Die Verfolgung
Es war schon dunkel, als Britta das Haus am Mühlenweg verließ. Eigentlich war es den ganzen Tag nicht richtig hell geworden. Die Märzsonne schaffte es einfach nicht, sich durch die dicke Wolkendecke zu kämpfen. Mit ihrer großen Tasche über der linken Schulter machte sie sich auf den Weg. Warum hatte sie sich keine wärmere Jacke angezogen, dachte sie missmutig. In ihrem dünnen Fleece-Pullover fröstelte sie. Vielleicht hätte sie auch besser das Auto genommen. Doch dafür war es jetzt zu spät.
Zielstrebig marschierte sie auf den Westpark zu. Hinten, am anderen Ende führte ein schmaler Pfad zur Weststraße. Da sparte sie locker eine viertel Stunde gegenüber dem Fußweg an den beleuchteten Straßen entlang. Und sie brauchte nicht so lange in dieser frischen Abendluft zu bibbern. Etwas mulmig war ihr allerdings schon, als sie den Park betrat. Eine kleine Straßenlaterne spendete etwas Licht auf den ersten zwanzig Metern. Danach war es ein ganzes Stück stockfinster, bis zur nächsten Leuchte. Vorsichtig sah sich Britta nach allen Seiten um, ihre Tasche fest unter den Arm geklemmt. Auf dem Weg, der ihren von rechts kreuzte, führte ein älterer Herr seinen Hund spazieren. Sonst war niemand zu sehen. Keine Halbstarken, die gelangweilt auf einer der Parkbänke herum lungerten oder grölend Alkohol in sich hinein kippten. Es war ja auch erst Mittwoch, noch kein Wochenende. Beruhigt setzte Britta ihren Weg fort. Unerwartet raschelte es im Gebüsch neben ihr. Sie zuckte erschrocken zusammen. War das eine Maus? Oder ein Vogel? Oder vielleicht noch etwas Größeres? Angespannt starrte sie in die Richtung. Aber in der Dunkelheit konnte sie nichts erkennen. Sie atmete durch und ging verunsichert weiter. Vielleicht war die Idee mit der Abkürzung doch nicht so gut, wie sie dachte. Zum Glück war die nächste Laterne nicht mehr weit. Die Zweige der kahlen Bäume warfen gespenstige Schatten auf den Schotterweg. Britta beschleunigte ihren Gang. Je eher sie hier durch war, umso besser.
Plötzlich knackte etwas hinter ihr. Rasch drehte sich Britta um. Doch es war niemand zu sehen. Vielleicht wieder ein Tier? Hier gab es auch Enten, die tagsüber auf dem kleinen Teich schwammen. Was machten diese Tiere eigentlich nachts? überlegte sie nervös. Sicherlich nicht auf Menschenjagt gehen. Sie schüttelte den Kopf über ihre eigene Ängstlichkeit und hastete weiter, aufmerksam lauschend. Nach nur wenigen Metern meinte sie Schritte hinter sich zu hören, die leise auf dem feinen Schotter knirschten. Aber als sie sich erneut umsah, war da niemand. Spielte ihre Angst ihr einen Streich? Dieser Park war nachts doch voller Geräusche. Und wer ging hier schon im Dunkeln freiwillig spazieren, außer sie selbst? Eventuell noch ein paar Hundebesitzer. Das wird es gewesen sein, dachte sie zuversichtlich, ein doofer Köter ohne Leine. Sie holte tief Luft und setzte ihren Weg beherzt fort. Rechts lag die Wiese schwarz und still, eingerahmt von düsteren Büschen. Ungewollt wanderten ihre Gedanken zurück. Hatte sie nicht erst letzte Woche in der Zeitung diesen Artikel gelesen? Von dem Überfall auf einen Mann? Zwei junge Männer hatten ihn in einem Park angesprochen und wollten Zigaretten schnorren. Dann verlangten sie sein Handy und sein Portemonnaie. Zum Dank prügelten sie anschließend auf ihn ein. Das war keine gute Vorstellung, um sich zu beruhigen, stellte Britta schnell fest. Diese Stadt war zwar nicht besonders groß, doch Halunken gab es auch hier. Wer konnte schon wissen, was für ein Gesindel abends im Dunkeln unterwegs war? Und sie alleine, als Frau, war schutzlos den Gefahren ausgeliefert. Mit beiden Händen drückte sie ihre Tasche eng an sich.
Als Britta endlich den kleinen Pfad mit den angrenzenden Schrebergärten erreichte, fröstelte sie schon lange nicht mehr. Angstschweiß lag kalt auf ihrer Haut. Hier gab es noch weniger Laternen mit schummrigem Licht. Hinter ihr knirschte es abermals auf dem Schotter. Ruckartig drehte sie sich um, die Augen weit aufgerissen und die Ohren furchtsam gespitzt. Doch da war nichts. Nichts, außer die dunklen Schatten der Bäume. Mit langen Schritten bog sie in den schmalen Weg ein. Hohe Sträucher begrenzten ihn zu beiden Seiten. Ihr Atem ging schneller. Sie war bereit, notfalls jederzeit los zu spurten. Was für eine saublöde Idee, durch den Park zu gehen, schalt sie sich selbst. Das würde sie so bald nicht noch mal tun. Wieder hörte sie Schritte hinter sich. Sie drehte sich nicht mehr um, sondern lief los. Sie rannte, was das Zeug hielt. Es war nicht mehr weit bis zur gut beleuchteten Weststraße. Dann nur noch um eine Ecke und sie wäre endlich sicher zu Hause. Im Dauerlauf brauchte sie keine fünfzehn Minuten. Wenn bloß ihre Tasche nicht so schwer hin und her schaukeln würde. So ein Laptop hatte eben sein Gewicht. Nur ihre Geldbörse war da nicht drin. Die konnte ihr keiner klauen, genauso wenig wie ihre Papiere. Sie hetzte an zwei nächtlichen Gärten vorbei, hinter sich jetzt deutlich Schritte vernehmend. Da musste jemand sein. Sie lief schneller. Seitenstiche quälten sie und Schweißperlen standen ihr auf der Stirn. Egal, darauf konnte sie keine Rücksicht nehmen. Es war nicht mehr weit. Sie überquerte einen Graben über eine kleine Brücke mit Gitterrost. Ihre eigenen Schritte hallten blechern durch die Nacht. Dann eilte sie an den letzten Gärten vorbei. Sie hörte die Schritte ihres Verfolgers auf der Brücke. Hastig lief sie weiter.
Sie hätte es wissen müssen, dass heute kein guter Tag für sie war. Schon ihr Horoskop am Morgen wollte sie warnen. ‚Gehen Sie nur aus dem Haus, wenn Sie unbedingt müssen‘, stand in der Zeitung. Warum hatte sie nur nicht darauf gehört? Sie hätte doch auch genauso gut morgen losziehen können. Frau Becklönne, in deren Haus sie heute war, würde sich noch länger auf den Malediven amüsieren. Bis zum Ende der nächsten Woche, hatte sie im Café laut ihrer Bekannten vorgeschwärmt, wo sie als Aushilfe kellnerte. Aber dann war ihr das dunkle Wetter einfach ideal erschienen. Bestens geeignet, um unbemerkt durch die Terrassentür einzusteigen. Eben, weil so wenig Leute unterwegs waren. Sie brauchte den Schraubendreher nur richtig anzusetzen und ruck zuck war die Tür geöffnet. Den Schmuck und den Laptop hatte sie mitgehen lassen. Mehr konnte sie sowieso nicht tragen. Und mit ihrem Auto wollte sie nicht fahren. Das war ihr zu auffällig. So ein Kennzeichen konnte sich doch jeder notieren.
Schwer atmend hetzte Britta weiter den Weg entlang. Ihr Gesicht brannte schon vor Anstrengung. Wenn ihr Verfolger doch nur aufgeben würde. Aber die Schritte hinter ihr verstummten nicht. Das Diebesgut wollte sie im Internet verscheuern. Bevor Frau Becklönne den Einbruch bemerken und anzeigen würde, hätte sie ihre Beute schon längst in bare Münze umgewandelt. Es war so simpel. Wenn sie nicht ausgerechnet jetzt so einem geistlosen Idioten in die Hände fallen würde. Doch so einfach würde sich ihren Fang nicht entreißen lassen. Niemals! Keuchend rang sie nach Luft. Lange konnte sie nicht mehr rennen. Ihre Beine waren schwer wie Blei. Direkt vor ihr lag die Biegung. Eine gute Gelegenheit, kam es ihr in den Sinn. Kurzentschlossen schlug sie direkt hinter der Kurve einen Haken nach links ins Gebüsch. Vielleicht konnte sie hier ausharren, bis der Kerl an ihr vorbei war. Ihre schwarze Kleidung machte sie so gut wie unsichtbar. Kleine Zweige stachen ihr ins Gesicht und verhakten sich in ihren Haaren. Ihr Atem rasselte laut. Sicher konnte man das kilometerweit hören. Schnell legte sie eine Hand auf ihren Mund und Nase, um das Geräusch zu dämpfen. Angespannt wartet sie. Ihr Herz pochte wie wild. Nichts geschah. Niemand kam vorbei. Wartete ihr Verfolger ebenfalls? Lauschte er wie sie in die Dunkelheit? Sie blieb regungslos stehen. Wagte es nicht, sich auch nur einen Millimeter zu bewegen, ihre Tasche fest umklammert. Nicht das kleinste Ästchen durfte unter ihren Füßen knacken. Zwischen den Zweigen hindurch starrte sie auf den dunklen Weg. Kalter Schweiß ran ihren Rücken runter. Wie lange stand sie schon bewegungslos hier? Es kam ihr wie eine Ewigkeit vor. Doch niemand lief vorbei. Wenn da jemand hinter ihr her wäre, hätte er doch längst da sein müssen. Vielleicht hatte der Typ aufgegeben? Und war umgekehrt, weil er sie verloren hatte?
Britta wartete weiter. Aber es war nichts zu sehen oder zu hören. Hatte sie sich alles in ihrer Panik nur eingebildet? Ihre Mutter hatte früher schon behauptet, sie hätte zu viel Phantasie. Immer, wenn sie sich in ihrem nächtlichen Zimmer fürchtete. Außerdem konnte sie nicht ewig hier stehen. Ganz langsam traute sie sich aus dem Gebüsch hervor. Noch aus dem sicheren Schatten der Sträucher beobachtete sie den schmalen Schotterpfad, schaute nach rechts und links. Sie war alleine. Zögernd betrat sie schließlich den Weg und lenkte ihre Schritte heimwärts. Sie marschierte zügig voran. Nur schnell weg hier. An der hell erleuchteten Weststraße sausten die Autos an ihr vorbei, wie an jedem normalen Tag. Britta kam sich mit einem Mal schrecklich albern vor. Wie konnte sie nur so ängstlich reagieren? ärgerte sie sich. Wie dämlich! Sie ging ruhiger weiter und bog in die einsame Einsteinstraße ab, ihre Tasche lässig über der Schulter. Nur eine Minute später erreichte sie ihre Haustür. Sie hatte noch nicht den Schlüssel ins Schloss gesteckt, als plötzlich hinter ihr schnelle Schritte auf dem Gehweg erklangen. Bevor sie sich umdrehen konnte, packte sie eine Hand an der rechten Schulter und riss sie nach hinten. Ein Schrei entfuhr ihrer Kehle.
„Halt. Stehen bleiben.“, dröhnte eine Männerstimme. „Polizei. Hier wohnen Sie also. Ich beobachte Sie schon seit dem Mühlenweg.“
Britta wurde aschfahl. Oh Mann, hätte sie bloß auf ihr Horoskop gehört.
Es war schon dunkel, als Britta das Haus am Mühlenweg verließ. Eigentlich war es den ganzen Tag nicht richtig hell geworden. Die Märzsonne schaffte es einfach nicht, sich durch die dicke Wolkendecke zu kämpfen. Mit ihrer großen Tasche über der linken Schulter machte sie sich auf den Weg. Warum hatte sie sich keine wärmere Jacke angezogen, dachte sie missmutig. In ihrem dünnen Fleece-Pullover fröstelte sie. Vielleicht hätte sie auch besser das Auto genommen. Doch dafür war es jetzt zu spät.
Zielstrebig marschierte sie auf den Westpark zu. Hinten, am anderen Ende führte ein schmaler Pfad zur Weststraße. Da sparte sie locker eine viertel Stunde gegenüber dem Fußweg an den beleuchteten Straßen entlang. Und sie brauchte nicht so lange in dieser frischen Abendluft zu bibbern. Etwas mulmig war ihr allerdings schon, als sie den Park betrat. Eine kleine Straßenlaterne spendete etwas Licht auf den ersten zwanzig Metern. Danach war es ein ganzes Stück stockfinster, bis zur nächsten Leuchte. Vorsichtig sah sich Britta nach allen Seiten um, ihre Tasche fest unter den Arm geklemmt. Auf dem Weg, der ihren von rechts kreuzte, führte ein älterer Herr seinen Hund spazieren. Sonst war niemand zu sehen. Keine Halbstarken, die gelangweilt auf einer der Parkbänke herum lungerten oder grölend Alkohol in sich hinein kippten. Es war ja auch erst Mittwoch, noch kein Wochenende. Beruhigt setzte Britta ihren Weg fort. Unerwartet raschelte es im Gebüsch neben ihr. Sie zuckte erschrocken zusammen. War das eine Maus? Oder ein Vogel? Oder vielleicht noch etwas Größeres? Angespannt starrte sie in die Richtung. Aber in der Dunkelheit konnte sie nichts erkennen. Sie atmete durch und ging verunsichert weiter. Vielleicht war die Idee mit der Abkürzung doch nicht so gut, wie sie dachte. Zum Glück war die nächste Laterne nicht mehr weit. Die Zweige der kahlen Bäume warfen gespenstige Schatten auf den Schotterweg. Britta beschleunigte ihren Gang. Je eher sie hier durch war, umso besser.
Plötzlich knackte etwas hinter ihr. Rasch drehte sich Britta um. Doch es war niemand zu sehen. Vielleicht wieder ein Tier? Hier gab es auch Enten, die tagsüber auf dem kleinen Teich schwammen. Was machten diese Tiere eigentlich nachts? überlegte sie nervös. Sicherlich nicht auf Menschenjagt gehen. Sie schüttelte den Kopf über ihre eigene Ängstlichkeit und hastete weiter, aufmerksam lauschend. Nach nur wenigen Metern meinte sie Schritte hinter sich zu hören, die leise auf dem feinen Schotter knirschten. Aber als sie sich erneut umsah, war da niemand. Spielte ihre Angst ihr einen Streich? Dieser Park war nachts doch voller Geräusche. Und wer ging hier schon im Dunkeln freiwillig spazieren, außer sie selbst? Eventuell noch ein paar Hundebesitzer. Das wird es gewesen sein, dachte sie zuversichtlich, ein doofer Köter ohne Leine. Sie holte tief Luft und setzte ihren Weg beherzt fort. Rechts lag die Wiese schwarz und still, eingerahmt von düsteren Büschen. Ungewollt wanderten ihre Gedanken zurück. Hatte sie nicht erst letzte Woche in der Zeitung diesen Artikel gelesen? Von dem Überfall auf einen Mann? Zwei junge Männer hatten ihn in einem Park angesprochen und wollten Zigaretten schnorren. Dann verlangten sie sein Handy und sein Portemonnaie. Zum Dank prügelten sie anschließend auf ihn ein. Das war keine gute Vorstellung, um sich zu beruhigen, stellte Britta schnell fest. Diese Stadt war zwar nicht besonders groß, doch Halunken gab es auch hier. Wer konnte schon wissen, was für ein Gesindel abends im Dunkeln unterwegs war? Und sie alleine, als Frau, war schutzlos den Gefahren ausgeliefert. Mit beiden Händen drückte sie ihre Tasche eng an sich.
Als Britta endlich den kleinen Pfad mit den angrenzenden Schrebergärten erreichte, fröstelte sie schon lange nicht mehr. Angstschweiß lag kalt auf ihrer Haut. Hier gab es noch weniger Laternen mit schummrigem Licht. Hinter ihr knirschte es abermals auf dem Schotter. Ruckartig drehte sie sich um, die Augen weit aufgerissen und die Ohren furchtsam gespitzt. Doch da war nichts. Nichts, außer die dunklen Schatten der Bäume. Mit langen Schritten bog sie in den schmalen Weg ein. Hohe Sträucher begrenzten ihn zu beiden Seiten. Ihr Atem ging schneller. Sie war bereit, notfalls jederzeit los zu spurten. Was für eine saublöde Idee, durch den Park zu gehen, schalt sie sich selbst. Das würde sie so bald nicht noch mal tun. Wieder hörte sie Schritte hinter sich. Sie drehte sich nicht mehr um, sondern lief los. Sie rannte, was das Zeug hielt. Es war nicht mehr weit bis zur gut beleuchteten Weststraße. Dann nur noch um eine Ecke und sie wäre endlich sicher zu Hause. Im Dauerlauf brauchte sie keine fünfzehn Minuten. Wenn bloß ihre Tasche nicht so schwer hin und her schaukeln würde. So ein Laptop hatte eben sein Gewicht. Nur ihre Geldbörse war da nicht drin. Die konnte ihr keiner klauen, genauso wenig wie ihre Papiere. Sie hetzte an zwei nächtlichen Gärten vorbei, hinter sich jetzt deutlich Schritte vernehmend. Da musste jemand sein. Sie lief schneller. Seitenstiche quälten sie und Schweißperlen standen ihr auf der Stirn. Egal, darauf konnte sie keine Rücksicht nehmen. Es war nicht mehr weit. Sie überquerte einen Graben über eine kleine Brücke mit Gitterrost. Ihre eigenen Schritte hallten blechern durch die Nacht. Dann eilte sie an den letzten Gärten vorbei. Sie hörte die Schritte ihres Verfolgers auf der Brücke. Hastig lief sie weiter.
Sie hätte es wissen müssen, dass heute kein guter Tag für sie war. Schon ihr Horoskop am Morgen wollte sie warnen. ‚Gehen Sie nur aus dem Haus, wenn Sie unbedingt müssen‘, stand in der Zeitung. Warum hatte sie nur nicht darauf gehört? Sie hätte doch auch genauso gut morgen losziehen können. Frau Becklönne, in deren Haus sie heute war, würde sich noch länger auf den Malediven amüsieren. Bis zum Ende der nächsten Woche, hatte sie im Café laut ihrer Bekannten vorgeschwärmt, wo sie als Aushilfe kellnerte. Aber dann war ihr das dunkle Wetter einfach ideal erschienen. Bestens geeignet, um unbemerkt durch die Terrassentür einzusteigen. Eben, weil so wenig Leute unterwegs waren. Sie brauchte den Schraubendreher nur richtig anzusetzen und ruck zuck war die Tür geöffnet. Den Schmuck und den Laptop hatte sie mitgehen lassen. Mehr konnte sie sowieso nicht tragen. Und mit ihrem Auto wollte sie nicht fahren. Das war ihr zu auffällig. So ein Kennzeichen konnte sich doch jeder notieren.
Schwer atmend hetzte Britta weiter den Weg entlang. Ihr Gesicht brannte schon vor Anstrengung. Wenn ihr Verfolger doch nur aufgeben würde. Aber die Schritte hinter ihr verstummten nicht. Das Diebesgut wollte sie im Internet verscheuern. Bevor Frau Becklönne den Einbruch bemerken und anzeigen würde, hätte sie ihre Beute schon längst in bare Münze umgewandelt. Es war so simpel. Wenn sie nicht ausgerechnet jetzt so einem geistlosen Idioten in die Hände fallen würde. Doch so einfach würde sich ihren Fang nicht entreißen lassen. Niemals! Keuchend rang sie nach Luft. Lange konnte sie nicht mehr rennen. Ihre Beine waren schwer wie Blei. Direkt vor ihr lag die Biegung. Eine gute Gelegenheit, kam es ihr in den Sinn. Kurzentschlossen schlug sie direkt hinter der Kurve einen Haken nach links ins Gebüsch. Vielleicht konnte sie hier ausharren, bis der Kerl an ihr vorbei war. Ihre schwarze Kleidung machte sie so gut wie unsichtbar. Kleine Zweige stachen ihr ins Gesicht und verhakten sich in ihren Haaren. Ihr Atem rasselte laut. Sicher konnte man das kilometerweit hören. Schnell legte sie eine Hand auf ihren Mund und Nase, um das Geräusch zu dämpfen. Angespannt wartet sie. Ihr Herz pochte wie wild. Nichts geschah. Niemand kam vorbei. Wartete ihr Verfolger ebenfalls? Lauschte er wie sie in die Dunkelheit? Sie blieb regungslos stehen. Wagte es nicht, sich auch nur einen Millimeter zu bewegen, ihre Tasche fest umklammert. Nicht das kleinste Ästchen durfte unter ihren Füßen knacken. Zwischen den Zweigen hindurch starrte sie auf den dunklen Weg. Kalter Schweiß ran ihren Rücken runter. Wie lange stand sie schon bewegungslos hier? Es kam ihr wie eine Ewigkeit vor. Doch niemand lief vorbei. Wenn da jemand hinter ihr her wäre, hätte er doch längst da sein müssen. Vielleicht hatte der Typ aufgegeben? Und war umgekehrt, weil er sie verloren hatte?
Britta wartete weiter. Aber es war nichts zu sehen oder zu hören. Hatte sie sich alles in ihrer Panik nur eingebildet? Ihre Mutter hatte früher schon behauptet, sie hätte zu viel Phantasie. Immer, wenn sie sich in ihrem nächtlichen Zimmer fürchtete. Außerdem konnte sie nicht ewig hier stehen. Ganz langsam traute sie sich aus dem Gebüsch hervor. Noch aus dem sicheren Schatten der Sträucher beobachtete sie den schmalen Schotterpfad, schaute nach rechts und links. Sie war alleine. Zögernd betrat sie schließlich den Weg und lenkte ihre Schritte heimwärts. Sie marschierte zügig voran. Nur schnell weg hier. An der hell erleuchteten Weststraße sausten die Autos an ihr vorbei, wie an jedem normalen Tag. Britta kam sich mit einem Mal schrecklich albern vor. Wie konnte sie nur so ängstlich reagieren? ärgerte sie sich. Wie dämlich! Sie ging ruhiger weiter und bog in die einsame Einsteinstraße ab, ihre Tasche lässig über der Schulter. Nur eine Minute später erreichte sie ihre Haustür. Sie hatte noch nicht den Schlüssel ins Schloss gesteckt, als plötzlich hinter ihr schnelle Schritte auf dem Gehweg erklangen. Bevor sie sich umdrehen konnte, packte sie eine Hand an der rechten Schulter und riss sie nach hinten. Ein Schrei entfuhr ihrer Kehle.
„Halt. Stehen bleiben.“, dröhnte eine Männerstimme. „Polizei. Hier wohnen Sie also. Ich beobachte Sie schon seit dem Mühlenweg.“
Britta wurde aschfahl. Oh Mann, hätte sie bloß auf ihr Horoskop gehört.