichtkugel ein Spiegelbild von Kais Gesicht. Dieser zuckte ein wenig erschrocken zurück, musste dann aber lachen als er in ein ähnlich erschrockenes, grün leuchtendes Gesicht sah.
So spielten sie eine Weile miteinander, zogen Grimassen, zwinkerten und blinzelten sich zu. Dann tat Kai etwas beinahe unerhörtes; er streckte vorsichtig seinen Finger zu dem Wesen aus und kam ganz nah an Gundils Erscheinung heran. Jetzt spiegelte Gundil nicht das Gesicht von Kai, sondern zeigte ein erschrockenes Fratze. Sofort zog Kai den Finger zurück und nickte beruhigend als sich die Züge von Gundil entspannten. Es entstand ein Moment der Stille und Kai begann schon nervös auf dem Schnee zu rutschen, da bewegte sich das Licht ganz ruhig auf Kai zu. Kai stockte der Atem, streckte aber dennoch seinen Finger und öffnete seine ganze Hand wieder in Richtung Gundil. Diesmal gab es keine erschrockene Spiegelung, Gundil bewegte sich weiter nach vorn und kam bis an die Fingerspitze von Kai heran. Sie berührten sich.
Ein wohligwarmer Schauer durchströmte Kai. Er hatte so etwas vorher nie erlebt, es strömte durch seine Fingerspitze den Arm hinauf und breitete sich in seinem ganzen Körper wie eine sanfte Welle aus und konzentrierte sich schließlich zu einem wunderbaren Gefühl in seinem Herzen. Aber auch Gundil spürte Ähnliches. Sie war es sonst die Pflanzen mit Lebensenergie versorgte, nun verspürte auch sie diese herrliche Empfindung und sie begann zartlila zu strahlen.
Für einen Moment wogten die wunderbaren Gefühle hin und her. Dieser Moment erschien Beiden als eine kleine Ewigkeit. Sie vergaßen alles um sich herum. Erst als ein großer Hund bellend auf sie zulief, brach die Verbindung ab. Gundil zog sich ganz und gar in sich zusammen und huschte in eine Spalte zwischen dem Wurzelwerk. Kai schüttelte benommen den Kopf, der Zauber war weg. Kai sagte in die Richtung wo eben noch das Licht zu sehen war, das er wieder kommen wollte, schon bald, morgen.
Er stotterte ein wenig und es kam ihm etwas albern vor so ins scheinbar Leere zu sprechen.
Gundil aber hatte verstanden. Sie zog sich wieder ins Erdreich zurück, huschte zu einem ihrer Lieblingsbäume und dehnte sich in seinem Stamm weit aus.
Kai lief die ganze Strecke durch den Park zur U-Bahn, um nicht gar so spät nach Hause zu kommen. So aufgeregt war Kai noch nie gewesen. Er konnte kaum seine Empfindungen verbergen. Viel zu sehr verwirrte ihn die Begegnung.
Schon als er durch den Stadtpark nach Hause lief, war es ihm als wäre sein Empfinden geschärft. Er sah die Welt mit anderen Augen an, hörte den Klang der Vögel, sah im Vorbeilaufen die Bäume an, als seien sie verzaubert. Kai wusste, dass er morgen wieder kommen würde.
Gundil aber war völlig erschöpft. Sie war es nicht gewohnt den Erdbereich zu verlassen. Wenn sie sich aus dem Erdreich erhob, dann durch die Kapillaren der Bäume um die Säfte bis in die Blattspitzen treiben zu lassen. Nun hatte sie sich hingegen ihrer Natur in die Luft erhoben und viel Energie aufgewandt. "Schließlich bin ich keine Elfe", dachte sie bei sich selbst und erinnerte sich an die Warnungen die sie während ihrer Erziehung mitbekommen hatte.
Ja, es war ihr verboten sich aus ihrem Bereich zu entfernen, ganz zu schweigen davon Kontakte zu Menschlingen aufzunehmen. Früher, so erzählten die Alten, soll das anders gewesen sein. Es soll eine Zeit gegeben haben, in der Menschen, Gnome, Feen, ja das ganze Naturreich miteinander in Verbindung standen. Meist waren es nur wenige Menschen die einen direkten Zugang zu diesem Reich der Feen und Elfen hatten, es bestand eine gegenseitige Achtung, ein Ahnen von der Nützlichkeit des kleinen Volkes, wie die Gnome und Trolle auch genannt wurden.
Später waren es überwiegend die weisen Frauen eines Menschenstammes, einige wenige Zauberer und vor allem die Kinder die unmittelbar Verbindung zu diesen Wesen hatte. Aber diese Zeiten waren lange vorbei. Gundil wusste, dass sie in einer großen, künstlichen Stadt lebte und das sie die schwere Aufgabe mit vielen ihres Volkes teilte, das Leben in dieser Stein und Betonwüste am Leben zu erhalten.
Sie hatte auch gehört das es immer wieder Menschen gab, die anders in die Welt schauten und auch das kleine Volk nicht vergessen hatten, die umsichtig mit der Natur umgingen, auch wenn diese Natur letztlich ein künstlich angelegter Park war. Das spielte für die Gnome und alle anderen Wesen der Natur auch keine große Rolle. Es ging schlicht darum sich und die Natur mit ihren Pflanzen, Insekten, Vögeln und all den anderen Tieren am Leben zu erhalten.
Das war ihre Aufgabe und aus diesem Grund war Gundils Familie aus einem Waldgebiet im Norden Hamburgs über verschlungene Pfade in den Stadtpark gezogen.
Hier war ihr neues Zuhause, hier lebten und arbeiteten sie, hier würden sie auch sterben.
In dieser Nacht schlief Gundil schnell ein und sie träumte von ihrem Urgroßvater, der ihr sagte sie solle Vorsichtig im Umgang mit den Menschen sein und wenn sie schon das Verbot übertrat solle sie sich nicht als Lichtenergie darstellen und im Luftraum erscheinen, sondern eine Gestalt annehmen, die den Menschen noch vertraut ist; die Gestalt eines Gomes, wie er in den Märchen der Menschen erscheint.
Auch Kai schlief schließlich erschöpft ein. Es waren ihm so viele Dinge durch den Kopf gegangen. Er glaubte sich mal als Entdecker von Außerirdischen, mal als Entdecker von geheimdienstlichen Versuchen, aber wie er auch überlegte, er konnte sich keinen rechten Reim darauf machen. An so etwas wie Gnome dachte er nicht im Entferntesten. Schließlich war er weniger mit den alten Märchen aufgewachsen, als vielmehr mit Pokemon und anderen japanischen Comicfiguren.
Am nächsten Morgen beschloss Gundil sich ihrer besten Freundin aus dem Elfenclan anzuvertrauen. Elfen waren schließlich die Bewohner der Luft und bewegten sich nicht ständig unter der Erde. Sie sahen die Menschen täglich und Gundil hoffte sehr, ja sie war sich sicher das ihre Freundin Lilith ihr weiter helfen würde.
Lilith war ein zartes, aber kein schwaches Wesen. Sie zeigte sich erstaunt, als Gundil ihr die Geschichte erzählte.
"Was willst du von dem Menschling,“ fragte sie. Lilith konnte nicht viel mit Menschen anfangen.
"Ich weiß es auch nicht so genau. Irgendetwas zieht mich zu diesem Menschen hin und ich finde es einfach aufregend mit einer Welt zu tun zu haben, die eigentlich für uns verboten ist und von der wir selten etwas Gutes zu erwarten hatten.“
"Dann pass nur auf das du dich nicht dabei verlierst, dein Kräfte falsch einschätzt und womöglich Schaden nimmst.“
"Nein, ich passe schon auf", antwortete Gundil, ohne sich ihrer selbst sicher zu sein, da sie ja nicht wusste was daraus entstehen kann. „Gut, dann musst du dich dem Menschling in einer Gestalt zeigen die er verstehen kann. Bleibe am Boden und forme eine menschenähnliche Gestalt und sprich in seine Gedanken hinein.“
"Ja, geht denn das? Ich verstehe seine Worte wohl, aber wie spreche ich in seine Gedanken?“
Lilith antwortete:“ Du brauchst dich einfach nur auf den Menschling zu konzentrieren und in Gedanken mit ihm sprechen. Du wirst bald merken, wie du ihn erreichst. Das ist alles nur eine Frage der Einstimmung und Übung.“
"Hast du denn schon Kontakt mit Menschlingen gehabt?“ fragte Gundil ungläubig.
"Natürlich, es gibt immer wieder Menschen die offen für uns sind. Ich bin sogar mit einem Menschling befreundet", (Lilith wusste das sie jetzt etwas angab) "sie heißt Anne und geht immer in den Park um Vögel zu beobachten und manchmal setzt sie sich auf eine Bank und meditiert in der Natur.“
"Was heißt das denn?“ fragte Gundil "Meditiert in der Natur?“
"Das heißt, dass sie versucht sich mit der Natur in Einklang zu bringen und Kontakt mit uns Naturwesen aufzubauen. Sie weiß von uns, weil sie uns schon immer mit ihrem Herzen wahrgenommen hat. Als sie die ersten male im Park war hat sie immer wieder gute Gedanken geschickt, die mich irgendwann einmal erreicht haben. Ich habe ihr geantwortet, habe sie anfangs aber nur verwirrt. Später habe ich mich ihr gezeigt. Es war an einem Tag in der Woche, ganz früh am Morgen. Anne spazierte am See und setzte sich an den Hang, schaute über die noch diesige Wasserfläche.
Es war ganz früh und es waren kaum Menschen unterwegs. Sie schaute dem Tanz der Mücken und einigen Libellen zu, die über dem See zu sehen waren. Ich nutzte die Gelegenheit und schob mich einfach zwischen die tanzenden Libellen und ließ ich von der Morgensonne von allen Seiten schillernd beleuchten".
„Was dann?“ fragte Gundil, die schon ganz aufgeregt war und sehr gespannt auf diese Neuigkeiten.
"Sie hat mich natürlich gesehen, hat immer wieder ihren Kopf geschüttelt, ihre Augen zusammengekniffen, um sicher zu gehen, dass sie sich nicht täuscht. Na ja, ich wollte es ihr dann auch nicht so schwer machen und habe mich aus dem Libellenschwarm gelöst und bin etwas in ihre Richtung gepflogen. Sie sah mich als eine kleine Elfe mit einem Mädchengesicht und schillernden Flügeln.“
"Was ist dann passiert?“ Gundil wurde immer unruhiger. Das hatte sie von ihrer Freundin nicht gedacht, dass sie so etwas Verbotenes tat. Sie wusste zwar das Lilith schon ganz schön mutig und erfahren war, aber von ihren Geheimnissen hörte sie das erste Mal. "Nun ich bin ein wenig um sie herum geflogen und habe versucht mich in ihre Gedanken einzustimmen.“
Sie sprach selbst Ungläubig vor sich hin und dachte erst an eine Sinnestäuschung. Als ich aber den Kontakt mit ihren Gedanken hergestellt hatte, stellte ich mich ihr vor und sagte das ich sie schon längere Zeit beobachtete und nun Kontakt mit ihr aufnehme, weil sie so nette, gute Gedanken in unsere Welt schickt und auch sehr pfleglich mit dem Park, seinen Pflanzern und Tieren umgegangen ist.“
"Sie hat mir dann erzählt, dass sie schon immer geahnt hat das es uns gibt, aber außer in ihren Kinderbüchern noch nicht viel erfahren hat. Sie erzählte mir das es aber schon Menschen gibt die an Naturwesen glauben und die sich mit uns als Elementarwesen beschäftigen. Sie bedeute mir wie sehr sie dankbar ist, jetzt einem Wesen zu begegnen.“
"Wie ist es denn weitergegangen mit euch?“ fragte Gundil und vergaß alles um sie herum.
"Was habt ihr noch gemacht, siehst du sie noch, was hat sie dir noch erzählt?“
"Stopp, Stopp, ich erzähle dir ja schon alles. Aber ich muss dir auch sagen, dass es nicht immer gut geht. Du solltest wirklich vorsichtig im Umgang mit den Menschlingen sein. Du kannst nur wenigen trauen. Du siehst was sie mit dem Park machen. Sie schmeißen einfach die Kippen ihrer Zigaretten weg, ohne sich Gedanken zu machen, dass wir (sie meinte mit wir, die Natur und die Naturwesen) diese gar nicht auflösen können. Ihnen ist es wohl egal, dass sie uns dieses Gift einfach auf den Boden schmeißen, was einfach nicht verrottet, dazu Dosen, Plastik, Glas und was es sonst noch alles von Menschlingen gibt. Oder wenn sie kreuz und quer über alles trampeln was ihnen unter die Füße kommt“.
"Ich weiß, ich weiß, erzähle mir aber lieber mehr von dieser Anne. Wie ging es weiter?“
"Ich bin doch schon die ganze Zeit dabei zu erzählen. Na wir haben uns immer mal wieder getroffen. Ich habe ihr etwas erzählt und sie hat mir von sich erzählt. Sie erzählte mir auch, dass sie Freundinnen in der Stadt hat, dienen so ähnlich wie sie denken."
"Sie feiern die Mondphasen, die Jahreszeiten, sie versuchen sich mit den guten Kräften dieser Erde zu verbinden um Kraft für ihr Leben zu bekommen. Und sooft es geht, gehen sie raus in die Natur um sie zu erfahren.“
"Das ist ja toll, vielleicht kann ich diese Anne ja auch mal kennen lernen?“
"Vielleicht, aber sie ist für einige Zeit in den Süden gezogen. Sieh erst einmal zu wie deine Geschichte mit dem Erdling weitergeht. Sei also ganz vorsichtig und vertraue ihm nicht gleich. Du musst erst einmal rauskriegen was er will und wieso er sich wirklich für dich interessiert. Und, was ganz wichtig ist, sprich nicht mit den Alten darüber. Sie würde es eh nur verbieten.“
"Lilith, ich bin doch nicht blöd, aber warum wollen sie das nicht. Was ist denn schon dabei?“
„Du kennst doch die Geschichten, welche die Alten erzählen. Sie haben schon zu viele schlechte Erfahrungen gemacht. Hier waren früher Wiesen und Ackerland, bevor die Menschen einen Park daraus gemacht haben. Hier haben schon immer Elfen, Gnome und auch Undinen gelebt. Aber sie sind fast alle vertrieben worden, als hier die Erde umgegraben wurde, Wege angelegt wurden und alles völlig verändert wurde. Mutter Erde sei Dank, haben sich wieder Naturwesen eingefunden die das hier am Leben halten. Was meinst du würde passieren, wenn es uns nicht gäbe?“
„Ich weiß nicht, aber ich habe gehört das es auch Pflanzen gibt die ohne uns wachsen. Die von den Menschen mit irgendwelchem Stoffen gedüngt werden.“
"Klar gibt es das,“ antwortete Lilith, "aber wie müssen die sich oft quälen. Sie haben eine schlechte Energie, der Boden laugt aus, es lebt kein Käfer mehr dort, die Vögle finden keine Insekten mehr und der ganze Kreislauf bricht zusammen. Dann sprühen die Menschen wieder irgendetwas über ihre Felder und halten alles nur künstlich am Leben.“
"Das habe ich ja auch schon gelernt und ich weiß von entfernten Verwandten das es wenig wirkliche Natur gibt, wo die Menschlinge nicht schon ihre Finger drin haben,“ bemerkte Gundil.
„Klar, aber es gibt auch welche die mit uns Leben und Arbeiten, die nicht gegen die Natur wirken, weil sie wissen das sie letztlich von der Natur abhängig sind. Auch wenn man es kaum glauben kann, sie sind ja schließlich auch ein Teil der Natur, auch wenn ich es nicht begreife, das sie sich das Wasser selber abgraben.“
"Du hast ja Recht Lilith und ich danke dir, dass du so offen mit mir sprichst. Ich bin froh, dass du meine Freundin bist. Aber es ist schon spät und ich muss noch die ganze Rhododendron hecken versorgen und nachher will ich doch zu diesem Menschling.“
"Ist schon klar Gundil, ich will auch weiter. Ich habe meinen Leuten versprochen den Kanal runterfliegen. Wir wollen die Elfen am Goldbekufer besuchen.“
"Ich werde dir morgen berichten wie es gelaufen ist. Jetzt werde ich mich um meine Aufgaben kümmern, auch wenn ich es gar nicht abwarten kann.“
"Gundil, sei bitte Vorsichtig und erwarte nicht zu viel. Es gibt kaum Menschen wie Anne, denen man wirklich vertrauen kann"
Als die Schule vorbei war hielt Kai nichts mehr. Er machte sich gleich auf in Stadtpark und eilte zu der Stelle an der er Gundil traf. Noch wusste er ja gar nicht wer oder was Gundil war, seine Neugier war aber geweckt und er war gespannt was aus seinen Erlebnissen wurde, oder ob sie sich nicht doch als Fantasie herausstellten.
Kai schaute sich auf der Wiese um. Wieder scharrten ein paar Krähen in der dünnen Schneedecke, wieder war es ziemlich ruhig.
Um diese Zeit, mitten in der Woche waren nicht sehr viel Menschen unterwegs und so setzte sich Kai auf eine Bank und starrte zu der Stelle herüber, wo er seine Begegnung hatte.
In seiner Ungeduld kam ihm die verstrichene Zeit sehr lange vor. Er zog seine Jacke fester an seinen Körper heran und wurde langsam schläfrig. So bemerkte er beinahe gar nicht, dass sich hinten unter dem Strauch etwas bewegte. Kai nahm es dann aber doch wahr. Es huschte etwas Kleines, Braunes am Boden entlang. Erst beinahe durchsichtig, dann verschwommen und allmählich in seiner Gestalt fester werdend. Kai dachte an E.T., rieb seine Augen, schaute angestrengt herüber. Ja, dort war etwas zu sehen, keine Lichtkugel, nichts was über dem Boden schwebte. Nein, es war etwas menschenähnliches, nur viel kleiner. Kai sah einen kleinen Gnom. (Waren Gnome nicht sowieso immer klein?) Kai erhob sich vorsichtig und kam ein paar Schritte näher. Jetzt konnte er es ganz deutlich sehen; vor ihm stand ein kleines Wesen zwischen den Wurzeln eines Baumes. Ein Wesen das von dunkler Hautfarbe war, zerzaustes Haar hatte und in brauner Kleidung steckte.
“Was bist du denn für einer?“, fragte Kai in Richtung des Wesens. “Habe keine Angst, ich tue dir nichts.“
"Warum sollte ich Angst haben?“, dachte Gundil. "Es ist doch wohl eher umgekehrt das du Angst haben könntest“
"Schließlich bist du allein hier, wir aber sind ganz viele“
Den letzten Satz erreichte Kais Gedanken Welt und er fragte ungläubig: “Hast du eben mit mir gesprochen?“
„Was denkst du denn? Natürlich war ich es, oder siehst sonst noch jemanden?“
Es tat ihr gleich leid, dass sie vielleicht etwas schroff wirkte und so fügte sie ganz mild hinzu:
"Ich heiße Gundil und wie heißt du?“
"Ich bin Kai, hallo. Ich begreife das nicht. Das ist einfach zu krass. Wie kann so etwas sein?“
"Was meinst du? Was kann so sein?“
"Na, dass du da bist, dass ich mit dir sprechen kann, dich sehen kann, überhaupt...“
"Es ist wohl eher umgekehrt. Uns gibt es schon länger als euch. Wir sind schon sehr lange auf der Erde.“
Kai schwirrten die Gedanken nur so im Kopf herum. War er nun verrückt? Nein, es war alles viel zu real und er freute sich so ein Abenteuer zu erleben.
"Was meinst du ihr seid schon länger auf der Erde?“
"Wir, das sind die Naturwesen. Völker verschiedener Art. Ich gehöre zu den Gnomen.“
“Das ist ja wie im Märchen. Gestern habe ich schon so eine komische Lichtgestalt gesehen und dachte schon an Außerirdische.“
"Das wir ich auch. Aber es ist sehr anstrengend für mich so in der Luft zu schweben und so wie ich jetzt aussehe, kannst du mich vielleicht besser wahrnehmen.“
"Ach, das ist ja Wahnsinn", dachte Kai laut. "Klar, das ist toll. Hast du etwa auf mich gewartet?“
"Natürlich, normalerweise kann man uns nicht sehen. Zumindest ihr Menschen nicht. Aber ich war Neugierig. Ich habe in deine Augen gesehen und glaube, dass du ein reines Herz hast.“
Kai wurde etwas verlegen. "Was machen wir denn jetzt?“ fragte er einfältig.

"Ich weiß nicht, vielleicht lernen wir uns ein wenig kennen. Aber es ist besser wenn wir uns einen anderen Ort aussuchen. Hier kommen mir doch zu viele Menschen vorbei.“
"Ja, wo sollen wir denn hingehen?“
"Kennst du die Blockhütte auf der anderen Straßenseite?“
"Die beim Blindengarten?“ fragte Kai.
"Nein die Ältere auf der anderen Seite der Wiese. Da kommen zwar auch Menschen vorbei, aber dort stehen mehr Bäume und Büsche. Du könntest dich da rein setzen und wir können uns unauffällig unterhalten.“
"O.K. Dann gehen wir mal los.“
"Ja, wir treffen uns da,“ antwortete Gundil "Ich gehe meine eigenen Wege, bis gleich.“
Kai starrte ungläubig auf die Stelle an der Gundil wie im Nebel verschwand. Das letzte was er erkennen konnte, war ein feiner, milchiger Lichtstreifen zwischen den Wurzeln.
Kai brauchte ein paar Minuten bis zu der Hütte, die zwar an einem Weg stand, aber von vielen Bäumen und Büschen umgeben war. Kai setzte sich auf die morsche Bank im inneren der Hütte und wartete. Aber es dauerte nicht lange da formte sich in einer Ecke die Gestalt von Gundil heraus, wie Kai sie eben gesehen hatte.
Vorbeigehende Spaziergänger konnten sie so nicht sehen und da sich die beiden über ihre Gedanken unterhalten konnten, würde Kai auch nicht auffallen.
"Gundil, sag mal, wie kann es angehen das es euch gibt? So etwas gibt es doch eigentlich nur im Märchen“
Gundil antwortete: „ Fang nicht schon wieder mit den Märchen an. Wie du siehst bin ich da, das ist doch schon genug. Nur wie es weitergehen soll, weiß ich auch nicht genau. Ich habe euch Menschlinge schon immer fasziniert beobachtet. Vieles was ich gesehen habe hat mich erschreckt, aber ich wollte nie glauben, dass ihr so schlecht seid, wie die alten immer erzählen.“
"Das ist ja krass. Wieso sollen wir so schlecht sein?“
„Na, schau doch mal was die Menschlinge mit der Natur machen.
Schon die Autos die sich durch den Park quälen und fürchterliche Gase ausstoßen. Oder der Müll der überall herumliegt.“
"Da hast du schon Recht, aber Müll kann man doch aufsammeln, so schlimm ist das doch nicht.“ entgegnete Kai.
„Nicht schlimm?“ Gundil erregte sich. "Die ganzen Zigarettenkippen allein vergiften schon den Boden, das Papier geht ja noch, aber all Plastikmüll und die Dosen verrottet einfach nicht".
„Klar, in der Schule haben wir darüber auch schon gesprochen. Aber erzähle mir doch einfach mal wie du lebst, was du machst. Gehst du in eine Schule?“
"Halt, halt, nicht so schnell. Eine Schule wie es sie bei euch gibt haben wir nicht. Lilith hat mir von euren Schulen erzählt. Wir gehen nicht speziell in eine schule. Die Familie ist für das lernen zuständig. Seit ich geboren wurde, wurde ich immer von meiner Familie unterrichtet. Eigentlich geht das den ganzen Tag über. Ich habe gelernt was um mich herum wächst, wozu ich da bin.“
„Ja dann erzähl doch mal. Was macht ihr genau?“
„Na, schau dich doch mal um. Alles was wächst, braucht Unterstützung. Sieh dort die Buche. Da haben Menschlinge überall um den Stamm herum was in den Stamm geritzt. Jetzt hat der Baum es schwer seine Säfte bis in die obersten spitzen zu treiben. Wir unterstützen nun den Baum besonders dabei, dass die Säfte wieder steigen können.“
„Und das klappt?“
„Ja, meistens schon, aber wenn der Baum zu sehr angegriffen ist, können wir ja auch nichts tun.“
„ Aber wie machst du das? Gießt du den Baum, oder wie?“, fragte Kai zweifelnd.
„So ähnlich. Wir gießen ihn mit Lebensenergie. Durch die feinen Kanäle durch die Nährstoffe und das Wasser fließen, leiten wir die Energie die in der Erde ist. Das unterstützt die Pflanzen.“
„Aber wie?“, fragte Kai.
„Das ist nicht so leicht erklärt. Es ist so ähnlich wie Elektrizität, die ja nicht eine menschliche Erfindung ist. Energie sendet die Sonne aus, die Blätter speichern dieses Licht und wandeln es in Energie um.“
„Ja, Photosynthese nennt man das,“ unterbrach Kai sie, „ das habe ich in der Schule gelernt.“
„Na, ich weiß nicht wie ihr das nennt. Aber es gibt noch eine andere feine Energie, die in einem großen Kreislauf fließt. Aus der Erde nach oben und von der Sonne nach unten. Aber oft ist dieser Energiefluss gestört und da helfen wir nach. Aber auch da wo alles in Ordnung ist, haben wir zu tun. Wir sind Unterstützer.“
„Und, fügte sie hinzu, wir sind ja nicht allein. Es gibt noch die Naturwesen der Luft und des Wassers, aber das erzähle ich ein anderes Mal.“
Kai freute sich das Gundil von einem anderen Mal sprach. Hier hatte er wirklich die Chance mal etwas Aufregendes zu erleben und neues zu erfahren.
Plötzlich wurde Gundil unruhig. Sie hatte Gedankenschwingungen von ihren Leuten aufgefangen. Gnome die in der Gegend um die Hütte arbeiteten, hatten sie wahrgenommen und waren entsetzt als sie entdeckten, das Gundil mit einem Menschling sprach und dazu auch noch eine Gestalt angenommen hat.
„Kai ich muss jetzt weg. Ich weiß nicht ob wir uns morgen wieder sehen können. Halte einfach Ausschau nach mir.“
„Aber wo finde ich dich?“
„Am besten hier bei der Hütte. Bis bald“
Von einem zum anderen Moment saß Kai allein in der Hütte. Gundil war verschwunden und Kai merkte das er traurig wurde und unwillig in dem Boden stocherte. Er sah auf seine Uhr und erschrak das es schon so spät geworden war. Er beeilte sich nach Hause zu kommen.
Am nächsten Tag konnte Kai nicht zu der Hütte kommen, er musste mit seinen Eltern am Nachmittag in die City um Kleidung einzukaufen. Natürlich gingen ihm seine Erlebnisse nicht aus dem Kopf und sein Herz pochte laut, wenn er sich in seinen Gedanken verlor.
„Wo bist du denn gerade?“, fragte seine Mutter lächelnd.
„Ach nirgends, ich träume nur so vor mich hin.“
„ Du könntest aber wirklich mal sagen ob dir die Jeans gefällt und ob sie richtig sitzt.“
„Klar, passt prima, gehen wir noch zu Mac Donalds?“
„Die Frage musste ja kommen,“ antwortete seine Mutter.
„Wenn wir deinen Vater aus der Computerabteilung raus bekommen.“
Gundil war natürlich nicht einkaufen. Sie brauchte so etwas überhaupt nicht. Alles was sie brauchten hatten sie um sich herum. Sie war aber auch nicht bei der Hütte. Gundil hatte so etwas wie Wurzelarrest, was Hausarrest für Gnome bedeutete.
Was hatte sie sich am letzten Abend alles anhören müssen. Aber egal, die Begegnung mit Kai war es ihr wert und sie wollte noch mehr herausbekommen.
Sie wollte etwas von Kais Welt sehen und so hoffte sie, dass sich bald die Gelegenheit ergeben würde sich wieder mit Kai zu treffen.
Sie musste sich einen Plan ausdenken. Gundil dachte an Lilith, die ihr vielleicht helfen könnte. Gundil konnte nicht ahnen, dass sie eine ganze Weile nichts mehr von Kai hören würde.
Frühling
An einigen Stellen im bewaldeten Teil des Stadtparks bedeckte ein Teppich von zarten Buschwindröschen den Boden. Sie streckten ihre weißen Blüten dem Sonnenlicht entgegen. Die Vögel stimmten ihre Frühlingslieder an. Alles regte sich und erwachte endgültig aus winterlicher Starre. Der kleine Rodelhügel war jetzt eine matschige Fläche und die ersten Gräser begannen den Boden zurückzuerobern.
Die Elfen tanzten auf einer kleinen Lichtung in den Strahlen der Frühlingssonne und sangen froh ihre Lieder.
Gundil feierte mit ihrer Familie ein kleines Frühlingsfest im Wurzelwerk der großen Eiche am Planetarium.
Alles war so wie in jedem Jahr. Der Alltag mit seinen vielfältigen Aufgaben, gerade jetzt im beginnenden Frühling, ließ Gundil ihre winterlichen Erlebnisse mit Kai fast vergessen. Es war Lilith, die sich Gedanken um Kai machte. Sie fasste einen Plan. Es musste doch möglich sein Kai ausfindig zu machen. Sie war schon oft aus dem Stadtpark herausgekommen, war an den Kanälen entlang geflogen, traf sich mit anderen Elfen am Elbstrand oder flog in den Norden bis zur alten Alster, dort wo früher die Burg Stegen war.
Lilith wollte ihrer Freundin Gundil einen Gefallen tun und überlegte nun, wie sie Kai finden könnte. Aber ich muss hier jetzt erst einmal eine Pause machen. Schließlich kann es noch Seitenweise so weitergehen. Kai in der Schule, Gundil bei der Pflanzenpflege im Stadtpark, Lilith schwebend über dem Stadtparksee. Ich glaube das wäre auf die Dauer langweilig.
Deshalb stelle ich mich an dieser Stelle vor. Da ich den Stadtparkelfen versprochen habe anonym zu bleiben, nenne ich meinen Namen nicht. Nur soviel; mir ist es ähnlich wie Kai ergangen und ich hatte Freundschaft mit dem kleinen Volk geschlossen. Mona und Raimon haben mir die ganze Geschichte erzählt. Sie gehören zum Wasserlilien Elfenclan und sind am Goldbekufer zu Hause, einem Kanal der von der Alster bis in den Stadtparksee führt. Mitten in Hamburg, vorbei an vielen Häusern und Gärten. Unter Brücken hindurch, über die viele Autos fahren. Ich hatte nicht erwartet, dass es in einer Großstadt Elfen, Gnome, Undinen gibt, aber ich habe gelernt, dass es ohne sie gar nicht geht. Wo sie sich zurückziehen stirbt auch die Stadt. Hamburg ist aber eine durchaus lebendige Stadt und das hat sie nicht zuletzt all den Wesen zu verdanken, die sich um Bäume, Blumen und Pflanzen an Wegen und Parks, in Hinterhöfen und Verkehrsinsel kümmern.
Tja, von Mona und Raimon habe ich nun diese Geschichte erzählt bekommen, damit ich sie dir weitererzähle. Vielleicht fragst du warum? Das ist ganz einfach, damit du die Augen aufhältst und die Wunder in deinem Park um die Ecke erkennst, das Wunder einer Butterblume, die aus dem Asphalt wächst, die Schönheit eines Gänseblümchens auf einer Verkehrsinsel, die ihre kleinen Blüten der Sonne entgegenstreckt, obwohl sie täglich von den Auspuffgasen der Autos eingenebelt wird.
Den Gesang einer Amsel lauschen lernst, dem lustigen Spiel einer Meise zuschaust, dem Flug der Möwen und den die vielen kleinen Wundern des Alltags um dich herum Aufmerksamkeit schenkst. Das ist es Wert und vielleicht siehst du auch eine der Elfen, einen Gnom, oder eine der Wasserwesen, die Undinen.
Aber nun will ich weiter berichten wie es mit Kai und Gundil doch noch zu einem Treffen kam.
Sommer
Inzwischen war es Sommer geworden. Kai war mit Freunden zum Schwimmen ins Stadtparkbad gefahren, einem Freibad das direkt an den Stadtparksee grenzt. Sie hatten Sommerferien und waren mit der U-Bahn bis Straßburgerstrasse gefahren und hatten es sich auf der großen Wiese bequem gemacht.
Nachdem sie schon eine Weile im und um das Wasser herum getobt hatten, bekam Kai Lust allein auf die andere Seite zu schwimmen. Er zog ganz ruhig seine Bahn und schwamm an der Trennmauer zum See entlang. Ein Kormoran saß auf der Mauer und streckte seine Flügel zum trocknen der Sonne entgegen.
Plötzlich bemerkte Kai ein leises schwirren um seinen Kopf herum. Er hob eine Hand aus dem Wasser um die vermeintliche Mücke zu verscheuchen. Aber das Schwirren entfernte sich nur kurz und drang dann umso deutlicher an sein Ohr.
"Sei doch vorsichtig Kai, ich bin es, Lilith!“ Kai glaubte zu spinnen, dann schoss ihm aber die ganze Erinnerung durch den Kopf. Hatte er doch seine Begegnung im Winter total verdrängt. Nun hörte er Lilith dicht neben sich sprechen. Er ruderte mit den Armen im Wasser herum und versuchte sich zu orientieren. Ja, da war Lilith, dicht neben ihm, wie eine Libelle erschien sie ihm, die aber einen feinen, menschenähnlichen Körper hatte.
Kai lief rot an und flüsterte, nicht ohne dabei Wasser zu schlucken: „ Das gibt es ja nicht, was machst du denn hier?“
„Oh, es ist eher zufällig, dass ich hier herum fliege, ich habe dich gesehen und da ich dich schon lange suche ist es doch ein richtiger Glücksfall, oder nicht?“
„Ja schon, aber wenn das jemand mitkriegt.“
„Es sind doch kaum Leute im Wasser und sie sind weit weg. Die wundern sich höchstens über deine Selbstgespräche.“
Kai antwortete: „ Na und nun? Ich kann doch nicht ewig hier rum paddeln. Wie geht es Gundil?“
„Sie hat seit eurem letzten Treffen eine Menge Ärger bekommen, aber es geht ihr gut. Sie muss dich unbedingt wieder sehen.“
Und ehe Kai antworten konnte, sagte Lilith noch zu ihm: „Komm morgen um 10 Uhr zu der alten Blockhütte, dort werdet ihr euch sehen.“
Dann war sie auch schon verschwunden und ließ Kai in dem Wasser verwirrt zurück. Kais Freunde fanden sein Benehmen schon etwas merkwürdig. Nachdem Kai aus dem Wasser kam, war nichts mehr mit ihm anzufangen. Er wirkte völlig verwirrt und verändert.
Es ging ihm ja auch wieder einiges durch den Kopf. Hatte er doch seine Begegnungen mit den Naturwesen im Winter und Frühling in die hinterste Ecke seines Gehirns geschoben, jetzt war alles wieder da.
Mit wenig glaubwürdigen Ausreden verabschiedete sich Kai von seinen Freunden, packte seine Badesachen zusammen und ging träumend zur U-Bahn.
Morgen würde er zu dem Treffpunkt kommen, das war ihm ganz klar, schließlich hatte er Ferien und es würde keine Probleme machen wegzugehen.
Kai war aufgeregt wie an Weihnachten, konnte kaum schlafen und machte sich gleich nach dem Frühstück auf in den Stadtpark. Er begegnete ein paar Joggern und Leuten die ihre Hunde ausführten. Aber es war noch angenehm ruhig und frisch im Park.
Kai setzte sich auf die Bank in der Hütte und schaute angestrengt herum.
" Hallo Kai, schön das du gekommen bist", flüsterte Gundil aus einem Busch hervor. Sie hatte sich ein ausgesprochen hübsches, gnomenhaftes Aussehen gewählt.
"Hallo Gundil, ich habe dich ziemlich vermisst und manchmal hatte ich schon geglaubt alles nur geträumt zu haben."
" Gut es ist alles wahr. Ich hatte viel Ärger wegen unseres Treffens. Ich sollte mich nicht mit Menschlingen einlassen, aber ich möchte dich nicht einfach vergessen, oder dir aus der Ferne zuschauen, wenn du im Park bist."
Kai antworte:" Ich möchte auch den Kontakt mit dir, ich möchte von dir lernen und deine Welt Kennen lernen."
"Kai, das wird nicht ganz einfach sein, aber es gibt mehre Naturwesen die Kontakt mit Menschen haben, oder dies Wünschen. Ich war bei einem geheimen Treffen dabei."
Kai unterbrach sie:" Geheimes Treffen, das hört sich spannend an. Ihr probt doch keinen Aufstand?"
"Nein, wir glauben einfach, dass wir mit den Menschlingen zusammen arbeiten sollten. Es sind schwere Zeiten. Es geht euch doch immer ums Geld. Alles was ihr tut muss sich lohnen und da ist es dann egal ob wieder ein Stück Natur einer Straße oder einem Haus geopfert wird."
Gundil wiegte ihren Kopf nachdenklich zur Seite, blinzelte in die Sonnenstrahlen, die sich ihren Weg durch das Blattwerk bahnten.
"Ich glaube ich verstehe, aber was kann man tun? Ihr könnt euch doch nicht aller Welt zeigen. Man wird euch untersuchen wollen, auseinander nehmen und analysieren."
"Mach mir keine Angst, Kai. Das haben wir uns schon überlegt. Wir müssen uns auf ein paar Menschen beschränken, denen wir vertrauen können und die können wir in unsere Pläne einbeziehen."
"Und du glaubst, dass ich vertrauenswürdig genug bin? Ich bin doch noch so jung und habe wenig Möglichkeiten,“ entgegnete Kai.
"Aber du hast ein offenes Herz, bist neugierig und hast genug Fantasie."
"Danke, danke, aber was soll ich tun?"
"Nun, da gibt es schon etwas. Hinter dem Planetarium gibt es doch die Sportarena. Wir haben gehört, das dort Parkplätze gebaut werden sollen, die einfach ein Stück Park ersetzen sollen."
"Was?" Kai wirkte etwas ungläubig. "Ist das denn so schlimm? Der Park ist doch ziemlich groß."
Gundil wurde dunkelrot "Das ist es gerade. Ihr sagt immer dass es doch nur ein Stück ist. Aber hier ein Stück, da ein Stück, ein neuer Parkplatz, eine Straße und schon fehlt uns und der Natur wieder Raum zum Leben." "Verstehe", antwortete Kai, "aber ist das in dem Fall wirklich so schlimm?"
"Und ob, in dem Gebiet hat der Eibenclan seine Wohnungen. Die gehen kaputt wenn darüber einfach ein Parkplatz entsteht."
Wieder brachte Kai ein; "Verstehe" heraus, überlegt kurz und fragte dann: "Aber was kann ich denn da machen. Ich bin ein Kind."
Gundil antwortete: "Das werden wir noch überlegen, deshalb will ich dich zu unserer Versammlung einladen. Würdest du kommen?"
„Klar, ist mir eine Ehre, sag nur wann und wo."
„Kai, es ist vielleicht nicht ganz ungefährlich. Wir treffen uns in drei Tagen beim nächsten Vollmond, gleich nach Sonnenuntergang an den Ententeichen."
„O.K., ich werde sehen was sich machen lässt. Wo soll dort das Treffen sein?"
„Kennst du die Brücke die über den Teich geht?"
Kai bejahte.
„Dort ist auf der anderen Seite ein Steg, der ins Wasser führt. Da soll es sein."
Ein paar Jogger kamen angerannt, hielten an der Hütte und begannen mit Dehnungsübungen.
Gundil verschwand wie eine platzende Seifenblase. Kai wusste nun was er machen würde und trollte sich davon.
Kai kam ohne Probleme von zu Hause weg, da seine Eltern eingeladen waren. Er fuhr möglichst dicht an den Park heran, damit er nicht im Halbdunkel über die ganze Wiese laufen musste.
Es war ihm schon etwas mulmig zumute, seine Neugier war aber stärker. Der Mond tauchte die Gegend in ein silbriges, mystisches Licht. Kai brauchte eine Weile um sich zu orientieren, dann stand er in der Nähe der Brücke und sah angestrengt in die Dunkelheit.
Erst konnte Kai gar nichts erkennen, dann schien es ihm als tanzten vor seinen Augen Glühwürmchen in der Dunkelheit. Kai ging auf die kleinen leuchtenden Punkte zu. Sie flogen auf ihn zu und schwirrten schließlich um ihn herum.
Als erstes hörte er Lilith Stimme an seinem Ohr.
„Das ist ja schön, dass es geklappt hat. Wir haben dich schon erwartet, obwohl einigen gar nicht so wohl dabei ist.“
Kai sprach in Richtung der leuchtenden Punkte: „ Mir ist es auch nicht leicht gefallen, so spät war ich noch nie alleine weg. Was liegt nun an?“
„Folge uns einfach in der Buschgruppe, dort werden wir dich in eine andere Schwingung versetzen, damit dich nicht doch noch jemand sieht und damit du uns alle sehen kannst. Für die meisten ist es fast unmöglich sich den Menschen in körperlicher Gestalt zu zeigen.“
Es dauerte nicht lange und Kai saß im Schutz einiger Büsche, die einen Halbkreis am Rande des Ententeiches bildeten. Die vermeintlichen Glühwürmchen bildeten eine Kugel um ihn herum und schollen zu einer grünlich schimmernden Lichtkugel an, die ihn umschloss. Kai spürte eine Wärme, die ganz anders war, als die sommerliche Hitze die ihn umgab. Es war eine Wärme die sich nach innen fortsetzte und sein Herz erreichte. Ihm wurde schwindelig und als er die Augen nach einer Weile wieder öffnete, sah er sich in einem Kreis der merkwürdigsten Wesen, die er je in seinem Leben gesehen hatte, nicht einmal in einem Film.
Kai erkannte aber gleich Gundil und Lilith, die eine für Kai gewohnte Gestalt angenommen hatten.
Es waren noch drei kleinere, gnomeähnliche Gestalten zu erkennen und zwei elfenartige Wesen, die wie Lilith mit zarten Flügeln über dem Boden flirrten.
„So, sagte Gundil, jetzt kann dich kein Mensch mehr sehen, höchstens einen Lichthauch.“
Kai sah an sich herunter. Er konnte keine wirkliche Veränderung wahrnehmen. Es war alles noch so wie es sein sollte. Er nahm nur einen Lichtschimmer wahr, der um seinen Körper herum ganz fein strahlte.
„So und jetzt bin ich nicht mehr zu sehen? Na, dann mal los.“
Kai rieb sich immer wieder die Augen, sie war alles andere, als die Art von Versammlung, die er kannte (und er kannte eigentlich nur die politischen Versammlungen der Parteien im Fernsehen).
Nichts schien geordnet. Die Gnome saßen dicht beieinander auf der Erde, die Elfen schwirrten in Kugelformation mal hier und dort hin.
Dann gab es noch die Wesen, die sich zumeist im Wasser aufhielte. Sie trieben am Rande des Ententeiches. Einige von ihnen hatten es sich in einer Pfütze bequem gemacht. Dazwischen saß Kai selbst. Wie ein Riese, dessen Kopf in das schwirrende Gebilde der Elfen ragte.
Im gleichen Moment überlegte er ob er nicht zu forsch war. Schließlich wusste er doch gar nicht um was es ging und komisch war es schon, so zwischen vielen merkwürdigen Wesen zu sitzen. Gundil und Lilith schienen seine Gedanken zu ahnen und waren ihm ganz nahe um ihm etwas Sicherheit zu geben.
Mogward, ein alter Gnom begann mit einer tiefen Stimme zu sprechen:
„Wie ihr ja alle wisst, ist es nicht leicht in dieser Menschenwelt zu leben. Unser Lebensraum war schon immer bedroht, aber in den letzten Sonnenzeiten ist es noch schwerer geworden. Hinter dem Ding was die Menschlinge Planetarium nennen, wollen sie aus der Veilchenwiese einen Platz für ihre schrecklichen Autos machen.
Nun, was können wir Tun? Ich gebe das Wort an Lundalf, der uns einen wichtigen Vorschlag machen will.“
Lundalf war ein Elf, der einem Jungen ähnlich war. Er erschien Kai mit einer Pluderhose, die von einem breiten, schwarzen Gürtel zusammengehalten wurde. Er trug ein kurzärmeliges Shirt mit einer Weste darüber. Sein volles, braunes Haar lugte unter einer Kappe aus einer Eichel hervor. Er hatte wie alle Elfen spitze Ohren, bei deren Anblick Kai an Mr. Spock, dem Vulkanier aus Enterprise denken musste. Die Flügel saßen wie die Samen des Ahornbaumes auf seinem Rücken. Mit einer klaren, hellen Stimme begann Lundalf:
„Danke Mogward, ja es ist Zeit etwas zu unternehmen. Wir leben hier nun schon so lange die Menschlinge diesen Park gestaltet haben, einige lebten schon vorher hier. Wir alle haben viele Veränderungen mitgemacht, aber vor allem haben wir diesen Park mit zu dem gemacht was er jetzt ist. Ohne uns hätten sich die Bäume nicht so entwickeln können. Viele kommen gar nicht aus dieser Gegend und werden von den Menschlingen als exotisch bezeichnet. Diese Bäume hatten große Anpassungsschwierigkeiten. Aber wir haben sie in ihrem Wachstum unterstützt und sie gepflegt.
Wir brauchen unseren Lebensraum und so geht es nicht an noch mehr Platz herzugeben.“
„Nun komm schon zur Sache,“ warf Mondgnom ein.
„Ja klar, ihr kennt das ja alles schon. Aber wir hatten noch nie einen Menschling bei unseren Beratungen dabei.“ Er schaute freundlich lächelnd zu Kai herüber.
„Also, ich habe eine Idee wie wir den Bau des Parkplatzes verhindern können; Wir müssen die Wiese zu einem für die Menschen besonders schützenswerten Platz machen...“
In der Versammlung ging ein Raunen herum. Der Mondgnom rief ein: „ Das alles hier ist schützenswert. Aber die Menschlinge haben ganz andere Maßstäbe.“
Lundalf entgegnete: „ Ich weiß, aber wir können ihnen nur mit ihrem eigenen System begegnen.
Mein Plan ist ganz einfach.
Wir müssen auf der Wiese Pflanzen wachsen lassen, die für Menschlinge zu den Natur geschützten Pflanzen gehören.“
Einen Moment war es still. Kai sah sich in der Reihe um und blickte in fragende Gesichter. Dann hob Lundalf mit ruhiger Stimme an und sagte:
„Wir müssen einheimische Pflanzen auf die Wiese bringen, die von den Menschlingen unter Naturschutz gestellt wurden.“ „Welche meinst du?“, fragten einige durcheinander.

„Na ist doch klar; wir wissen das Einheimische Orchideen dazu gehören, wie Frauenschuh und Knabenkraut. Wenn die auf der Wiese wachsen würden, werden sie keinen Parkplatz daraus machen.“
Damit war es raus. Das war also der Plan. Kai fand das ziemlich logisch und sah neugierig in die Runde um die Reaktionen der Anderen mit zubekommen. Im weiteren Verlauf der Versammlung erfuhr er dann seinen Part bei der Sache. Er war auserkoren dabei zu helfen diese Pflanzen zu besorgen und dort einzupflanzen. Er sollte sich auch darum kümmern den Naturschutz und die Medien auf die Wiese mit ihren Pflanzen hinzuweisen. Dieser Plan wurde noch eine ganze Zeit debattiert. Kai fiel auf wie ernst Lundalf genommen wurde. So ernst hatten ihn die Erwachsenen nie Ernst genommen. Dieser Lundalf machte auf Kai mächtig Eindruck. Lilith und Gundil nahmen Kais bewundernde Blicke war und nickten zustimmend, wohl wissen das Kai einen neuen Freund gefunden hatte.
Es wurde noch eine ganze Zeit debattiert. Die Versammlung wurde zu einem richtigen Vollmondfest, bei der gelacht, getanzt und gesungen wurde. Manche brachten Lieder zu Ehren von Mutter Erde hervor, Andere sangen Mondlieder, zitierten Gedichte und erzählten Geschichten.
Als Ergebnis der eigentlichen Versammlung, wurde beschlossen das kleine Volk vom Sachsenwald ebenso um Hilfe zu bitten, wie die Moorelfen, das Volk vom Elbhang und den Schlangengnomen vom Duvenstedter Brook.

Herbst
Nach einigen Wochen waren die Vorbereitungen soweit fertig.
Sie arbeiteten alle prima miteinander. Kai und Lundalf verband schon sehr bald eine tiefe Freundschaft, die in ähnlicher Weise mir Gundil bestand. Gundil war schließlich die Erste, die sich Kai gezeigt hatte und mit der das Ganze Abenteuer begann. Allerdings saß Kai auch so manche Stunde zu Hause über seinen Büchern und lernte. Bisher wusste er das Blumen, Blumen waren, Bäume, Bäume, Gras, Gras. Von all der Vielfalt hatte er so gut wie keine Ahnung. Jetzt brütete er über Bestimmungsbüchern, lernt die Unterschiede der verschiedenen Pflanzenarten kennen. Er passte im Biologieunterricht plötzlich auf, sah sich Natursendungen im Fernsehen an, informierte sich beim Naturschutzbund, bei den Vogelkundlern, Green Peace und Robin Wood.
Seiner Familie kam das Anfangs komisch vor, aber sie gewöhnten sich schnell daran, zumal Kai schon öfter Feuer und Flamme für neue Sachen war, was aber immer wieder schnell abflachte.
Kai saß oft im Stadtpark unter einem der großen Bäume und sprach mit seinen neuen Freunden. Mit Gundil, Lilith und Lundalf. Sie unterhielten sich meist über ihre Gedanken, um nicht aufzufallen. Kai rutschte aber immer mal wieder ein Satz heraus und so erschrak er immer wieder, wenn sich fremde Menschen erschrocken zu ihm umdrehten, oder den Kopf schüttelten, weil sie meinten das er wohl nicht ganz richtig im Kopf sein würde.
Aber Kai störte das nicht sehr, zu wichtig waren ihn seinen neuen Freund geworden. Er hatte schließlich jetzt eine wichtige Aufgabe, an der das Wohl vieler Wesen hing. Viel hing von seinem Einsatz ab. Das wusste Kai wohl, ohne jetzt überheblich zu werden.
Aber es machte ihn auch ein wenig stolz. Er war ausgewählt worden diese wichtige Aufgabe zu übernehmen und er stand mittlerweile voll hinter dem Gedanken das kleine Volk und die Natur schützen zu wollen.

„Hallo Kai, schön das du es geschafft hast.“ ließ sich die Stimme von Lundalf vernehmen, bevor Kai ihn überhaupt sehen konnte.
„Ist doch Ehrensache. Schließlich waren wir doch verabredet. Wie sieht es aus?“, fragte Kai in Richtung der Stimme. Und als so ins vermeintlich Leere sprach, nahm er auch schon das Schwirren von Lundalfs Flügel war. Schließlich nahm Lundalf auf einem Baumstumpf Platz und sah neugierig zu Kai herüber.
„Oh,“ antwortete Lundalf, „ es sieht gut aus. Der Moorclan hat schon Frauenschuh und Knabenkraut ausgegraben und sicher gelagert. Du brauchst die Pflanzen nur abholen und wir können sie auf der Wiese einpflanzen.“
„Prima, ich freue mich schon, bisher hat ja alles gut geklappt und im Herbst müssen wir ja auch damit fertig werden.“
„Ja, das schaffen wir schon. Mach dir man keine Sorgen!“ erwiderte Lundalf.
„Was macht Gundil?“, fragte Kai.
„Sie hat viel zu tun. Ihre Sippe billigt den Kontakt mit dir immer noch nicht und verpasst ihr immer neue Arbeiten in irgendwelchem Wurzelwerk, möglichst tief unter der Erde.“
„Grüße sie bitte von mir. Du wirst sie sicher eher sehen, als ich in der nächsten Zeit. Sag ihr dass ich sie sehr vermisse.“
„Klar mach ich. Ich habe schon überlegt, ob wir nicht ein kleines Fest machen, wenn wir die Pflanzen hier haben. Wir könnten mit Gundil, Lillith und den Anderen ein kleines Fest am Ententeich machen.“
„Prima“ warf Kai ein. „Das finde ich toll, Kai. Ich besorge dann auch von dem berühmten Sonnennektar, den wir aus den Blüten der feinsten Blumen gewinnen. Gundil kann uns mit Wurzeln versorgen, so haben wir gleich noch was zu knabbern. Aber erst einmal müssen die Pflanzen sicher hierher gebracht werden, dann werden wir wirklich Grund zum Feiern haben.“
So unterhielten sie sich noch eine ganze Weile, tauschten ihre Gedanken aus und wussten beide, dass sie Freunde waren trotz aller Unterschiedlichkeit. Und Jeder von ihnen war stolz das er den Anderen kannte und ihn als Freund betrachten konnte.
Und sie wussten, dass sie ein sehr gutes Team waren, vereint mit Lilith, Gundil und ein paar anderen Freunden. So schnell konnte niemand ihnen etwas vormachen. Alle Verbote die Gundil einschränkten wirkten nur kurzfristig. Zu stark waren ihre Bande und die Aufgabe, die in aller Interesse lag. Das sahen sogar Gundils Eltern. Und so versuchten sie ihre Abneigung gegen die Menschlinge zumindest Kai gegenüber aufzugeben.
Für Kai begannen aufregende Stunden. Für sein Alter musste er relativ spät in den schon beinahe dunklen Stadtpark um die Pflanzen heimlich einzupflanzen.
Kai kam meist ohne Probleme zu der Wiese, musste dann aber immer wieder inne halten, weil irgendwelche Leute mit ihren Hunden vorbeikamen, oder Jogger. Letztere nahmen aber kaum Notiz von Kai. Sie waren zu sehr mit ihrem Lauf beschäftigt.
Gundil, Lillith, Lundalf und Kai wurden zu engen Freunden. So oft es ging war Kai im Park, saß unter einem der Bäume und flüsterte mit seinen Freunden.
Das Fest das sie nach dem Einpflanzen feierten wurde eine grandiose Sache. Es fand natürlich wieder bei den Ententeichen statt. Wieder war Vollmond. Nur war es diesmal nicht so spät, denn der Herbst war schon fast vorbei. Trotzdem war es ein rauschendes Fest. Alle waren gekommen, die Elfen, Gnome, die Wasserwesen, Kai und seine Schwester, die zu einer Vertrauten von Kai geworden war. Die Elfen führten einen Glühwürmchen Tanz auf, flirrten über dem Ententeich mal im Kreis und dann wieder ganz andere Formationen. Kai standen die Tränen in den Augen, besonders als ihm zu Ehren ein Elfenchor erklang, der von ruhmreichen Taten sprach, die mit einem offenen und liebenden Herzen beginnen.
Spät, als der kühle Wind, der vom nahenden Winter sang, löste sich die Festversammlung langsam auf. Die Wasserwesen glitten einfach unter die silbrig schimmernde Wasseroberfläche. Die Elfen schwirrten in die Verschiedensten Richtungen davon. Gundil hauchte Kai noch einen kleinen Energiekuss auf seine Nasenspitze. Maike ergriff die Hand ihres Bruders und zog ihn in Richtung Heimat. Kai sah angestrengt zurück in das Dunkel, rief leise die Namen von Gundil, Lundalf, Lillith, rief Danke zu Gundils Mutter Elma, zu Bridit, Mogward und dem Mondgnom. Am Ende schliefen sie erschöpft in ihren Betten ein, zwischen Wurzeln und Blatthaufen, in Wassersenken und Moosbetten, oder wie Maike und Kai in warmen Federbetten. Alle träumten von den Pflanzen die im Frühjahr aus dem Boden sprießen und somit den Bau eines hässlichen Parkplatzes verhinderten.
Jeder und Jede von Ihnen sah in seinen Farben und Vorstellungen wie alles wuchs und gedieh und sich schließlich auch die Menschen über diese Prachtwiese freuten.
 



 
Oben Unten