Die Treppe

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Corinna Thiers

Mitglied
Die Treppe

Ich träumte, ich stieg eine Treppe hinauf,
Ein endloses Steigen mit steilem Verlauf,
Stufe, um Stufe – Ohn' dass ich verschnauf,
mich treibt eine Stimme und flüstert: „Los! Lauf!“


Am Morgen erwach' ich, ersinne sodann,
warum diese Treppe entzünden mich kann.
Ein Streichholz – entflammt – ist im Lichte nur Licht,
doch in Kälte und Dunkel verliert es sich nicht.


Fortan unruhig sinnend, steigt ein Sehnen in mir,
Das Rätsel, es quält mich – entrückt mich vom Hier.
Das Streichholz, es brennt und Gedanken zehrn auf,
den heutigen Tag und den Morgen darauf.


Des nachts wieder träumt' ich die Treppe zu steigen,
Ach, würd sich doch endlich der First mir anzeigen!
doch nennt jede Stufe die Nächste ihr eigen,
Und innere Äste verlier'n sich in Zweigen.


Ich steige! Im Traum folgen Stufen der Stufe,
Die innere Flamme gebiert und ich rufe...
Das Wirrwarr von Ästen erstirbt und ich rufe...
Verdrängtes erhebt sich im Flügelschlag,
Rufen weicht Schreien, wie ichs nicht vermag,
vor mir darnieder...? - Ich schrei' in den Tag!


Schweißnass erwache ich aus meinem Traum,
trügerisch schläft in mir Weite und Raum.
Raum, erwache! Zeige was ich verstecke!
Raum flüstert leise: Steige die Treppe!
Auf dass ich nichts spüre und mich nicht erschrecke?
Raum flüstert leise: Steige die Treppe!
Los, erwache doch: Weite und Raum!
Und blitzschnell erwächst in mir Sehnen nach Traum.


Ersteigen von Stufe und Treppe und Stufe,
Schreie und Flüstern und Lärmen und Rufe,
Flammen, die züngelnd mich langsam verzehren,
mir Frieden und Stille und Klarheit verwehren.
Und ich steige die Treppe.
Worin wird sie münden?
Ich ersteige die Treppe.
Wird erneut mich entzünden.
Neues und altes entbrennt lichterloh,
Entscheidung, vor der ich mein Leben lang floh,
nun weicht Rufen Schreien wie ichs nicht vermag,
vor mir darnieder...? - Ich schrei' in den Tag!


Werd ich je fassen, was mich so entsetzte,
was mich innerlich tötete und mich verletzte,
was liegt darnieder, verschlossenen in Räumen?
hängt in Verzweigtem – verästelt in Bäumen?
Was kann ich nicht fühlen, ersteigend in Stufen?
Weshalb vernehm' ich dies furchtsame Rufen?
Was versteck' ich nur, Treppe? Was halt' ich verborgen?
Ich steige Dich, Treppe, Du hälst mich geborgen.
Ringend, strecken Finger nach Rettung sich,
abwehrend, erkenn' ich in allem nur mich.
Denn Räume erwachten.


Schmerzen strecken mich dahin – ein Krieg!
Schmerzen, die ich ehrfurchtsvoll verschwieg.
Mein falscher Schritt auf einer Stufe,
Als Echo erschallen verzweifelte Rufe,
während ich falle – weiter und weiter,
Drangsal und Tiefstand - meine Begleiter.
Entzündete Flamme erlischt im Fallen,
Im Fallen eröffnen sich sämtliche Hallen:
Entzündete Flamme erlosch im Fallen,

legt offen die dunkelsten Schmerzen von allen.
Tanzen nun lebhaft im Nichts keiner Flamme,
Kurz nur, ganz kurz, glitzert boshaft die Schramme,
Mein Eintritt in die Welt meiner Seele,
Die ich kurz begreife und nun abbefehle.
Entscheid' mich bewusst nicht mehr für sie zu sorgen,
Und fleißig ersteig ich die Treppe bis morgen.


Und ewiglich nehme ich Stufe um Stufe,
Ignoriere das Flüstern, die Schreie und Rufe.
Ich laufe die Treppe – weder schau' ich noch höre,
während ich ganz erleichtert dem Leben abschwöre.
Bleib nie mehr stehen, nehm' allerhand Stufen.
Die innere Flamme – längst tot... und kein Rufen.


Die Räume erwachten, doch ich fühlt' sie kaum
Der Atem des Lebens – für mich ist er... Traum.
Spielen ist möglich und nichts hörn und sehn,
Was ich nicht möchte, lass achtlos ich stehn.
Geh weiter träumen -

...Und steige die Treppe.
 

petrasmiles

Mitglied
Liebe Corinna,

ein sehr beeindruckender und packender Text! Ergründet habe ich ihn noch nicht.
Ich finde ein paar Reime nicht ganz so schön, dafür viele erfrischend neue Bilder.
Auf den ersten Blick kommt mir der Text ein bisschen lang vor, aber das kann auch daran liegen, dass ich die Ereigniskette noch nicht komplett gesehen habe, dann erübrigt sich dieser Einwand vielleicht.
Muss mehrmals gelesen werden, aber das lohnt sich ja.

Liebe Grüße
Petra
 

Corinna Thiers

Mitglied
Hi,

Vielen lieben Dank,Petra! Das tut gut zu hören/lesen. Wenn Du magst, ich finde meinen Januar - Wortsport recht gelungen. Das ist zwar kein Gedicht sondern eine Kurzgeschichte, aber eine berührende, würde ich sagen.

Wenn Du magst lies doch die mal. 'Wie schnell die Zeit vergeht...'

Bei dem Gedicht war ich mir nicht sicher, ob das überhaupt jemand lesen würde, geschweige denn mögen. Aber bisher war die Resonanz zu meiner Überraschung ziemlich gut. Im privaten Bereich schickte ich es schon vor der Veröffentlichung an ausgewählte Personen und die mochten es gern.

Ganz liebe Grüßle,
Corinna
 



 
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