Die verlassene Bar von Will Turner (†)

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Pennywise77

Mitglied
Die Jukebox der Fünfziger spielt ihre Lieder
aus früheren Zeiten der qualmigen Bars.
Den Kopf auf den Tresen gelegt träumt er wieder
vom besseren Gestern bei halbleerem Glas.

Die Eichenvertäfelung atmet Gerüche
von Tabak und Bier in das schummrige Licht.
Der Muff ist so alt wie die Barkeepersprüche
vom stämmigen Wirt mit dem roten Gesicht.

Derweil träumt der Gast mit dem Kopf auf dem Tresen
noch immer von seiner Geliebten von einst.
Der Barkeeper nimmt aus der Ecke den Besen,
der borstenverbogen die Arbeit verneint.

Schon bald wird die Nacht von der Sonne erblinden,
und Staub legt sich dick auf das Holzinventar,
der Wirtsmann wird still in den Wänden verschwinden,
dann torkelt sein Gast aus der einsamen Bar.
 
Dazu hört man geradezu das Klavierspiel.
Gut in die metrischen Tasten gehauen, Pennywise!

Eine Zeile gefällt mir sprachlich zwar nicht so gut:
Schon bald wird die Nacht von der Sonne erblinden,
Wie wäre es mit „Schon bald schluckt die Nacht von der Sonne das Licht"
okay, dann passt der Rest der Strophe nicht, aber sprachlich-klanglich fände ich es schöner.


LG SilberneDelfine
 

sufnus

Mitglied
Hey Penny!

Ich bin froh, dass ich hier direkt mal positive Schwingungen verbreiten kann und mich nicht (schon wieder mal) als Nörgler vom Dienst betätigen muss (jaaa … ich weiß … müssen muss ich ja eh nicht, kann mich ja auch statt in Nörgelei in vornehmem Schweigen üben... aber das ist bei diesem schönen Gedicht zum Glück gar nicht die Frage ;) ).
Also: Stimmungsvolle Geschichte, schöner flüssiger Rhythmus (wie bei Dir ja auch gewohnt) und insgesamt ein gut gebautes Gedicht. :)

Für Typo-Korrekturen oder mögliche kleinere Glättungsdetailvorschläge muss ich es noch ein paar mal lesen, aber die Erfreunis wollte und sollte erst mal zu Wort kommen.

Eine Rückfrage hab ich natürlich zu diesem verblichenen Will Turner. Mir fällt dieser Typ aus Pirates of the Caribbean ein - aber der passt irgendwie nicht so ganz (oder doch? - hab ehrlich gesagt nur den ersten Film gesehen und da wäre eine Jukebox etwas anachronistisch rübergekommen, womöglich kommen ja in späteren Filmen aus der Reihe noch Zeitreisen ins Spiel?). Dito komm ich mit dem englischen Maler aus dem 19. Jh nicht so richtig weiter, zumal die Anrede dann schon recht kolloquial wäre ;) . Kannst Du mich da also noch aufklären?

Und dann ist mir noch die etwas verzögerte Einführung des "lyrischen Er's" als "Gast" aufgefallen: In der ersten Strophe taucht dieser "er" recht unvermittelt in Zeile 3 auf und wird dann erst zwei Strophen weiter genauer als Gast definiert, wobei sich der "Kopf auf dem Tresen" ziemlich wortwiederholend gibt. Wenn ich über diesen Aspekt nachdenke, frage ich mich, ob man die, gefühlt irgendwie etwas verspätete Strophe 3 überhaupt so benötigt?

Wie gesagt: Weitere Details gerne beim wiederholten Lesen (auf das ich mich schon freue!) :)

LG!

S.

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Die Jukebox der Fünfziger spielt ihre Lieder
aus früheren Zeiten der qualmigen Bars.
Der Gast mit dem Kopf auf dem Tresen träumt wieder
vom seiner Geliebten bei halbleerem Glas.

Die Eichenvertäfelung atmet Gerüche
von Tabak und Bier in das schummrige Licht.
Der Muff ist so alt wie die Barkeepersprüche
vom stämmigen Wirt mit dem roten Gesicht.

Schon bald wird die Nacht von der Sonne erblinden,
und Staub legt sich dick auf das Holzinventar,
der Wirtsmann wird still in den Wänden verschwinden,
dann torkelt sein Gast aus der einsamen Bar.
 

Stavanger

Mitglied
Heihei,

Ich schaffe es gerade nicht, dir Sterne zu geben, manchmal finde ich's, manchmal nicht. Und auf dem Handy schon gar nicht, da stoße ich fast nur auf Werbung.

Also, was ich sagen wollte:
Versmaß stimmt, Atmosphäre stimmt. Mir gefällt's.

Schönen Gruß!
Uwe
 

sufnus

Mitglied
Hey!
Schön, dass Uwe hier nochmal tätig wurde - die Zeilen im besten Pennywise-Style verdienen mehrmalige, allseitige Beachtung und ich wollte mich ja eigentlich auch nochmal en Detail äußern. :)

Im Grundsätzlichen kann ich dabei mein Obiges weiterhin unterschreiben: Schöner Rhythmus-Fluss, schöne Atmosphäre, gute "Story". Passt! :)

Bei Will Turner bin ich jetzt auch noch nicht weitergekommen - ich könnte natürlich noch googeln… vielleicht gibt es ja irgendeine Figur aus der Prohibitions-Ära mit diesem Namen? Oder doch der "Held" eines Films oder Romans? Eine Fluch-der-Karibik-Anspielung würde ich weiterhin ausschließen.

Ansonsten find ich die Formulierung mit dem Besen der "borstenverbogen" die Arbeit "verneint" etwas schwierig. Nicht weil es sprachlich "ungewöhnlich" ist - Sprachungewöhnlichkeiten dürfen das Gedicht-an-sich ja geradezu als ausgewiesene Schutzzone betrachten - sondern eher, weil diese etwas "gekünstelte" (nicht als grundsätzliche Kritik aufzufassen) Formulierung m. E. schlecht zu dem sonstigen, recht direkten und "geraden" Tonfall des Gedichts passt und die Stelle als einen kleinen Formulierungsnotstand bei der Suche nach einem passenden Endreim ausweist (soweit man "einst" und "verneint" als Reim durchwinken möchte, was ich ausdrücklich will :) ).

Dadurch dass ich oben ja gleich die ganze Strophe als nicht wirklich notwendig eingestuft habe, wäre das Besen-Problem natürlich leicht aus der Welt zu schaffen. Tatsächlich stellt ja die dritte Strophe den schlafenden Gast eigentlich zu spät näher vor und ansonsten wiederholt sich Vieles aus der ersten Strophe nochmal (bis in die einzelnen Wörter), womit die dritte Strophe hinter dem Handlungsfortschritt der zweiten Strophe eigentlich zurückbleibt. Klar kann man sagen: Genau dieses Auf-der-Stelle-Treten ist ja genau gewollt, weil es ja in der Geschichte um eine Art Endlos-Loop geht, in dem die Protagonisten gefangen sind, aber ich persönlich habe mich bei der dritten Strophe ein ganz kleines bisschen gelangweilt und lehne es für mich eigentlich ab, mich in einem erzählenden Gedicht zu langweilen. ;)

In ähnlicher Weise wie bei der Besen-Formulierung empfinde ich dann übrigens auch die erste Zeile der dritten Strophe als etwas arg "verschnörkelt" (wiederum im Vergleich zum sonstigen Tonfall). Bei dieser Formulierung pflichte ich also Silberne Delfine bei, die da ja auch Verbesserungsoptionen gesehen hat. Wobei ich Delfines Vorschlag aus zwei Gründen für noch nicht so recht zielführend halte: Erstens (das hat SD ja selbst schon angedeutet) passt dann der Endreim nicht mehr und zweitens glaube ich, dass die Formulierung anders gemeint ist, als Delfine es "übersetzt" hat. Bei Delfines Variante schluckt ja die Nacht das Licht der Sonne (die dativische "von-der-Sonne-Konstruktion" ist übrigens ein wenig grob, wie ich finde), aber mir scheint, dass Penny das "erblinden" als poetisch-paradoxen Ausdruck für, etwas platt gesagt, "hell werden" gebraucht hat, dass also nicht etwa der Tag zur Nacht sondern die Nacht zum Tage wird, also die Sonne auf- und nicht untergeht. Man könnte das "erblinden" dann ggf. mit "blenden" übersetzen.
Wie auch immer: Hier ist nicht so leicht Abhilfe zu schaffen wie im Besen-Fall, weil die Strophe natürlich unantastbar ist.
Einen Halbvorschlag hätte ich allenfalls, bei dem die Formulierung zumindest klarer wird, der mit dem sonstigen Text kontrastierende "poetisierende" Sprech allerdings (das ist ein Einwand gegen meine Idee) erhalten bleibt: "Schon bald wird die Nacht in den Morgen erblinden,".

Und allerletzter Punkt ... gleich geschafft! ... den "Wirtsmann" empfinde ich noch als etwas "linkische" Formulierung. Man merkt (bilde ich mir ein), dass hier eine zweisilbige Alternative zum Üblicheren, nämlich Wirt oder Barkeeper, gesucht wurde, weil die gängigeren Bezeichnungen halt silbenmäßig nicht hinhauen und außerdem bereits benutzt wurden und die Bar dann auch in der nächsten Zeile nochmal vorkommt, also der naheliegendere Barmann (anstelle eines Wirtsmannes) zu einer gewissen Bar-Überlastung führt. Hier ist es wirklich knifflig eine bessere Lösung zu finden. Ad hoc fällt mir nix ein, was nicht zu gravierenden Umformulierungen führen würde. Tendenziell führt das also zu: So stehenlassen. :)

Und auch wenn das jetzt nach vielen Einwänden und Kritikpunkten klingt, so sind es doch alles eher "minor points". Also unterm Strich: Piffpaff! Schönes Ding! :)

LG!

S.
 

mondnein

Mitglied
Eine Zeile gefällt mir sprachlich zwar nicht so gut:
Wie wäre es mit „Schon bald schluckt die Nacht von der Sonne das Licht"
nicht zu fassen: der schönste und originellste Vers dieses wunderbaren Lieds, mit einer überraschend-paradoxen Metapher,
dachte ich, und erst als der Vers von SilberneDelfine interpretiert wurde, fiel mir ein, daß wohl nicht die Sonne (Subjekt) die Nacht verschlingt, sondern die Nacht verschluckt das Sonnenlicht.
oder doch umgekehrt?
was für ein Vexierbild!

aber die überraschend-paradoxe Metapher bleibt, der Vers ist genial, gerade deshalb, weil da niemand wen schluckt, sondern die Nacht erblindet: .
Schon bald wird die Nacht von der Sonne erblinden,
wunderbar: wie die Nacht geblendet wird, von dem Tagesgestirn, das doch alles sichtbar macht.

bleibt mein Lieblingsvers

grusz, hansz
 
Zuletzt bearbeitet:

mondnein

Mitglied
Ansonsten find ich die Formulierung mit dem Besen der "borstenverbogen" die Arbeit "verneint" etwas schwierig.
ist ein schlechter Mitarbeiter, dieser Besen. Er verbiegt seine Borsten, damit man ihn seltener benutzt.
Der Beobachter, der erste Leser, der metaebene Sänger, hat hier sein Urteil über den Scheißbesen zwischengeschoben. Nein, der Barkeeper himself, bevor er ihm einen Tritt gibt.
 



 
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