Die Synth-Direktive

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Lokterus

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Die Synth-Direktive

Der Androide sprach monoton über die großen Verdienste der diplomatischen Einheit DE-200132 bei der Entwicklung und Durchsetzung der Gesetze zur gleichberechtigten Wahrnehmung und Behandlung von künstlichen Personen in einer modernen solidarischen Gesellschaft. Nolemns halbgeschlossene Augen machten eine Runde durch den gewaltigen Saal und erkannten einen gleichberechtigten Konsens aller menschlichen Anwesenden: Langeweile.

Ohne Zweifel war dieser Abend wichtig. Die vereinten Nationen der Erde, Luna und sogar die Spinner vom Mars hatten erstmals in der Geschichte der Menschheit das künstlichen Leben auf eine Stufe mit dem biologischen gestellt. Viele Wartungsroboter der Klasse D bis I hatten daraufhin auch sofort ihre Dienstpläne angepasst. Frisiert von derselben beschissenen KI, welche die Infrastruktur ganzer Staaten steuerte. Schöne neue Welt.

Nolen gähnte. Der Androide ging nun dazu über, die Rechenoperationseinheiten der Botschaft ihrer Dienstnummer entsprechend aufzuzählen. Und es machte nicht den Eindruck, als handle es sich bei der Aufzählung um eine exemplarische Stichprobe.

In den Provinzen gab es einiges an Aufständen nach dem Beschluss der so genannten Synth-Direktive. Diese Menschen hatten wahnsinnige Angst davor von den Künstlichen bedroht, abgehängt oder manipuliert zu werden. Nolen fügte gedanklich „in den Selbstmord getrieben durch Langeweile“ hinzu.

Er blickte hinüber zu Murka und zeigte fragend auf seine intelligente Uhr, welche mit der Klassifizierung M zum Glück nicht unter die Synth-Direktive fiel. Das raubtierhafte Grinsen seiner Assistentin, welches ihre kosmetischen fluoreszierenden Vampirzähnchen zeigte ließ wenig Raum für Hoffnung.

Es würde ein sehr langer Abend werden.

Der Androide begann nun, um deren Eleganz hervorzuheben, die Codezeilen der Übersetzersoftware der Botschaft aufzuzählen. Zeile für Zeile.

Für die schöne neue Welt, stöhnte Nolen stumm und richtete seine Augen auf das perfekte, ebenmäßige Gesicht der Maschine, die ihm nun gleichberechtigt war.
 
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Servus, Loki!


Ich bin nicht so recht daheim in der Welt der Science-Fiction-Themen, aber hier finde ich das Spiel zwischen der leblosen Routine der Maschinen und der Lebendigkeit der menschlichen Wahrnehmung sehr anschaulich und geglückt. Ein paar kleine Tipp- und Beistrichfehlerchen und ein Zeitfehler sind mir aufgefallen:

Der Androide sprach monoton über die großen Verdienste der diplomatischen Einheit DE-200132 kein Beistrich an dieser Stelle bei der Entwicklung und Durchsetzung der Gesetze zur gleichberechtigten Wahrnehmung und Behandlung von künstlichen Personen in einer modernen solidarischen Gesellschaft. Nolemns halbgeschlossene Augen machten eine Runde durch den gewaltigen Saal und erkannten einen gleichberechtigten Konsens aller Anwesenden: Langeweile.Nolens....das Lateinische Nicht-Wollen...Absicht? Auf jeden Fall eine coole Namenswahl.

Ohne Zweifel war dieser Abend wichtig. Die vereinten Nationen der Erde, Luna und sogar die Spinner vom Mars hatten erstmals in der Geschichte der Menschheit das künstlichen Leben auf eine Stufe mit dem biologischen gestellt. Viele Wartungsroboter der Klasse D bis I hatten daraufhin auch sofort ihre Dienstpläne angepasst. Frisiert von derselben beschissenen KI, welche die Infrastruktur ganzer Staaten steuerte. Schöne neue Welt.

Nolen gähnte. Der Androide ging nun dazu über, die Rechenoperationseinheiten der Botschaft ihrer Dienstnummer entsprechend aufzuzählen. Und es machte nicht den Eindruck, als handle es sich bei der Aufzählung um eine exemplarische Stichprobe.

In den Provinzen gab es einiges an Aufständen nach dem Beschluss der so genannten Synth-Direktive. Diese Menschen hatten wahnsinnige Angst davor, von den Künstlichen bedroht, abgehängt oder manipuliert zu werden. Nolen fügte gedanklich „in den Selbstmord getrieben durch Langeweile“ Leerzeichen hinzu.

Er blickte hinüber zu Murka und zeigte fragend auf seine intelligente Uhr, welche mit der Klassifizierung M zum Glück nicht unter die Synth-Direktive fiel. Das raubtierhafte Grinsen seiner Assistentin, welches ihre kosmetischen, fluoreszierenden Vampirzähnchen zeigte, ließ wenig Raum für Hoffnung.

Es würde ein sehr langer Abend werden.

Der Androide begann nun, um ihre deren Eleganz hervorzuheben, die Codezeilen der Übersetzersoftware der Botschaft aufzuzählen. Zeile für Zeile.

Für die schöne neue Welt, stöhnte Nolen stumm und richtete seine Augen auf das perfekte, ebenmäßige Gesicht der Maschine, die ihm nun gleichberechtigt war.
Ein Text wie ein Fenster in eine gar nicht allzuferne Zeit. Eine Frage hätte ich noch: sitzen im Auditorium auch Künstliche? Und wenn ja: sind die ebenfalls gelangweilt?


Liebe Grüße,
Claudia
 

Lokterus

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Hallo Claudia,

vielen Dank für das Befahren fremder Gewässer sowie die Zeit und die Mühe meinen Text zu lesen und zu korrigieren. Ich habe alle deine Verbesserungsvorschläge umgesetzt, und bin etwas peinlich berührt, da man erkennt, wie wenig Sorgfalt ich bei der Gestaltung dieser Vision habe walten lassen.

Die Geschichte entstand im Zuge einer Fingerübung auf einer anderen Plattform. Die einzige Vorgabe war, einen Augenblick der Langeweile festzuhalten. Entgegen dem Ratschlag deines Peter Stamm, versuche ich mich dann aber doch immer wieder an der Originalität und lasse alles andere gönnerhaft fahren.

Du hast hier aber nicht etwa nur die Flüchtigkeitsfehler aufgedeckt, sondern etwas angestoßen, woran ich bei der Erschaffung des Textes keinen einzigen Gedanken verschwendete:

Eine Frage hätte ich noch: sitzen im Auditorium auch Künstliche? Und wenn ja: sind die ebenfalls gelangweilt?

Natürlich sitzen im Auditorium (ein großartiges Wort) auch Künstliche! Und natürlich sind sie nicht im Mindesten gelangweilt. Ich habe das Versäumnis mit einem einzigen Wort verbessern können.

Ich wünsche dir eine schöne Nacht mit noch schöneren Träumen.
loki

P.S.
Die tiefere Bedeutung des Namens war keine Absicht. ^^
 



 
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