die Türen der Altstadt

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Tula

Mitglied
die Türen der Altstadt

sind recht eigenwillige Literaten

dösen am liebsten in der Sonne vor sich hin als
ihre Zeit zu vergeuden, mit rastlosen Banausen!
dabei würden ihre Werke ganze Bibliotheken füllen

seht nur diese hier zum Beispiel
schrieb gewiss ein Bühnenstück über die Kabale
der Seidensticker und Silberschmiede und das
herzzerreißende Ende von José und Maria, so hießen
in den Gassen damals Romeo und Julia

andere, weit offener, entzücken dich sogleich mit
einer Probe ihrer Kunst: in Topf und Vase eine Ode auf
den Sommer, Villanellen im Duett von Weiß und Blau,
der Prolog eines Schauerromans, die Ballade einer
Waschfrau und schließlich noch der Teil jener Fabel
wo der Kater vor der Katze Reißaus nimmt

traurig anzuschauen die bereits Erblindeten,
so rissig und vergilbt nicht bloß die Haut, selbst jede Seite
der Komödien und Tragödien, doch hältst du inne
einen Augenblick und lauschst, hörst du ihr Flüstern
über Liebe, Leid, den Strom und eine Nacht im Feuersturm(?)

was es auch immer war, du schlenderst weiter
trägst es mit …


PS: mein neuer Eintrag im lyrischen Reisetagebuch, mit "noch warmen" Fotos, erst ein paar Tage alt
 
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G

Gelöschtes Mitglied 24194

Gast
Bäume könnten noch viel mehr berichten, würden sie nicht gefällt.
 
G

Gelöschtes Mitglied 20513

Gast
Hallo Tula,

sollte es um Spanien gehen, hielte ich den Hinweis darauf eigentlich für angebracht. Allein der Name José weist auf das Land hin, nicht aber auf die Stadt. Sollte das Gedicht Teil eines Zyklus sein, ist das ja in Ordnung, aber beim einzelnen Gedicht würde ich den genauen Ort vermissen. Ich sehe gerade, ganz zum Schluss erst nimmst du Bezug auf Guernica = Feuersturm. Warum mit Fragezeichen? Jedes Bombardement in Städten verursacht einen Feuersturm. Überleg mal, ob du dem Gedicht den Titel "Guernica" gibst, dann wäre die ganze Ortsfrage gelöst. Oder geht es um Madrid? Dort wurde im Bürgerkrieg von Franco bombardiert.

Die Idee aber, Türen erzählen zu lassen, finde ich ausgezeichnet, besonders, wie du das machst.

S3, V6: "wo der Kater vor der Katze Reißaus nimmt" - das "wo" gefällt mir nicht so richtig. Müsste vielleicht der Satz umformuliert werden, vielleicht ins Passiv.

Der letzte Vers bezweifelt, ob es einen Feuersturm gab? Vielleicht solltest du es beim Schlendern lassen. Wobei natürlich die Erwähnung des Feuersturms mit dem Schlendern einen Kontrast ergibt, der nicht für die Sensibilität des Spaziergängers spricht. Da wäre es vielleicht besser, den ganzen Satz überhaupt einzusparen.
Dann gehst du raus mit "Feuersturm", was meiner Ansicht nach ein historisches Ausrufezeichen ist.

Lieben Gruß, Hanna
 

Tula

Mitglied
Hallo Hanna
Herzlichen Dank für deinen ausführlichen Kommentar. Zu deinen Fragen: gemeint ist Lissabon. Das hätte ich in der Tat im Titel angeben können. Unter dem Text findest meinen Hinweis. Wenn du auf den Link klickst, gelangst du auf die neue Seite im lyrischen Reisetagebuch, mit den entsprechenden Fotos und einem kurzen Begleittext. Dass ich hier lebe, weißt du ja. In der Altstadt war ich erst vor ein paar Tagen, ganz ungenutzt wollte ich meine letzten Urlaubstage nicht verstreichen lassen ...

Die meisten der Fotos sind aus der Alfama. Dieser Stadtteil hat das Erdbeben 1755 (gefolgt von einem Tsunami und verheerenden Bränden) und die fast vollständige Zerstörung der Stadt überlebt. Mit dem Fragezeichen wollte ich andeuten, dass sich der Tourist beim Anblick der in Wirklichkeit schweigenden uralten Türen die 'Erlebnisse' derselben selbst erarbeit, d.h. freiwillig, aus Neugierde heraus. Nicht im Sinne von Zweifeln sondern Überlegungen, die darauf beruhen, dass sich der Besucher in der Tat mit der Geschichte der Stadt befasst hat, ganz im Gegensatz zu den 'rastlosen Banausen' weiter oben.
Absichtlich bin ich im Text nicht erklärend darauf eingegangen. Feuersbrünste welchen Ursprungs auch immer sind in der Geschichte vieler Städte bedeutende Ereignisse (somit könnte das Gedicht gut und gern auch für andere Städte Portugals und Spaniens gelten, warum nicht?) Der Leser soll sich durchaus selbst fragen, welches (Ereignis) hier wohl gemeint ist. Im Falle einer kriegerischen Zerstörung hätte ich da gewiss anders entschieden und sicherlich das Gedicht auch anders gestaltet, eine Art von Mahnung herausgearbeitet usw.

Die 'wo' Stelle. Ich grübelte hier auch, ob das umgangssprachliche Wörtchen in der Tat besser klingt als eine andere Konstruktion. Erlaubt ist es und im Sinne der ulkigen Szene fand ich es so authentischer. Dem muss man natürlich nicht unbedingt zustimmen. Ich überlege nun trotzdem, ob 'die Stelle jener Fabel ...' passender ist.

Dankend lieben Gruß
Tula
 

Tula

Mitglied
Hallo Samoth
Richtig' und der Bezug zu den Bäumen ist ebenfalls hier interessant, schon weil es in der Stadt auch einige 'im fortgeschrittenen Alter' gibt.

Dankend lieben Gruß
Tula
 
G

Gelöschtes Mitglied 24428

Gast
Als Lyrik würde ich die seichte Textuntermalung kaum durchgehen lassen, Tula. Geschmackssache.
 

Tula

Mitglied
Hallo Daisy
So richtig verstehe ich nicht, was du mit Textuntermalung meinst. Den einleitenden Begleittext? Das Gedicht selbst hoffentlich nicht.
LG
Tula
 
G

Gelöschtes Mitglied 24409

Gast
Literatüren - glänzender Einfall in schönem Erzählton geschnürt, aber nur locker, da will noch mehr mit!


Gruß
Kristian
 



 
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