Benni Beilke
Mitglied
"An welche Orte hat Dich der Kompass Deines Lebens so getrieben?"
Oh, ein Pilosoph. Endlich mal wieder. Da ich nicht weiß, ob mein Taxifahrer Urlaub oder Leben meint, muss ich rückfragen:
"Meinst Du, wo ich gewohnt hab oder wo ich schon war?"
"Ich meine Deinen Werdegang. Deine Vita. Die Orte, die Dir wichtig waren. Nicht so Dinge wie Urlaubsorte. Sondern Stationen Deines Lebens. Möglichkeiten. Lebensreisen. Rückschläge. Veränderung. Scheitern. Erfolg. Die großen Dinge. Wie ging es Dir da so?"
Überrumpelung ist eine Taktik, die man nicht unterschätzen darf. Ich probiere es mit einer Antwort, die Andreas Thürk (wer ist das eigentlich?) so vermutlich nicht formuliert hätte:
"Naja, das waren ja jetzt ganz schön viele Optionen auf einmal. Die A8 war wohl meine Leitplanke: Stuttgart - Augsburg - München. Du kannst mein Leben eigentlich in 2,5 Stunden mit Deinem Taxi abfahren. Solltest halt nicht in die Städte jeweils reinfahren, weil dann könntest Du Dich in Geschichten verstricken. Was war denn Dein Leben so?"
Eigentlich war seine ganze Gesprächsführung von Anfang an nur auf diese Frage ausgerichtet (glaube ich) und deswegen sprudelt es aus ihm heraus wie Cola mit Mentos:
"Ich komme aus Serbien. Im Krieg damals war ich noch Kind. Mein Papa ist währenddessen gestorben leider. Kampfeinsatz. Meine Mama wollte immer, dass wir es besser haben. Ich wollte das auch, aber in Serbien war das schwierig. Nach dem Krieg war ich Jugendlicher, aber mein Land hat mir nicht viele Möglichkeiten geboten. Also bin ich in die USA zum Arbeiten gegangen ..."
Moment, ich muss ihn unterbrechen:
"Wie bist Du denn in die USA gekommen??? Da braucht man doch ein Visum und so."
Er unterbricht mich zurück:
"Wenn Du vor 25 Jahren bereit warst, in den USA Drecksjobs zu machen, dann hast Du auch ohne Probleme ein Visum bekommen. So war es zumindest bei mir und ich war dann nach kurzer Zeit Touristenführer am Walk of Fame in Los Angeles."
Ich unterbreche ihn zurück-zurück:
"Moment, das ist doch aber kein schlechter Job! Am Walk of Fame in Los Angeles Fremdenführer zu sein ist ja fast ein Traum wie Feuerwehrmann für 3-jährige, oder?"
Die Stimmung wird hitzig, er hat es ernster gemeint als ich dachte:
"Du verstehst nicht. Mit 8 Dollar Stundenlohn wird der Walk of Fame zum Walk of Shame. 8 Stunden mal 8 Dollar macht 64 Dollar am Tag, 320 Dollar die Woche. Das Zimmer hat schon 248 Dollar die Woche gekostet. Überleg mal!"
Ich überlege. Aber dann muss ich ihm doch noch die nächste Frage stellen:
"Naja, aber jetzt sitzen wir ja im Taxi gemeinsam und hier ist nicht USA. Wie bist denn jetzt vom Walk of Fame nach Germany gekommen?"
"Moment!"
Sagt er.
"Ich bin ja von den USA nach Malta gewechselt. Nachdem ich gemerkt habe, dass der American way of Dreams wie eine kurva ist, gab es ein Angebot von einem Hotel in Malta. Hab ich angenommen dann."
"Und war es dann auf Malta besser?"
Er schaut mich an als sei ich ein frierender Bernie Sanders im Frühjahr:
"Ungefähr 300 mal besser. Besseres Geld. Bessere Versicherung. Schönes Klima mit Meerzugang. Aber schlechte Arbeitszeiten."
"Und dann?"
Mittlerweile höre ich leicht gebannt zu.
"Dann habe ich eine Frau kennengelernt. Deutsche. Ich war Room-Boy, sie war Gast. Und sie hat mich gefragt, ob ich ein Rohr bei ihr verlegen kann."
Er lacht laut und jovial, die Innenverkleidung des Toyotas freut sich mit.
"Ok, ernsthaft jetzt?"
frage ich, wie ein Fynn Kliemann, der so tut, als ob er es ernst meint.
"Zumindest so ähnlich."
Er zwinkert dabei. Dann weiter:
"Jedenfalls haben wir uns verliebt und jetzt lebe ich hier. Und bin zufrieden."
"Wow!"
sage ich. Und dann fehlen mir die Worte. Aber sie fallen mir bestimmt wieder ein. Jetzt soll er mich erstmal heimfahren. Er wird ja fürs Fahren und nicht fürs Reden bezahlt. Und dann verliere ich mich in Gedanken. Andere nennen es Schlaf.
Als ich aufwache, sehe ich einen Finger, der aufs Taxameter tippt: 34,90.
Ich rappele mich auf, bezahle, packe meinen Rucksack, steige aus und da fällt es mir wieder ein:
"Dein Leben könnte man gar nicht mit einem Taxi in 2,5 Stunden nachfahren. Man bräuchte vermutlich noch ein Flugzeug und ein Schiff. Bin ich bisschen neidisch drauf."
Und dann gebe ich ihm ein beschwingtes Luftküsschen auf dieses Leben, das so viele Möglichkeiten bereitstellt und gehe erstmal ins Bettchen. Wer weiß, vielleicht wandere ich morgen ja auch aus. Oder halt einfach wieder zur Arbeit ...
Oh, ein Pilosoph. Endlich mal wieder. Da ich nicht weiß, ob mein Taxifahrer Urlaub oder Leben meint, muss ich rückfragen:
"Meinst Du, wo ich gewohnt hab oder wo ich schon war?"
"Ich meine Deinen Werdegang. Deine Vita. Die Orte, die Dir wichtig waren. Nicht so Dinge wie Urlaubsorte. Sondern Stationen Deines Lebens. Möglichkeiten. Lebensreisen. Rückschläge. Veränderung. Scheitern. Erfolg. Die großen Dinge. Wie ging es Dir da so?"
Überrumpelung ist eine Taktik, die man nicht unterschätzen darf. Ich probiere es mit einer Antwort, die Andreas Thürk (wer ist das eigentlich?) so vermutlich nicht formuliert hätte:
"Naja, das waren ja jetzt ganz schön viele Optionen auf einmal. Die A8 war wohl meine Leitplanke: Stuttgart - Augsburg - München. Du kannst mein Leben eigentlich in 2,5 Stunden mit Deinem Taxi abfahren. Solltest halt nicht in die Städte jeweils reinfahren, weil dann könntest Du Dich in Geschichten verstricken. Was war denn Dein Leben so?"
Eigentlich war seine ganze Gesprächsführung von Anfang an nur auf diese Frage ausgerichtet (glaube ich) und deswegen sprudelt es aus ihm heraus wie Cola mit Mentos:
"Ich komme aus Serbien. Im Krieg damals war ich noch Kind. Mein Papa ist währenddessen gestorben leider. Kampfeinsatz. Meine Mama wollte immer, dass wir es besser haben. Ich wollte das auch, aber in Serbien war das schwierig. Nach dem Krieg war ich Jugendlicher, aber mein Land hat mir nicht viele Möglichkeiten geboten. Also bin ich in die USA zum Arbeiten gegangen ..."
Moment, ich muss ihn unterbrechen:
"Wie bist Du denn in die USA gekommen??? Da braucht man doch ein Visum und so."
Er unterbricht mich zurück:
"Wenn Du vor 25 Jahren bereit warst, in den USA Drecksjobs zu machen, dann hast Du auch ohne Probleme ein Visum bekommen. So war es zumindest bei mir und ich war dann nach kurzer Zeit Touristenführer am Walk of Fame in Los Angeles."
Ich unterbreche ihn zurück-zurück:
"Moment, das ist doch aber kein schlechter Job! Am Walk of Fame in Los Angeles Fremdenführer zu sein ist ja fast ein Traum wie Feuerwehrmann für 3-jährige, oder?"
Die Stimmung wird hitzig, er hat es ernster gemeint als ich dachte:
"Du verstehst nicht. Mit 8 Dollar Stundenlohn wird der Walk of Fame zum Walk of Shame. 8 Stunden mal 8 Dollar macht 64 Dollar am Tag, 320 Dollar die Woche. Das Zimmer hat schon 248 Dollar die Woche gekostet. Überleg mal!"
Ich überlege. Aber dann muss ich ihm doch noch die nächste Frage stellen:
"Naja, aber jetzt sitzen wir ja im Taxi gemeinsam und hier ist nicht USA. Wie bist denn jetzt vom Walk of Fame nach Germany gekommen?"
"Moment!"
Sagt er.
"Ich bin ja von den USA nach Malta gewechselt. Nachdem ich gemerkt habe, dass der American way of Dreams wie eine kurva ist, gab es ein Angebot von einem Hotel in Malta. Hab ich angenommen dann."
"Und war es dann auf Malta besser?"
Er schaut mich an als sei ich ein frierender Bernie Sanders im Frühjahr:
"Ungefähr 300 mal besser. Besseres Geld. Bessere Versicherung. Schönes Klima mit Meerzugang. Aber schlechte Arbeitszeiten."
"Und dann?"
Mittlerweile höre ich leicht gebannt zu.
"Dann habe ich eine Frau kennengelernt. Deutsche. Ich war Room-Boy, sie war Gast. Und sie hat mich gefragt, ob ich ein Rohr bei ihr verlegen kann."
Er lacht laut und jovial, die Innenverkleidung des Toyotas freut sich mit.
"Ok, ernsthaft jetzt?"
frage ich, wie ein Fynn Kliemann, der so tut, als ob er es ernst meint.
"Zumindest so ähnlich."
Er zwinkert dabei. Dann weiter:
"Jedenfalls haben wir uns verliebt und jetzt lebe ich hier. Und bin zufrieden."
"Wow!"
sage ich. Und dann fehlen mir die Worte. Aber sie fallen mir bestimmt wieder ein. Jetzt soll er mich erstmal heimfahren. Er wird ja fürs Fahren und nicht fürs Reden bezahlt. Und dann verliere ich mich in Gedanken. Andere nennen es Schlaf.
Als ich aufwache, sehe ich einen Finger, der aufs Taxameter tippt: 34,90.
Ich rappele mich auf, bezahle, packe meinen Rucksack, steige aus und da fällt es mir wieder ein:
"Dein Leben könnte man gar nicht mit einem Taxi in 2,5 Stunden nachfahren. Man bräuchte vermutlich noch ein Flugzeug und ein Schiff. Bin ich bisschen neidisch drauf."
Und dann gebe ich ihm ein beschwingtes Luftküsschen auf dieses Leben, das so viele Möglichkeiten bereitstellt und gehe erstmal ins Bettchen. Wer weiß, vielleicht wandere ich morgen ja auch aus. Oder halt einfach wieder zur Arbeit ...