Das kleine Biest wehrte sich nach Kräften und gebärdete sich ganz anders, als es Murlo von den bislang bekannten Arten der Gattung „Vierbeinige Großkäfer“ gewohnt war.
Immer wieder wuselte das Ding zwischen seinen vorsichtig zugreifenden Händen hindurch. Unter dem Einsatz von lächerlich kurzen und obendrein sehr weichen Krallen, die seine Vorderbeine mehr zierten als bewehrten, versuchte es, Murlos zudringliche Finger abzuwehren. Die kleinen spitzen Schreie, die das Wesen dabei ausstieß, machten ihn unsicher. Er wollte ihm doch nicht wehtun, nur ein bisschen genauer betrachten und befühlen. Vor allem suchte er hinter das Geheimnis dieser feinen Wechselhaut zu kommen. So eine hauchdünne Chitinschicht war ihm noch nie begegnet. Aber auf diese Art und Weise wäre das nicht zu bewerkstelligen, ohne das völlig verängstigte Tierchen zu verletzen.
Resignierend zog sich Murlo in eine Ecke des Zimmers zurück und beschränkte sich eine Weile auf das Bobachten.
‚Nein’, dachte er. ‚Ein Käfer ist das wohl nicht.’
Er sah, wie das Tier sich plötzlich völlig sinnlos auf dem Boden wälzte und dabei seine Schreie immer lauter werden ließ. Nach einer Weile richtete es sich auf und stellte sich auf die Hinterbeine. Während es damit aufgeregt trippelte, fuhren die Vorderfüße rastlos suchend über die kahle Wand.
Murlo hörte den rasselnden Atem, dessen Rhythmus nur durch diese so unangenehm hochfrequenten Schreie unterbrochen wurde. Interessiert verfolgte er, wie die zartgrüne Haut der sich ruhelos an der Wand entlang tastenden Kreatur wieder nach unten wuchs, um nun die rosige Unterhaut der Hinterläufe zu bedecken.
Endlich schien das Ding wohl die Sinnlosigkeit seines Handelns zu begreifen. Die Vorderläufe verharrten einen Moment lang in Ruhe. Aus dem Schreien war ein fast gleichmäßig auf- und abschwellendes Wimmern geworden. Schon löste sich die aufgereckte Gestalt von der Wand, vollführte eine halbe Drehung und schaute zu ihm herüber. Aus den kleinen dunklen Augen flackerte Murlo blankes Entsetzen entgegen.
„Ich tu dir wirklich nichts“, sagte er spontan und war um einen beruhigenden Tonfall bemüht.
Er ließ sich auf den Fußboden gleiten, sodass er sich mit dem Tier fast auf Augenhöhe befand. Dann nahm er eine bequeme Sitzposition ein, verschränkte die Arme vor der Brust und beschloss, erst einmal abzuwarten.
Das Tier schien sich verausgabt zu haben. Es tat ein paar Schritte auf Murlo zu. Doch dann knickten die dünnen Hinterläufe plötzlich ein, das Tier fiel auf die Knie und verharrte eine Weile in dieser merkwürdigen Stellung. Es hob den kleinen schmucklosen Rundkopf und starrte wieder zu ihm herüber. Die beiden fleischigen, im unteren Drittel des Kopfes befindlichen Striche, klafften erneut auseinander. Sie wurden zur Umrandung eines kreisrunden Loches, aus dem nun wieder einer der bekannten Schreie drang. Diesmal war er noch schriller und schrecklich lang gezogen.
Als hätte die arme Kreatur damit seine letzte Kraft verbraucht, begann sie plötzlich zu wanken und kippte schließlich seitlich zu Boden. Die Hinterbeine dicht an den ungewöhnlich schlanken Leib gepresst und mit den Vorderfüßen den Kopf bedeckend, lag sie da. Der schmale Körper zuckte, und Murlo sah, wie eine klare Flüssigkeit aus den Augen trat. Er hörte noch einen tiefen Atemzug – dann war es still. War das unbekannte Lebewesen verendet?
Besorgt richtete sich Murlo auf und ging dann vor dem leblos scheinenden Körper in die Hocke. Den scharfen Schmerz, der dabei seine rechte Wade durchzuckte, quittierte er mit einem kurzen Knurren. Die dunklen Augäpfel des Tieres waren jetzt mit einer knittrigen Hautfalte bedeckt und das blasrot umrandete Schreiloch zu einem schmalen Schlitz mutiert.
Dann sah er, die schwachen Pumpbewegungen des schmalen Körpers.
’Es schläft nur’, dachte Murlo.
Vorsichtig berührte er die beiden winzigen Löcher, die in ein schmales, dicht über dem Schreiloch aufragendes Hörnchen gebohrt schienen. Er spürte einen feinen Luftzug und schloss daraus, dass es sich hier wohl um die Öffnungen für die Atemluft handelte. An einer leichten Vertiefung zwischen den Augen und diesem Hörnchen entdeckte er ein wenig von der farblosen Flüssigkeit, die vorhin aus den Augen getreten war. Neugierig tauchte er eine Fingerspitze hinein. Als er daran roch, konnte er nichts Außergewöhnliches wahrnehmen. Nach kurzem Zögern ließ er schließlich seine hochempfindliche Zunge über die Fingerkuppe gleiten und stutzte. Ein wenig verwirrt, leckte er noch einmal und stellte dann erstaunt fest: „Salzig! In der Flüssigkeit ist Salz enthalten.“
Er lachte meckernd auf und sah das sonderbare Geschöpf plötzlich mit ganz anderen Augen. Warum war ihm das nicht gleich eingefallen! Na klar – dieser walzenförmige Körper mit seiner rosigen Haut unter der dünnen Chitinschicht erinnerte ihn stark an die vierbeinigen Schnecken, die auf dem Planeten Tsurli so massenhaft auftraten.
„Eine pikant vorgepökelte Nacktschnecke!“, kicherte er, fuhr zum dritten Mal die Zunge aus und ließ sie jetzt ungeniert über die feucht fahle Kopfhaut gleiten.
Hm.
In ihm erwachte der Berufsinstinkt. Schließlich begleitete Murlo an Bord das Amt des stellvertretenden Küchenchefs.
„Ein anständiges Stück Fleisch, um damit, inklusive Beilagen, drei bis vier Personen satt zu machen“, murmelte er und schätzte mit den Augen die Möglichkeiten einer geschickten Portionierung ab.
Das Köpfchen müsste man abtrennen – das sah auf der Servierschale einfach zu unappetitlich aus. Die Vorderbeine – auch kaum zu gebrauchen. Aber der Rest…Na ja…Das kam auf die Zubereitung an.
Murlo dachte nach und beschloss dann, zunächst nur seinen Freund Mörtle in die Sache einzuweihen und ihn zum Test-Essen einzuladen. Der war Feinschmecker, und wenn er das Fleisch pikant fand, würde Murlo noch mehr solche Nacktschnecken besorgen und die ganze Mannschaft mit seinem neuartigen Menü überraschen.
Während sein Blick über die immer noch schwach atmende Glieder-Nackt-Schnecke glitt, dachte er bereits angestrengt über verschiedene Varianten der Zubereitung nach.
Sollte er diese dünne Schale vorher abpellen, oder war gerade diese vielleicht eine ganz besondere Delikatesse?
Mit den Fingerspitzen fuhr er über die lindgrüne Oberhaut. Sie fühlte sich weich und glatt an – zu weich für Chitin. Er glaubte sich eher an die aromatischen Solingo-Blätter erinnert, in die er immer die Slüter-Fleischrollen zu wickeln pflegte, bevor er sie mit köstlichen Knauto-Kernen garnierte.
Murlo zupfte an dieser Hülle und musste überrascht feststellen, dass die – wenn überhaupt - nur an ganz wenigen Stellen mit dem Körper verwachsen schien. Eine Art Flatterhaut?
Er riss daran, und schon hielt er einen Fetzen davon in der Hand. Die Nacktschnecke hatte nicht einmal gezuckt. Merkwürdig. Er beroch den Fetzen, zuckte mit den Schultern und schob sich schließlich das Zeug zwischen die Zähne.
„Pappig! Keine Spur von Aroma. Das können wir getrost weglassen.“
Da das Tier jetzt reg- und wehrlos am Boden lag, bereitete es ihm keine Mühe, den Körper gänzlich von dieser wertlosen Flatterhaut zu befreien.
Fast tat es ihm leid, als er den alles in allem recht mageren Körper in seiner von blassgelben bis schwach-rosa tendierenden Färbung vor sich liegen sah. Schade, sehr appetitlich sah das nicht aus, aber er wusste schon, wie er beim Garen mit Hilfe geeigneter Zusätze einen knusprig grünen Braten hinbekommen würde.
Murlo hatte im Geiste gerade beschlossen, wohl auch auf die viel zu dünnen Hinterbeine zu verzichten und aus den beiden kleinen, bereits mit jeweils einem kräftigen Rottupfer versehenen Halbkugeln eine hübsche Garnierung zu bereiten, da schnellten überraschend die Türsegmente auseinander. Murlo hob erschrocken den Kopf und blickte in die strengen Züge des dritten Wachoffiziers. Was wollte denn der hier? Murlo hätte nie vermutet, dass man ihn hier, in dem leeren Vorratsraum aufstöbern würde.
„Ach hier steckst du?“
Man hatte ihn also gesucht. Murlo erhob sich und richtete es so ein, dass er mit seinem Körper die Nachtschnecke verdeckte. Doch dafür war es wohl schon zu spät.
„Murlo! Sofort zum Kommandanten! Aber zack, zack!“, bellte der Offizier und ließ seine schwarz glänzenden Schuppen gebieterisch rasseln.
„Geht das nicht auch ein bisschen höflicher?“
Murlo mochte den aufgeblasenen Kerl nicht. Noch keine zehn Lichtahmees durchs All geflogen, aber eine große Schnauze, wie sie sich Murlo gegenüber nur ein richtiger Veteran heraus nehmen durfte.
„Worum geht es denn?“, fragte er betont gelassen.
Der Schwarze sagte nichts. Dafür richtete er jetzt alle Augen auf die Stelle, wo die Nacktschnecke lag.
„Komm endlich. Der Kommandant ist sehr sehr wütend!“
Davon konnte sich Murlo kurz darauf mit eigenen Augen überzeugen. Kommandant Schurdak empfing den Koch äußerst ungnädig. Er hatte sein fünftes Auge gefährlich nahe an sein Hohlhorn gezogen, was bei ihm immer höchste Erregung signalisierte. Auch das schwache Fluoreszieren der roten und an den Rändern goldgelb geflammten Schuppen verhieß nichts Gutes.
„Setz dich!“, zischte Schurdak und wies mit einer Hand auf den unbequemen Sitzpoller, während er mit einer anderen den dritten Offizier aus dem Raum komplimentierte.
Murlo, der eigentlich schon einen der tief gepolsterten Besuchersessel anvisiert hatte, fügte sich kleinlaut. Als ihn der Blick aus Schurdaks fünftem Auge traf, zog er unbewusst den Hals soweit in den Rumpf hinein, dass der Kopf direkt auf den Schultern lag. Dabei überlegte er fieberhaft, was den Chef so wütend sein ließ. Dass er heimlich die Nacktschnecke mit an Bord gebracht hatte, war vielleicht nicht ganz korrekt, aber deshalb musste man doch nicht gleich…
„Wo bist du in der letzten Nacht gewesen?“
„Ich hatte Landgang“, sagte Murlo und war um einen möglichst unbefangenen Ton bemüht. „Zum ersten Mal übrigens.“
Er wollte noch hinzu setzen, dass er wohl der einzige an Bord sei, der das Schiff vorher noch nie verlassen durfte, seit sie diesen kleinen Planeten umkreisten. Immer nur Küchendienst. Für einen so altgedienten Raumfahrer sei das…
Aber seine innere Stimme riet ihm, die Klappe zu halten und sich auf möglichst knappe Antworten zu beschränken.
„Du kennst die Belehrungen?“
„Ich denke schon.“
„Gut, dann weißt du ja auch, dass ich es strikt untersagt habe, die Steinhaufen zu betreten.“
„Ich habe sie ja auch nicht betreten“, sagte Murlo und war froh, nicht lügen zu müssen.
Na ja, wenn man ganz penibel war, dann musste er schon zugeben, dass er sich zumindest bis dicht an den Rand eines solchen Hohlsteinhaufens gewagt hatte. Dort wimmelte es schließlich von farbenfrohen Nacktschnecken, die er zu dem Zeitpunkt noch für vierbeinige Großkäfer gehalten hatte.
Er hatte sich nur bis zu einem besonders großen Hohlstein heran gepirscht, der schon fast in der freien Landschaft lag. Dabei hatte er festgestellt, dass die merkwürdigen Tiere darin zu wohnen schienen. Und er wollte doch nur… Aber das brauchte Schurdak nicht zu wissen. Wenn er danach gefragt wurde, konnte er jederzeit behaupten, sich die Nacktschnecke irgendwo im Freien gegriffen zu haben. Wer sollte ihm das Gegenteil beweisen?
Murlo hörte sich selbst aufatmen. Entspannt wollte er sich zurück lehnen und wäre fast vom Poller gesegelt.
Schurdak funkelte ihn wütend an. „Wie lange kennen wir uns schon?“
Murlo rechnete kurz nach. Seit er zum ersten Mal unter Schurdaks Kommando geflogen war, mochten locker fünfzehn Groß-Ahmees vergangen sein. Schurdak nahm ihm die Antwort ab.
„Lange genug, um dir klar zu machen, dass ich nichts so sehr hasse, wie Besatzungsmitglieder, die mich anlügen!“, schnauzte der Kommandant.
Die Schuppe über dem für das Ärgern zuständigen Hirnteil begann heftig zu flackern.
„Da gibt man sich alle Mühe, um unbemerkt das Leben auf diesem Planeten zu erforschen, ohne es zu stören. Man erlässt eine ganze Latte von Dienstvorschriften, die das sicherstellen sollen, und dann kommt so ein disziplinloser Hilfskoch und bringt das ganze Programm in Gefahr!“
„Ich bin stellvertretender Küchenleiter!“ protestierte Murlo.
„Gewesen!“, donnerte Schurdak zurück.
Murlo fuhr der Schreck bis in die Spitzen seiner Tentakeln. Bislang war er immer davon ausgegangen, bereits die nächste Reise als neuer Küchenboss antreten zu dürfen. Jetzt musste er unverhofft zur Kenntnis nehmen, dass seine Karriere gefährdet zu sein schien. Oder bluffte Schurdak nur?
„Aber was wirft man mir denn vor?“, fragte er, um eine möglichst überzeugende Unschuldsmine bemüht. „Gut, ich habe eine von diesen Nacktschnecken mit hochgebeamt, ohne vorher um Erlaubnis zu bitten. Aber was ist daran so schlimm. Schließlich…“
„Darauf kommen wir später noch zu sprechen“, grollte der Kommandant. „Zunächst geht es darum, dass du dich wie ein tjingluckisches Trampeltier benommen hast, wodurch die Mönschlein auf uns aufmerksam geworden sind. Du hast nicht nur das strikte Gebot, zur strikten Meidung ihrer Siedlungen missachtet, du hast obendrein die Bewohner des Planeten in Angst und Schrecken versetzt!“
Murlo verstand kaum die Hälfte von dem, was ihm sein Vorgesetzter da an den Kopf warf. Wen meinte er mit „Mönschlein“ und was waren „mönschliche Siedlungen“? Doch während weitere Vorwürfe auf ihn nieder prasselten, schien ihm ein Licht aufzugehen. Siedlungen – damit konnten nur die wahllos angehäuften Hohlsteine gemeint sein. Und „Mönschlein“ war wohl die wissenschaftlich korrekte Bezeichnung für die Nacktschnecken.
„Ich war in keiner Siedlung“, versicherte Murlo. „Wirklich. Ich…“
„Du sollst aufhören, mich anzulügen!“, brüllte Schurdak und trommelte aufgebracht mit allen vier Fäusten auf dem Fußboden herum. Aus den Fugen der Ärgerzentrum-Abdeckschuppen flogen kleine Funken. Murlo hätte gern den Kopf noch tiefer eingezogen, aber der ruhte schon am Rumpfanschlag. So blieb ihm weiter nichts, als sich abzuducken.
„Kastrilla!“
Auf Schurdaks Ruf hin, erschien prompt die Chefbiologin. In ihrem Windschatten segelte ein in unauffälligem Grau gedeckter Techniker. Kastrilla musste dagegen ihre ganze Freiwache dazu genutzt haben, um ihre pinkfarbenen Schuppen sorgfältig mit Glanzwachs zu behandeln. Kastrilla – eine strahlende Schönheit, deren Pinkleuchten mühelos bis in den letzten Winkel von Schurdaks Büro zu dringen vermochte.
Und tatsächlich – Murlo fühlte sich geblendet. Aber anstatt die Augen zu schließen, riss er sie bis zum Anschlag auf und umfing die von ihm so hingebungsvoll Angebetete mit allen fünf Blicken. Fast automatisch ließ er dabei den Hals heraus fahren. Schon spürte er das wohlbekannte Kribbeln im Hohlhorn.
Als sich ihre Blicke kreuzten, glaubte er wahrzunehmen, wie die dreieckigen Plättchen über Kastrillas Zentralverschluss ein klein wenig bebten. Wie sehnte er sich danach, dass sie endlich einmal für ihn zur Seite glitten, um seinem prächtigen Hohlhorn den erträumten Einlass in diesen vollendet schönen Körper zu gewähren.
Doch da wurde Murlo von der Stimme des schmutzig-grauen Technikers aus seinen verlockenden Gedanken gerissen.
„Wir wären dann soweit.“
Er deutete auf einen großen altmodischen Zweidimensionalbildschirm, auf dem sich verwaschene Grautöne nach und nach zu einem Bild formten.
„Jetzt schau genau hin!“
Schurdaks Bellen ließ Murlo zusammenfahren. Zack! Der Kopf knallte wieder heftig gegen den Rumpfanschlag.
„Na, kommt dir das irgendwie bekannt vor?“, fragte Schurdak.
Obwohl Murlo keine Ahnung hatte, was er da sah, verkniff er sich ein spontanes „Nein“. Wenn in Schurdaks Stimme soviel lauernder Triumph lag, war der sich seiner Sache verdammt sicher. Murlo beschloss, auf der Hut zu sein und etwas genauer hinzuschauen. Er nahm also noch ein drittes Auge zur Hilfe, während er die beiden anderen jeweils auf Schurdak und Kastrilla ruhen ließ.
Viel war wirklich nicht zu erkennen. Ein heller fast quadratischer Raum – ziemlich groß, wie es schien. Wände, Decken und Boden präsentierten sich glatt und schmucklos. Lediglich im Vordergrund erkannte man eine flache, lang gestreckte Erhebung. Eine Speisetafel? Jedenfalls war dieser Einrichtungsgegenstand mit allerhand Utensilien vollgestellt. Dahinter hockte eine hell behäutete Nacktschnecke. Jetzt erkannte er, dass die Wand im Hintergrund durchsichtig sein musste.
Murlo wollte gerade im Brustton tiefster Überzeugung sein „Nein!“ los lassen, da huschten zwei aufrecht gehende und ebenfalls auffallend hell behäutelte Nacktschnecken durch das Bild. Dadurch bekam er einen Anhaltspunkt für die Größe des Raumes. Die durchsichtige Wand glitt zur Seite und die Schnecken eilten ins Freie.
Und da erkannte er auch den Raum. Das war doch die Eingangshalle zu dem großen Hohlstein, vor dem es passiert war. Die Kamera war von innen auf die Tür gerichtet, während er sich von außen… Plötzlich vibrierte das Bild und Murlo sah ein Gesicht, das den ganzen Türrahmen ausfüllte. Sein Gesicht! Schmerzverzerrt und mit erschrocken kreisenden Augen. Verdammt!
Er hörte Kastrilla auflachen.
„Oh nein“ Siehst du dämlich aus!“
Ihr Kichern wurde von Schurdaks Bellen übertönt.
„Anhalten!“
Der Techniker schaltete auf Standbild.
„Ist das nun dein blödes Gesicht, oder nicht?“, schnaubte Schurdak.
„Selten blöd“, gluckste Kastrilla.
In Murlo stieg es heiß hoch. Irgendwer hatte ihn bei seinem Malheur gefilmt. Peinlich!
„So, nun raus mit der Wahrheit! Was ist da passiert? Und schön der Reihe nach!“
Immer wieder wuselte das Ding zwischen seinen vorsichtig zugreifenden Händen hindurch. Unter dem Einsatz von lächerlich kurzen und obendrein sehr weichen Krallen, die seine Vorderbeine mehr zierten als bewehrten, versuchte es, Murlos zudringliche Finger abzuwehren. Die kleinen spitzen Schreie, die das Wesen dabei ausstieß, machten ihn unsicher. Er wollte ihm doch nicht wehtun, nur ein bisschen genauer betrachten und befühlen. Vor allem suchte er hinter das Geheimnis dieser feinen Wechselhaut zu kommen. So eine hauchdünne Chitinschicht war ihm noch nie begegnet. Aber auf diese Art und Weise wäre das nicht zu bewerkstelligen, ohne das völlig verängstigte Tierchen zu verletzen.
Resignierend zog sich Murlo in eine Ecke des Zimmers zurück und beschränkte sich eine Weile auf das Bobachten.
‚Nein’, dachte er. ‚Ein Käfer ist das wohl nicht.’
Er sah, wie das Tier sich plötzlich völlig sinnlos auf dem Boden wälzte und dabei seine Schreie immer lauter werden ließ. Nach einer Weile richtete es sich auf und stellte sich auf die Hinterbeine. Während es damit aufgeregt trippelte, fuhren die Vorderfüße rastlos suchend über die kahle Wand.
Murlo hörte den rasselnden Atem, dessen Rhythmus nur durch diese so unangenehm hochfrequenten Schreie unterbrochen wurde. Interessiert verfolgte er, wie die zartgrüne Haut der sich ruhelos an der Wand entlang tastenden Kreatur wieder nach unten wuchs, um nun die rosige Unterhaut der Hinterläufe zu bedecken.
Endlich schien das Ding wohl die Sinnlosigkeit seines Handelns zu begreifen. Die Vorderläufe verharrten einen Moment lang in Ruhe. Aus dem Schreien war ein fast gleichmäßig auf- und abschwellendes Wimmern geworden. Schon löste sich die aufgereckte Gestalt von der Wand, vollführte eine halbe Drehung und schaute zu ihm herüber. Aus den kleinen dunklen Augen flackerte Murlo blankes Entsetzen entgegen.
„Ich tu dir wirklich nichts“, sagte er spontan und war um einen beruhigenden Tonfall bemüht.
Er ließ sich auf den Fußboden gleiten, sodass er sich mit dem Tier fast auf Augenhöhe befand. Dann nahm er eine bequeme Sitzposition ein, verschränkte die Arme vor der Brust und beschloss, erst einmal abzuwarten.
Das Tier schien sich verausgabt zu haben. Es tat ein paar Schritte auf Murlo zu. Doch dann knickten die dünnen Hinterläufe plötzlich ein, das Tier fiel auf die Knie und verharrte eine Weile in dieser merkwürdigen Stellung. Es hob den kleinen schmucklosen Rundkopf und starrte wieder zu ihm herüber. Die beiden fleischigen, im unteren Drittel des Kopfes befindlichen Striche, klafften erneut auseinander. Sie wurden zur Umrandung eines kreisrunden Loches, aus dem nun wieder einer der bekannten Schreie drang. Diesmal war er noch schriller und schrecklich lang gezogen.
Als hätte die arme Kreatur damit seine letzte Kraft verbraucht, begann sie plötzlich zu wanken und kippte schließlich seitlich zu Boden. Die Hinterbeine dicht an den ungewöhnlich schlanken Leib gepresst und mit den Vorderfüßen den Kopf bedeckend, lag sie da. Der schmale Körper zuckte, und Murlo sah, wie eine klare Flüssigkeit aus den Augen trat. Er hörte noch einen tiefen Atemzug – dann war es still. War das unbekannte Lebewesen verendet?
Besorgt richtete sich Murlo auf und ging dann vor dem leblos scheinenden Körper in die Hocke. Den scharfen Schmerz, der dabei seine rechte Wade durchzuckte, quittierte er mit einem kurzen Knurren. Die dunklen Augäpfel des Tieres waren jetzt mit einer knittrigen Hautfalte bedeckt und das blasrot umrandete Schreiloch zu einem schmalen Schlitz mutiert.
Dann sah er, die schwachen Pumpbewegungen des schmalen Körpers.
’Es schläft nur’, dachte Murlo.
Vorsichtig berührte er die beiden winzigen Löcher, die in ein schmales, dicht über dem Schreiloch aufragendes Hörnchen gebohrt schienen. Er spürte einen feinen Luftzug und schloss daraus, dass es sich hier wohl um die Öffnungen für die Atemluft handelte. An einer leichten Vertiefung zwischen den Augen und diesem Hörnchen entdeckte er ein wenig von der farblosen Flüssigkeit, die vorhin aus den Augen getreten war. Neugierig tauchte er eine Fingerspitze hinein. Als er daran roch, konnte er nichts Außergewöhnliches wahrnehmen. Nach kurzem Zögern ließ er schließlich seine hochempfindliche Zunge über die Fingerkuppe gleiten und stutzte. Ein wenig verwirrt, leckte er noch einmal und stellte dann erstaunt fest: „Salzig! In der Flüssigkeit ist Salz enthalten.“
Er lachte meckernd auf und sah das sonderbare Geschöpf plötzlich mit ganz anderen Augen. Warum war ihm das nicht gleich eingefallen! Na klar – dieser walzenförmige Körper mit seiner rosigen Haut unter der dünnen Chitinschicht erinnerte ihn stark an die vierbeinigen Schnecken, die auf dem Planeten Tsurli so massenhaft auftraten.
„Eine pikant vorgepökelte Nacktschnecke!“, kicherte er, fuhr zum dritten Mal die Zunge aus und ließ sie jetzt ungeniert über die feucht fahle Kopfhaut gleiten.
Hm.
In ihm erwachte der Berufsinstinkt. Schließlich begleitete Murlo an Bord das Amt des stellvertretenden Küchenchefs.
„Ein anständiges Stück Fleisch, um damit, inklusive Beilagen, drei bis vier Personen satt zu machen“, murmelte er und schätzte mit den Augen die Möglichkeiten einer geschickten Portionierung ab.
Das Köpfchen müsste man abtrennen – das sah auf der Servierschale einfach zu unappetitlich aus. Die Vorderbeine – auch kaum zu gebrauchen. Aber der Rest…Na ja…Das kam auf die Zubereitung an.
Murlo dachte nach und beschloss dann, zunächst nur seinen Freund Mörtle in die Sache einzuweihen und ihn zum Test-Essen einzuladen. Der war Feinschmecker, und wenn er das Fleisch pikant fand, würde Murlo noch mehr solche Nacktschnecken besorgen und die ganze Mannschaft mit seinem neuartigen Menü überraschen.
Während sein Blick über die immer noch schwach atmende Glieder-Nackt-Schnecke glitt, dachte er bereits angestrengt über verschiedene Varianten der Zubereitung nach.
Sollte er diese dünne Schale vorher abpellen, oder war gerade diese vielleicht eine ganz besondere Delikatesse?
Mit den Fingerspitzen fuhr er über die lindgrüne Oberhaut. Sie fühlte sich weich und glatt an – zu weich für Chitin. Er glaubte sich eher an die aromatischen Solingo-Blätter erinnert, in die er immer die Slüter-Fleischrollen zu wickeln pflegte, bevor er sie mit köstlichen Knauto-Kernen garnierte.
Murlo zupfte an dieser Hülle und musste überrascht feststellen, dass die – wenn überhaupt - nur an ganz wenigen Stellen mit dem Körper verwachsen schien. Eine Art Flatterhaut?
Er riss daran, und schon hielt er einen Fetzen davon in der Hand. Die Nacktschnecke hatte nicht einmal gezuckt. Merkwürdig. Er beroch den Fetzen, zuckte mit den Schultern und schob sich schließlich das Zeug zwischen die Zähne.
„Pappig! Keine Spur von Aroma. Das können wir getrost weglassen.“
Da das Tier jetzt reg- und wehrlos am Boden lag, bereitete es ihm keine Mühe, den Körper gänzlich von dieser wertlosen Flatterhaut zu befreien.
Fast tat es ihm leid, als er den alles in allem recht mageren Körper in seiner von blassgelben bis schwach-rosa tendierenden Färbung vor sich liegen sah. Schade, sehr appetitlich sah das nicht aus, aber er wusste schon, wie er beim Garen mit Hilfe geeigneter Zusätze einen knusprig grünen Braten hinbekommen würde.
Murlo hatte im Geiste gerade beschlossen, wohl auch auf die viel zu dünnen Hinterbeine zu verzichten und aus den beiden kleinen, bereits mit jeweils einem kräftigen Rottupfer versehenen Halbkugeln eine hübsche Garnierung zu bereiten, da schnellten überraschend die Türsegmente auseinander. Murlo hob erschrocken den Kopf und blickte in die strengen Züge des dritten Wachoffiziers. Was wollte denn der hier? Murlo hätte nie vermutet, dass man ihn hier, in dem leeren Vorratsraum aufstöbern würde.
„Ach hier steckst du?“
Man hatte ihn also gesucht. Murlo erhob sich und richtete es so ein, dass er mit seinem Körper die Nachtschnecke verdeckte. Doch dafür war es wohl schon zu spät.
„Murlo! Sofort zum Kommandanten! Aber zack, zack!“, bellte der Offizier und ließ seine schwarz glänzenden Schuppen gebieterisch rasseln.
„Geht das nicht auch ein bisschen höflicher?“
Murlo mochte den aufgeblasenen Kerl nicht. Noch keine zehn Lichtahmees durchs All geflogen, aber eine große Schnauze, wie sie sich Murlo gegenüber nur ein richtiger Veteran heraus nehmen durfte.
„Worum geht es denn?“, fragte er betont gelassen.
Der Schwarze sagte nichts. Dafür richtete er jetzt alle Augen auf die Stelle, wo die Nacktschnecke lag.
„Komm endlich. Der Kommandant ist sehr sehr wütend!“
Davon konnte sich Murlo kurz darauf mit eigenen Augen überzeugen. Kommandant Schurdak empfing den Koch äußerst ungnädig. Er hatte sein fünftes Auge gefährlich nahe an sein Hohlhorn gezogen, was bei ihm immer höchste Erregung signalisierte. Auch das schwache Fluoreszieren der roten und an den Rändern goldgelb geflammten Schuppen verhieß nichts Gutes.
„Setz dich!“, zischte Schurdak und wies mit einer Hand auf den unbequemen Sitzpoller, während er mit einer anderen den dritten Offizier aus dem Raum komplimentierte.
Murlo, der eigentlich schon einen der tief gepolsterten Besuchersessel anvisiert hatte, fügte sich kleinlaut. Als ihn der Blick aus Schurdaks fünftem Auge traf, zog er unbewusst den Hals soweit in den Rumpf hinein, dass der Kopf direkt auf den Schultern lag. Dabei überlegte er fieberhaft, was den Chef so wütend sein ließ. Dass er heimlich die Nacktschnecke mit an Bord gebracht hatte, war vielleicht nicht ganz korrekt, aber deshalb musste man doch nicht gleich…
„Wo bist du in der letzten Nacht gewesen?“
„Ich hatte Landgang“, sagte Murlo und war um einen möglichst unbefangenen Ton bemüht. „Zum ersten Mal übrigens.“
Er wollte noch hinzu setzen, dass er wohl der einzige an Bord sei, der das Schiff vorher noch nie verlassen durfte, seit sie diesen kleinen Planeten umkreisten. Immer nur Küchendienst. Für einen so altgedienten Raumfahrer sei das…
Aber seine innere Stimme riet ihm, die Klappe zu halten und sich auf möglichst knappe Antworten zu beschränken.
„Du kennst die Belehrungen?“
„Ich denke schon.“
„Gut, dann weißt du ja auch, dass ich es strikt untersagt habe, die Steinhaufen zu betreten.“
„Ich habe sie ja auch nicht betreten“, sagte Murlo und war froh, nicht lügen zu müssen.
Na ja, wenn man ganz penibel war, dann musste er schon zugeben, dass er sich zumindest bis dicht an den Rand eines solchen Hohlsteinhaufens gewagt hatte. Dort wimmelte es schließlich von farbenfrohen Nacktschnecken, die er zu dem Zeitpunkt noch für vierbeinige Großkäfer gehalten hatte.
Er hatte sich nur bis zu einem besonders großen Hohlstein heran gepirscht, der schon fast in der freien Landschaft lag. Dabei hatte er festgestellt, dass die merkwürdigen Tiere darin zu wohnen schienen. Und er wollte doch nur… Aber das brauchte Schurdak nicht zu wissen. Wenn er danach gefragt wurde, konnte er jederzeit behaupten, sich die Nacktschnecke irgendwo im Freien gegriffen zu haben. Wer sollte ihm das Gegenteil beweisen?
Murlo hörte sich selbst aufatmen. Entspannt wollte er sich zurück lehnen und wäre fast vom Poller gesegelt.
Schurdak funkelte ihn wütend an. „Wie lange kennen wir uns schon?“
Murlo rechnete kurz nach. Seit er zum ersten Mal unter Schurdaks Kommando geflogen war, mochten locker fünfzehn Groß-Ahmees vergangen sein. Schurdak nahm ihm die Antwort ab.
„Lange genug, um dir klar zu machen, dass ich nichts so sehr hasse, wie Besatzungsmitglieder, die mich anlügen!“, schnauzte der Kommandant.
Die Schuppe über dem für das Ärgern zuständigen Hirnteil begann heftig zu flackern.
„Da gibt man sich alle Mühe, um unbemerkt das Leben auf diesem Planeten zu erforschen, ohne es zu stören. Man erlässt eine ganze Latte von Dienstvorschriften, die das sicherstellen sollen, und dann kommt so ein disziplinloser Hilfskoch und bringt das ganze Programm in Gefahr!“
„Ich bin stellvertretender Küchenleiter!“ protestierte Murlo.
„Gewesen!“, donnerte Schurdak zurück.
Murlo fuhr der Schreck bis in die Spitzen seiner Tentakeln. Bislang war er immer davon ausgegangen, bereits die nächste Reise als neuer Küchenboss antreten zu dürfen. Jetzt musste er unverhofft zur Kenntnis nehmen, dass seine Karriere gefährdet zu sein schien. Oder bluffte Schurdak nur?
„Aber was wirft man mir denn vor?“, fragte er, um eine möglichst überzeugende Unschuldsmine bemüht. „Gut, ich habe eine von diesen Nacktschnecken mit hochgebeamt, ohne vorher um Erlaubnis zu bitten. Aber was ist daran so schlimm. Schließlich…“
„Darauf kommen wir später noch zu sprechen“, grollte der Kommandant. „Zunächst geht es darum, dass du dich wie ein tjingluckisches Trampeltier benommen hast, wodurch die Mönschlein auf uns aufmerksam geworden sind. Du hast nicht nur das strikte Gebot, zur strikten Meidung ihrer Siedlungen missachtet, du hast obendrein die Bewohner des Planeten in Angst und Schrecken versetzt!“
Murlo verstand kaum die Hälfte von dem, was ihm sein Vorgesetzter da an den Kopf warf. Wen meinte er mit „Mönschlein“ und was waren „mönschliche Siedlungen“? Doch während weitere Vorwürfe auf ihn nieder prasselten, schien ihm ein Licht aufzugehen. Siedlungen – damit konnten nur die wahllos angehäuften Hohlsteine gemeint sein. Und „Mönschlein“ war wohl die wissenschaftlich korrekte Bezeichnung für die Nacktschnecken.
„Ich war in keiner Siedlung“, versicherte Murlo. „Wirklich. Ich…“
„Du sollst aufhören, mich anzulügen!“, brüllte Schurdak und trommelte aufgebracht mit allen vier Fäusten auf dem Fußboden herum. Aus den Fugen der Ärgerzentrum-Abdeckschuppen flogen kleine Funken. Murlo hätte gern den Kopf noch tiefer eingezogen, aber der ruhte schon am Rumpfanschlag. So blieb ihm weiter nichts, als sich abzuducken.
„Kastrilla!“
Auf Schurdaks Ruf hin, erschien prompt die Chefbiologin. In ihrem Windschatten segelte ein in unauffälligem Grau gedeckter Techniker. Kastrilla musste dagegen ihre ganze Freiwache dazu genutzt haben, um ihre pinkfarbenen Schuppen sorgfältig mit Glanzwachs zu behandeln. Kastrilla – eine strahlende Schönheit, deren Pinkleuchten mühelos bis in den letzten Winkel von Schurdaks Büro zu dringen vermochte.
Und tatsächlich – Murlo fühlte sich geblendet. Aber anstatt die Augen zu schließen, riss er sie bis zum Anschlag auf und umfing die von ihm so hingebungsvoll Angebetete mit allen fünf Blicken. Fast automatisch ließ er dabei den Hals heraus fahren. Schon spürte er das wohlbekannte Kribbeln im Hohlhorn.
Als sich ihre Blicke kreuzten, glaubte er wahrzunehmen, wie die dreieckigen Plättchen über Kastrillas Zentralverschluss ein klein wenig bebten. Wie sehnte er sich danach, dass sie endlich einmal für ihn zur Seite glitten, um seinem prächtigen Hohlhorn den erträumten Einlass in diesen vollendet schönen Körper zu gewähren.
Doch da wurde Murlo von der Stimme des schmutzig-grauen Technikers aus seinen verlockenden Gedanken gerissen.
„Wir wären dann soweit.“
Er deutete auf einen großen altmodischen Zweidimensionalbildschirm, auf dem sich verwaschene Grautöne nach und nach zu einem Bild formten.
„Jetzt schau genau hin!“
Schurdaks Bellen ließ Murlo zusammenfahren. Zack! Der Kopf knallte wieder heftig gegen den Rumpfanschlag.
„Na, kommt dir das irgendwie bekannt vor?“, fragte Schurdak.
Obwohl Murlo keine Ahnung hatte, was er da sah, verkniff er sich ein spontanes „Nein“. Wenn in Schurdaks Stimme soviel lauernder Triumph lag, war der sich seiner Sache verdammt sicher. Murlo beschloss, auf der Hut zu sein und etwas genauer hinzuschauen. Er nahm also noch ein drittes Auge zur Hilfe, während er die beiden anderen jeweils auf Schurdak und Kastrilla ruhen ließ.
Viel war wirklich nicht zu erkennen. Ein heller fast quadratischer Raum – ziemlich groß, wie es schien. Wände, Decken und Boden präsentierten sich glatt und schmucklos. Lediglich im Vordergrund erkannte man eine flache, lang gestreckte Erhebung. Eine Speisetafel? Jedenfalls war dieser Einrichtungsgegenstand mit allerhand Utensilien vollgestellt. Dahinter hockte eine hell behäutete Nacktschnecke. Jetzt erkannte er, dass die Wand im Hintergrund durchsichtig sein musste.
Murlo wollte gerade im Brustton tiefster Überzeugung sein „Nein!“ los lassen, da huschten zwei aufrecht gehende und ebenfalls auffallend hell behäutelte Nacktschnecken durch das Bild. Dadurch bekam er einen Anhaltspunkt für die Größe des Raumes. Die durchsichtige Wand glitt zur Seite und die Schnecken eilten ins Freie.
Und da erkannte er auch den Raum. Das war doch die Eingangshalle zu dem großen Hohlstein, vor dem es passiert war. Die Kamera war von innen auf die Tür gerichtet, während er sich von außen… Plötzlich vibrierte das Bild und Murlo sah ein Gesicht, das den ganzen Türrahmen ausfüllte. Sein Gesicht! Schmerzverzerrt und mit erschrocken kreisenden Augen. Verdammt!
Er hörte Kastrilla auflachen.
„Oh nein“ Siehst du dämlich aus!“
Ihr Kichern wurde von Schurdaks Bellen übertönt.
„Anhalten!“
Der Techniker schaltete auf Standbild.
„Ist das nun dein blödes Gesicht, oder nicht?“, schnaubte Schurdak.
„Selten blöd“, gluckste Kastrilla.
In Murlo stieg es heiß hoch. Irgendwer hatte ihn bei seinem Malheur gefilmt. Peinlich!
„So, nun raus mit der Wahrheit! Was ist da passiert? Und schön der Reihe nach!“