Die Verlockung der Macht

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Sein Vater hat ihn von Anfang an nicht gemocht,
hat ihn verspottet, gezüchtigt und unterjocht,
und auch die Mutter war auf ihn nicht sonderlich erpicht,
denn er glich seinem Vater, das ertrug sie nicht.

Wurde der Kleine auch ausstaffiert wie ein König,
gegen seine ungestillte Sehnsucht half das nur wenig,
tagsüber hat er Anerkennung und Liebe vermisst,
und darum nachts aus Rache das Bett vollgepisst.

Wegen all dem wurde er schon als Kind ein Ekel,
benahm sich gegen jedermann als Flegel,
kratzte, biss und stänkerte unermüdlich;
besonders gern tat er sich an Schwächeren gütlich.

Als man ihn schließlich in die Schule zwang,
wurde den Eltern schon Monate vorher bang,
doch zur heftigen Verwunderung von allen,
bemühte er sich, seinen Lehrern zu gefallen.

Er verpetzte seine Kameraden,
bezichtigte sie strafenswerter Taten,
stiftete Unfrieden, grad wo er war,
ließ an niemandem ein gutes Haar.

Auf dem Schulhof stand er immer nur allein,
zu sich nach Hause, lud kein Kind ihn je ein,
und hat ihn das zuweilen auch bedrückt,
von seiner garstigen Art ist er nicht abgerückt.

Sah Jungs er mit Mädchen gehen Hand in Hand,
ist unflätig lästernd er hinterhergerannt.
Wenig später aber hat er enttäuscht zu Hause gesessen,
und sich vor Gram und Kummer dick und fett gefressen.

Die Gleichaltrigen seines Viertels lachten ihn nur aus,
daher hockte er meistens bei den Eltern zu Haus.
Verzweifelt hat er gegrübelt am Tag und in der Nacht,
wie man sich andere Menschen gewogen macht.

Um das zu erkennen, hat er allerhand probiert,
doch was er auch unternahm, nichts hat funktioniert.
Selbst in der Kirche hat er ministriert, gebetet und gesungen,
und blieb trotzdem immer einsam unter den vielen Jungen.

Egal ob er drohte oder flehte, er wurde gemieden von allen,
deshalb ist eines Tages er auf die Erkenntnis verfallen:
Wer über ausreichend Einfluss, Geld und Macht verfügt,
wird seit Menschengedenken von den meisten geliebt.

Da er wusste, das alles erhält man nicht durch Bitten und Beten,
ist folgerichtig er der größten Partei beigetreten.
Dort lauschte, buckelte und dienerte er gern,
zur freudigen Überraschung der hochwohllöblichen Herrn.

Niemals stellte er die falschen Fragen,
hat den Funktionären die Taschen getragen,
und jeden, der ein Amt inne hatte, hofiert,
und musste es sein, auch Stullen geschmiert.

So hatte er es schon recht weit gebracht,
noch bevor er das Abitur gemacht.
Er wühlte und schaffte für die Partei,
intern kam an ihm schon niemand mehr vorbei.

Als fleißiger und gewitzter Intrigant,
hatte er bald gegen jeden was in der Hand,
und spielte alle gegeneinander aus;
doch abends saß er immer noch allein zu Haus.

Mit zwanzig wollte er das nicht mehr,
ganz gleich wie, eine Frau musste her.
Doch all jene, die ihn interessierten,
nach seiner Gesellschaft wenig Verlangen spürten.

So hat er denn schließlich eine genommen,
die zu faul und zu träge war, ihm zu entkommen.
Sie war weder schön, und sie war auch nicht schlau,
doch für seine Zwecke passte sie haargenau.

In der Partei war die nächste Stufe bald erklommen,
denn er ward in den Vorstand aufgenommen.
Auch hauptberuflich kam er sehr rasch weiter,
auf der öffentlich-rechtlichen Karriereleiter.

Mit nur zweiundzwanzig eroberte er mit Fleiß und Witz,
im Verlauf der Stadtratswahlen einen Sitz.
Jetzt fühlte er, und das sah er wohl auch richtig,
sich unter seinesgleichen schon ganz schön wichtig.

Ein paar Wochen lang strahlte er vor Zufriedenheit,
doch bald darauf da ärgerte ihn eine Kleinigkeit:
Die Gattin, obzwar ihm dienstbar und ergeben,
passte nicht mehr so recht zu seinem neuen Leben.

So was lässt sich doch ändern, und schon, ratzfatz,
verstieß er sie von ihrem Platz.
Natürlich blieb er nicht allzu lange allein,
sehr bald schon stellte sich eine kesse Nachfolgerin ein.

In Politik und Partei entwickelte sich alles zu seinem Vergnügen,
an einträglichen Pfründen konnte genug er nie kriegen.
Und doch hat es tief drinnen in ihm ständig geätzt und geunkt:
Statt deiner steht doch ein ganz andrer im Mittelpunkt.

Oh ja, Oberbürgermeister werden, das wäre schön!
Gesagt getan, der alte musste dann auch bald schon geh'n.
Kaum war dieser Posten mit Erfolg okkupiert,
ist einem Pfau gleich er täglich durch die Stadt stolziert.

Alles, was er tat oder sagte, hatte auf einmal Gewicht,
und wer ihn kritisierte, den brachten seine Vasallen vor Gericht.
Oft und gern sprach er inzwischen auch vor großem Publikum,
und immerzu scharten verzückte Anhänger sich um ihn herum.

Es ist leider wahr, doch sein rabiater Aufstieg hat allen,
Einwohnern der Stadt gar prächtig gefallen,
selbst sein Verhältnis zu den Damen galt allmählich als ungetrübt,
von einigen wurde er sogar innig hofiert und heimlich geliebt.

Ungeniert schielte er daher schon wieder nach anderen Frauen,
nicht ohne Absicht ließ er sich eine beeindruckende Villa bauen,
eine zu ihr passende Dame hat ihn dann auch sehr bald beglückt;
die Gattin wurde dank hilfreicher Ärzte in eine Klinik verschickt.

Vom Erfolg verwöhnt, geriet er nun langsam außer Rand und Band,
steil nach oben entwickelte sich auch sein Kontostand.
Trotzdem wollte er noch mehr, und hatte daher bald satt,
sein mickriges Amt, die Bürger, die Stadt.

Alle Herrlichkeit auf Erden,
sah er nun darin, Minister zu werden.
Und kaum, dass er dieses sich gedacht,
war es auch schon auf den Weg gebracht.

Denn ein einflussreicher Parteikollege,
war diesbezüglich überaus rege.
Binnen dreier Wochen war der Verkehrsminister vergrätzt,
und als geeigneter Nachfolger wurde er eingesetzt.

Endlich schien erreicht, wie er sich das als Knabe gedacht,
allseits anerkannt saß er ganz nah am Zentrum der Macht,
ständig huldigten ihm beflissene Vasallen und Lakaien,
und auch das Einkommen war ein Grund, sich zu freuen.

Er verteilte Geschenke, er verteilte Geld,
reiste in alle namhaften Städte der Welt,
er kungelte hier, und intrigierte dort,
und baute seine Macht aus in einem fort.

Bald hatte er Hundertschaften sich verpflichtet,
doppelt so vielen aber auch die Existenz vernichtet,
hat nach wie vor Ämter, Geld und Einfluss gerafft,
und nebenbei auch ganz schön was beiseite geschafft.

Und doch keimte auf einmal in ihm der Verdacht,
man liebt nicht mich, sondern nur meine Macht,
die ganze Gesellschaft, die mich ach so hoch verehrt,
ist meiner eigentlich ganz und gar nicht wert.

Und er dachte, dies trifft auch ganz genau
zu auf meine Ehefrau.
Sie mag nicht mich, sie mag mein Geld,
drum muss sie fort aus meiner Welt.

Die Sache durfte jedoch diesmal nichts kosten,
drum verschaffte er ihr einen gut dotierten Posten,
in der Botschaft im weit entfernten Senegal,
was sie dort anrichtete, war ihm doch egal.

Die feine Gesellschaft gab sich zwei Wochen lang entsetzt,
doch der Platz an seiner Seite war da schon wieder besetzt.
Eine exotisch anmutende Tochter aus Diplomatenkreisen,
war viel zu gefallsüchtig, um seinen Antrag abzuweisen.

Was immer er auch unternahm, er wurde hofiert,
bei jedem seiner Auftritte wurde wild applaudiert,
in den Medien galt er mittlerweile als Star,
an dem jedwede Kritik zu unterlassen war.

Den wachsenden Hofstaat, rekrutiert aus allen Klassen,
versorgte er prächtig aus öffentlichen Kassen,
namhafte Autoren ließ er Bücher über sich schreiben,
um seine steile Karriere weiter voranzutreiben.

Vom steten Erfolg offenbar um den Verstand gebracht,
griff eines Tages er sogar nach des Kanzlers Macht.
In seiner Gier hatte er jedoch vollkommen vergessen:
Der Kanzler war eine Marionette industrieller Interessen.

Erzürnt waren die Herrn der Industrie, das war doch klar,
weil sein Vorgehen nicht mit ihnen abgesprochen war.
Stirnrunzelnd haben sie über ihn den Daumen gesenkt,
und ihn binnen weniger Tage aus all seinen Ämtern gedrängt.

Er war vollkommen überrascht, denn nie hätte er gedacht,
dass mal etwas schief geht, beim Griff nach der Macht.
Und als sei der Rausschmiss nicht schon arg genug gewesen,
gab’s nun täglich Neues über seine Verfehlungen zu lesen.

Seine Konten wurden überprüft und anschließend gepfändet,
jedes seiner Aktenbündel mehrfach hin- und hergewendet,
sein Haus wurde durchsucht, seine Schränke durchwühlt,
so schäbig wie jetzt, hatte er sich nicht mal als Knabe gefühlt.

Und kaum ward öffentlich von Korruption gesprochen,
hatten sich Hofstaat und Freunde auch schon feige verkrochen,
alle Bewunderer waren verschwunden, jeder wandte sich ab,
selbst die Frau verließ ihn, denn sein Geld wurde knapp.

Jeder, den er nun aufsuchte, gab sich empört und geniert,
die Bücher über ihn wurden aus den Bibliotheken aussortiert,
seine einstmals gefeierte Politik wurde gehässig verlacht,
gar nichts mehr galt er, ohne Einfluss, fern der Macht.

Und in den Medien hieß es, es war schon immer klar,
dass der Gestürzte ein ganz abgefeimter Blender war,
doch gottlob, hieß es dann, hat auch diesmal die Wahrheit obsiegt,
was zweifelsohne an unserer demokratischen Verfassung liegt.

Trotzdem aber bleiben, jawohl das seh’ ich,
Dummheit und Gier weiterhin mehrheitsfähig.
 

Pennywise77

Mitglied
Moin Robert,

ich las hier heute ein Gedicht mit 26 Strophen und sagte, dass das zu lang ist.
Das hier topt das nochmal. Bei Dichten geht es doch ums Verdichten. Sich möglichst kurz zu halten. Der Leser verliert irgendwann das Intetesse und bricht ab. So ist es mir leider ergangen. Ich würde das irgendwie komprimieren.

Gruß

Pennywise
 



 
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