Die Welt verändern

Papiertiger

Mitglied
„Was würdest Du tun, um die Welt zu verändern?“ - dieser Satz hing mir lange nach. Würde verändern automatisch verbessern bedeuten? War es nicht ein total vermessener, unrealistischer Anspruch an das eigene, kleine und so erschreckend kurze Leben? Im Grunde hatte mir niemand direkt die Frage gestellt, ich stellte sie mir selbst. Vermutlich deshalb, weil mich und andere Persönlichkeiten faszinierten, die eben genau das getan hatten, nämlich die Welt verändert. Albert Einstein, Alexander der Große, Wernher von Braun, ja sogar Mark Zuckerberg und ganz sicher auch Menschen, von denen noch nie jemand gehört hat. Womit anfangen, welche Prioritäten setzen? Jeden Tag eine gute Tat? Zuerst vor der eigenen Haustür kehren. Mit dem „Man in the mirror“ anfangen, wie Michael Jackson es einst in einem so immens eingängigen Ohrwurm sang. Der einstige „King of Pop“ hatte auch die Welt verändern. Aber inwiefern, wie würde eine Bilanz seines Lebenswerks aussehen, eher im tiefroten Bereich? Vermutlich sind Grübeln und das Vergleichen mit anderen zwei der größten Hindernisse dabei, etwas sinn- und gehaltvolles aus dem eigen Leben zu machen. Wann fangen die meisten Diäten an? Montag? Am 1. Januar? Nein. Immer morgen. Ich mag diesen Witz, weil er wahr ist. Warum also nicht einfach heute anfangen?

Vierzig Kilogramm abnehmen, um gesünder, fitter und aktiver zu werden. Gleichzeitig würde das mein Selbstvertrauen stärken, weil ich einen echten, wichtigen und deutlich sichtbaren Erfolg vorzuweisen hätte. Endlich all das Gelernte in der Praxis anwenden. Nicht mehr in den Welten von „Star Trek“ Flucht, Trost und Inspiration suchen, sondern selbst hier und heute, mit dem was ich bin und kann, das Bestmögliche leisten. Nicht darauf warten bis mich eine radioaktive Spinne beißt. Ganz ohne dramatischen Vorfall eine radikale Umstellung meines Lebens veranlassen. Und das war sie, die Vorgeschichte von:

NORMALMAN

Ist es ein Vogel? Ist es ein Flugzeug? Nein, es ist Normalman. Er geht zur Arbeit, zahlt seine Steuern, grüßt auch Leute, die er gar nicht kennt und hält Frauen und Männern die Tür auf, wenn diese gerade nach ihm in ein Gebäude wollen.

Das Telefon klingelt. Ich höre mir das Anliegen in Ruhe an. In einem verlassenen Anwesen am Rande der Stadt soll es spuken. Ich erkläre der Anruferin kurz, dass sie dafür bitte bei Justus, Peter und Bob in Rocky Beach anrufen muss. Danach verlasse ich kopfschüttelnd das Haus. Ich muss noch einkaufen.

Auf dem Parkplatz vor dem Supermarkt steht ein schwarzer VW-Bus. Darauf sind allerlei Aufkleber befestigt. „Wir sehen uns in Walhalla“, „Fuck Peta“ und „Carphunter“, also Karpfenjäger auf englisch. Ich überlege kurz, so lange stehen zu bleiben bis der Besitzer dieses Fahrzeugs aus dem Markt kommt, um ihn mir anzusehen. Da hat also jemand, der offenbar älter als 18 Jahre ist und Auto fahren darf, das Ambiente eines Jugendzimmers einen störrischen 14-jährigen Schulkindes als Auto-Design umgesetzt. Ist das nun besonders kreativ oder bedenklich? Ich komme zu dem Schluss dafür gerade keine Zeit zu haben. Eventuell war das hier die erste Begegnung mit einem zukünftigen Antagonisten, mit dem Angelsächsischen Angelman, aber das wird sich zeigen. Die Antwort kennt wohl nur Odin. Das ist übrigens nicht der Hund aus den Garfield-Comics, sondern der Vater von Thor. Und wer es mit seinem Germanenkult so richtig ernst meint, der nennt diesen Göttersohn auch nicht Thor, sondern Donar. Und kauft zu Ostern nicht Osterhasen, sondern fragt im Geschäft nach Schokoladenfiguren der Göttin Ostara. Und erhält daraufhin wahlweise ratlose Blicke oder Hausverbot. Egal, ich muss weiter, wichtigere Aufgaben erledigen, Benzinpreise senken, Umverteilung von Sonnenblumenöl von den Hamsterern hin zu den Bedürftigen organisieren und jedem der mit einer Schachtel Zigaretten an der Straße steht, die Packung aus der Hand schlagen und laut schreien: „ES IST DOCH NUR ZU DEINEM BESTEN!!!“. Ja, das wird ein weiterer, guter Tag für den ganz normalen Mann.
 



 
Oben Unten