Die unerwartete Verwandlung des Helmut Bröseler

Die unerwartete Verwandlung des Helmut Dröseler
ein Kapital aus einem in Arbeit befindlichen umfangreicheren Prosawerk mit dem Titel "Wir Sonderlinge")

Und da war diese gewaltige Aufregung in Sonderlingen, als Helmut Dröseler von zuhause auszog. Im nach hinein sagten einige, man hätte die ersten Anzeichen früher deuten müssen, dann wäre vielleicht vieles von dem, was dann passierte, anders abgelaufen. Aber wir müssen am Anfang beginnen. Helmut Dröseler ist in Sonderlingen eigentlich immer ein wenig untergebuttert worden, will sagen, hätte man ihm die Zügel etwas lockerer gelassen, hätte durchaus ein zumindest im Ansatz vernünftiger Zeitgenosse aus ihm werden können. Kathi Dröseler jedoch, Helmuts bessere Hälfte, war mehr daran interessiert, ihn mit kräftig angezogenen Zügeln im Zaum zu halten. Wahrscheinlich war das auch der Grund dafür, warum man Helmut Bröseler immer mit gesenktem Haupt durch Sonderlingen gehen sah, gerade so, als suche er auf dem Boden etwas, das er verloren hatte. Wahrscheinlich wäre es ihm, auch wenn er gewollt hätte, gar nicht möglich gewesen, erhobenen Hauptes seinen Weg zu gehen. Aber wie es in einigen Menschen, die nach außen hin völlig normal wirken, im innern siedet und brodelt, hatte sich auch unter der Oberfläche von Helmut Dröselers gebeugter Erscheinung ein Vulkan gebildet, der dann plötzlich ausbrach und einen Teil der Umgebung von Helmut zeitweise unter einer Lava nicht unähnlichen Decke begrub.
Der Anlaß für das ganze Dilemma war eher banal. Im Laufe der Jahre hatte sich Helmut Dröseler unter dem Eindruck einer stetig abnehmenden und wahrhaftig nicht als echt zu bezeichnenden Zuneigung zu seiner Kathi ein anderes Ventil für seine stärker zunehmenden, sagen wir mal, wirklichen Bedürfnisse gesucht. Diese Bedürfnisse führten unseren Helmut in eine Welt, die bislang überhaupt nicht seine gewesen war und für die, und das war der springende Punkt, seine Kathi nicht das geringste Verständnis aufbringen konnte, immer vorausgesetzt, dass sie sich überhaupt vorzustellen in der Lage war, was ihren Helmut an dieser seiner neuen Welt überhaupt faszinierte und welche Gründe dafür verantwortlich waren, dass er sich auf diese, wie sie es nannte, Abwege begeben hatte. Um weiteren Spekulationen vorzubeugen, die uns eventuell nur in die Irre führen könnten, wollen wir Helmuts neue Welt beim Namen nennen – unser Helmut hatte, nicht von jetzt auf gleich, sondern in einem schrittweisen Prozeß, seine Vorliebe für Tiere entdeckt. Nun wäre es, vielleicht, noch zu verstehen gewesen, dass Helmut seine Liebe für eine Tierart entdeckt hätte, sagen wir mal Hunde, oder Katzen, oder Pferde, oder Meerschweinchen, oder welche Sorte Tier auch immer, nein, so einfach war die Sache nicht: Helmut hatte einfach, in Ermangelung einer weiter bestehenden Zuneigung zu seiner Kathi, eine, sagen wir, allumfassende Zuneigung und, ja, Liebe, zu allen Geschöpfen entwickelt, die im Buch der Bücher so schön beschrieben werden:

Da ward aus Abend und Morgen der fünfte Tag. Und Gott sprach: Die Erde bringe hervor lebendige Tiere, ein jegliches nach seiner Art; Vieh, Gewürm und Tiere auf Erden, ein jegliches nach seiner Art. Und es geschah so.

Und so begab es sich auch bei uns in Sonderlingen.Von einem Tag auf den anderen begann Helmut Dröseler in unserem Ort herumzuwandern, blieb bei jeder von seinen neu entdeckten Kreaturen stehen und richtete seine Worte an sie, sei es nun der Hund von unserem Pastor Dominik Deibel, der Katze von unserem Frisör Balduin Kamm, der Kuh von Witwe Schüppenstiel, und so weiter,und so weiter. Wie schon erwähnt,seine neu entdecke Liebe war allumfassend und er hatte aufmunternde und tröstende Worte, zu allem, sagen wir mal, was in Sonderlingen „kreucht und fleucht“.

Anfangs gewöhnungsbedürftig, war es schon nach einiger Zeit für die Bewohner von Sonderhausen zu einem fast zur Normalität gehörenden Anblick geworden, unseren Helmut Dröseler in seiner neuen Rolle als Patron und Fürsprecher unserer tierischen Mitbewohner wahrzunehmen – nicht jedoch für Kathi Dröseler, die sich von Anbeginn an in dieser Sache, ja sagen wir es ruhig, absolut bockig zeigte. Während Helmut von Tag zu Tag mehr aufblühte, wurde Kathi immer griesgrämiger, nahm nicht mehr an den sonst von ihr so geliebten Aktivitäten teil, sondern verschanzte sich hinter ihrem Gartenzaun und blieb mehr oder weniger ganz für sich allein. Wie die späteren Entwicklungen zeigen werden, war sie jedoch, zumindest in ihren Gedanken, nicht untätig, sondern ging in sich, um nach Lösungen zu suchen, wie sie ihren Helmut wieder auf den Pfad der Tugend zurückholen konnte.

Zum alles entscheidenden Schlag, der Helmut völlig unvorbereitet traf, holte Kathi aus, als sich ihre gemeinsamen Kinder an einem Wochenende zu einem ihrer eher selten gewordenen Besuche bei ihren Eltern einfanden. Hatte es früher bei solchen Anlässen eher normale Hausmannskost gegeben, so hatte sich Kathi diesmal etwas ganz besonderes einfallen lassen. Gekommen war ihr der Gedanke eines Morgens, als sie Helmut zum Hühnerstall gehen sah, um die morgendlichen Frühstückseier aus den noch warmen Nestern zu holen. Seiner neuen Rolle als ausgewiesener Tierliebhaber entsprechend, hörte Kathi, wie sich Helmut wortreich bei seinen Hühnern bedankte und ihnen liebevoll über den Kamm strich.

Helmut wurde in die Vorbereitungen für das geplante Festessen nicht eingebunden. Während Helmut am Morgen auf einer seiner zur lieben Gewohnheit gewordenen Runde durch sein Tierrevier war, bat Kathi ihren Nachbar, den Kirchenküster Gottfried Beutel, ihr beilmäßig bei der Halsabschneidung der vier Legehennen behilflich zu sein. Vielleicht hätte Helmut Bröseler noch ein gewisses Verständnis dafür gehabt, dass Kathi ihren Kindern einmal ein ordentliches Mahl auftischen wollte, hätte Kathi nicht in die knusprig braun gebratenen und beim Servieren noch vor sich hin brutzelnden Hühner ein kleines Schildchen gesteckt, auf die sie in ihrer zierlichen Handschrift den jeweiligen Namen der vier Legehennen geschrieben hatte, die Namen, die Helmut gleich zu Beginn seiner neuen tierischen Leidenschaft, ja sagen wir es ruhig, in einer Art Taufe an seine geliebten Eierleger vergeben hatte. Unwichtig zu sagen, dass sich Helmut an dem Verzehr der, übrigens absolut schmackhaften Geschöpfe (denn kochen, das kann Kathi), nicht beteiligte. Er verließ vielmehr den üppig gedeckten Tisch und als er nach draußen vor das Tor trat und hörte, wie die Legehennen von Nachbar Gottfried Beutel nach getaner Arbeit zu Gackern begannen, wandte er sich ab und weinte bitterlich.

Noch an dem gleichen Abend zog Helmut Dröseler bei Kathi aus und schlug seine Zelte, ob vorübergehend oder für immer wird sich vielleicht später zeigen, auf der Wiese und in der Nähe von Witwe Schüppenstiels Kühen auf, die ihm, generös war sie immer gewesen, eine entsprechende befristete Aufenthaltsgenehmigung erteilt hatte.
 

Udogi-Sela

Mitglied
Zu lange Sätze

Hallo Elmar,

ich habe mich durch deinen Text „hindurchkämpfen“ müssen. Ich halte nicht lange durch, wenn ich Sätze zweimal lesen muss, um sie wirklich zu begreifen. Viele deiner Sätze sind zu lang; du packst zuviel hinein.

Beispiel:

Vielleicht hätte Helmut Bröseler noch ein gewisses Verständnis dafür gehabt, dass Kathi ihren Kindern einmal ein ordentliches Mahl auftischen wollte, hätte Kathi nicht in die knusprig braun gebratenen und beim Servieren noch vor sich hin brutzelnden Hühner ein kleines Schildchen gesteckt, auf die sie in ihrer zierlichen Handschrift den jeweiligen Namen der vier Legehennen geschrieben hatte, die Namen, die Helmut gleich zu Beginn seiner neuen tierischen Leidenschaft, ja sagen wir es ruhig, in einer Art Taufe an seine geliebten Eierleger vergeben hatte.
Kürzer:
Vielleicht hätte Helmut Bröseler Verständnis dafür gehabt, dass Kathi ihren Kindern ein ordentliches Mahl auftischen wollte. Sie hatte jedoch kleine Schildchen mit den Namen, die Helmut Bröseler in einer Art Taufe an seine geliebten Eierleger vergeben hatte, an die knusprig braun gebratenen Hühner gesteckt und damit serviert.

Unwichtig zu sagen, dass sich Helmut an dem Verzehr der, übrigens absolut schmackhaften Geschöpfe (denn kochen, das kann Kathi), nicht beteiligte.
Du schreibst: „Unwichtig, zu sagen…
Wenn es unwichtig ist, dann lass es doch weg.

Schreib’ gleich weiter mit:
Er verließ den üppig gedeckten Tisch, ging aus dem Haus und hörte draußen, wie die Legehennen von Nachbar Gottfried Beutel nach getaner Arbeit gackerten. Da weinte er bitterlich.

Nur als Beispiel. Da sind noch mehr dieser Bandwurmsätze.

Deine Idee ist gut, aber Satire lebt von der Zuspitzung.

Liebe Grüße
Udo
 



 
Oben Unten