Vitelli
Mitglied
Marten war pünktlich. Er hatte das Café auf Anhieb gefunden, und das freute ihn.
Frank erschien zehn Minuten später, zog sein Sakko aus, legte es fein säuberlich über die Lehne und setzte sich Marten gegenüber. „Schön dich zu sehen - wie geht es dir?“
Marten sagte, dass es ihm gut ginge.
„Hast du schon bestellt?“
Marten verneinte.
Frank gab dem Kellner einen Wink; sie schienen sich zu kennen.
Nachdem beide bestellt hatten, sagte Frank: „Und - wie läuft’s? Noch in Kurzarbeit?“
Marten nickte. „Diese Woche noch."
„Volles Gehalt und schön zuhause … das gibt’s echt nur bei euch.“ Frank schüttelte lachend den Kopf.
„Nur wer direkt für VW arbeitet, bekommt vollen Lohnausgleich. Wir Subunternehmer kriegen 70 Prozent."
„Ah so. Aber du kommst klar, oder?“
Marten nickte.
„Wo bleibt die denn?“ Frank sah auf die Uhr. „Hast du was gehört?“
„Ich? Von ihr? Nee.“
„Ich ruf sie mal an…“
Nachdem Frank aufgelegt hatte, sagte er: „Ist gleich da.“
Julia, zwei Jahre jünger als die beiden, küsste Frank zur Begrüßung; es war ihr nicht ganz so unangenehm wie Marten, der den Blick gesenkt hielt.
Frank rutschte zur Seite, damit Julia Platz nehmen konnte.
„Wie geht es dir, Marten?“, fragte Julia. „Was hat der Arzt gesagt?“
„Arzt?“ Frank sah zuerst zu Julia dann zu Marten.
Marten sagte: „Konnte so nichts feststellen. Hat mir Blut abgenommen. Sollte heute anrufen für das Ergebnis, aber die … das Mädchen am Telefon, wollte nichts sagen. Soll morgen vorbeikommen - der Doktor will mit mir sprechen.“
„Was hast du denn?“, fragte Frank.
„Weiß nicht. Ab und zu ist mir schwindelig.“
„Und Nasenbluten“, ergänzte Julia.
„Und Nasenbluten“, wiederholte Marten.
Schweigen.
„Ach“, sagte Frank, „da mach dir mal keine Sorgen. Das - da wird schon nichts sein.“
Julia nickte. „Oder er verschreibt dir was.“
„Genau“, sagte Frank.
Marten nickte.
„Und wie geht es Mu - deiner Mutter?“, fragte Julia.
Marten senkte unweigerlich den Blick. „Ist wieder von Normal auf Intensiv gekommen. Das dritte Mal jetzt.“
Julia griff reflexartig nach Martens Hand, der daraufhin kurz aufsah.
Der Kellner kam mit den Getränken, und Frank war froh, dass das Händchenhalten ein Ende hatte.
„Also Marten“, sagte Frank, „kommen wir nun zur, äh, zum Thema.“
„Klar.“ Marten schlug seinen Terminkalender auf und nahm den Stift in die Hand.
Julia und Frank warfen sich einen flüchtigen Blick zu.
„Marten“, sagte Frank eindringlich, „ich - wir denken nicht, dass das so klappt, wie du dir das vorstellst.“
„Wie meinst du das?“ Martens Blick wanderte zwischen Frank und Julia hin und her.
„Wie hast du dir das denn genau vorgestellt?“
„Na“, sagte Marten, „so wie das eben abläuft. An den Wochenenden halt.“
Frank und Julia reagierten nicht.
„Oder jedes zweite Wochenende?“
„Marten“, sagte Frank, „wir denken, du solltest Marie nicht mehr sehen.“
„Aber warum - ich bin doch schließlich … immerhin … du weißt schon, die letzten Jahre.“
„Verstehe das bitte nicht falsch, Marten. Ich - wir sind dir unheimlich dankbar; wir wissen wie sehr sie dich … mag. Und du warst immer gut zu ihr, das weiß ich, und Julia sowieso. Es ist nur -“
„… nur was?“
„Es besteht ja keine wirkliche Bindung, oder wie immer man das nennen will. Ich mein … ich mein, wenn ihr jetzt verheiratet gewesen wärt, oder du sie adoptiert hättest … Aber so …“
„Ich hab sie erzogen!“
Julia schaute Marten an.
„Mit erzogen“, korrigierte Marten.
„Und wie gesagt, das wissen wir zu schätzen … nur: Sie kommt doch jetzt in die Schule, ein ganz neuer Lebensabschnitt, und Julia und ich wohnen wieder zusammen, wie du ja weißt. Und -“
Julia und Frank sahen sich an.
„Und was?“
„Wir bekommen noch ein Kind.“
Frank griff nach Julias Hand, und Marten wurde ganz flau im Magen.
„Das ist ja schön“, sagte Marten, nachdem er sich wieder gefangen hatte. „Ich freue mich für euch, aber -“
„Marten“, sagte Frank, „wir können Marie das nicht zumuten - wie soll sie das denn alles verstehen? Und, mal ganz ehrlich, wie sieht das denn aus, wenn ein - versteh das nicht falsch - fremder Mann mit ihr kuschelt oder auf dem Spielplatz spielt … Wenn da mal passiert, wie sollen wir das erklären? In der heutigen Zeit!“
Marten schossen die Tränen in die Augen, und Julia nahm seine Hand.
Frank sagte: „Es ist ´ne total doofe Situation für uns alle, aber wir müssen jetzt an Marie denken und an niemand sonst.“
Marten weinte.
„Du kannst dir selbstverständlich einen Anwalt nehmen … Ich hab keine Ahnung wie sowas rechtlich ist, aber, um ehrlich zu sein, ich glaub, da ist nichts zu machen.“
Marten schüttelte den Kopf - er konnte das alles gar nicht begreifen. „Aber ich hab sie doch so lieb …“
„Das wissen wir, und sie weiß das auch! Aber wir müssen nach vorne schauen. Und vielleicht ist es auch für dich ganz gut, wenn du einen Abschluss findest …“
Marten wischte sich die Tränen aus den Augen. „Und Maries Sachen?“
„Die holen wir ab.“ Und dann, nach einer Pause: „Toll, dass du so verständnisvoll bist.“
Marten schaute zur Seite, und Frank nutzte die Gelegenheit um Julia anzustubsen. „Wir müssen dann jetzt.“
Frank und Julia standen auf.
Marten suchte Julias Blick, und Julia streichelte seine Wange. „Danke für alles, Marten. Du hast mir sehr gut getan.“
Marten schossen wieder die Tränen in die Augen.
„Ich geh eben zahlen“, sagte Frank, dem das sichtlich unangenehm war.
Marten wartete bis die beiden das Lokal verlassen hatten - er musste das erstmal sacken lassen. Er wollte soeben aufstehen, da vibrierte sein Handy - die Nummer vom Krankenhaus wurde angezeigt.
Frank erschien zehn Minuten später, zog sein Sakko aus, legte es fein säuberlich über die Lehne und setzte sich Marten gegenüber. „Schön dich zu sehen - wie geht es dir?“
Marten sagte, dass es ihm gut ginge.
„Hast du schon bestellt?“
Marten verneinte.
Frank gab dem Kellner einen Wink; sie schienen sich zu kennen.
Nachdem beide bestellt hatten, sagte Frank: „Und - wie läuft’s? Noch in Kurzarbeit?“
Marten nickte. „Diese Woche noch."
„Volles Gehalt und schön zuhause … das gibt’s echt nur bei euch.“ Frank schüttelte lachend den Kopf.
„Nur wer direkt für VW arbeitet, bekommt vollen Lohnausgleich. Wir Subunternehmer kriegen 70 Prozent."
„Ah so. Aber du kommst klar, oder?“
Marten nickte.
„Wo bleibt die denn?“ Frank sah auf die Uhr. „Hast du was gehört?“
„Ich? Von ihr? Nee.“
„Ich ruf sie mal an…“
Nachdem Frank aufgelegt hatte, sagte er: „Ist gleich da.“
Julia, zwei Jahre jünger als die beiden, küsste Frank zur Begrüßung; es war ihr nicht ganz so unangenehm wie Marten, der den Blick gesenkt hielt.
Frank rutschte zur Seite, damit Julia Platz nehmen konnte.
„Wie geht es dir, Marten?“, fragte Julia. „Was hat der Arzt gesagt?“
„Arzt?“ Frank sah zuerst zu Julia dann zu Marten.
Marten sagte: „Konnte so nichts feststellen. Hat mir Blut abgenommen. Sollte heute anrufen für das Ergebnis, aber die … das Mädchen am Telefon, wollte nichts sagen. Soll morgen vorbeikommen - der Doktor will mit mir sprechen.“
„Was hast du denn?“, fragte Frank.
„Weiß nicht. Ab und zu ist mir schwindelig.“
„Und Nasenbluten“, ergänzte Julia.
„Und Nasenbluten“, wiederholte Marten.
Schweigen.
„Ach“, sagte Frank, „da mach dir mal keine Sorgen. Das - da wird schon nichts sein.“
Julia nickte. „Oder er verschreibt dir was.“
„Genau“, sagte Frank.
Marten nickte.
„Und wie geht es Mu - deiner Mutter?“, fragte Julia.
Marten senkte unweigerlich den Blick. „Ist wieder von Normal auf Intensiv gekommen. Das dritte Mal jetzt.“
Julia griff reflexartig nach Martens Hand, der daraufhin kurz aufsah.
Der Kellner kam mit den Getränken, und Frank war froh, dass das Händchenhalten ein Ende hatte.
„Also Marten“, sagte Frank, „kommen wir nun zur, äh, zum Thema.“
„Klar.“ Marten schlug seinen Terminkalender auf und nahm den Stift in die Hand.
Julia und Frank warfen sich einen flüchtigen Blick zu.
„Marten“, sagte Frank eindringlich, „ich - wir denken nicht, dass das so klappt, wie du dir das vorstellst.“
„Wie meinst du das?“ Martens Blick wanderte zwischen Frank und Julia hin und her.
„Wie hast du dir das denn genau vorgestellt?“
„Na“, sagte Marten, „so wie das eben abläuft. An den Wochenenden halt.“
Frank und Julia reagierten nicht.
„Oder jedes zweite Wochenende?“
„Marten“, sagte Frank, „wir denken, du solltest Marie nicht mehr sehen.“
„Aber warum - ich bin doch schließlich … immerhin … du weißt schon, die letzten Jahre.“
„Verstehe das bitte nicht falsch, Marten. Ich - wir sind dir unheimlich dankbar; wir wissen wie sehr sie dich … mag. Und du warst immer gut zu ihr, das weiß ich, und Julia sowieso. Es ist nur -“
„… nur was?“
„Es besteht ja keine wirkliche Bindung, oder wie immer man das nennen will. Ich mein … ich mein, wenn ihr jetzt verheiratet gewesen wärt, oder du sie adoptiert hättest … Aber so …“
„Ich hab sie erzogen!“
Julia schaute Marten an.
„Mit erzogen“, korrigierte Marten.
„Und wie gesagt, das wissen wir zu schätzen … nur: Sie kommt doch jetzt in die Schule, ein ganz neuer Lebensabschnitt, und Julia und ich wohnen wieder zusammen, wie du ja weißt. Und -“
Julia und Frank sahen sich an.
„Und was?“
„Wir bekommen noch ein Kind.“
Frank griff nach Julias Hand, und Marten wurde ganz flau im Magen.
„Das ist ja schön“, sagte Marten, nachdem er sich wieder gefangen hatte. „Ich freue mich für euch, aber -“
„Marten“, sagte Frank, „wir können Marie das nicht zumuten - wie soll sie das denn alles verstehen? Und, mal ganz ehrlich, wie sieht das denn aus, wenn ein - versteh das nicht falsch - fremder Mann mit ihr kuschelt oder auf dem Spielplatz spielt … Wenn da mal passiert, wie sollen wir das erklären? In der heutigen Zeit!“
Marten schossen die Tränen in die Augen, und Julia nahm seine Hand.
Frank sagte: „Es ist ´ne total doofe Situation für uns alle, aber wir müssen jetzt an Marie denken und an niemand sonst.“
Marten weinte.
„Du kannst dir selbstverständlich einen Anwalt nehmen … Ich hab keine Ahnung wie sowas rechtlich ist, aber, um ehrlich zu sein, ich glaub, da ist nichts zu machen.“
Marten schüttelte den Kopf - er konnte das alles gar nicht begreifen. „Aber ich hab sie doch so lieb …“
„Das wissen wir, und sie weiß das auch! Aber wir müssen nach vorne schauen. Und vielleicht ist es auch für dich ganz gut, wenn du einen Abschluss findest …“
Marten wischte sich die Tränen aus den Augen. „Und Maries Sachen?“
„Die holen wir ab.“ Und dann, nach einer Pause: „Toll, dass du so verständnisvoll bist.“
Marten schaute zur Seite, und Frank nutzte die Gelegenheit um Julia anzustubsen. „Wir müssen dann jetzt.“
Frank und Julia standen auf.
Marten suchte Julias Blick, und Julia streichelte seine Wange. „Danke für alles, Marten. Du hast mir sehr gut getan.“
Marten schossen wieder die Tränen in die Augen.
„Ich geh eben zahlen“, sagte Frank, dem das sichtlich unangenehm war.
Marten wartete bis die beiden das Lokal verlassen hatten - er musste das erstmal sacken lassen. Er wollte soeben aufstehen, da vibrierte sein Handy - die Nummer vom Krankenhaus wurde angezeigt.
Zuletzt bearbeitet: