Die verwöhnte Prinzessin

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flammarion

Foren-Redakteur
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Die verwöhnte Prinzessin

Im Thronsaal des mächtigen Herrschers der Chinesen saß Tsin Chi in seinen reich bestickten goldenen Kaftan gehüllt auf dem Drachenthron. Man konnte gleich merken, dass er Sorgen hatte. Seine über alles geliebte Tochter war diesmal so ungezogen gewesen, dass selbst er, der statt ihrer stets irgend einen Diener oder eine Zofe für die Unartigkeiten der Prinzessin zu bestrafen pflegte, nicht umhin konnte, zornig zu sein. Er hatte ihr drei Tage Stubenarrest auferlegt.
Aber schon am Abend des ersten Tages machte er sich Sorgen, wie die Tochter wohl auf diese harte und ungewohnte Strafe reagieren wird. Zu Recht, denn nun hatte sie Zeit und Gelegenheit, ihre Dienstboten nach Herzenslust zu quälen und zu schikanieren. Sie trugen es mit asiatischer Demut.
Dann kam die Prinzessin auf die Idee, einen Diener nach dem anderen zu dem schrecklichen Drachen Wu zu schicken, damit sie dessen Schatzkammer leer räumten und die Kostbarkeiten zu ihr brächten. Sie wollte die Schätze ihrem Vater geben, damit er ihr verzeiht, denn sie wusste, dass der Kaiser die Kleinodien heiß begehrte. Er konnte es nicht leiden, dass jemand reicher sei als er. Natürlich taten die Diener nur so, als ob sie in das Gebirge zu dem Drachen gingen; in Wahrheit zogen sie weit in die Welt hinein, um irgendwo Ruhe und Frieden zu finden.
Die drei Mandarine, die der Königstochter als ständiger Schutz zur Seite gestellt worden waren, ahnten wohl, dass man die Bediensteten nicht wieder sehen werde, aber sie sagten nichts.
Diese Mandarine hießen Sen, Hi und Lo. Sen war lang und dünn, Hi dick und rund und Lo klein und behänd. Sie standen vor der Tür des Prinzessinnenverlieses und hielten Wache, damit die Ungezogene nicht hinaus konnte.
Am Morgen des vierten Tages versammelte sich der gesamte Hofstaat, um mitzuerleben, wie der Kaiser eigenhändig sein Töchterlein aus dem Arrest befreite. Gefolgt von Fächerträgern erschien die Majestät und ließ sich von einem Ritter den auf einem prächtigen Kissen liegenden Schlüssel überreichen. Als er eintrat, stand die Menge in ehrfürchtigem Schweigen. Doch plötzlich erklang ein furchtbarer Schrei. „Sie ist fort!“, schrie der Kaiser und schnaubend vor Wut und Schmerz stürzte er heraus. „Ling Ling ist fort! Legt die pflichtvergessenen Wächter in Ketten! Schneidet ihnen die Nasen und Finger ab! Nein, ruft erst meine Richter zum Verhör zusammen, damit alles mit Gerechtigkeit zugehe“.
Das sah nun übel aus für die Mandarine, die nichts mehr zu hoffen hatten. Sie wurden vor die Richter gestellt, aber das Urteil stand ja bereits fest, es würde geschehen, was der Kaiser befohlen hatte. Die Ritter wurden beschuldigt, nicht richtig aufgepasst zu haben, dabei hatten sie Tag und Nacht kein Auge zugetan, oder aber das ihnen anvertraute Juwel den Feinden Chinas ausgeliefert zu haben. Wie sehr sie auch ihre Unschuld beteuerten, der Kaiser blickte immer finsterer und niemand glaubte ihnen.
Wahrscheinlich war das ganze Land froh, diesen Ausbund an Bosheit los zu sein, aber natürlich getraute sich keiner, das auszusprechen. Alle fürchteten den Zorn des Kaisers.
Man hatte alle Winkel des Jadepalastes abgesucht, hinter jeden Vorhang geschaut und hinter jeden Baum, jeden Strauch, aber von Ling Ling fand sich keine Spur.
Ja, es stand schlimm um ihre Wächter! Schon stand der Scharfrichter hinter ihnen und der Kaiser hatte „Rrrritsch!“ gesagt, was bedeutete, dass man ihnen den Bauch aufschneiden sollte und alle Räte hatten dazu genickt; schon glaubten alle die armen Mandarine verloren, da besann sich der Kaiser plötzlich eines Besseren und ein tückisches Lächeln verbreitete sich über sein Gesicht. „Ich will noch mal Gnade vor Recht ergehen lassen“, sagte er, „und euch sieben Tage Frist gewähren. Wenn ihr in diesen sieben Tagen die königliche Hoheit nicht gefunden habt, wird das Urteil vollstreckt, glaubt nicht, dass ihr mir entrinnen könnt! Mein Arm reicht weit über die Landesgrenzen hinaus!“
Tief betrübt, aber unerschrocken, wanderten die Mandarine über das Land, schauten in jedes Haus und jede Kate, in jeden Wald, in jeden Garten, aber Ling Ling war wie vom Erdboden verschluckt.
So kamen sie auch an das gewaltige Gebirge im Westen des chinesischen Reiches. Jedoch beim Erklimmen des ersten Berges klagte Hi: „O meine teuren Gefährten, meine Kraft ist am Ende, ich kann euch nicht länger begleiten. Grüßt mein geliebtes Weib von mir und sagt ihr, dass ich stets an sie gedacht habe und sehr bedauere, dass mir der Dienst bei Hofe so wenig Zeit für sie ließ“. Mit diesen Worten legte er sich nieder und starb.
Die Gefährten kletterten noch eine Weile weiter, dann sprach Sen: „Mit mir ist s aus. Sechs Tage ohne Speis und Trank, ohne Rast und Ruh, das ist zuviel. Das hält kein Pferd aus, geschweige denn ein Mensch“. Er legte sich auf einen Felsen und schloss seine Augen.
Da stand nun Lo mutterseelenallein und überlegte, ob es nicht vielleicht besser sei, sich gleich in einen Abgrund zu stürzen und so aller Not ein Ende zu machen. Aber dann sagte er sich, dass die Prinzessin ja doch irgendwo sein müsse und dass er bis ans Ende seiner Kraft seine Pflicht tun sollte. Mutig stieg er also weiter und kam so vor den Eingang einer Höhle, aus der ein gräuliches Schnorcheln drang.
„Das ist gewiss der Eingang zur Drachenhöhle, wo das schreckliche Untier Wu haust“, sagte er müde vor sich hin. „Das Untier, von dem so viel geredet wird. Das Untier mit der riesigen Schatzkammer, nach der so viele gierten. Namentlich der Kaiser. Ich will zu ihm gehen und ihn fragen, ob er die königliche Hoheit irgendwo gesehen hat. Mag er mich fressen oder nicht, das ist mir gleich“.
Mit schleppendem Schritt trat er in die Höhle hinein und da lag er auch schon, der riesige Drache Wu. Er öffnete ein Auge und richtete es auf Lo. „Bist du gekommen, die Jungfrau zu holen?“, fragte er dumpf. Lo beeilte sich zu sagen: „Nein, hoher Herr, ich wollte nur fragen, ob Ihr sie gesehen habt“.
Wu öffnete auch sein zweites Auge und wandte den Kopf zu Lo. „Ich hab sie nicht nur gesehen, ich hab sie auch gehört und gerochen. Sie ist da hinten in meiner Schatzkammer eingesperrt“.
Erschöpft setzte Lo sich dort hin, wo er eben noch stand und fragte: „Eingesperrt? Tut Ihr das immer so mit Jungfrauen?“
„Nein, gewöhnlich freue ich mich, wenn die Menschen mir eine Jungfrau bringen, denn dann habe ich jemanden zur Unterhaltung und meist auch gleich jemanden, der mir den Haushalt führt. Aber diese Person ist nicht zum Aushalten! Sie wirft alles herum und sagt Abscheulichkeiten, die man hinter dem Perlengitter ihrer Zähne nicht vermuten sollte! Obendrein hat sie mir, als ich schlief, Schwefel in meine Nasenlöcher gesteckt! Was hätte da passieren können bei der Beschaffenheit meines Atems!“
Ja, das sah Ling Ling ähnlich. So kannte man sie. Der Drache fuhr fort: „Wenn du mich gnädig von dieser Plage befreien wolltest, so soll es dein Schaden nicht sein“.
Als Lo hörte, woher der Wind wehte, warf er sich in die Brust, legte die Hand an sein Schwert und sprach: „Allerwertestes Ungeheuer, hoher Herr des Gebirges, wollt Ihr etwa sagen, dass die Kaisertochter hier her gebracht wurde? Von wem?“
„Nun, von ihrem Vater! Er brachte sie in einer goldenen Sänfte und drohte mir schreckliche Strafen an, wenn ich ihr auch nur ein Haar krümmen sollte. Und ich sollte jeden töten, der etwa her käme, um sie zu befreien. Aber ich wäre froh und glücklich, wenn du dieses Prachtstück mitnehmen würdest. Ich gebe dir auch von meinen Schätzen, was du dir wünschst“.
Das klang gut! Dennoch stellte Lo sich zögerlich. „Meine Gefährten sind auf dem Weg hier her gestorben. Kein Schatz der Welt macht sie mir wieder lebendig“.
„Doch. Mach dir keine Sorgen. Ich besitze einen Onyxring, der Kranke heilt und sogar Tote erweckt, den will ich dir geben. Er entdeckt auch die Wahrheit, niemand kann in seiner Gegenwart eine Lüge aussprechen“.
„Schön. Und was hast du noch zu bieten?“
„Du kannst noch den großen Jadestein haben, in den das Bild des Himmlischen Drachen eingeritzt ist, des Drachen, der alle Welt behütet und bewahrt. Sein Anblick entlarvt Schurken und sie werden machtlos“.
„Und noch eines“, bat Lo , „denn aller guten Dinge sind drei“.
„Hm“, überlegte Wu. „Vielleicht noch den Rubinring, der kranke Herzen heilt und verlorene Liebe zurückbringt?“
„O ja“, freute Lo sich. „Das ist gut! Die Dame meines Herzens zürnt mir, weil ich sie letztens ohne Gruß verlassen musste, so dringend rief der Kaiser nach mir. Mit dem Ring kann ich sie versöhnen und endlich glücklich sein“.
Der Drache holte die Kleinode aus seiner Kammer und auch Ling Ling kam zähneklappernd heraus. Unter den Drachenschätzen befanden sich nämlich auch etliche Statuen mit gräulichen Fratzen, die sie die ganze Zeit über angestarrt hatten.
Lo bat die Prinzessin, voraus zu gehen, damit sie den Tod des Untieres nicht mit ansehen müsse. Schnell wie der Wind jagte sie davon, obwohl sie das Laufen so gar nicht gewohnt war.
Lo verabschiedete sich höflich von dem Drachen, der sich nun eine andere Höhle in einem fernen Land suchen musste. Sonst würde ja keiner glauben, dass er getötet wurde.
Lo gab seinen Freunden das Leben zurück und alle drei eilten der Hoheit nach, um sie im Palast abzuliefern. Zwar wollte der Kaiser zerspringen vor Wut darüber, dass es den Mandarinen gelungen war, am Leben zu bleiben. Er wollte das Urteil dennoch vollstrecken lassen, aber der Anblick des Jadesteins entlarvte ihn als Schurken und er wurde entthront.
Die Prinzessin wurde zur Läuterung in ein Kloster verbannt, wo sie zu einer sittsamen Jungfrau erzogen wurde. Nach einigen Jahren war sie so brav, dass man sie gefahrlos verheiraten konnte.
 

Ully

Mitglied
Hallo flammarion

Im Prinzip gefällt mir die Geschichte schon, doch bin ich über einige Kleinigkeiten gestolpert.

- [red]Ritter [/red]( hießen im damaligen China "[blue]Mandarin[/blue]" )
- Prinzessinnen[red]verlies[/red] ( vielleicht Prinzessinnen[blue]gemach[/blue]? )
- [red]BENZIN [/red]( gab es zu jener Zeit noch nicht )
- [red]Onyxring [/red]( ist ein Wort der heutigen Zeit / [blue]Zauberring? magisches Amulett?[/blue]

lg Ully
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
oh,

besten dank. auf die mandarine hätt ich auch seber kommen können, jetzt beiß ich mir inn hintern. das verlies habe ich gewählt, weil sie darin festgesetzt worden war - stubenarrest. ist vielleicht überzogen. und das benzin - ich dachte, im märchen kann man sich alles erlauben . . .
vielen dank fürs lesen und kommentieren.
lg
 

Doska

Mitglied
Hallo, liebe Flammarion!
ein sehr schönes Märchen mit einem Schmunzelende. Dieses Ende kommt allerdings ein wenig knapp daher, im Gegensatz zum ausführlichen und wunderschön geschilderten Anfang. Warum hattest du es so eilig? Und dann -lechz- habe ich doch glatt ein Fehlerchen bei dir gefunden, hehe!
Du schreibst: Die Gefährten kletterten noch eine Weile weiter, dann sprach SEN: „Mit mir ist s aus. Sechs Tage ohne Speis und Trank.... und schloss seine Augen. Da stand nun LO mutterseelenallein....Mit schleppendem Schritt trat er in die Höhle hinein .... (Der Drache)öffnete ein Auge und richtete es auf SEN.
He, wie geht denn das mit SEN, wenn der vorher gestorben ist?
L.G.
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
oh,

ei der daus! na, da is mir aba n heftiger schnitzer unterlaufen. werd ick jleich ändan. ßßßänk ju.
lg
 

Phönix

Mitglied
liebe flammarion,
wie auch schon so oft finde ich diese Geschichte wunderbar. auch wenn sie unter fantasy und märchen steht ist sie doch aus dem leben gegriffen (was ich ja am liebsten lese). aber es ist schön das es auch noch freundliche drachen gibt-die sind ja so süß :)
was mir auch aufgefallen ist, die politiker von deutschland spiegeln sich hier wieder-was ich nicht schlimm finde

auf dann phönix
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
danke

für slesen und kommentieren.
das mit den politikern war gar nicht beabsichtigt . . .
verlegen in die ecke blickt
 



 
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