Die ultimative Katzenfrage

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Vitelli

Mitglied
Ich bin gerne gut vorbereitet.

Für jedes Tinder-Date erstelle ich ein Dossier.
Je interessanter die Frau, desto ausführlicher das Dossier.
Dieses Date war ´ne harte Nuss.
Nicht nur, dass sie in ihrem Profil ‚Keine ONS oder F+‘ stehen hatte,
nein, sie erschien auch noch mit ´nem Anstandswauwau, ihrer besten Freundin.
Angeblich wollten die beiden danach noch ins Kino.

Sie hieß Josephine, und sie hatte das gewisse Etwas.
‚Das gewisse Etwas‘ sagt man meistens, wenn man sich zu jemanden hingezogen fühlt,
aber nicht genau weiß, warum. Und so war es. Ich mochte jedes ihrer Bilder, sogar das mit der Katze.
Sie war 35, sportlich-schlank, unternehmungslustig, mit dunklen Locken und einem Blick,
den meine Oma als keck bezeichnet hätte. Anders gesagt, sie war sexuell aufgeschlossen,
aber selbstbestimmt, und wusste, was sie wollte. Und was nicht.

Auf jedes mögliche Thema war ich vorbereitet.
Interessierte sie sich für Astrologie, wüsste ich die Besonderheiten unserer Sternzeichen.
Sie kam aus Bremen, also hatte ich mich mit der Stadtgeschichte beschäftigt.
In Mittagspausen hatte ich diverse Wikipedia-Artikel fast auswendig gelernt.

Das Mauerblümchen aus der Buchhaltung hatte ein Katzenfoto auf dem Schreibtisch stehen,
daher setzte ich mich in der Kantine neben sie, was sie freute und überraschte.
„Du hast doch ´ne Katze“, fiel ich mit der Tür ins Haus.
Sie, verdutzt: „Ja. Jerry. Warum?“
„Jerry! Ja klar!“, sagte ich in einem Ton, als hätte mir der Name auf der Zunge gelegen. „Wie geht’s dem alten Halunken?“
„G-gut. Danke.“

„Stell dir mal vor“, sagte ich, „du wärst Single und hättest ´n Date mit –“
„A-aber ich bin doch Single“, fiel sie mir ins Wort.
„Noch besser“, sagte ich. „Also“ – ich machte eine ausladende Handbewegung – „ihr trefft euch in einer schicken Cocktailbar,
sagen wir der Brasserie, und du erzählst von, äh, von …“
„Jerry!“
„Genau“, sagte ich fingerschnipsend. „Was wäre dann die ultimative Katzenfrage?“
„Ich versteh‘ nicht …“
„Welche Frage - zu Jerry - müsste dir ein Mann stellen, damit du hin und weg wärst?“

Ich nehme es vorweg: Das Gespräch war nicht ergiebig.
Rückbetrachtend war es aber auch nicht nötig.
Josephine und ich sind noch immer gut befreundet, auch wenn sie es mir nie verziehen hat,
dass ich mich an diesem Abend in ihre beste Freundin verliebte,
mit der ich bis heute zusammen bin. Und die zum Glück keine Katze hat.
 
Zuletzt bearbeitet:

petrasmiles

Mitglied
Lieber Vitelli,

das ist ja fast ein Lehrstück - so macht man das also heute - macht man das so?
Aber bevor ich anfange zu schwadronieren - eine sehr hübsche Geschichte - ich habe erst gedacht, ist das Kurzprosa? , aber ja, sie ist nur länger, als ich gewöhnt bin.
ist ein kleiner Tippfehler ...

Liebe Grüße
Petra
 

Vitelli

Mitglied
Liebe Petra,
guten Morgen.

Vielen Dank für deine Bewertung und Kommentar.
... das ist ja fast ein Lehrstück - so macht man das also heute - macht man das so?
Nun ja, das weiß ich nicht. Nur: Er kam ja nicht mit Josephine, dem Date, zusammen, sondern mit der Freundin, der Zufallsbekanntschaft, von der er nicht wusste, dass sie existiert, geschweige denn Aussehen oder Interessen kannte. Scheinbar war die Vorbereitung vergebens.
ist ein kleiner Tippfehler ...
Uups. Korrigiert. Danke!

Liebe Grüße,
Vitelli
 
Hallo Vitelli,

hat dich eine andere Katzengeschichte möglicherweise zu dieser hier inspiriert? :)

Nette Geschichte, die anders ausgeht, als ich erwartet hatte - ich dachte, das Mauerblümchen aus der Buchhaltung würde eine größere Rolle für den Ausgang der Geschichte spielen. Eventuell sogar die Auserwählte werden - nach einer Zeit der Verwandlung, versteht sich.

Schön geschrieben, mit überraschendem Ende.

LG SilberneDelfine
 

Vitelli

Mitglied
Hallo SD,

danke für deine Bewertung und netten Worte. Schön, dass du die Geschichte so gelesen hast. Denn ja, das Mauerblümchen war mein red herring.

Und nein, zu einer Geschichte (über Marten; Titel vergessen) hattest du mich ja mal inspiriert, aber deine Katzengeschichte las ich erst später.

Meine Katzengeschichte basiert auf dem Kater meiner Ex, mit der ich ähnlich zusammengekommen bin.

Liebe Grüße,
Vitelli
 

Tonmaler

Mitglied
Hallo -- ist das eine 'wahre Geschichte'?

Liest sich gut runter, gleichwohl einige Anmerkungen.


Für jedes Tinder-Date erstelle ich ein Dossier.
Das gefällt mir. (Alles andere wäre unromantisch).

Sie war 35, sportlich-schlank, unternehmungslustig, mit dunklen Locken und einem Blick,
den meine Oma als keck bezeichnet hätte. Anders gesagt, sie war sexuell aufgeschlossen,
aber selbstbestimmt, und wusste, was sie wollte. Und was nicht.
Ich bin bei diesem Absatz noch beim Bild. Aufgezählt werden aber auch Dinge, die nicht aus dem Bild zu schließen sind: Unternehmungslustig, sexuell aufgeschlossen. Das könntest du trennen. Das scheint ja aus dem Talk zu kommen.

Das Mauerblümchen aus der Buchhaltung hatte ein Katzenfoto auf dem Schreibtisch stehen,
daher setzte ich mich in der Kantine neben sie, was sie freute und überraschte.
Da dachte ich, okay, klar, die wird es am Ende sein. Irrte mich. Nun, ist auch besser so, denn das wär wenig spannend.

Josephine und ich sind noch immer gut befreundet, auch wenn sie es mir nie verziehen hat,
dass ich mich an diesem Abend in ihre beste Freundin verliebte,
mit der ich bis heute zusammen bin.
Deshalb fragte ich, ob das eine wahre Geschichte ist. Das ist nämlich so unwahrscheinlich, dass es tatsächlich passiert sein könnte.
Unbefriedigend finde ich, dass dein 'Mauerblümchen' -- natürlich aus der Buchhaltung, oder? -- im Sand verläuft.
Auch wenn das eine falsche Fährte sein sollte, irgendwie kippt das ins Nichts.

Weiterhin, das Ende ist profan und viel zu lapidar hingestellt. Da nimmst du das vorweg, was ich gern erzählt bekommen hätte, nämlich wie das 'nicht ergiebige Gespräch' verlaufen ist. Die Freundin, mit der er zusammenkommt, bekommt nicht eine Zeile, nicht mal ihr Name wird erwähnt. Du zielst auf einen Höhepunkt und dann ist es ein 'vorzeitiger Samenerguss' ;) Nichts für ungut.


Gruß von tm
 
Zuletzt bearbeitet:

Vitelli

Mitglied
Moin!
Hallo -- ist das eine 'wahre Geschichte'?
Nein. Nicht ansatzweise. Abgesehen davon, dass meine Ex ´n Kater hatte. Und ich sie über ihrer Schwester, die ich aus der Sauna kannte, kennengelernt hatte.
Liest sich gut runter, ...
Bedankt.
Das gefällt mir. (Alles andere wäre unromantisch).
Wir verstehen uns.
Ich bin bei diesem Absatz noch beim Bild. Aufgezählt werden aber auch Dinge, die nicht aus dem Bild zu schließen sind: Unternehmungslustig, sexuell aufgeschlossen. Das könntest du trennen. Das scheint ja aus dem Talk zu kommen.
Warst du schon mal auf Tinder? Nicht nur, dass man auf den Fotos sieht, ob jemand unternehmungslustig ist, es wird auch oft explizit erwähnt, aus offensichtlichen Gründen. (Das Mauerblümchen steht im Gegensatz dazu.)

Der kecke Blick vermittelt ihm diesen Eindruck. Seien wir doch ehrlich; Er ist ein arroganter, selbst überheblicher Kerl, der meint die Frau(en) aufgrund von Bildern (inkl. Blicken) und Persönlichkeitsangaben zu durchschauen.
Unbefriedigend finde ich, dass dein 'Mauerblümchen' -- natürlich aus der Buchhaltung, oder? -- im Sand verläuft.
Auch wenn das eine falsche Fährte sein sollte, irgendwie kippt das ins Nichts.
Das mit der Buchhaltung fand ich auch dicke, aber wenn man kurz (Kurzprosa) schreibt, muss man ja irgendwie mit wenig Worten deutlich sein. Und wie ich schrieb, es war ja mein red herring, Ich will mich nicht verteidigen, aber ich kann in diesem Format ja nicht alles ausführen, und daher diente mir das Mauerblümchen halt nur als Mittel zum Zweck.
Weiterhin, das Ende ist profan und viel zu lapidar hingestellt. Da nimmst du das vorweg, was ich gern erzählt bekommen hätte, nämlich wie das 'nicht ergiebige Gespräch' verlaufen ist. Die Freundin, mit der er zusammenkommt, bekommt nicht eine Zeile, nicht mal ihr Name wird erwähnt. Du zielst auf einen Höhepunkt und dann ist es ein 'vorzeitiger Samenerguss' ;) Nichts für ungut.
Auch nichts für ungut, aber ich habe das Gefühl, dass du dich darüber "beschwerst", dass der Apfel, den ich dir verkauft habe, nicht nach der Birne schmeckt, auf die du gerade Sinn hast. ;-)

VG,
Vitelli
 
Zuletzt bearbeitet:

Tonmaler

Mitglied
Auch nichts für ungut, aber ich habe das Gefühl, dass du dich darüber "beschwerst", dass der Apfel, den ich dir verkauft habe, nicht nach der Birne schmeckt, auf die du gerade Sinn hast. ;-)
Stimmt, hast recht ... hatte vergessen, dass ich in der Sparte 'Kurzprosa' war! Sorry. Nehme die Kritik somit zurück und damit ist das hier natürlich bestens!
 

anbas

Mitglied
Moin Vitelli,

jetzt weiß auch ich, was ein "red herring" ist. Auch wenn ich sonst keinen Fisch mag - dieser schmeckt mir ;). Insgesamt eine schöne runde Geschichte, die Potenzial für eine "längere Kurzgeschichte" hat ... :cool:

Liebe Grüße

Andreas
 



 
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