Die Zauberholztafeln

Vasco

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Benno sah sich noch einmal um, dann hatte er den winzigen Laden erreicht. „Arthur Matuschek - Spielwarenhandlung und Schule für zaubersportliche Kampfkunst“ war auf einem Blechschild zu lesen. Der 15jährige Bursche mit dem aufgeweckten Blick atmete auf. Er war von niemandem bemerkt worden. Mutter wähnte ihn an diesem Juni-Nachmittag des Jahres 1922 bei seinem Schulkameraden Conni. Doch die beiden waren aus der Vorstadt herüber gelaufen, um dieses geheimnisvolle Spielwarengeschäft in der Bahnhofstraße aufzusuchen.
Doch nicht die Spielsachen zogen ihn an. Es waren knabenhandgroße, bemalte Holztäfelchen, die es nur in diesem Laden gab. Auf jedem Einzelnen waren mit feinstem Pinselstrich und in ungewöhnlicher Farbfülle sonderbare Bilder aufgemalt. Dies war beachtlich, aber das wahrhaft besondere daran war die Zauberkraft, die ihnen innewohnte. Und derer man sich bedienen konnte, wenn man Talent dafür hatte. Conni, sein bester Freund, hatte ihm davon erzählt.

„Man kann die Holztafeln nicht kaufen, sondern muss die Zauberschule besuchen, um sie zu bekommen. Es gibt einen Meister, der ist ein ziemlich komischer Kauz. Sagt jedenfalls mein Vetter Bertel. Der war mal ein paar Wochen dort. Erst erklärt der Meister die Regeln, dann die Tafeln, und dann kämpfen sie damit.“ So hatte es Conni berichtet.
„Und wie kämpfen sie, werfen sie sich die Tafeln an den Kopf?“ hatte Benno spöttisch gefragt. Aber der Freund blieb ernst: „Nein, hör zu. Bertel hat mir verraten, dass der Meister Zauberkraft in die Tafeln legt. Es gibt eine Werkstatt dort, aber niemand darf sie betreten. Es ist so, dass man den Zauber erfühlen muss. Dann kann man Viecher beschwören, die unheimlich mächtig sind. Die kämpfen dann für Dich gegen die Monster von deinem Gegner.“
Sie lenkten Ihre Schritte in eine schmale Gasse und plötzlich sagte Benno: „Du, lass uns doch hingehen zu dem Spielwarenladen. Vielleicht zaubert uns der Alte so ein Monster?“
Conni wehrte ab: „Es gibt ziemlich strenge Regeln da. Und wer sie nicht einhält, wird bestraft. Ich denke, es genügt, wenn wir sie uns im Schaufenster ansehen.“
Das aber konnte Benno nicht abschrecken. Er hatte sich bereits entschlossen, mehr über die kunstvoll gestalteten Tafeln und die darin enthaltenen Zauberkräfte zu lernen. Und so hatten sie sich getrennt, und Benno den Weg Richtung Bahnhof eingeschlagen.

Arthur Matuschek, ein großgewachsener Mann um die 50 stand ihm gegenüber. Seinem kantigen Gesicht entsprang ein durchdringender Blick und unter dem streng zurückgekämmten ergrauten Haar verlief unübersehbar eine Narbe über die faltige Stirn. Gekleidet war der Mann in einen langen Leinenmantel, den ein Gürtel zusammenhielt. Der Knabe schielte vorsichtig zur Tür, doch der Alte hatte ihn durchschaut, war behände an ihm vorbeigeschritten und schnitt ihm den Weg ab.
„Junge!“, brüllte er Benno an und lachte dann kurz und heftig. „Willst Du etwas lernen, oder weiter als Schwächling durch die Gassen dieser Stadt schleichen? Ich kann Dir etwas geben, was Dir sonst niemand geben kann: Den Mut, es zu wagen, die Kraft zu kämpfen, und die Macht, zu siegen!“ Die charismatische Ausstrahlung des Mannes hatte ihn sofort in seinen Bann geschlagen, und Benno hätte auch gerne seine erste Lektion genommen, doch es gab einen Haken: Die Schule war nicht kostenlos.

„Wenn Du ernsthaft mein Schüler werden willst, dann brauchst Du zweierlei, Junge. Das Erste ist Geld. 500 Mark. Nicht viel, wenn man bedenkt, dass das Geld mit jedem Tag, der vergeht, weniger wert ist“, erklärte der zauberkundige Ladeninhaber. „Und zweitens musst Du Dich mit den Regeln unserer Kunst beschäftigen. Lerne sie inwendig zu Deinem Verständnis und auswendig für die regelmäßigen Prüfungen!“
Mit diesen Worten händigte er Benno eine schmale Broschüre aus, welche den Titel trug: „Der Zauberschüler - Regeln für den Umgang mit der magischen Kampfkunst“. Dazu sagte er: “Komme wieder, wenn Du die Bedingungen erfüllen kannst.

Sprich niemals über die geheimen Künste. Denn nur wer schweigen kann, wird für würdig befunden werden!

Einige Wochen später war er erneut zum Hauptbahnhof herübergekommen. Er spürte, wie ihm das Herz zu klopfen begann, als er die Geldscheine aus der offenen Nahtstelle seiner blauen Tertianermütze zog. Hart hatte er dafür gearbeitet, jeden freien Nachmittag den Bauarbeitern im Viertel Nägel und Werkzeuge gereicht, Bier und Zigaretten beim Kaufmann besorgt, und ihre lehmkrustigen Stiefel am Flussufer gereinigt.

Entschlossen hatte er die Klinke der Ladentür gedrückt. „Da bist Du ja wieder, Junge. Du willst also mein Schüler werden und die Lehre des Kampfes mit den Zaubertafeln empfangen?“
„Ja, Meister Matuschek“.
„Nun gut“ antwortete der und schwieg einen Moment, dann fragte er unvermittelt: „Das Geld. Hast Du es dabei?“
Benno öffnete seine rechte Faust, welche das Bündel Geldscheine festhielt. Des Meisters Hand schnappte danach, und mit einem Funkeln in den Augen bemerkte er:
„Nicht dass es mir wichtig wäre. Es ist vor allem anderen der Respekt, den ein Schüler seinem Meister schuldet, damit die Lehre bei ihm fruchtet. Wie heißt Du eigentlich?“
„Benno Mühsam“. „Benno? Na gut. Gehe jetzt! Heute ist kein Unterricht. Komme aber morgen wieder zur selben Zeit“ sprach der Meister, während er die Scheine zu zählen begann.

Unterschätze niemals einen Gegner, auch wenn er schwach erscheint! Gehe immer davon aus, dass er gefährlich ist!

Von diesem Tag besuchte er, wann immer es ihm möglich war, die Zauberschule. Die Regeln waren rasch auswendig gelernt, und seine Fähigkeiten im Zauberkampfsport waren außergewöhnlich. Das spürte er, und seine Erfolge zeigten es auch. „Fredl, Josef, den Michel und den Oscar - alle habe ich besiegt“ triumphierte er heimlich, aber gerade dadurch hatte sich ein Schatten auf sein Gemüt zu gelegt.

Bleibe bescheiden! Wer sich seiner Zauberfähigkeiten rühmt, hat den tieferen Sinn des magischen Kräftemessens nicht verstanden!

Benno verspürte ein Gefühl, das er bisher nicht kannte: Neid. Der Meister hatte die Rang-, und somit auch die Sitzordnung nach nicht geändert. Nach wie musste er seinen Platz am Ende der Reihe einnehmen. Es erschien gerade so, als ignoriere der Alte seine Siege. Er hatte schließlich all seinen Mut zusammengenommen, war zum Meister gegangen und hatte seine Klage vorgetragen. Arthur Matuschek schien wenig begeistert zu sein, doch hatte er ihm schließlich ein Angebot gemacht: „Wenn es Dir gelingt, einen Gegner, den ich erwählen werde, zu besiegen, dann wirst Du einen neuen Rang erhalten.“

Heute war es endlich so weit. Seine Lehrzeit ging mit dieser Prüfung in der verborgenen Arena zu Ende. Die Arena war eigentlich ein Hinterhof-Anbau, der nie genehmigt worden und in keinem Katasterverzeichnis eingetragen war. Ein fast fensterloser Raum, der durch eine armselige Deckenfunzel und durch einige Kerzen erhellt wurde. Auf dem Boden lagen Strohmatratzen, und während der Meister am Kopfende des Raumes im Schneidersitz hockte, saßen sich seine Schüler in strenger Reihenfolge der Rangordnung in zwei Reihen gegenüber, wobei die Ranghöchsten jeweils am Kopfende saßen, also dort, wo der Meister seinen Platz hatte.
Hier würde das angebotene Duell stattfinden. Er würde einen großen Schritt machen, einen Rang und wohl auch eigene Tafeln bekommen. Endlich könnte seine Mutter stolz auf ihn sein. Und für seinen nicht mehr heimgekehrten Vater würde er ein ewig strahlendes Licht wirken, so dass es ihm im Jenseits nicht mehr so finster sei.

Wenn Du ein Duell bestreiten musst, dann bereite Dir Ehre!

Benno trat ganz an die Schaufensterscheibe heran, um die begehrten Tafeln genauer betrachten zu können. Er kannte sie schon und hatte Erfahrungen mit ihnen gesammelt. Da lag „Donars Sturmgebraus“, das filigrane Gemälde zeigte einen muskelbepackten wilden Barbaren, der von einem heftigen Windstoß niedergeworfen wurde. „Ein guter Zauber, aber nicht stark genug“, dachte der ehrgeizige Bursche. Daneben lag die bekannte Tafel, welche „In der Falle“ benannt war, und deren Gemälde einen listig blickenden Kobold zeigte, welcher eine ausgelegte Schlinge zuzog. Auch die Wirkung dieses Zaubers kannte er genau. Benno zuckte zusammen, als der schrille Pfiff einer abfahrenden Dampflok vom nahen Bahnhof herüber gellte, und trat einen Schritt zurück.
Erst jetzt bemerkte er, dass er durch die Scheibe beobachtet wurde. Sein neuer Lehrer für geheime Zauberkünste stand in seinem Ladenlokal. Er lächelte grimmig, als er Benno auffordernd zunickte. Rasch trat dieser ein und folgte dem Meister in den hinteren Gebäudeteil. Alle Schüler waren dort bereits versammelt.

Seinen Gegner kannte er noch nicht. Er nahm an, dass er gegen einen der beiden Ranghöchsten, Johann oder Willi anzutreten hatte. Auch Dietrich kam in Betracht. Er war ein besonders unangenehmer Gegner, weil er sehr flink war. Er benutzte nur wenige Zauber, aber diese beherrschte er besonders gut.

Begegne der Wucht des Gegners nicht mit eigener Kraft, sondern nutze sie in Deinem Sinne aus , damit sie sich vermehrt und gegen ihn wendet!

Ein Gongschlag ertönte und sorgte für schweigende Aufmerksamkeit unter den Zöglingen des Arthur Matuschek. Wie immer zu solcher Gelegenheit hielt er eine kurze Ansprache, ermahnte zu Ehrenhaftigkeit, und stellte schließlich die Kontrahenten dieses besonderen Kampfes vor. Zuerst Benno, der sich nervös umschaute. Dann erhob der Meister seine Stimme und rief „Bitte trete nun ein.“ Und aus der Tür zu einem Seitenraum trat in den Kerzenschein der Arena – ein Mädchen.
„Das ist Safia, 13 Jahre jung. Sie ist meiner Einladung gefolgt, und aus Wien angereist.“ Ein Raunen ging durch die Reihen, diese Überraschung war dem Meister gelungen. Das Mädchen blickte etwas verlegen auf die vielen Zauberschüler, ausschließlich Knaben, die da in zwei Reihen saßen und sie neugierig beäugten.

„Nun, Benno, ich löse mein Wort ein: Besiege Safia im zaubersportlichen Wettkampf und erkämpfe Dir einen gebührenden Rang. Unterliegst Du aber, musst Du die Schule verlassen.“

Verwende niemals Zauber, denen Du nicht gewachsen bist!

Benno und Safia saßen sich wie üblich in einem genau bestimmten Abstand im Schneidersitz gegenüber. Schon tauchten die beiden Rangobersten auf und überreichten beiden Kämpfern je eine Schachtel mit Zauberholztafeln. „Nur ein Mädchen“ dachte er zuversichtlich. „Ein, zwei Schläge und sie wird aufgeben.“
Eigenartigerweise aber konnte Benno keinen der Zauber erfühlen. Als er zusehen musste, wie eine Tafel seiner Gegnerin direkt auf die Hand schwebte und sie beginnen konnte, einen Zauber zu beschwören, schluckte er nervös. Sie legte den Kopf ins Genick und schon erfüllten die bekannten Zauberwolken die Mitte des Raumes, aus denen sich die Beschwörungen letztlich manifestierten. Es schien ein Feenwesen zu sein, das einen Bogen zu spannen begann. Bennos Hände vermochten noch immer nichts zu spüren. Das hatte er nur ganz am Anfang seiner Lehrzeit erlebt. Während er erneut über die Tafeln strich, war der Naturgeist voll manifestiert und schoss einen Pfeil in seine Richtung. Augenblicklich verspürte Benno einen heftigen Schmerz in der Brust. Er stöhnte auf und atmete schneller. In einem Anflug aufkommender Verzweiflung nahm er einfach eine der Tafeln in die Hand konzentrierte sich darauf, so tief er es vermochte. Es war ein Centaurus, eine Schimäre aus menschlichem Oberkörper mit dem Unterleib eines Gauls. Benno fühlte den Zauber nun etwas stärker und auch er selbst gewann wieder an Zuversicht. Er warf einen Blick auf Safia. Sie hatte ihre Tafeln geprüft und offenbar gleich zwei Tafeln erspürt, denn sie blickte abwechselnd auf ihre linke, dann auf ihre rechte Hand.

Bennos Blick verfinsterte sich. Während er alle seine geistigen Kräfte für die Manifestation des mächtigen Zentauren aufbot, erschien im selben Moment eine giftige Kobra auf der Seite seiner Gegnerin und lauerte auf ihre Chance. Der wilde Halbmensch trug eine Keule aus Haselholz, stürzte sich auf das Kriechtier und versetzte ihm einen Schlag. Doch verfehlte dieser den Schlangenkopf und traf lediglich den Leib, so dass die Schlange durch die Luft gewirbelt wurde, um aber sogleich reflexartig ihre Fangzähne in den Lauf des Monsters zu schlagen. Safia hatte den Keulenschlag heftig auf ihren Rippen verspürt. Man vernahm ihren Schmerzensschrei und konnte sehen, wie sie nach Luft schnappte, während sich auch Benno schmerzverzerrten Gesichts an seinen Knöchel fasste. Der Meister verfolgte den intensiven Kampf mit starrer Miene. Auch die Jungen spürten, dass dies hier kein Übungskampf war, sondern von beiden Seiten mit größter Heftigkeit um den Sieg gerungen wurde. Zu seinem Unbehagen verspürte Benno nun die Wirkung des magischen Schlangengiftes. Es brannte wie Feuer in den Venen.

Er entschloss sich dazu, die Manifestation des Zentauren aufrecht zu erhalten und erzwang einen weiteren Angriff. Safia aber ließ die Kraft ihrer zweiten Tafel frei und flugs verwandelte sich die Schlange in ein Seil. Die Zentaurenkeule pfiff wirkungslos durch die Luft, während sich das Seil um die Hinterläufe zu wickeln begann. Der Tiermensch stürzte, und das Seil umwickelte ihn weiter. Der Junge, der viel seiner Kraft verloren hatte, rang verzweifelt nach Luft. So eine Verwandlung schien ihm keinesfalls den Regeln zu entsprechen. Doch des Meisters Gesicht blieb starr. Wollte er dieses unsportliche Ereignis ebenfalls ignorieren?

Halte Deine Gefühle im Zaum! Hass macht blind und Furor wendet sich gegen Dich!

Benno musste den Zentauren aufgeben. Alle Kraft und magische Energie war verloren und ging nun auf Safias Tafel über. Er bebte nun vor Zorn, und entgegen allen Regeln schrie er seiner Gegnerin eine Beleidigung zu.
„Du zauberst Schlangen, weil Du selbst eine bist.“ Safia wurde rot und ihre Augen funkelten. „Vielleicht steckt auf Deinem Hals der Pferdekopf, der Deinem Gaul gefehlt hat?“ fauchte sie wütend zurück. Kampfeswütig fühlte Benno über die verbliebenen Tafeln und bemerkte zu seiner Erleichterung, dass einer der Zauber willig anhaftete. Er befühlte die Kraft und stellte überrascht fest: Ein neuer Zauber des Meisters! Noch nie angewandt, daher ziemlich gefährlich. Jedoch, der Zauber wollte seine Macht entfalten, das spürte er in seiner Handfläche. Er atmete tief durch. „Ich muss sofort einen entscheidenden Schlag setzen, sonst verliere ich“, entschied er und musterte seine Gegnerin. Was war das? Hatte sie etwa keine Tafel anhaften? „Umso besser!“, dachte er und rief „Jetzt zeige ich es Dir, falsche Natter!"
Der Meister gab ein Handzeichen, welches eine Verwarnung für ihn bedeutete. Doch Benno ignorierte ihn. „Ich werde gewinnen“, beharrte er verbissen auf der Beschwörung des unbekannten Zaubers. Die Schüler raunten hörbar, als sie Bennos Manifestation erkannten – finstere Flammen eines magischen Feuers. Sie loderten nach allen Seiten und erzeugten einen starken Sog, der sie alle ins Verderben zu ziehen drohte.

Arthur Matuschek war aufgesprungen, Entsetzen stand in seinem Gesicht. „Benno, Du ehrgeiziger Narr!“, schrie er „beende diesen Zauber sofort! Ich bin Dein Meister!“
„Nein, von nun an nicht mehr! Ich bin groß! Ich bin stark! Ich bin un-be-sieg-bar!“, stieß Benno aus sich heraus. Dabei spürte er, wie das Gift sein Blut aufwallen ließ. „Den Mut es zu tun, die Kraft zu Kämpfen und die Macht zu siegen!“, schrie er wie rasend in den Saal.
Der Meister hechtete mit einem Satz, den man ihm nicht zugetraut hätte, zwischen das Feuer der Finsternis und die junge Elevin, die, seltsam erstarrt und mit aufgerissenen Augen, verfolgte, wie das kalte Feuer seinen Leinenmantel erfasste und zu feinem Äther verbrannte. Wild um sich schlagend versuchte der Alte nun die Flammen zu löschen und stieß dabei immer wieder Beschwörungsformeln aus. Doch der Wahnsinn, welcher in Bennos Adern brannte, schien die Flammen erst recht anzufachen - und so musste er mit ansehen, wie sich der Körper des Meisterzauberers immer mehr aufzulösen begann und nur noch als ein durchsichtiger, kaum mehr wahrnehmbarer Schatten über ihnen schwebte. Ein letzter, Nerven zerfetzender Schrei ertönte, und die Flammen peitschten nun auch auf Benno ein. Es fühlte sich an, als würde ihm die Haut aus dem Gesicht gerissen. Gleichzeitig verließ ihn seine Kraft und völlige Ohnmacht überwältigte ihn.

Als er wieder zu sich kam, fand er sich vor der Eingangstür wieder. Wie er dem Inferno entkommen war, vermochte er nicht zu sagen. Er fühlte sich vollkommen ausgebrannt und seine Haut schmerzte heftig. Dennoch drückte er die Klinke und betrat den Laden. Zu seiner nicht geringen Überraschung stand eine junge Frau hinter dem Ladentresen, die ihn freundlich ansprach „Nun junger Mann, was darf es sein?“ Safia! Sie sah so anders aus, irgendwie älter. „Wo ist der Meister?“ japste Benno. „Welcher Meister denn?“ Die Verkäuferin schien ganz verblüfft. „Arthur Matuschek, der Zaubermeister natürlich, der die Holztafeln herstellt…“ „Zaubermeister? Holztafeln? Tut mir leid, da weiß ich nichts drüber.“ „Aber Du bist doch die Safia aus Wien?!“ Die junge Frau blickte ihn erstaunt an, wurde dann aber ärgerlich „Wenn du mich vergackeiern willst, dann scher Dich fort. Einen Zaubermeister hat es hier nie gegeben, und nun hinaus!“

Verwirrt verließ Benno den Laden. Er warf noch einen letzten Blick ins Schaufenster. Dort lagen in einer Ecke die bekannten Holztafeln. Dabei fiel ihm eine Tafel auf, die ihm gänzlich neu war und das Antlitz eines alten Mannes zeigte. Das zerfurchte Gesicht dem des Meisters vollkommen gleich, seine Augen schienen ihn zu durchbohren. Plötzlich zwinkerte ihm der Alte mit einem Auge zu, und Benno vernahm eine bekannte Stimme „Das Geld. Hast Du es dabei?“
 



 
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