Ich rannte. Immer schneller und schneller. Die heruntergekommenen Häuser aus diesem Stadtviertel flogen geradezu an mir vorbei. Keine Ahnung wohin ich rannte, aber es war auch egal. In diesem Irrgarten aus dunklen Gassen würde ich mich sogar bei Tageslicht verlaufen. Bedauerlicherweise war der Vollmond der einzige, der etwas Licht auf den Weg vor mir scheinen ließ. Ich konnte also von Glück reden, wenn ich vor keine Hauswand rannte. Mein Verfolger kam näher, ohne, dass ich etwas hätte dagegen unternehmen können. Bis jetzt hatte ich sein Gesicht noch nicht gesehen, aber ich war mir nicht sicher ob ich das überhaupt wollte. Das Keuchen, das ich ein paar Meter hinter mir hörte, reichte mir vollkommen. Als ich um drei weitere Ecken gesprintet war und mein Seitenstechen fast unerträglich wurde, sah ich plötzlich eine Tür. Zu meinem Erstaunen war diese nur angelehnt. Ich stieß sie auf, trat ein und verschloss sie schnell. Inständig hoffte ich, dass mein Verfolger weiter laufen würde, in dem Glaube, ich sei noch vor ihm. Die Schritte vor der Tür wurden erst lauter, doch dann entfernten sie sich schnell. Ich atmete aus. Überrascht stellte ich fest, dass ich die Luft angehalten hatte. Von dem Lauf erschöpft ließ ich mich langsam mit dem Rücken an der Tür hinunter gleiten. Als sich mein Atem wieder etwas beruhigt hatte, stand ich auf und sah mich um, wo ich mich überhaupt versteckt hatte. Der Raum sah aus wie ein alter Keller. An den Wänden bröckelte der Putz ab und in der Decke war ein Loch, sodass es rein regnete. Rechts neben der Tür war ein großes Holzregal, indem zwei große Kisten standen. Ich zog die erste heraus und stöberte darin herum. Es waren alte Kinderspielsachen, die wahrscheinlich jemand aussortiert hatte. In der zweiten waren eine Menge Bücher und ein Fotoalbum. Ich blätterte es durch und sah ein Foto, das mir bekannt vorkam. Darauf waren drei Kinder an ihrer Einschulung zu sehen, doch auch wenn ich die Gesichter kannte, wollte mir nicht einfallen wer es war. Plötzlich wurde die Tür aufgerissen und kalter Wind wehte herein. Mein Verfolger hatte mich gefunden und seinem Gesicht nach zu urteilen, war er wütend. Richtig wütend. Seine dunkelgrauen Augen funkelten und sein Mund schnitt eine furchteinflößende Grimasse. Sein dunkler Umhang wehte im Wind und sein vom Regen nasses Haar klebte ihm auf der Stirn. Er erinnerte mich an einen Stier der auf ein rotes Tuch zuläuft. Dummerweise war ich dieses rote Tuch für ihn. Er schrie etwas doch ich hörte nur ein merkwürdiges piepen. Daraufhin machte er einen Satz auf mich zu und wollte sich auf mich stürzen. Ich schloss die Augen, doch ich spüre nichts. Als ich sie wieder öffnete war er weg und ich war ganz woanders. In meinem Bett. Und das Piepen war mein Wecker der zeigte, dass ich aufstehen sollte. Das war alles nur ein Traum und doch ging mir dieses Foto nicht aus dem Kopf.