Die Tür

Die Tür

Das alte Herrenhaus in der Grafschaft Essex in England ist still. Nicht leer. Eine Stille, in der alles seinen Platz hat.
Suzi Quatro kommt ursprünglich aus Detroit USA und wohnt seit 1971 hier.

Sie geht die Treppe voraus, ruhig, ohne Eile, Stufe für Stufe, kraftvoll und doch bedacht.

„Komm“, sagt sie zu dem Gast, der ihr folgt,

„ich zeige dir meinen Ego Room.“

Er folgt ihr die schmalen Stiegen hinauf, drei Stockwerke in diesem alten englischen Haus.
Zuerst, unbeholfen, fixiert er mit seiner Kamera die Bewegung ihres immer noch wohlgeformten Hinterns, der sich direkt in seinem Blickfeld befindet. Doch während er ihr folgt, verändert der Betrachter den Aufnahmewinkel.
Stille Achtung, Respekt: auf ihren Rücken, ihr Haar, die geschmeidige Art, wie sie sich bewegt. Bis sie oben sind.

Oben öffnet sie eine Tür.

Der Raum ist voll. Nicht vollgestellt, sondern erfüllt. Wände, die Musikgeschichte tragen. Bilder aus anderen Zeiten. Plakate, auf denen Suzi Quatro zu sehen ist – von vielen reduziert auf Leder, Kurven und Bass. Für manche ein Sexsymbol ihrer Zeit. Für andere etwas ganz anderes.

Sie war die Erste.

Die erste Frau, die mit dem Bass und ihrem Gesang dazu in dieser Männerwelt der Rockmusik so sichtbar war. So präsent, so einmalig. Nicht im Rückblick, nicht zufällig festgehalten auf alten Aufnahmen, sondern mitten im Geschehen. Weltweit bekannt, nicht trotz ihres Agierens, sondern genau dadurch.

In einem Interview sagte sie einmal: „Ich bin sehr stolz darauf, dass es mir gelungen ist, die Tür für andere Frauen einzutreten. Das ist Geschichte“.

Für viele Frauen kein Mythos, sondern ein Beweis: eine Frau kann ihren Platz auf der Bühne einnehmen, sie kann ganze Stadien füllen – mit Kraft, Präsenz und Selbstverständlichkeit.

Instrumente stehen hier nicht zur Schau, sie ruhen. Wie alte Freunde, die nichts mehr beweisen müssen.

An einer Garderobe hängt der schwarze Lederoverall. Keine Verkleidung. Eine zweite Haut aus einer Zeit, in der niemand gefragt wurde, ob es erlaubt ist – sondern gezeigt hat, dass es möglich ist. Daneben der originale Bass. Beides still, beides vollkommen ruhig.

„Das ist der ruhigste Raum in meinem Haus“, sagt sie.

Nicht stolz. Nicht wehmütig. Einfach feststellend.

Hier oben ist alles versammelt, was war. Jeder Ton, jede Bühne, jedes Bild. Alles, was sie gewesen ist, ist hier. Die Zeit steht still.

Manchmal setzt sie sich hierher, wenn sie Frieden braucht. Zwischen all dem, was war, ohne davon festgehalten zu werden. Sie schaut nicht zurück – sie schaut nach innen.

Dann steht sie wieder auf.

Unten wartet das Leben. Kaffee. Alltag. Menschsein.

Sie schließt die Tür.

Nicht, weil sie etwas zurücklässt. Sondern weil sie weiß, dass sie nichts mitnehmen muss. Alles ist da. Sicher. Still.

„Ich bin immer noch dieselbe“, sagt Suzi, „Nur ein wenig älter“.

Sie wurde dieses Jahr 75 Jahre alt.

Und man weiß: Eines Tages wird sich diese Tür vielleicht für immer schließen. Aber was dort oben lebt, bleibt. Nicht laut. Nicht fordernd. Sondern unsterblich auf eine sehr leise Art.
Die Tür, die sie auch für uns eingetreten hat, bleibt offen.
 



 
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